OLG München, Urteil vom 14.05.2009 - U (K) 3283/08
Fundstelle
openJur 2012, 100793
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts München I vom 29. April 2008 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 20,50 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 15. Mai 2009 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A.

Die Klägerin beliefert Endkunden mit Strom und nutzt dafür das Versorgungsnetz der Beklagten. Sie hält die von dieser geforderten Netznutzungsentgelte für überhöht und hat auf die Bestimmung des billigen Netznutzungsentgelts sowie die Rückzahlung des überhöhten Teils ihrer Entgeltzahlungen geklagt. Sie wendet sich gegen das klageabweisende landgerichtliche Urteil vom 29. April 2008, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, und beantragt,

das landgerichtliche Urteil aufzuheben und

das billige Netznutzungsentgelt einschließlich der Mess- und Verrechnungsentgelte für die Nutzung des Stromversorgungsnetzes der Beklagten durch die Klägerin zur Energieversorgung ihrer Kunden, die sie in den Jahren 2003 bis 2004 im Netzgebiet der Beklagten angemeldet und versorgt hat, einschließlich der Nutzung der vorgelagerten Netze, soweit berechnet beziehungsweise übergewälzt, zu bestimmen sowie

die Beklagte zu verurteilen, die Differenz zwischen den ausweislich der Auflistung Anlage K 42 und Anlage K 44 tatsächlich gezahlten Entgelte für die Netznutzung für die Jahre 2003 bis 2004 in Gesamthöhe von 6.849,04 Euro (netto) und dem vom Gericht bestimmten billigen Entgelt für die Jahre 2003 bis 2004 für die Netznutzung zzgl. Umsatzsteuer sowie gesetzlicher Rechtshängigkeitszinsen an die Klägerin zu zahlen.

Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll des Termins vom 5. März 2009 Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung ist nur in geringem Umfang begründet.

I. Der Zahlungsantrag ist teilweise erfolgreich.

1. Er ist zulässig, insbesondere – obgleich nicht beziffert – hinreichend bestimmt, weil der Betrag rechtsgestaltend vom Gericht festzusetzen ist (vgl.Reicholdin:Thomas/Putzo, ZPO, 29. Aufl. 2008, § 253 Rz. 12 m. w. N.).

2. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ist teilweise begründet, da die Klägerin hinsichtlich einzelner ihrer Kunden mehr als das billige Netznutzungsentgelt gezahlt hat und die Beklagte den überschießenden Zahlungsteil ohne rechtlichen Grund erlangt hat (§ 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB). Allerdings hat die Klägerin nur einige der von ihr behaupteten Zahlungen nachgewiesen.

a) Die Klägerin war nicht zur Zahlung der von der Beklagten festgesetzten Netznutzungsentgelte verpflichtet, da diese nicht der Billigkeit entsprachen.

13aa) Der Beklagten stand nach der Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 1 EnWG 1998 von Gesetzes wegen ein Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 315 BGB zu (vgl. BGH NJW 2008, 2175 –Stromnetznutzungsentgelt IIITz. 18 ff.). Dabei kommt es nicht darauf an, ob auch die Erstpreise (vgl. Anl. K 2 Ziff. 7.1) bereits einseitig von der Beklagten bestimmt oder diese zwischen den Parteien vereinbart wurden (vgl. BGH, a. a. O., –Stromnetznutzungsentgelt IIITz. 22 ff. (25)). Entgegen der Auffassung der Beklagten kann weder den vertraglichen Beziehungen der Parteien noch der Vorschrift des § 6 EnWG 1998 entnommen werden, dass nicht die Beklagte, sondern ein Dritter das Entgelt bestimmen sollte, dass also statt der Vorschrift des § 315 BGB diejenige des § 317 BGB Anwendung fände.

bb) Der Umstand, dass die Tarife der Beklagten von der für die Preisgenehmigung nach § 12 der Bundestarifordnung Elektrizität (BTOElt) zuständigen Landesbehörde nicht beanstandet worden sein mögen, schließt die Anwendung des § 315 BGB nicht aus. Denn die öffentlich-rechtliche Wirkung einer Nichtbeanstandung beschränkt sich auf das Verhältnis der Behörde zum Netzbetreiber und ist für die privatrechtliche Überprüfung eines einseitig festgesetzten Entgelts am Maßstab des § 315 Abs. 3 BGB nicht präjudiziell (vgl. BGH NJW 2006, 684 –Stromnetznutzungsentgelt ITz. 20).

Nichts anderes ergibt sich aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14. August 2008 – KVR 27/07 Tz. 32 –Stadtwerke Engen(juris), dazu, dass ein Netzbetreiber seine ursprünglichen Entgelte gemäß § 23 a Abs. 5 Satz 1 EnWG beibehalten dürfe. Diese Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf das Entgeltregulierungsverfahren; ihnen kann nicht entnommen werden, dass der Gesetzgeber durch die Vorschrift des § 23 a Abs. 5 Satz 1 EnWG den Netznutzern bereits entstandene zivilrechtliche Rückforderungsansprüche hätte entziehen wollen.

cc) Die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit der von ihr festgesetzten Entgelte obliegt der Beklagten.

17(1) Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass das von ihm festgesetzte Entgelt der Billigkeit entspricht, trifft auch im Rückforderungsprozess, den Netzbetreiber, wenn das Entgelt vom Nutzer nur unter Vorbehalt gezahlt worden ist (vgl. BGH, a. a. O., –Stromnetznutzungsentgelt IIITz. 27).

(2) Im Streitfall hat die Klägerin erklärt, "vorläufig alle Entgelte unter Vorbehalt ihrer energie- und kartellrechtlichen Überprüfung im Ganzen und in ihren einzelnen Bestandteilen und unter Vorbehalt der Rückforderung" zu zahlen (vgl. Anl. K 3).

Die Bezugnahme auf "alle Entgelte" erlaubt es nicht, den Vorbehalt lediglich auf die Entgelte nach dem bei Vertragsschluss geltenden Preisblatt der Beklagten bezogen anzusehen; vielmehr ist er auch aus der Sicht der Beklagten dahin zu verstehen, dass er sich auch auf solche Entgelte beziehe, die auf der Grundlage künftiger Preisblätter berechnet würden. Angesichts der ausdrücklichen Bezugnahme auf eine energie- und kartellrechtliche Überprüfung kann dem Vorbehalt auch nicht die Bedeutung beigemessen werden, lediglich dem Einwand des § 814 BGB zu begegnen.

Im Streitfall war nicht vereinbart, dass die aus der Verbindung der Parteien entspringenden beiderseitigen Ansprüche und Leistungen nebst Zinsen in Rechnung gestellt und in regelmäßigen Zeitabschnitten durch Verrechnung und Feststellung des für den einen oder anderen Teil sich ergebenden Überschusses ausgeglichen werden (Kontokorrent; vgl. § 355 HGB), so dass entgegen der Auffassung der Beklagten keine schuldumschaffenden Saldenanerkenntnisse vorliegen, hinsichtlich derer die Klägerin jeweils erneut einen Vorbehalt hätte erklären müssen.

dd) Der sie treffenden Darlegungslast ist die Beklagte nicht nachgekommen.

(1) Ohne Erfolg beruft sie sich auf die Vermutung der Erfüllung der Bedingungen guter fachlicher Praxis, die sich gemäß § 6 Abs. 1 Satz 5 EnWG 1998 bis zum 31. Dezember 2003 aus der Einhaltung der VV II plus ergab.

Da die Preisfindungsprinzipien die Erfordernisse guter fachlicher Praxis i. S. d. § 6 Abs. 1 Satz 1 EnWG 1998 konkretisieren sollen, sind sie ihrerseits im Lichte der Zielsetzung des § 6 Abs. 1 Satz 4 EnWG 1998 auszulegen und anzuwenden, eine möglichst sichere, preisgünstige und umweltverträgliche leitungsgebundene Stromversorgung und darüber hinaus wirksamen Wettbewerb zu gewährleisten. Wo die Preisfindungsprinzipien Bewertungsspielräume eröffnen, sind sie daher so zu nutzen, dass dem Gesetzeszweck bestmöglich Rechnung getragen wird (vgl. BGH, a. a. O., –Stromnetznutzungsentgelt ITz. 25). Angesichts dieser Spielräume besteht auch bei Einhaltung der VV II plus die Möglichkeit, dass unbillige Entgelte verlangt werden (vgl. auch BGH, Beschl. v. 28. Juni 2005 – KVR 17/04 –Stadtwerke Mainz, juris, dort Tz. 9).

Dem Vorbringen der Beklagten sind keinerlei Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die angesprochenen Spielräume von ihr in einer Weise genutzt worden wären, die die Billigkeit des festgesetzten Entgelts sichergestellt hätte.

(2) Auch im Übrigen können dem Vorbringen der Beklagten im ersten Rechtszug keinerlei konkrete Umstände, geschweige denn Beweisantritte entnommen werden, die die Feststellung erlaubten, die von der Beklagten bestimmten Entgelte hätten der Billigkeit entsprochen.

26Soweit die Beklagte nunmehr im Berufungsverfahren den Beweis durch Zeugen angekündigt – jedoch nicht angetreten – hat (vgl. Bl. 471 Rückseite d. A.), fehlt es schon an der Angabe konkreter Beweisthemen; die angekündigte Beweisbehauptung, die Kalkulation der Beklagten habe der VV II plus entsprochen, ist – wie bereits dargelegt – angesichts der Bewertungsspielräume in dieser Vereinbarung für sich nicht geeignet, die Billigkeit des Entgelts darzutun. Im Übrigen ist dieses Verteidigungsmittel nicht zuzulassen, weil es auf einer Nachlässigkeit der Beklagten beruht, dass dieser Vortrag nicht bereits im ersten Rechtszug erfolgt ist (vgl. § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Das Landgericht hatte bereits mit Hinweisbeschluss vom 13. März 2007 (Bl. 110 f. d. A.) die entsprechenden Rügen der Klägerin aufgegriffen und ausgeführt, dass die Beklagte die volle Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit ihrer Entgelte treffe; gleichwohl hat die Beklagte im ersten Rechtszug hierzu nicht vorgetragen.

27ee) Damit ist davon auszugehen, dass die Entgeltbestimmung der Beklagten nicht der Billigkeit entspricht und daher gemäß § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht verbindlich ist. Es bedarf daher gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB der Bestimmung durch Urteil.

28ff) Dafür kann der Senat nur wenig aussagekräftige Umstände heranziehen, da die Beklagte der sie treffenden Darlegungslast nicht nachgekommen ist. Diese Obliegenheitsverletzung der Beklagten führt indes nicht dazu, dass das billige Entgelt auf Null festzusetzen wäre, da dem Senat im Streitfall – anders als im Fall des Urteils des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. November 2008 – VI-2 U (Kart) 12/07 (juris, vgl. dort Tz 38) – eine Schätzung möglich ist. Im Übrigen wäre der mit einer Festsetzung auf Null verbundene Strafcharakter mit dem Billigkeitsprinzip des § 315 BGB nicht vereinbar; auch ohne näheren Vortrag der Beklagten ist sicher, dass das der Billigkeit entsprechende Entgelt über Null liegt, schon weil die Beklagte ihrerseits Netzentgelte an die Übertragungsnetzbetreiber zu zahlen hatte.

29Als Erkenntnisquelle zur Angemessenheit von Netznutzungsentgelten stehen dem Senat die in ihrem tatsächlichen Gehalt nicht bestrittenen Angaben der Klägerin zu den Ergebnissen der Netzentgeltregulierung zur Verfügung. Diese erlauben eine schätzweise Bestimmung des billigen Netzentgelts. Einer weiteren Sachaufklärung durch die Anordnung der Begutachtung durch einen Sachverständigen steht entgegen, dass diese mit Schwierigkeiten – und damit einhergehend mit erheblichen Kosten – verbunden wäre, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen. Der Senat sieht deshalb in Anwendung des Rechtsgedankens des § 287 Abs. 2 ZPO von einer ins letzte Detail gehenden Aufklärung sämtlicher Umstände ab.

Bei Verteilungsnetzen kam es im Rahmen der Entgeltregulierung zur Absenkung der Nettoentgelte von rund 15 bis fast 25 % Prozent (vgl. die als Anl. K 10 vorgelegte Pressemitteilung der Bundesnetzagentur v. 19. September 2006). Angesichts des Umstands, dass die Vorgehensweise der Regulierungsbehörden durch den Bundesgerichtshof in der Sache weitgehend bestätigt wurde, erscheint ein im Mittelbereich der aufgezeigten Spanne liegendes Entgelt im Streitfall auch unter Berücksichtigung des Umstands als angemessen, dass die Regulierungsbescheide nicht unmittelbar die im Streitfall relevanten Jahre 2003 und 2004 betrafen. Im Rahmen der Billigkeitsbestimmung und in Anwendung des § 287 Abs. 2 ZPO legt der Senat das gesamte von der Beklagten für die Netznutzung geforderte Entgelt als Bezugsgröße zu Grunde und bemisst das der Billigkeit entsprechende Entgelt unter Berücksichtigung dessen, dass darin auch die nicht streitgegenständlichen und von einer Reduzierung nicht betroffenen Kostenfaktoren Konzessionsabgabe und KWKG-Umlage enthalten sind, dergestalt, dass 15 % des von der Beklagten geforderten Entgelts den geschuldeten Betrag übersteigen. Umstände, die es rechtfertigen könnten, das billige Entgelt im Streitfall höher festzusetzen, hat die dafür darlegungsbelastete Beklagte nicht vorgetragen.

b) Obwohl die Beklagte überhöhte Netznutzungsentgelte verlangte, ist der Zahlungsanspruch nur zum Teil begründet.

aa) Die Klägerin hat nur einen Teil der von ihr behaupteten und von der Beklagten bestrittenen Zahlungen nachgewiesen, deren Rückzahlung sie nunmehr verlangt.

(1) Bei der Geltendmachung eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs hat grundsätzlich der Bereicherungsgläubiger die Voraussetzungen seines Anspruchs zu beweisen (vgl. BGH NJW-RR 2004, 556;Sprauin:Palandt, BGB, 68. Aufl. 2009, § 812 Rz. 76;Striederin:Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Band 1, 2. Aufl. 1991, § 812 Rz. 4), so auch den Umstand, dass der Schuldner etwas erlangt hat (vgl. BGH, Urt. v. 27. Februar 2007 – XI ZR 55/06, juris, Tz. 27 m. w. N.). Das gilt auch für Kontoüberweisungen; ein Sonderfall, wie er dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21. Oktober 1982 – VII ZR 369/80 (NJW 1983, 626 ff.) zu Grunde lag (unstreitige Gutschrift auf ein Konto, von dem der auf Bereicherung in Anspruch Genommene behauptet, er sei nur pro forma als Inhaber angegeben), ist im Streitfall nicht erkennbar.

(2) Die Klägerin hat lediglich für drei Kundenverhältnisse Abschlagszahlungen auf das jeweilige Netznutzungsentgelt nachgewiesen.

aaa) Ausweislich des durch Vorlage der Anlage BK 5 gestützten Vortrags der Klägerin hat die Klägerin folgende Zahlungen geleistet:

– Kunde F.: Abschlagszahlung von 275,– Euro auf ein Gesamtentgelt für das Jahr 2003 von 344,96 Euro,

– Kunde L. Wohnung: Abschlagszahlung von 288,– Euro auf ein Gesamtentgelt für das Jahr 2003 von 371,81 Euro und

– Kunde L. Büro: Abschlagszahlung von 192,– Euro auf ein Gesamtentgelt für das Jahr 2003 von 201,77 Euro.

Dass die Klägerin diese Zahlungen tatsächlich erbracht hatte, ergibt sich daraus, dass die Beklagte in diesen Fällen in ihren Abrechnungen gemäß Anlage BK 5 selbst von "gel. (= geleisteten) Zahlungen" sprach.

Dagegen sind die sonstigen von der Klägerin vorgelegten Unterlagen nicht geeignet, die behaupteten Zahlungen nachzuweisen. Insbesondere folgt aus den Rechnungen gemäß Anlage BK 5 nicht ohne Zweifel, dass die in Rechnung gestellten Beträge auch bezahlt wurden, die sich aus der Differenz der – zu geringen – Abschlagszahlungen und den von der Beklagten schließlich verlangten Gesamtentgelten ergeben. Ob diese Differenzbeträge ebenfalls erbracht wurden, kann den Abrechnungen der Beklagten naturgemäß nicht sicher entnommen werden. Dafür mag zwar eine beträchtliche Wahrscheinlichkeit sprechen, Gewissheit besteht insoweit indes nicht.

bbb) Der Senat sieht keine Veranlassung dafür, der Klägerin Darlegungs- und Beweiserleichterungen zuzugestehen, da die Erfüllung ihrer Verpflichtung zur Zahlung in deren Sphäre fällt und kein Umstand ersichtlich ist, weshalb sie ihrer Obliegenheit nicht nachkommen könnte.

Der Vorgang der Abbuchung oder Überweisung ist den Sphären beider Parteien in gleicher Weise zuzuordnen; er findet seinen Niederschlag sowohl in den Belegen für die klägerischen Konten als auch in denen für die Konten der Beklagten. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte insoweit leichteren Zugang zu den entsprechenden Unterlagen hätte. Zwar könnte diese durch Auswertung der Auszüge ihrer Konten Nachweise für die Buchungseingänge – oder deren Fehlen – finden. Entsprechendes gilt aber in gleichem Maße für die Klägerin hinsichtlich der von deren eigenen Konten abgehenden Abbuchungen. Angesichts dieser Vergleichbarkeit muss es bei der gesetzlichen Beweislastverteilung, die die Klägerin trifft, sein Bewenden haben.

Es gibt keinen stichhaltigen Grund dafür, die prozessuale Last der – wegen ihres Umfangs möglicherweise besonders lästigen – Sichtung von Kontounterlagen von der darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin auf die Beklagte zu verlagern.

bb) Aus den von der Klägerin belegten Zahlungen ergibt sich ein Zahlungsanspruch in Höhe von 20,50 Euro.

Im Fall des Kunden F. hatte die Beklagte das Entgelt für die im Jahr 2003 in Anspruch genommene Netznutzung auf 344,96 Euro festgesetzt. Der Billigkeit entsprach ein Entgelt in Höhe von 85 % davon, mithin 293,22 Euro. Nachgewiesen hat die Klägerin eine Zahlung in Höhe von 275,00 Euro. Eine Überzahlung, die sie zurückfordern könnte, liegt in diesem Fall nicht vor.

Im Fall des Kunden L. (Wohnung) hatte die Beklagte das Entgelt für die im Jahr 2003 in Anspruch genommene Netznutzung auf 371,96 Euro festgesetzt. Der Billigkeit entsprach ein Entgelt in Höhe von 85 % davon, mithin 316,17 Euro. Nachgewiesen hat die Klägerin eine Zahlung in Höhe von 288,00 Euro. Eine Überzahlung, die sie zurückfordern könnte, liegt auch in diesem Fall nicht vor.

Im Fall des Kunden L. (Büro) schließlich hatte die Beklagte das Entgelt für die im Jahr 2003 in Anspruch genommene Netznutzung auf 201,77 Euro festgesetzt. Der Billigkeit entsprach ein Entgelt in Höhe von 85 % davon, mithin 171,50 Euro. Nachgewiesen hat die Klägerin eine Zahlung in Höhe von 192,00 Euro. Sie hat den Differenzbetrag von 20,50 Euro ohne Rechtsgrund geleistet und kann ihn gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zurückfordern.

c) Die von der Beklagten gegen diese Zahlungsverpflichtung erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.

aa) Darauf, dass die Klägerin die ungerechtfertigt bezahlten Entgeltteile auf ihre eigenen Abnehmer überwälzen konnte und damit einen Vorteil erzielt haben mag, der den Verlust durch die Überzahlungen ausgleicht, kann sich die Beklagte nicht berufen. Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung finden im Bereicherungsrecht keine Anwendung (vgl. BGH NJW 2008, 845 Tz. 34 m. w. N.).

bb) Ebenso ohne Erfolg bleibt die Verteidigung der Beklagten damit, dass unter dem seit 2005 geltenden Regime der Netzentgeltregulierung Mehrerlöse, die durch zu hohe Entgelte erzielt worden sind, periodenübergreifend bei der Berechnung künftiger Entgelte angerechnet werden müssen (vgl. BGH, Beschl. v. 14. August 2008 – KVR 39/07 Tz. 20 –Vattenfall, juris). Das ist für die im Streitfall relevanten Zeiträume 2003 und 2004 ohne Belang.

cc) Es kann auch dahin stehen, inwieweit die Beklagte dadurch entreichert ist, dass sie ihrerseits einen Teil der ungerechtfertigt erlangten Entgeltanteile an die Betreiber vorgelagerter Netze gezahlt hat. Denn die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB ist in entsprechender Anwendung des § 820 Abs. 1 Satz 2, § 818 Abs. 4 BGB ausgeschlossen, weil die Klägerin unter Vorbehalt gezahlt hat, ohne dass die Beklagte dem widersprochen hätte (vgl. BGH NJW 2006, 286 (288);Sprauin:Palandt, BGB, 68. Aufl. 2009, § 820 Rz. 4; jeweils m. w. N.).

dd) Der Zahlungsanspruch ist entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nicht verwirkt.

(1) Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre (Zeitmoment), und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (Umstandsmoment). Die Verwirkung ist ein Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung auf Grund widersprüchlichen Verhaltens. Der Verstoß gegen Treu und Glauben besteht in der Illoyalität der verspäteten Geltendmachung des Anspruchs (vgl. BGH NJW 2008, 2254 Tz. 22 m. w. N.).

Zeit- und Umstandsmoment können nicht voneinander unabhängig betrachtet werden, sondern stehen in einer Wechselwirkung. Die zeitlichen wie die sonstigen Umstände des Falls müssen in ihrer Gesamtheit die Beurteilung tragen, dass Treu und Glauben dem Gläubiger die Verfolgung des Anspruchs verwehren, mit dessen Geltendmachung der Schuldner nicht mehr rechnen musste (vgl. BGH GRUR 2003, 232 (327) –Temperaturwächter). Dabei ist von dem Grundsatz auszugehen, dass umso seltener Raum für eine Verwirkung sein wird, je kürzer die Verjährungsfrist ist. Hat sich der Gesetzgeber für die kurze Verjährungsfrist von drei Jahren entschieden, so ergibt sich schon daraus, dass dem Gläubiger dieser Zeitraum für die Geltendmachung seiner Ansprüche grundsätzlich ungeschmälert erhalten bleiben soll (vgl. BGH NJW 1992, 1755 (1756);Heinrichsin:Palandt, BGB, 68. Aufl. 2009, § 242 Rz. 97;Rothin: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2007, § 242 Rz. 302 und Rz. 321;Looscheldersin:Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2005, § 242 Rz. 314). Vor Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist kann Verwirkung daher nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände eintreten.

(2) An solchen fehlt es im Streitfall.

Es gab schon kein Verhalten der Klägerin, das es der Beklagten gestattet hätte, sich darauf einzurichten, dass die Klägerin die Unbilligkeit der Entgeltfestsetzung und die sich daraus ergebenden Bereicherungsansprüche nicht mehr geltend machen würde. Allein der Umstand, dass die Klägerin ihren Vorbehalt nach Erhalt der Jahresschlussrechnung für 2003 nicht wiederholt hatte, durfte die Beklagte angesichts der weiten Fassung des Vorbehalts nicht dahin verstehen, dass nunmehr die Vereinbarkeit der Entgelte mit Energie- und Kartellrecht nicht mehr in Frage stehe. Zudem berief sich die Klägerin in ihren Schreiben vom 30. August 2004, 8. Dezember 2005 und 24. August 2006 (sämtlich Anlage K 23) auf ihre Vorbehaltserklärungen.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich die Beklagte in einer Weise tatsächlich darauf eingerichtet hätte, dass sie keinen Rückforderungen mehr ausgesetzt sei, die bei der gebotenen wertenden Betrachtung ein hinreichendes Umstandsmoment darstellen könnte. Allein die Vereinnahmung der Zahlungen und deren Versteuerung sind als alltägliche Vorgänge nicht geeignet, bei der kurzen verstrichenen Zeit ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten zu begründen. Angesichts der vergleichsweise geringen Beträge kann auch der Verzicht auf Rückstellungen nicht dahin verstanden werden, dass sich die Beklagte darauf eingerichtet hätte, keine Zahlungen mehr leisten zu müssen.

Insgesamt kann nicht die Rede davon sein, dass die Anspruchsgeltendmachung illoyal sei.

3. Da ihnen jedenfalls keine weitergehenden Ansprüche zu entnehmen sind, bedürfen die von der Klägerin ebenfalls herangezogenen Anspruchsgrundlagen § 19 Abs. 4 Nr. 2, § 20 Abs. 1 und § 33 GWB keiner Erörterung.

4. Der Zinsanspruch beruht auf § 291 Satz 1, 2. Halbsatz, § 288 Abs. 2 BGB. In entsprechender Anwendung des § 820 Abs. 2 BGB hat die Beklagte Zinsen erst ab Verkündung dieses Urteils zu zahlen, weil sie erst dadurch erfährt, dass der Vorbehalt der Klägerin gerechtfertigt war.

II. Der gesonderte Antrag auf ausdrückliche Bestimmung des billigen Netznutzungsentgelts ist unzulässig, weil ihm das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.

Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage fehlt, wenn der Kläger kein schutzwürdiges Interesse an dem begehrten Urteil haben kann (vgl. BGH NJW-RR 1989, 263 (264);Gregerin:Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, vor § 253 Rz. 18; vgl. auch BGH GRUR 1999, 522 (524) –Datenbankabgleichm. w. N.).

Im Streitfall hat die Klägerin Leistungsklage erhoben, in deren Rahmen inzident das billige Entgelt zu bestimmen ist. Soweit die Klage begründet ist, bedarf die Klägerin eines eigenständigen Ausspruchs, auf welche Höhe das billige Entgelt bestimmt wird, nicht. Soweit die Zahlungsklage keinen Erfolg hat, ist erst recht nicht ersichtlich, welches schutzwürdige Interesse die Klägerin an einer davon losgelösten Bestimmung des billigen Entgelts haben könnte.

III. Die nach der mündlichen Verhandlung von den Parteien eingereichten Schriftsätze geben keinen Anlass, die Verhandlung gemäß § 156 ZPO wieder zu eröffnen.

C. Zu den Nebenentscheidungen:

1. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 92 Abs. 2 ZPO (vgl.Hüßtegein:Thomas/Putzo, ZPO, 29. Aufl. 2008, § 92 Rz. 8).

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

3. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor (vgl. dazu BGH NJW 2003, 65 ff.). Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter B. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.