VG Augsburg, Urteil vom 19.05.2009 - Au 3 K 08.1495
Fundstelle
openJur 2012, 100654
  • Rkr:
Tenor

I. Der Bescheid des Landratsamtes … vom 21. Mai 2001 wird aufgehoben, soweit von der Klägerin ein höherer Betrag als 870,59 EUR gefordert wird. Der Widerspruchsbescheid der Regierung von … vom 23. September 2008 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung seitens der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Ersatz von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz.

1. Die Klägerin hat für ihren am 16. Januar 1989 geborenen Sohn in der Zeit vom 1. August 1989 bis 31. Juli 1992 und vom 1. Januar 1996 bis 31. Dezember 1997 vom Landratsamt … Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz erhalten. Der unterhaltspflichtige Vater leistete bis Dezember 1997 in unregelmäßigen Abständen und in nicht gleichbleibender Höhe zum Ausgleich Abschlagszahlungen an das Landratsamt. Am 10. April 1997 waren die im Zeitraum 1. August 1989 bis 31. Juli 1992 erfolgten Zahlungen vollständig beglichen. Laut Schlussbericht vom 20. März 2001 betrug der Schuldensaldo hinsichtlich der anderen Leistungszeiträume noch 4.728,57 DM (vgl. Bl. 202 sowie 120 der Behördenakten des Landratsamtes …).

Das Kreisjugendamt … übte für den Sohn der Klägerin bis Oktober 1997 auch eine Amtspflegschaft aus. Im Herbst 1997 zog die Klägerin in den Zuständigkeitsbereich des Landkreises …. Mit Schreiben vom 15. Oktober 1997 teilte ihr das Landratsamt … mit, dass alle Aktenunterlagen an das Kreisjugendamt … übersandt worden seien und die Amtspflegschaft auf dieses übergegangen sei. Sie solle sich in allen Unterhaltsangelegenheiten künftig nur noch an dieses Amt wenden. Mit Schreiben vom 15. September 1998 wies das Kreisjugendamt … das zuständig gewordene Landratsamt … darauf hin, dass Rückstände aus Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz vorlägen, welche bis 31. März 1999 gestundet worden seien.

2. Am 19. März 1999 stellte die Klägerin beim Landratsamt … einen Antrag auf Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. Dabei ließ sie die Felder zur Frage, ob für das Kind bereits Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gewährt worden seien (Ziffer 16 lit. a bis d des Antragsformulars), unbeantwortet. Mit Schreiben vom 17. März 1999 forderte der Beklagte sie deshalb dazu auf mitzuteilen, ob bereits von einem anderen Jugendamt Unterhaltszahlungen gewährt wurden. Eine Antwort der Klägerin folgte nicht. Auf ihre Angaben hin bewilligte der Beklagte dem Sohn der Klägerin mit Bescheid vom 6. Mai 1999 für die Zeit vom 1. Februar 1999 bis 15. Januar 2001 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Höhe von 296,00 DM monatlich. Mit Änderungsbescheid vom 2. Juli 1999 wurden die Leistungen für die Zeit vom 1. Juli 1999 bis 15. Januar 2001 in Höhe von 306,00 DM monatlich sowie mit letztem Änderungsbescheid vom 28. Januar 2000 in der Zeit vom 1. Januar 2000 bis 15. Januar 2001 schließlich in Höhe von 296,00 DM monatlich festgesetzt.

3. Mit Bescheid vom 21. Mai 2001 hob der Beklagte den Bescheid vom 6. Mai 1999 und den Änderungsbescheid vom 2. Juli 1999 für den Zeitraum vom 1. Februar 2000 bis 15. Januar 2001 nach § 45 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch auf (Ziffer 1 des Bescheides) und forderte die für diesen Zeitraum geleisteten Zahlungen in Höhe von insgesamt 3.404,00 DM zurück (Ziffer 2). Die Klägerin habe es bei ihrer Antragstellung verabsäumt, die bereits vom Landratsamt … gezahlten Unterhaltsvorschussleistungen anzugeben. Die Höchstleistungsdauer von 72 Monaten sei am 31. Januar 2000 erreicht worden. Die Klägerin habe bei der Antragstellung vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht. Sie habe wissen müssen, dass Unterhaltsvorschussleistungen nur für 72 Monate gewährt würden. Bei der Antragstellung sei ihr ein Merkblatt über die Leistungen und die Mitteilungspflichten ausgehändigt worden.

Hiergegen erhob die Klägerin am 12. Juni 2001 Widerspruch, welcher mit Widerspruchsbescheid vom 23. September 2008 zurückgewiesen wurde.

4. Die Klägerin lässt beantragen,

den Bescheid des Landratsamtes … vom 21. Mai 2001 und den Widerspruchsbescheid der Regierung von … vom 23. September 2008 aufzuheben.

Zur Begründung trägt sie vor, dass sie auf Grund des Schreibens des Landratsamtes … vom 15. Oktober 1997 darauf vertraut habe, dass das Landratsamt … ausreichend darüber informiert gewesen sei, dass bereits Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz geflossen seien. Es habe sie ein Mitarbeiter des nach dem Umzug zuständig gewordenen Jugendamtes angerufen und gefragt, ob der Vater des Kindes Unterhalt zahle. Als sie dies verneint habe, sei ihr erklärt worden, dass sie einen neuen Antrag zugeschickt bekomme und erneut Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz beantragen könne. Sie habe sich an die Zeiten, zu welchen sie bereits Leistungen bezogen habe, nicht mehr genau erinnern können und habe nichts Falsches angeben wollen. Sie verfüge nicht über ausreichendes juristisches Fachwissen, sodass ihr die Höchstbezugsdauer von 72 Monaten nicht bekannt gewesen sei. Zudem ist die Klägerin der Meinung, dass zu dem auf 72 Monate begrenzten Leistungszeitraum nur die Monate zählten, für welche der Kindsvater keinen Unterhalt gezahlt habe. Aus einer ihr zugeleiteten Aufstellung über die Zahlungen des Kindsvaters sei aber zu entnehmen, dass dieser ab November 1989 bis Juli 1995 ganz erhebliche Zahlungen an das Landratsamt … geleistet habe, dies gelte ebenso für den Zeitraum von März 1997 bis einschließlich April 1998. Es sei weder üblich noch sinnvoll, dass das Jugendamt weiterhin Unterhaltsvorschussleistungen an die Mutter bezahle, wenn gleichzeitig der Vater den Unterhalt an das Amt leiste. Dadurch werde der Anspruch der Kindsmutter ohne nachvollziehbaren Grund verkürzt. Üblicherweise würden die Vorschussstellen bei Zahlungen des Kindsvaters die Bewilligungsbescheide aufheben. Insgesamt sei es treuwidrig, ihr als juristischem Laien die Verpflichtung zur Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen aufzubürden und sie nach über sieben Jahren mit einem negativen Widerspruchsbescheid zu überraschen.

5. Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landratsamt … sei zum Zeitpunkt des Bewilligungsverfahrens nur in Besitz der Vorakten zur Amtspflegschaft, nicht jedoch derjenigen zum Unterhaltsvorschuss gewesen. Diese Akten würden üblicherweise bei der bisherigen Bewilligungsbehörde angefordert, sofern bei der Antragstellung bekannt wird, dass bereits von diesem Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bewilligt wurden. Deshalb seien hier erstmals im Jahr 2001 die Akten an das Amt übersandt worden. Es könne bei der Klägerin auch nicht von einem Irrtum bei der Antragstellung ausgegangen werden. Sie habe beim vormals zuständigen Landratsamt bereits mehrfach Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz beantragt und bei jeder Antragstellung zur Frage, ob das Kind bereits Leistungen bezogen habe, Stellung genommen. Mit Schreiben vom 17. März 1999 sei die Klägerin auch dezidiert dazu befragt worden, ob bereits von einem anderen Jugendamt Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gewährt worden seien. Dieses Schreiben habe die Klägerin unbeantwortet gelassen.

6. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 19. Mai 2009 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet.

Der Bescheid vom 21. Mai 2001, mit dem der Beklagte von der Klägerin Ersatz der für ihren Sohn im Zeitraum 1. Februar 2000 bis 15. Januar 2001 gewährten Unterhaltsleistungen in Höhe von nunmehr umgerechnet 1.741,18 EUR verlangt, ist rechtswidrig, soweit ein Betrag von 870,59 EUR überschritten wird. Er verletzt die Klägerin in diesem Umfang in ihren Rechten und ist insoweit aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).

1. Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid ist § 5 Abs. 1 des Gesetzes zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfallleistungen - Unterhaltsvorschussgesetz (UVG). Diese Vorschrift bestimmt:

"Haben die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung in dem Kalendermonat, für den sie gezahlt worden ist, nicht oder nicht durchgehend vorgelegen, so hat der Elternteil, bei dem der Berechtigte lebt, oder der gesetzliche Vertreter des Berechtigten den geleisteten Betrag insoweit zu ersetzen, als er

1. die Zahlung der Unterhaltsleistung dadurch herbeigeführt hat, dass er vorsätzlich oder fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht oder eine Anzeige nach § 6 unterlassen hat, oder

2. gewusst oder infolge Fahrlässigkeit nicht gewusst hat, dass die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung nicht erfüllt waren."

Die Leistungsvoraussetzungen werden dem Grunde und der Höhe nach in den §§ 1 und 2 UVG geregelt. Leistungsberechtigter ist grundsätzlich das Kind. Dessen zwölftes Lebensjahr darf noch nicht vollendet sein. § 3 UVG begrenzt den Anspruch in zeitlicher Hinsicht auf insgesamt längstens 72 Monate. Hat der Berechtigte für die Zeit, für die ihm die Unterhaltsleistung gezahlt wird, einen Unterhaltsanspruch gegen den Elternteil, bei dem er nicht lebt, so geht gemäß § 7 UVG dieser Anspruch in Höhe der Unterhaltsleistung des Amtes auf den Leistungsträger über.

2. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Unterhaltsvorschussleistungen haben im streitgegenständlichen Zeitraum (1. Februar 2000 bis 15. Januar 2001) nicht vorgelegen. Denn mit Ablauf des 31. Januar 2000 war die Höchstleistungsdauer von 72 Monaten erreicht. Die Klägerin hat bereits in der Zeit vom 1. August 1989 bis 31. Juli 1992 und vom 1. Januar 1996 bis 31. Dezember 1997 durch das Landratsamt … Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz erhalten.

Es ist unerheblich, dass der Kindsvater bis zum 10. April 1997 ratenweise die für den Zeitraum 1. August 1989 bis 31. Juli 1992 nach § 7 UVG übergegangenen Unterhaltsansprüche gegenüber dem Landratsamt … vollständig ausgeglichen hat. Denn als Zahlung im Sinne von § 3 UVG gelten auch Monate, für die die Unterhaltsansprüche nachträglich vollständig realisiert werden konnten (vgl. hierzu auch die zur Durchführung des Unterhaltsvorschussgesetzes ergangenen Verwaltungsvorschriften des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen in der Fassung vom 1.1.2009, Ziffer 3.2 Abs. 1/Durchführungsvorschriften). Dem steht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 5.7.2007, 5 C 40/06, zit. nach Juris) nicht entgegen. Das Gericht hatte ausschließlich darüber entschieden, dass es zu einer Reduzierung der Höchstleistungsdauer dann kommt, wenn eine vollständige Rückabwicklung einer Gewährung von Unterhaltsleistungen stattfindet und sämtliche ausbezahlten Gelder durch den Berechtigten selbst an den Träger der Leistung zurückerstattet worden sind. Anders gelagerte Sachverhalte hat das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich offen gelassen. Es legt den Begriff der "Unterhaltsleistung" dahin aus, dass es sich um einen Unterstützungseffekt für den alleinerziehenden Elternteil handeln soll, der immer dann vorliege und auf die Höchstleistungsdauer anzurechnen sei, wenn die Zahlung rechtlich und wirtschaftlich als rechtmäßig gewährte Leistung nach § 1 UVG dem Berechtigten verblieben ist. Dies ist hier der Fall. Die Zahlungen sind rechtlich wie tatsächlich bei dem Kind verblieben, es hat keinerlei Gelder erstattet, sondern sie voll in Anspruch genommen. Dadurch wurde der beabsichtigte Unterstützungseffekt erzielt. Die nachgelagerte Erfüllung der nach § 7 UVG übergegangenen originär familienrechtlichen Unterhaltsansprüche durch den Vater lässt den Unterstützungseffekt nicht im Nachhinein entfallen.

Die beabsichtigte Unterstützungswirkung lag auch in den Monaten April bis Dezember 1997 vor. Denn die zu dieser Zeit geflossenen Unterhaltsvorschüsse verblieben trotz zeitgleich erfolgter Abschlagszahlungen des Vaters ebenfalls vollständig beim Sohn der Klägerin. Das Amt war aufgrund der immer noch erheblichen Rückstände hinsichtlich der nach § 7 UVG übergegangenen Ansprüche zu keiner Zeit veranlasst, die Bewilligung aufzuheben.

3. Die Klägerin hat bei der Antragstellung am 19. März 1999 auch zumindest fahrlässig unvollständige Angaben gemacht.

Der Begriff der Fahrlässigkeit im Sinne von § 5 Abs. 1 UVG stammt aus dem Bürgerlichen Recht und bestimmt sich auch nach diesem. Ein Schuldvorwurf in Form der groben Fahrlässigkeit wird nicht gefordert (ebenso OVG RhPf vom 14.12.1995, 12 A 13057/94, zit. nach Juris). Fahrlässigkeit liegt dann vor, wenn die Pflicht zur Beachtung der nach den persönlichen Verhältnissen zu fordernden Sorgfalt verletzt wurde. Das Außerachtlassen einer Pflicht, auf die im Merkblatt zum Unterhaltsvorschussgesetz hingewiesen worden ist, stellt regelmäßig eine solche Fahrlässigkeit dar, es sei denn, der Betreffende war nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen nicht in der Lage, das Merkblatt nicht zu verstehen oder daraus die nötigen Folgerungen zu ziehen (vgl. hierzu auch Ziff. 5.1.1. der Durchführungsvorschriften).

Die Klägerin hat nicht bestritten, dass sie in dem dem Antragsformular beigelegten Merkblatt darauf hingewiesen wurde, dass Leistungen nur insgesamt für 72 Monate erbracht werden. Sie hat nicht geltend gemacht, dass sie diesen Hinweis nicht verstanden habe, sondern nur, dass sie nicht mehr sicher gewesen sei, in welchem zeitlichen Umfang Leistungen vom Landratsamt … geflossen seien. Sie habe befürchtet, Falschangaben zu machen. Diese Furcht entband sie hier aber nicht von der grundsätzlichen Pflicht, ausreichende Angaben zu machen. Diese waren ihr auch zumutbar. Denn unter Ziffer 16 des Antragsformblattes (vgl. Bl. 2 der Behördenakten des Landratsamtes …) bestand bei der Frage nach bereits geflossenen Unterhaltsvorschüssen auch bei Unkenntnis der genauen Zahlungsumstände jedenfalls die einfache Möglichkeit, das mit einem deutlich erkennbaren Kästchen versehene Antwortfeld "ja" anzukreuzen. Mit Schreiben vom 17. März 1999 (vgl. Bl. 10 der Behördenakten des Landratsamtes …) wurde sie im Weiteren nachdrücklich darum gebeten, mitzuteilen, ob bereits von einem anderen Jugendamt Unterhaltszahlungen gewährt wurden. Auch dieses Schreiben beantwortete die Klägerin nicht. Sie irrt in der Annahme, dies sei ihr nicht vorzuwerfen, da sie aufgrund der Ankündigung, dass sämtliche Unterhaltssachen nach ihrem Wohnsitzwechsel auf das Landratsamt … übergingen, davon ausgehen habe dürfen, dass dort hinreichende Kenntnis von den unterhaltsvorschussrechtlichen Gegebenheiten bestehe. Denn zumindest das Schreiben vom 17. März 1999 hätte ihr verdeutlichen müssen, dass eine derartige Kenntnis nicht bestand. Darin liegt ein der Klägerin vorzuwerfender Sorgfaltspflichtverstoß.

4. Der Schaden wurde aber nicht allein durch die Fahrlässigkeit der Klägerin herbeigeführt. Ein Mitverschulden des Beklagten führt hier nach entsprechender Würdigung und Abwägung der widerstreitenden Interessen zu einer Schadenshalbierung.

a) Die Vorschrift des § 5 Abs. 1 UVG regelt einen eigenständigen Schadensersatzanspruch des öffentlichen Rechts. Er ist quasi-deliktischer Natur (vgl. BayVGH vom 24.7.2003, 12 B 99.2155 unter Verweis auf vorhergehende Urteile vom 19.12.2000, 12 B 98.3388 und vom 2.2.2001, 12 B 99.1753; vgl. auch BVerwG vom 25.11.1992, NJW 1993, 2328 für den Fall des § 47 a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, welcher inhaltlich § 5 Abs. 1 UVG entspricht). Die §§ 45, 48, 50 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch (SGB X) sind nicht anzuwenden, der Bewilligungsbescheid ist nicht aufzuheben. Der Rechtmäßigkeit des Bescheides steht es nicht entgegen, dass das Landratsamt hier seine Entscheidung gleichwohl auf § 45 SGB X gestützt hat. Denn ob ein Verwaltungsakt rechtmäßig oder rechtswidrig ist, entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 108 VwGO). Es muss deshalb von sich aus alle ihm bekannten Tatsachen und Rechtsgrundlagen berücksichtigen, gleichgültig, ob sie von den Beteiligten im Verwaltungsverfahren oder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgetragen worden sind. Bei der Geltendmachung des Schadensersatzanspruches nach § 5 Abs. 1 UVG handelt es sich um eine gebundene Entscheidung der Verwaltung, ein Ermessen kommt ihr weder hinsichtlich der Frage, ob die Gelder überhaupt verlangt werden, noch hinsichtlich deren Höhe zu. Insofern bestehen keine Bedenken, die angegriffene Entscheidung auf die tatsächlich einschlägige Rechtsgrundlage zu stellen. Das Landratsamt hätte in Kenntnis dessen keine Möglichkeit gehabt, anders zu entscheiden (vgl. zum Austausch der Rechtsgrundlage bei Verwaltungsentscheidungen weiterführend Schmidt in Eyermann, VwGO, 12. Auflage 2006, § 113 RdNr. 22 ff.)

Aus der Anspruchsgrundlage ergibt sich eine auf einer unerlaubten Handlung basierende öffentlich-rechtliche Sonderverbindung zwischen dem die Ersatzpflicht treffenden Elternteil und dem jeweils geschädigten Leistungsträger (hier der mit dem Vollzug des Unterhaltsvorschussgesetzes nach Art. 62 des Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze/AGSG im übertragenen Wirkungskreis betraute Landkreis …). Während diese Sonderverbindung dem Grunde nach ebenso wie hinsichtlich des Verschuldensgrades durch das Unterhaltsvorschussgesetz selbst geregelt wird, enthält dieses keine Vorschriften zum Umgang mit einer Mitverantwortlichkeit des Leistungsträgers am entstandenen Schaden. Es liegt insoweit eine Regelungslücke vor, die im Wege einer analogen Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften des Deliktrechts interessengerecht auszufüllen ist. Bei den dort verankerten Ansprüchen aus unerlaubter Handlung wird im Falle eines Mitverschuldens auf § 254 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zurückgegriffen, welcher gegenüber allen Schadensersatzansprüchen gilt, gleichgültig, auf welchem Rechtsgrund sie beruhen (dies gilt auch für Amtspflichtverletzungen nach § 839 BGB, soweit nicht das Mitverschulden den Anspruch nach § 839 Abs. 3 BGB ausschließt, vgl. zum Ganzen Heinrichs in Palandt, BGB, 65. Auflage 2006, § 254 RdNr. 2). Die grundsätzliche Verpflichtung ebenso wie der Umfang des zu leistenden Ersatzes hängt davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Die Vorschrift beruht auf dem grundlegenden Rechtsgedanken, dass derjenige, der die Sorgfalt außer Acht lässt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, den Verlust oder die Kürzung seines Schadensersatzanspruches hinnehmen muss (vgl. Heinrichs in Palandt, a.a.O., § 254 RdNr. 1 unter Verweis auf BGH, NJW 97, 2234).

b) Obenstehende Grundsätze auf den vorliegenden Fall angewandt, muss der Landkreis … eine hälftige Kürzung des Schadensersatzanspruches nach § 5 Abs. 1 UVG hinnehmen. Denn das Landratsamt hat seinerseits an der Entstehung des Schadens durch Verletzung der auch ihm obliegenden Sorgfaltspflichten mitgewirkt. Nachdem das Amt durch den Wohnsitzwechsel der Klägerin zuständig geworden ist, wurde es bereits durch Schreiben vom 15. September 1998 vom Landratsamt … (vgl. Bl. 197 der Behördenakten dieses Landratsamtes) darauf hingewiesen, dass Rückstände aus Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz vorliegen und vorerst bis zum damals 31. März 1999 gestundet worden seien. Wenn auch die interne Behördenorganisation am Landratsamt … so ausgestaltet ist, dass dort Unterhaltsvorschusssachen einerseits und Amtspflegschaftsangelegenheiten andererseits nicht innerhalb des gleichen Sachgebiets bzw. vom selben Sachbearbeiter behandelt werden, entspräche es angemessener Sorgfalt, derartige Informationen an das zuständige Sachgebiet weiterzugeben, um sie auf ihre aktuelle Relevanz hin zu prüfen.

Das Schweigen der Klägerin auf die Frage, ob bereits Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz geflossen sind, beinhaltet auch nicht deren Verneinung. Dem Amt hätte es offen gestanden, sich nachdrücklich um die Einholung der benötigten Information zu bemühen. Ebenso wäre es ihm möglich gewesen, auf Grundlage der Vorschriften der §§ 60, 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) den Antrag der Klägerin abzulehnen. Denn nach § 60 Abs. 1 SGB I hat, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen. Kommt der Antragsteller aber dieser Mitwirkungspflicht nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger auf Grundlage von § 66 Abs. 1 SGB I ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Indem die Behörde von den ihr zur Verfügung stehenden Instrumenten keinen Gebrauch machte, von einer weiteren Sachverhaltsaufklärung absah, beantragte Sozialleistungen in dem Wissen, dass nicht sämtliche Anspruchsvoraussetzungen nachgewiesen wurden, dennoch gewährte, entsprach ihr Vorgehen unter Berücksichtigung der regelmäßig fehlenden juristischen Kenntnisse des Antragstellers ebenso wenig der erforderlichen Sorgfalt wie das der Klägerin. Eine abwägende Bewertung aller hier zum Schaden des Beklagten führenden Umstände und der hier einander gegenüberstehenden Interessen rechtfertigt deshalb eine Halbierung der Schadenssumme von 1.741,18 EUR auf 870,59 EUR, welche die Klägerin zu begleichen hat. Soweit der Rückforderungsbescheid vom 21. Mai 2001 über diesen Betrag hinausgeht, ist er rechtswidrig und deshalb aufzuheben.

5. Unabhängig davon, ob in Fällen vorliegender Art Art. 71 des Gesetzes zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze (AGBGB) in der bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Fassung oder § 852 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung anzuwenden ist (offen gelassen BayVGH vom 24.7.2003, 12 B 99.2155, zit. nach Juris) war der verbleibende Ersatzanspruch weder erloschen noch verjährt.

a) Nach Art. 71 Abs. 1 Satz 1 AGBGB a.F. erloschen die auf eine Geldzahlung gerichteten öffentlich-rechtlichen Ansprüche des Freistaates Bayern, einer bayerischen Gemeinde oder eines bayerischen Gemeindeverbandes (darunter sind die Landkreise zu subsumieren) in drei Jahren, soweit nichts anderes bestimmt war. Die Frist begann dabei mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem der Berechtigte von den anspruchsbegründenden Tatsachen und der Person des Verpflichteten Kenntnis erlangt hatte, jedoch nicht vor dem Schluss des Kalenderjahres, in dem der Anspruch fällig wurde. Maßgebend war die Kenntnis der zuständigen Behörde. Die Drei-Jahres-Frist war hier noch nicht abgelaufen. Das Landratsamt erlangte von den die Ersatzpflicht nach § 5 Abs. 1 UVG begründenden Tatsachen vollständig frühestens mit Schreiben des Landratsamtes … vom 19. März 2001 Kenntnis. Der angefochtene Bescheid, mit dem der Beklagte aber seinen Anspruch geltend machte, erreichte die Klägerin spätestens am 11. Juni 2001 (s. Widerspruch der Klägerin von diesem Tag, Bl. 90 der Behördenakten des Landratsamtes …).

b) Auch nach der wohl richtigerweise entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 852 BGB a.F. wäre der Anspruch des Beklagten noch nicht verjährt gewesen. Mangels ausdrücklicher Verjährungsregelung im Unterhaltsvorschussgesetz kann auf den Ersatzanspruch nach § 5 Abs. 1 UVG auch die Verjährungsvorschrift des § 852 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung wegen seiner Eigenart als quasi-deliktischer Schadensersatzanspruch entsprechend angewandt werden. Dies entspräche der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der Verjährung des Ersatzanspruches nach § 47 a BAföG (vgl. Urteil vom 25.11.1992, a.a.O.). Hiernach würde der Ersatzanspruch in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt, verjähren. Stellt man allein darauf ab, ist aus obenstehenden Gründen eine Verjährung des Ersatzanspruches nicht eingetreten.

6. Die verbleibende Forderung des Beklagten ist auch nicht verwirkt.

Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht, der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch davon ausgehen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (vgl. Heinrichs in Palandt, a.a.O., § 242 RdNr. 87). Voraussetzung der Verwirkung ist zunächst eine längere Zeitspanne, in der der Berechtigte untätig war (sog. "Zeitmoment"), zum anderen über den reinen Zeitablauf hinausgehende Umstände (sog. "Umstandsmoment"), die einen Vertrauenstatbestand dahingehend begründen, dass der Schuldner sich nicht nur tatsächlich darauf eingerichtet hat, dass die Forderung nicht mehr geltend gemacht wird, sondern sich auch darauf einrichten durfte. Insgesamt muss die verspätete Geltendmachung eine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte darstellen. Die Grundsätze der Verwirkung gelten auch im öffentlichen Recht (vgl. auch hierzu Heinrichs in Palandt, a.a.O., § 242 RdNrn. 87 ff.).

Ob eine Untätigkeit der Widerspruchsbehörde von etwa sieben Jahren in zeitlicher Hinsicht generell ausreichend ist, um die Voraussetzungen einer Verwirkung zu bejahen, kann dahingestellt bleiben, denn es fehlt hier bereits an einem besonderen Umstandsmoment, das ein Vertrauen der Klägerin begründen könnte. Es ist zwar nachvollziehbar, dass sie nach sieben Jahren nicht mehr mit der Geltendmachung der Forderung rechnete und sich mit ihren Vermögensdispositionen hierauf auch eingerichtet hat. Auch hat der Beklagte trotz der überlangen Dauer des Widerspruchsverfahrens aus dem angefochtenen Bescheid nicht vollstreckt, obwohl dieser in Ziffer 3 für sofort vollziehbar erklärt war. Dem steht jedoch entgegen, dass eine Behörde generell nicht verpflichtet ist, Bescheide umgehend zu vollziehen. Die Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Schadensersatzanspruches auf Grundlage des Unterhaltsvorschussrechts kann auch nicht mit der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen an sich, bei denen wohl relativ rasch von einer Verwirkung auszugehen ist (vgl. BGH vom 22.11.2006, XII ZR 152/04, zit. nach Juris), gleichgesetzt werden. Unterhaltsansprüche dienen der Sicherstellung des aktuellen Lebensunterhalts. Werden sie längere Zeit nicht geltend gemacht, kann der Schuldner mit Recht davon ausgehen, dass die Leistungen wohl nicht benötigt werden. Die Lage bei der Rückzahlung bzw. Erstattung behördlicher Leistungen, auch wenn diese dem Unterhalt dienten, ist damit nicht vergleichbar. Hier wurde der Beitrag des Beklagten zum aktuellen Lebensunterhalt in Höhe der zu Recht bezahlten Beträge gerade erbracht (vgl. VG Augsburg vom 17.3.2009, Au 3 K 08.661).

Zum anderen ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Gläubiger, bevor er eine Forderung durchsetzt, die Klärung der Rechtslage abwarten darf (vgl. Heinrichs in Palandt, a.a.O., § 242 RdNr. 93). Selbst wenn eine Frist von sieben Jahren daher zu einer Verwirkung beitragen könnte, ist hier zu berücksichtigen, dass diese Zeit wegen der von der Klägerin gewünschten Klärung der Rechtslage verstrichen ist. Die verspätete Sachbehandlung durch die Widerspruchsbehörde kann nicht dazu führen, dass der Beklagte dadurch belastet wird, zumal das Landratsamt hier nicht als Staatsbehörde, sondern gemäß Art. 62 AGSG im übertragenen Wirkungskreis des Beklagten und damit als Behörde eines gegenüber der Widerspruchsbehörde eigenständigen Rechtsträgers tätig geworden ist. Insoweit fehlt es für die Annahme eines Verwirkungstatbestandes auch am erforderlichen Zeitmoment.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative VwGO. Entsprechend dem Anteil des Obsiegens und Verlierens wurden den Beteiligten die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte auferlegt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 der Zivilprozessordnung.

 

Beschluss

Der Gegenstandswert wird auf 1.741,18 EUR festgesetzt (§ 33 Abs. 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes).