VG Augsburg, Beschluss vom 18.05.2009 - Au 7 S 09.513
Fundstelle
openJur 2012, 100601
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 7.500,-- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Entzugs seiner Fahrerlaubnis.

Der am … 1970 geborene Antragsteller war zuletzt im Besitz der Fahrerlaubnisse der Klassen A und CE.

Am 9. Januar 2006 erhielt die Fahrerlaubnisbehörde des Antragsgegners einen Auszug aus dem Verkehrszentralregister, das wegen verschiedener Verkehrsverstöße aus den Jahren 2002 bis 2005 für den Antragsteller einen Punktestand von 9 Punkten auswies (Bl. 17 bis 22 der Behördenakte, nachfolgend: BA). Daraufhin wurde der Antragsteller mit Schreiben des Antragsgegners vom 16. Januar 2006 verwarnt. Er wurde dabei auch auf die Möglichkeit einer freiwilligen Teilnahme an einem Aufbauseminar und den dadurch ermöglichten Punkteabzug hingewiesen sowie auf die erforderlichen Maßnahmen, welche ergriffen werden, wenn er weiter Punkte sammle (Bl. 24 bis 26 BA). Für diese Verwarnung wurde eine Gebühr in Höhe von 20,50 EUR erhoben (Bl. 24/27 BA), deren Bezahlung der Antragsgegner am 31. Januar 2006 vermerkte. Eine Teilnahmebescheinigung über den freiwilligen Besuch eines Aufbauseminars legte der Antragsteller in der Folgezeit nicht vor.

Am 8. August 2006 ging beim Antragsgegner eine weitere Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes ein, dass der Antragsteller 16 Punkte erreicht habe (Bl. 29 bis 38 BA). Das Landratsamt ordnete daraufhin mit Bescheid vom 24. August 2006 die Teilnahme des Antragstellers an einem Aufbauseminar an. Gleichzeitig wies es den Antragsteller auf die Möglichkeit hin, an einer verkehrspsychologischen Beratung teilzunehmen und den daraus resultierenden Punkteabzug. Ausdrücklich wurde zudem mitgeteilt, dass beim Erreichen von 18 Punkten oder mehr die Fahrerlaubnis entzogen werde.

Der Antragsteller legte, nachdem ihm mit Schreiben des Antragsgegners vom 25. Oktober 2006 der Entzug seiner Fahrerlaubnis angekündigt worden war, am 5. Dezember 2006 die Teilnahmebescheinigung vom 1. Dezember 2006 über ein Aufbauseminar für Punkteauffällige vor, das er in der Zeit vom 10. November 2006 bis 1. Dezember 2006 besucht hat.

Am 22. Dezember 2006 ging beim Antragsgegner eine Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes ein, dass der Antragsteller auf Grund der im Verkehrszentralregister eingetragenen Verkehrszuwiderhandlungen einen Punktestand von 20 Punkten erreicht habe (Bl. 47 bis 60 BA). Zum Punktestand von 16 Punkten, welcher der Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar vom 24. August 2006 zugrunde lag, waren noch weitere 4 Punkte hinzugekommen. Das Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes am 25. April 2006 (Rechtskraft: 20. Juli 2006) war mit einem Punkt, die Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften um 33 km/h am 20. August 2006 (Rechtskraft: 31. Oktober 2006) war mit 3 Punkten bewertet worden.

Am 3. Februar 2009 erhielt das Landratsamt vom Kraftfahrt-Bundesamt die Meldung, dass die für den Antragsteller im Verkehrszentralregister eingetragenen Verkehrszuwiderhandlungen insgesamt einen Stand von 19 Punkten ergeben (Bl. 61 bis 76 BA). Bei diesem Punktestand war ein Rotlichtverstoß vom 3. Dezember 2002 (3 Punkte) wegen Tilgung nicht mehr berücksichtigt. Bei den neu hinzugekommenen Eintragungen handelte es sich um eine Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften um 21 km/h vom 21. Juli 2007, die mit einem Punkt bewertet worden war sowie um eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften um 36 km/h und um 33 km/h (Tateinheit) ebenfalls vom 21. Juli 2007, die mit 3 Punkten bewertet worden war.

Mit Schreiben des Beklagten vom 17. Februar 2009 wurde der Antragsteller bezüglich des beabsichtigten Entzugs seiner Fahrerlaubnis angehört und ihm wurde eine Äußerungsfrist bis zum 4. März 2009 eingeräumt.

Der Bevollmächtigte des Antragstellers führte mit Schreiben vom 4. März 2009 (Bl. 90 BA) im Wesentlichen aus, dass der beabsichtigte Entzugsbescheid auf unrichtigen Tatsachen beruhe. Das Nichtanlegen des Sicherheitsgurts (Tattag: 25. April 2006) sei zu Unrecht mit einem Punkt geahndet worden. Die Berichtigung des Punktekontos würde im Ergebnis dazu führen, dass der Antragsteller einen Anspruch darauf hätte, ein Fahreignungsgutachten mit dem Ziel der Aufrechterhaltung seiner Fahrerlaubnis vorzulegen.

Mit Bescheid vom 23. März 2009 entzog der Antragsgegner dem Antragsteller in Nr. 1 die Fahrerlaubnis der Klassen A und CE, ordnete in Nr. 2 an, dass der Antragsteller seinen Führerschein spätestens drei Tage nach Zustellung des Bescheides beim Landratsamt abzuliefern habe, drohte in Nr. 3 ein Zwangsgeld in Höhe von 500,-- EUR an, falls die Ablieferungspflicht nicht fristgerecht erfüllt werde und ordnete in Nr. 4 die sofortige Vollziehung der Nrn. 1. und 2. des Bescheides an.

Am 27. März 2009 gab der Antragsteller seinen Führerschein beim Antragsgegner ab (Bl. 118 BA).

Am 23. April 2009 ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erheben, mit der die Aufhebung des Bescheides des Antragsgegners vom 23. März 2009 beantragt wurde. Die Klage wird unter dem Aktenzeichen Au 7 K 09.512 geführt.

Gleichzeitig wurde im Rahmen eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragt ,

die mit Ziffer 4 des angegriffenen Bescheides vom 23. März 2009 angeordnete sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 des Bescheides auszusetzen und die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.

Zur Begründung von Klage und Antrag wurde im Wesentlichen geltend gemacht, dass die dem Entzugsbescheid zugrunde gelegte Anzahl von 19 erreichten Punkten nicht zutreffe. Der dem Rotlichtverstoß vom 3. Dezember 2002 zugrunde liegende Bußgeldbescheid sei am 20. Februar 2003 rechtskräftig geworden, so dass diese 3 Punkte bei Erlass des Entzugsbescheides nicht mehr hätten berücksichtigt werden dürfen. Wegen der festgestellten Überladung vom 10. Mai 2006 hätten nicht 6 Punkte ins Verkehrszentralregister eingetragen werden dürfen, sondern entsprechend dem damals geltenden Bußgeldbescheid maximal 3 Punkte. Für das Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes am 25. April 2006 (Rechtskraft des Bußgeldbescheides: 20. Juli 2006) sei zu Unrecht ein Punkt ins Verkehrszentralregister eingetragen worden. Für die Geschwindigkeitsüberschreitungen vom 21. Juli 2007 hätten nur einmal Punkte eingetragen werden dürfen, und zwar maximal 3 Punkte, da Tateinheit vorgelegen habe. Die vom Antragsteller am 6. Dezember 2006 vorgelegte Teilnahmebescheinigung vom 1. Dezember 2006 über den Besuch eines Aufbauseminars hätte gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 StVG zum Abzug von mindestens 2 Punkten führen müssen. Insbesondere sei der Antragsteller nicht, wie vom Antragsgegner vorgetragen, mit Schreiben vom 16. Januar 2006 auf die Möglichkeit eines freiwilligen Aufbauseminars hingewiesen worden, sondern er habe diesen Schritt von selbst veranlasst. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei auch deshalb rechtswidrig, weil sie unverhältnismäßig sei und den Antragsteller in seinen Grundrechten nach Art. 12 GG und Art. 14 GG verletze. Ohne Fahrerlaubnis könne der Antragsteller seinem angemeldeten Gewerbe als Garten- und Landschaftsbauer nicht nachgehen. Der Entzug der Fahrerlaubnis habe unmittelbare existenzielle Folgen, die bis zur Aufgabe seiner selbständigen Tätigkeit führen können, so dass auch der Verlust von neun Arbeitsplätzen drohe. Der Antragsteller erachte die Fahrerlaubnisentziehung auch für europarechtswidrig. Das deutsche Punktesystem unterscheide nämlich nicht zwischen "normalen" Kraftfahrzeugführern, Berufskraftfahrern und Unternehmern, die selbst in ihren Unternehmen als Kraftfahrer tätig und deshalb zwangsläufig einem wesentlich höheren Risiko ausgesetzt seien, sich fahrlässig verkehrswidrig zu verhalten. Selbst wenn der Antragsteller sich tatsächlich 18 oder 19 Punkte im Verkehrszentralregister anrechnen lassen müsse, hätte ihm vor dem Entzug seiner Fahrerlaubnis Gelegenheit gegeben werden müssen, seine Fahreignung z.B. durch Beibringung eines positiven Fahreignungsgutachtens nachzuweisen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei hier lediglich formelhaft begründet worden.

Der Antragsgegner beantragte mit Schreiben vom 29. April 2009,

den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.

Das Kraftfahrt-Bundesamt habe der Führerscheinstelle am 27. Januar 2009 mitgeteilt, dass der Antragsteller einen Stand von 19 Punkten erreicht habe. Da der Antragsgegner sämtliche Maßnahmen nach § 4 Abs. 3 StVG ergriffen habe, sei dem Antragsteller durch den streitgegenständlichen Bescheid die Fahrerlaubnis entzogen worden. Die in der Antragsbegründung gemachten Angaben seien dem Antragsgegner bereits vor Bescheidserlass bekannt gewesen und seien im Bescheid abgehandelt worden. Die Punkte wegen des Rotlichtverstoßes seien im Entzugsbescheid nicht mehr berücksichtigt worden. Da es sich um eine Maßnahme des vorbeugenden Sicherheitsrechtes handle, lägen die Gründe für den Sofortvollzug auch in der Argumentation für den Entzug der Fahrerlaubnis selbst begründet.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1. Vorliegend war der Antrag nach § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage "angeordnet" werden soll.

Gemäß § 4 Abs. 7 Satz 2 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG keine aufschiebende Wirkung, so dass diese gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 erste Alternative VwGO durch das Gericht angeordnet werden kann. Der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Nr. 1 des angefochtenen Bescheides durch das Landratsamt bedurfte es daher nicht.

Entsprechendes gilt für die in Nr. 2 des Bescheides angeordnete Ablieferungspflicht des Führerscheins des Antragstellers. Gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) ist die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins auch dann sofort vollziehbar, wenn die zuständige Behörde die sofortige Vollziehung der Verfügung über den Entzug der Fahrerlaubnis angeordnet hat. In entsprechender Anwendung dieser Vorschrift erstreckt sich die sofortige Vollziehung auch auf die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins, wenn die Grundverfügung, d.h. der Entzug der Fahrerlaubnis, kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, was vorliegend der Fall ist (BayVGH vom 9.6.2005, 11 CS 05.478; vom 29.3.2007, 11 CS 06.874). Auch insoweit kann daher nach der Terminologie des § 80 Abs. 5 Satz 1 erste Alternative VwGO die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragt werden.

2. Jedoch ist der Antrag in der Sache unbegründet.

Bei der Entscheidung über den Antrag hat das Gericht eine eigenständige Ermessensentscheidung zu treffen und dabei das Interesse der Allgemeinheit daran, dass der Antragsteller unverzüglich an der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr gehindert wird, abzuwägen gegen das Interesse des Antragstellers, zumindest vorläufig von seiner Fahrerlaubnis weiter Gebrauch machen zu können. Abzustellen ist hierbei vor allem auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache, da am sofortigen Vollzug eines erkennbar rechtswidrigen Verwaltungsakts ebenso wenig ein berechtigtes Interesse bestehen kann, wie an der aufschiebenden Wirkung eines offensichtlich unbegründeten Rechtsmittels. Die Abwägung fällt hier zu Ungunsten des Antragstellers aus, da der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist.

Ergeben sich nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG im Verkehrszentralregister 18 oder mehr Punkte, so gilt der Betroffene als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Die Fahrerlaubnisbehörde hat ihm zwingend die Fahrerlaubnis zu entziehen; ein Ermessen ist ihr nicht eingeräumt.

Zu dem für das Gericht maßgeblichen Zeitpunkt der Bekanntgabe des Entzugsbescheides vom 23. März 2009 (vgl. hierzu: BayVGH vom 8.6.2007, 11 CS 06.3037) ergeben sich auf Grund der Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 27. Januar 2009 (eingegangen beim Landratsamt am 3. Februar 2009) im Verkehrszentralregister Eintragungen, die einen Gesamtstand von 19 Punkten ergeben (vgl. Bl. 61 bis 76 BA). Der Antragsgegner ist zutreffend davon ausgegangen, dass die im Verkehrszentralregister eingetragenen Verkehrsordnungswidrigkeiten mit 19 Punkten zu bewerten und auch sämtliche noch verwertbar sind. Ein Punkteabzug wurde zu Recht nicht vorgenommen.

a) Soweit der Antragsteller im Hinblick auf den mit 3 Punkten bewerteten Rotlichtverstoß vom 3. Dezember 2002 vorträgt, dass dieser nicht mehr hätte berücksichtigt werden dürfen, geht dieser Vortrag ins Leere. Aus dem vom Kraftfahrt-Bundesamt mit Schreiben vom 27. Januar 2009 vorgelegten Auszug aus dem Verkehrszentralregister ergibt sich, dass der Rotlichtverstoß, für den zu diesem Zeitpunkt die (absolute) Tilgungsfrist von fünf Jahren gemäß § 29 Abs. 6 Satz 4 StVG abgelaufen war, nicht mehr berücksichtigt wurde. Darauf hat der Antragsgegner überdies bereits im streitgegenständlichen Entzugsbescheid (S. 3, 2. Abs.) hingewiesen.

b) Der Antragsteller kann sich auch nicht darauf berufen, dass verschiedene Verkehrszuwiderhandlungen mit einer zu hohen Punktzahl bewertet worden seien. Die von ihm in diesem Zusammenhang genannten Verkehrszuwiderhandlungen (Überladung vom 10. Mai 2006, Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes vom 25. April 2006 sowie Geschwindigkeitsüberschreitungen vom 21. Juli 2007) sind durch Entscheidungen über diese Ordnungswidrigkeiten geahndet worden, die im Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids allesamt rechtskräftig waren. Der Antragsgegner war insoweit an die Rechtskraft dieser Entscheidungen gebunden (§ 4 Abs. 3 Satz 2 StVG), so dass die hierfür eingetragenen Punkte, nämlich 6 Punkte für die Überladung, ein Punkt für das Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes, ein Punkt für die von der ZBS … am 21. Juli 2007 geahndete Geschwindigkeitsüberschreitung sowie die von der ZBS … mit 3 Punkten geahndeten in Tateinheit begangenen Geschwindigkeitsüberschreitungen vom 21. Juli 2007 zu berücksichtigen waren. Diese Bindung an rechtskräftige Entscheidungen erstreckt sich auch auf die Gerichte (vgl. BayVGH vom 9.6.2008, 11 ZB 08.1047; vom 1.7.2008, 11 CS 08.1572).

c) Der Antragsgegner hat zu Recht auch keinen Punkteabzug vorgenommen.

§ 4 Abs. 3 StVG sieht vor, dass die Fahrerlaubnisbehörde gegenüber den Inhabern einer Fahrerlaubnis ein abgestuftes System von Maßnahmen (Punktsystem) zu ergreifen hat, wenn es zur Eintragung von Punkten in das Verkehrszentralregister kommt. Gemäß § 4 Abs. 4 und 5 StVG ist dabei der Abzug von Punkten unter bestimmten Voraussetzungen vorgesehen.

Der Antragsgegner hat hier die Maßnahmen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 und 2 StVG gegenüber dem Antragsteller ergriffen, bevor er ihm gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG die Fahrerlaubnis entzogen hat. Der Vortrag im Klage- und Antragsschriftsatz vom 22. April 2009 (s. S. 4), der Antragsteller sei nicht, wie vom Beklagten vorgetragen, mit Schreiben vom 16. Januar 2006 auf die Möglichkeit eines freiwilligen Aufbauseminars hingewiesen worden, sondern er habe diesen Schritt von selbst veranlasst, erweist sich als unwahr bzw. sachlich unrichtig. Die Verwarnung vom 16. Januar 2006 (Bl. 24 BA) hat den Hinweis enthalten, dass der Antragsteller im Falle einer freiwilligen Teilnahme an einem Aufbauseminar in den Genuss eines Punkteabzugs gelangen könne. Zudem ist in diesem Verwarnungsschreiben auch die zu zahlende Gebühr mit einem Gesamtbetrag von 20,50 EUR enthalten. Dieses Verwarnungsschreiben zusammen mit einem Beiblatt über die Verkehrszuwiderhandlungen ist laut Einschreibebeleg (Bl. 28 BA) am 16. Januar 2006 auf der Post aufgegeben worden. Der Antragsteller hat in der Folgezeit die Gebühr in Höhe von 20,50 EUR bezahlt; der Zahlungseingang ist beim Antragsgegner am 31. Januar 2006 vermerkt worden (vgl. Bl. 32 der Gerichtsakte). Die Bezahlung des im Verwarnungsschreiben festgesetzten Gebührenbetrages zeigt, dass der Antragsteller dieses Schreiben erhalten hat und daher sein Vortrag in diesem Klage- und Antragsverfahren nicht der Wahrheit entspricht.

Das vom Antragsteller laut Teilnahmebescheinigung vom 1. Dezember 2006 besuchte Aufbauseminar rechtfertigt keinen Punkteabzug. Die in § 4 Abs. 4 Satz 1 StVG vorgesehene Möglichkeit des Punkteabzugs beruht auf der Freiwilligkeit der Teilnahme durch den Betroffenen, wie insbesondere das Zusammenspiel aus § 4 Abs. 4 StVG und § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StVG zeigt. Allgemein folgt hieraus, dass eine angeordnete Teilnahme an einem Aufbauseminar, wie vom Antragsgegner mit Bescheid vom 24. August 2006 verfügt, der der Antragsteller (wenn auch nicht einmal fristgemäß) laut Teilnahmebescheinigung vom 1. Dezember 2006 nachgekommen ist, nicht der Privilegierung des § 4 Abs. 4 Satz 1 StVG unterfällt. Zudem findet ein Punkteabzug nur dann statt, wenn der Fahrerlaubnisinhaber vor Erreichen von 14 Punkten an einem Aufbauseminar teilnimmt (§ 4 Abs. 4 Satz 1 StVG), wobei für den Punktestand das Ausstellungsdatum der Teilnahmebescheinigung maßgeblich ist (§ 4 Abs. 4 Satz 4 StVG). Die vom Antragsteller vorgelegte Teilnahmebescheinigung datiert vom 1. Dezember 2006. Zu diesem Zeitpunkt ergaben sich für den Antragsteller sogar 20 Punkte, da der Anwendung des Punktsystems das sog. "Tattagsprinzip" zugrunde zu legen ist (vgl. BayVGH vom 18.6.2008, 11 B 07.1813 m.w.N.). Der Punktestand von 20 Punkten am 1. Dezember 2006 ergibt sich aus der am 22. Dezember 2006 beim Antragsgegner eingegangenen Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes (Bl. 47 bis 60 BA).

d) Der streitgegenständliche Entzugsbescheid, den der Antragsgegner auf Grund des damaligen Punktestandes (19 Punkte) zwingend zu erlassen hatte, begegnet auch im Hinblick auf die Grundrechte des Art. 12 GG, Art. 14 GG und Art. 3 Abs. 1 GG keinen Bedenken. Das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ableitbare Auftrag des Staates zum Schutz von Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer rechtfertigen es, in Fällen, in denen ein Kraftfahrer durch häufige Regelverstöße erkennen lässt, dass er seine eigenen Interessen über die Anforderungen an die Sicherheit des Straßenverkehrs stellt, die Entziehung der Fahrerlaubnis anzuordnen. Insoweit stellt die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG die letzte Eingriffsstufe dar, da die Entziehung der Fahrerlaubnis bei Erreichen von 18 oder mehr Punkten erst stattfindet, wenn der Betroffene trotz Hilfestellungen durch Aufbauseminare und verkehrspsychologische Beratung, trotz der Möglichkeit von zwischenzeitlichen Tilgungen im Verkehrszentralregister diese Punktzahl erreicht. Bei diesem Sachstand ist davon auszugehen, dass die weitere Teilnahme derartiger Kraftfahrer am Straßenverkehr für die übrigen Verkehrsteilnehmer eine Gefahr darstellt. Dabei fällt insbesondere ins Gewicht, dass es sich dabei um Kraftfahrer handelt, die - wie der Antragsteller - eine ganz erhebliche Anzahl von im Verkehrszentralregister erfassten und noch nicht getilgten Verstößen begangen haben. Erweist sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis demnach als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, so müssen seine privaten Interessen regelmäßig gegenüber den berührten öffentlichen Interessen zurücktreten, auch wenn dies für ihn erhebliche Nachteile zur Folge hat. Dies ist allerdings nichts, was ihn in außergewöhnlichem Maße von anderen Verkehrsteilnehmern unterscheiden würde.

Unzutreffend ist auch die Ansicht des Antragstellers, dass die Fahrerlaubnisentziehung durch den streitgegenständlichen Bescheid europarechtswidrig wäre, da das deutsche Punktesystem nicht zwischen "normalen" Kraftfahrzeugführern, Berufskraftfahrern etc. unterscheide. Die Regelungen des § 4 StVG sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) liegt nicht darin begründet, dass die automatische Entziehung der Fahrerlaubnis bei Erreichen von 18 Punkten Berufs- und Vielfahrer ebenso trifft, wie Wenig- oder "Sonntagsfahrer". Eine Unterscheidung nach dem Ausmaß der Teilnahme eines Kraftfahrers am Straßenverkehr wäre nicht nur praktisch undurchführbar, da sich die Fahrleistung einer Person nicht zuverlässig erfassen lässt; für sie besteht auch sachlich keine Veranlassung. Zwar trifft es zu, dass ein "Vielfahrer" selbst dann, wenn er sich die Einhaltung der straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen angelegen sein lässt, in erhöhtem Maße Gefahr läuft, Ordnungswidrigkeiten zu begehen, die Eintragungen ins Verkehrszentralregister nach sich ziehen. Dem gesteigerten Risiko solcher Kraftfahrer, Punkte zu sammeln, die zu Maßnahmen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 StVG führen, steht jedoch der Umstand gegenüber, dass sie wegen ihrer besonders umfangreichen Teilnahme am Straßenverkehr auch ein entsprechend größeres Gefahrenpotential darstellen. Das erhöhte Risiko von Vielfahrern, Dritte im Straßenverkehr zu schädigen, wird nicht stets durch einen Zuwachs an Erfahrung ausgeglichen. Eine überdurchschnittlich umfangreiche Fahrpraxis kann vielmehr auch mit Gewöhnungs- und Abstumpfungserscheinungen einhergehen, die gegebenenfalls einen Verlust an Aufmerksamkeit und Gewissenhaftigkeit hinsichtlich der Einhaltung verkehrsrechtlicher Vorschriften zeitigen. Dem gesteigerten Risiko solcher Kraftfahrer, Punkte zu sammeln, die zu Maßnahmen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 StVG führen, steht jedoch der Umstand gegenüber, dass sie wegen ihrer besonders umfangreichen Teilnahme am Straßenverkehr auch ein entsprechend größeres Gefahrenpotential darstellen. § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG ist auch insoweit mit höherrangigem Recht - namentlich dem im Rechtsstaatprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) wurzelndem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz - vereinbar, als diese Vorschrift bei Erfüllung ihrer Tatbestandsvoraussetzungen den Entzug der Fahrerlaubnis zwingend vorschreibt. Denn der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass Personen, die 18 oder mehr Punkte angehäuft haben, in aller Regel zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sind. Diese Annahme rechtfertigt sich zum einen aus dem Umstand, dass - zumal unter Berücksichtigung des sich aus § 29 Abs. 6 Satz 3 StVG ergebenden Tilgungsautomatismus - 18 Punkte nur dann erreicht werden, wenn sich ein Verkehrsteilnehmer innerhalb vergleichsweise kurzer Zeit entweder mehrere gravierende Zuwiderhandlungen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften hat zuschulden kommen lassen oder in erheblicher Zahl mittelschwere oder mindergravierende Verstöße begangen hat. Hinzu kommt, dass eine Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG erst dann entzogen werden darf, wenn gegen den Betroffenen zuvor die Maßnahmen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 und 2 StVG ergriffen wurden. Mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist es dann vereinbar, dass § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG keine Einzelfallprüfung vorschreibt. Denn angesichts der mit 18 Punkten bereits hoch angesetzten Eingriffsschwelle im Verbund mit dem obligat vorgeschalteten zweifachen Warnmaßnahmen und der Möglichkeit des Betroffenen, Punkte sowohl allein auf Grund Zeitablaufs als auch durch eigene Maßnahmen zu tilgen, durfte der Gesetzgeber davon ausgehen, dass Personen, bei denen es gleichwohl zum Anfall von 18 oder mehr Punkten gekommen ist, zumindest in aller Regel zur Teilnahme am Straßenverkehr als Kraftfahrzeugführer ungeeignet sind.

Der Antragsteller hat nichts Substantiiertes dafür vorgetragen, dass die Anhäufung von 19 Punkten durch ihn nicht den Schluss rechtfertigt, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr geeignet ist oder dass sonst eine atypische Sachverhaltsgestaltung vorliegt, angesichts derer die sich aus § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG ergebende Rechtsfolge unter verfassungsrechtlichem Blickwinkel nicht hingenommen werden kann. Dass der Entzug der Fahrerlaubnis, auf die der Antragsteller zur Ausübung seines Berufs angewiesen ist, erhebliche Nachteile für ihn zur Folge hat, ist nichts, was ihn in außergewöhnlichem Maße von anderen Verkehrsteilnehmern unterscheiden würde. Ist der Entzug der Fahrerlaubnis im Falle des Antragstellers aber zum Schutze wichtiger Gemeinschaftsgüter - nämlich des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit und der Sachgüter Dritter - erforderlich und verhältnismäßig, so wird er hierdurch auch nicht in seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit verletzt. Dies gilt um so mehr, als kein unmittelbar berufsbezogener, sondern ein die Modalitäten der Berufsausübung nur indirekt berührender Eingriff inmitten steht (vgl. BayVGH vom 17.1.2005, 11 CS 04.2955, m.w.N., zur Verfassungsmäßigkeit des Mehrfachtäterpunktesystems).

3. Da sich der Bescheid des Antragsgegners nach allem als rechtmäßig erweist, geht die vorzunehmende Interessenabwägung bereits deshalb zu Lasten des Antragstellers aus und führt aus den erörterten Gründen ebenfalls dazu, es bei der in § 4 Abs. 7 Satz 2 StVG vorgenommenen Wertung des Gesetzgebers - keine aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage - zu belassen.

Da vorliegend die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ausscheidet, bleibt es auch beim sofortigen Vollzug der auf § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV beruhenden Pflicht zur Abgabe des Führerscheins. Die Verpflichtung hat sich trotz erfolgter Ablieferung nicht erledigt, da sie den Rechtsgrund dafür bietet, dass die Behörde den Führerschein des Antragstellers behalten darf.

4. Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.

Streitwertfestsetzung: §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 46.1, 46.4 und 46.8 sowie 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.