LG Coburg, Urteil vom 14.04.2009 - 14 O 402/05
Fundstelle
openJur 2012, 100132
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 130.000,00 € nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 05. Juli 2005 zu bezahlen.

2. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an die Klägerin 9.258,00 € nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 05. Juli 2005 zu bezahlen.

3. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an die Klägerin ab dem 1. Juli 2009 bis zum 31.1.2027 vierteljährlich im Voraus, jeweils zum 1.1., 1.4., 1.7. und 1.10. des Jahres, eine in Rente in Höhe von 831,00 € zu bezahlen.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden, die aus der fehlerhaften Aufklärung hinsichtlich der Operation vom 18. November 1999 und aus der behandlungsfehlerhaften Operation am 8. Mai 2000 resultieren, zu ersetzen, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind oder übergehen.

5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

6. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt

die Klägerin 55 %,

die Beklagten tragen gesamtverbindlich 45 %

7. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von den Beklagten wegen ärztlicher Behandlungsfehler Schmerzensgeld, Schadensersatz, eine Geldrente wegen Einschränkung ihrer häuslichen Arbeitsleistung und wegen Verdienstausfalls sowie die Feststellung der Ersatzverpflichtung der Beklagten wegen zukünftiger materieller und immaterieller Schäden der Klägerin.

Bei der am 4.1.1947 geborenen Klägerin wurde im Februar 1996 Brustkrebs in der linken Brust diagnostiziert. Am 4.12.1996 erfolgte in der Klinik der Beklagten zu 2) durch den Beklagten zu 1) eine Quadrantenresektion an der linken Brust, d.h. eine brusterhaltende Entfernung des Karzinoms. Im Januar 1997 erfolgte an der linken Brust der Klägerin eine Nachoperation, da nicht alle Herde entfernt worden waren. In der Zeit vom 26.3.1997 bis zum 1.7.1997 erfolgte eine Bestrahlungstherapie im Klinikum in Bamberg. In einer weiteren Operation im Zeitraum vom 28.12.1998 bis 31.12.1998 wurden im Klinikum der Beklagten zu 2) abgestorbene Zellen aus der Operationsnarbe entfernt. Eine im März 1999 erfolgte Nachuntersuchung beim Frauenarzt der Klägerin ergab, außer dass die Narbe eingezogen war, keinen Befund. Am 18.11.1999 erfolgte in der Klinik der Beklagten zu 2) durch den Beklagten zu 1) eine Operation zur kompletten Entfernung der linken Brust der Klägerin mit sofortigem Wiederaufbau mittels einer Prothesenimplantation. Die Operation erfolgte auf Wunsch der Klägerin, da ihre linke Brust stark schmerzempfindlich sowie stark verformt war und die Klägerin ohne Angst vor der Bildung eines neuen Krebsgeschwürs leben wollte.

Da die rechte, gesunde Brust im Vergleich zur implantierten linken Brust nunmehr sehr groß war, erfolgte am 8.5.2000 eine weitere Operation durch den Beklagten zu 1) im Klinikum der Beklagten zu 2), um die rechte Brust durch Verkleinerung an die linke Brust anzupassen.

Die Operation wurde vom Beklagten zu 1) im Operationsbericht als "gutes kosmetisches Ergebnis" bezeichnet, während ein außergerichtliches Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Bayern vom 30.5.2001 zu dem Schluss kommt, dass der Eingriff in die rechte Brust "nicht den medizinischen Standards" entsprochen habe, da eine Mastektomie, nicht aber eine Angleichung erfolgt sei.

Den Behandlungen der Klägerin im Klinikum der Beklagten zu 2) lag ein sog. totaler Krankenhausvertrag zugrunde. Vertragspartner der Klägerin war der Krankenhausträger. Der Beklagte zu 1) ist Chefarzt im Klinikum der Beklagten zu 2).

Die Klägerin führte bis zum 31.3.2006 zusammen mit ihrem Ehemann und ihrem volljährigen Sohn einen Drei-Personen-Haushalt. Nach Auszug des Sohnes zum 1.4.2006 führt die Klägerin zusammen mit ihrem Ehemann einen Zwei-Personen-Haushalt. Der Ehemann der Klägerin ist selbstständig tätig. Die Wohnung der Klägerin ist 100 qm groß. Der Garten am Haus hat eine Größe von 60 qm. Die Klägerin und ihr Mann haben ferner Grundstücke mit einer Größe von ca. 7000 qm. Die Klägerin war innerhalb der ehelichen Lebensgemeinschaft für die Haushaltstätigkeit sowie für die Versorgung der Gärten zu 80 % verantwortlich.

Die Klägerin behauptet, dass sich das Implantat in der linken Brust im Juni bzw. Juli 2000 entzündet habe. Die Klägerin habe sich daraufhin zunächst beim Beklagten zu 1) vorgestellt, der hieraus den Schluss gezogen habe, das Implantat sei undicht. Dies habe sich aber als falsch herausgestellt. Im ... habe man festgestellt, dass das Implantat tastbar sei und sich nach einiger Zeit durchscheuern werde.

Die Klägerin habe sich daher in das ... begeben. Dort sei in einer Operation am 29.1.2001 das Implantat der linken Brust entfernt worden, da sich dort eine Kapselfibrose entwickelt gehabt habe. Sodann seien beide Brüste mit Fettgewebe aus dem Unterbauch der Klägerin aufgebaut worden. Der operative Eingriff habe neun Stunden gedauert. Im Anschluss an die Operation sei es jedoch zu einer Abstoßungsreaktion mit Lappennekrose an der rechten Brust gekommen. Die Lappennekrose sei sodann in einer am 31.1.2001 durchgeführten weiteren Operation, die viereinhalb Stunden in Anspruch genommen habe, entfernt worden. Nach diesen Operationen habe die Klägerin drei Wochen in einem Spezialbett auf dem Rücken liegen müssen, damit der Bauch, aus dem Gewebe entnommen worden war, wieder habe zuwachsen können. Infolge der beiden zeitaufwendigen Operationen von neun bzw. viereinhalb Stunden sei es in der Folgezeit zu Komplikationen gekommen. Es habe sich Wasser in der Lunge gesammelt und die Klägerin habe unter Kreislaufproblemen gelitten.

Da der Aufbau der rechten Brust durch Eigengewebe fehlgeschlagen sei, sei eine weitere Operation am 11.9.2001 notwendig geworden, bei der der Rückenmuskel der Klägerin geteilt, nach vorne gelegt und vernäht sowie ein Expander rechts eingesetzt worden sei. Diese Operation habe eine Narbe vom Rücken bis zur Brust mit einer Länge von 50 cm hinterlassen. Die Auffüllung des Expanders sei im Wege von 14-tägigen Auffüllungen von ca. 50 ml Kochsalzlösung erfolgt. In einer weiteren Operation am 12.2.2002 sei der Expander wieder entfernt worden und durch ein Silikon-Implantat ersetzt worden.

Am 23.5.2002 sei bei einer weiteren Operation im ... eine Formkorrektur der rechten Brust sowie eine Rücken- und Mamillenrekonstruktion vorgenommen worden. Daran anschließend habe die Klägerin für sechs Wochen einen korsettartigen Büstenhalter tragen müssen. In der Zeit vom 21.8.2002 bis 28.8.2002 sei eine weitere operative Formkorrektur der rechten Brust erfolgt. Am 8.11.2002 sei schließlich im Rahmen einer ambulanten Behandlung die Tätowierung der Mamille erfolgt.

Wegen der vorgenannten Operationen habe sich die Klägerin in den Zeiten vom 28.1.2001 bis 19.2.2001, 10.9.2001 bis 26.9.2001, 10.2.2002 bis 18.2.2002 und 21.8.2002 bis 28.8.2002 jeweils stationär im ... befunden.

Die Klägerin wirft dem Beklagten zu 1) zwei Behandlungsfehler vor. Zum einen habe der Beklagte zu 1) statt der Angleichung der rechten Brust (Brustverkleinerung) am 8.5.2000 bei der Beklagten eine Mastektomie, also eine Amputation der rechten Brust vorgenommen. Dies sei als grober Behandlungsfehler zu werten. Eine Einwilligung der Klägerin zu dieser Amputation habe nicht vorgelegen. Ein zweiter Behandlungsfehler des Beklagten zu 1) sei darin begründet, dass er am 18.11.1999 in die linke Brust der Klägerin ein Implantat eingebracht habe, das sich mit der Zeit durchscheuern würde und das bereits im Zeitpunkt Juli 2000 tastbar gewesen sei. Auch hierin sei ein grober Behandlungsfehler zu sehen. Der Brustmuskel der Klägerin sei durch die vorangegangene Bestrahlung ... nicht angegriffen gewesen, was sich aus den dortigen Unterlagen ergebe. Selbst wenn dies aber so gewesen wäre, liege ein Fehler deshalb vor, weil der Beklagte zu 1) dann zu diesem Zeitpunkt überhaupt kein Implantat hätten setzen dürfen. Der Beklagte zu 1) habe die Ungeeignetheit der Haut der Klägerin erkennen müssen. Zudem habe er die Klägerin über die Gefahr des "Durchscheuerns" nicht aufgeklärt bzw. diese nicht davon abgehalten, die Implantation durchzuführen. Wie die nachfolgenden Behandlungen gezeigt hätten, habe es Alternativen gegeben.

Die Klägerin trägt vor, sowohl der Beklagte zu 1) als auch die Beklagte zu 2) hafteten der Klägerin für die aus der fehlerhaften Behandlung resultierenden Folgen.

Die Klägerin führt aus, neben den zahlreichen Operationen und den daraus resultierenden Schmerzen leide sie vor allem an psychischen Problemen, die insbesondere aus der Amputation der rechten, gesunden Brust herrührten. Die Feststellung, dass ihre völlig intakte und gesunde rechte Brust amputiert worden sei, sei für die Klägerin ein Schock gewesen, den sie bis heute nicht habe überwinden können. Weiter habe die Klägerin an den körperlichen Folgen der insgesamt elf Operationen zu leiden, ebenso wie an dem verunstalteten Erscheinungsbild ihres Köpers.

Die Klägerin sei aufgrund der körperlichen und der daraus folgenden psychischen Überlastung arbeitsunfähig geworden, da sich die psychische Situation der Klägerin zu einer schweren Depression entwickelt habe. Bei einem regelrechten Verlauf der Behandlungen wäre die Arbeitsfähigkeit der Klägerin spätestens im Jahre 2001 wiederhergestellt gewesen. Die Klägerin hätte dann wieder in ihrem Beruf als Hartlöterin arbeiten können, was auch ihr Wunsch und ihr Ziel gewesen sei. Aufgrund der massiven Folgeschäden der fehlerhaften Operationen und deren Behandlungen sowie der seither bei der Klägerin bestehenden schweren Depression sei nunmehr endgültige Arbeitsunfähigkeit eingetreten. Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagten hätten für den infolge der Arbeitsunfähigkeit eingetretenen Verdienstausfall einzustehen.

Die Klägerin führt aus, sie sei infolge der psychischen Folgen der behandlungsfehlerhaften Operationen auch in ihrer Haushaltsführungstätigkeit eingeschränkt. Während der stationären Aufenthalte ... sei die Klägerin zu 100 % nicht in der Lage gewesen, den Haushalt zu führen. In der Genesungszeit zwischen den Operationen ... sei die Klägerin in ihrer Haushaltsführungstätigkeit zu 80 % eingeschränkt gewesen. Von der letzten Operation Ende 2002 bis Juli 2003 sei bei der Klägerin eine leichte Besserung des körperlichen und psychischen Wohlbefindens eingetreten, so dass der Grad der Einschränkung der Haushaltsführungstätigkeit in dieser Zeit mit 70 % zu veranschlagen sei. Seit Mitte 2003 bis zum heutigen Tag und auch für die Zukunft liege die Beeinträchtigung der Arbeitsleistung der Klägerin im Haushalt bei 50 %. Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagten auch für den hieraus resultierenden Schaden aufzukommen haben.

Ferner sei eine Haftung der Beklagten für die durch die fehlerhaften Behandlungen notwendigen Fahrtkosten ... erforderliche Zuzahlungen der Klägerin für stationäre Krankenhausaufenthalte, Kosten für ein ärztliches Attest und den Verdienstausfall des Ehemannes der Klägerin im Zusammenhang mit Besuchsfahrten ... gegeben.

Schließlich seien die Beklagten verpflichtet, der Klägerin für die erlittenen Schmerzen und die erhebliche Beeinträchtigung ihrer Lebenssituation infolge der fehlerhaften Behandlungen ein angemessenes Schmerzensgeld von mindestens 100.000,00 € zu bezahlen, dessen Höhe die Klägerin in das Ermessen des Gerichts stellt.

Da die weiteren gesundheitlichen Folgen der behandlungsfehlerhaften Operationen für die Klägerin nicht absehbar seien, sei auch die Ersatzverpflichtung der Beklagten für künftige materielle und immaterielle Schäden festzustellen.

Die Klägerin hat zunächst hinsichtlich des Verdienstausfallschadens und des Haushaltführungsschadens für die Vergangenheit und des weiteren von ihr geforderten Schadensersatzes einen Betrag von 95.644,23 € gefordert. Für den Verdienstausfallschaden für die Zukunft hat die Klägerin zunächst eine vierteljährliche Rente von 735,90 € gefordert, für den Haushaltsführungsschaden für die Zukunft eine vierteljährliche Rente von 4.543,89 €. Die Klägerin hat ihre Ansprüche mit Schriftsatz vom 7.11.2005 neu berechnet und ihre Anträge entsprechend neu gefasst. Soweit hierin eine teilweise Rücknahme der Klage lag, haben die Beklagten dieser im Termin vom 16.3.2009 zugestimmt.

Die Klägerin beantragt nunmehr zu erkennen:

Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin folgende Beträge zu zahlen:

1. 63.375,36 € nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;

2. für die Zukunft vierteljährlich im Voraus, beginnend am 01.05.2005 bis zum 31.01.2012, 730,89 €

3. für die Zukunft vierteljährlich im Voraus, beginnend am 01.05.2005 bis zum 31.12.2008, 3.283,54 €;

4. für die Zukunft vierteljährlich im Voraus, beginnend am 01.01.2009 bis zum 31.01.2027, 2.399,91 €;

5: ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird, mindestens jedoch 100.000,00 €, nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz.

Weiter beantragt die Klägerin

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden, die aus der fehlerhaften Behandlung in der Zeit vom 18.11.1999 bis zum 13.05.2000 resultieren, zu ersetzen, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind oder übergehen.

Die Beklagten beantragen

Klageabweisung.

Die Beklagten tragen vor, dass es nicht zutreffend sei, dass der Beklagte zu 1) am 8.5.2000 in grob behandlungsfehlerhafter Weise die rechte Brust der Klägerin entfernt habe. Am 8.5.2000 sei vom Beklagten zu 1) eine angleichende Reduktionsplastik rechts durchgeführt worden. Bei dieser Operation sei zwar zuviel an Brustmasse entnommen worden. Dabei handele es sich jedoch nicht um einen groben Behandlungsfehler. Insbesondere sei keine Mastektomie (Brustentfernung) vorgenommen worden.

Die subkutane (unter die Haut) Einbringung des Silikonkissens durch den Beklagten zu 1) auf der linken Seite bei einem Zustand nach Mastektomie bei vorangegangener Krebsoperation mit Brusterhaltung und darauffolgender Rezidivoperation durch den Beklagten zu 1) sei korrekt und nach allen Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt. Am 18.11.1999 habe sich intraoperativ herausgestellt dass der Brustmuskel, unter dem das Silikonkissen eingebracht werden sollte, durch die Nachbestrahlung des Mammakarzinoms dermaßen vorgeschädigt gewesen sei, dass ein Riss des Muskels habe befürchtet werden müssen, wenn dieser durch das Silikonkissen angespannt worden wäre. Das Einbringen des Silikonkissens unter die Haut sei demnach medizinisch indiziert gewesen und nach allen Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt. Über diese Vorgehensweise sei die Klägerin auch anlässlich eines Gesprächs am 17.10.1999 aufgeklärt worden. Anlässlich dieses Aufklärungsgesprächs sei die Klägerin auch darauf hingewiesen worden, dass beim Einsetzen eines Silikonkissens sich als mögliche Komplikation eine Bindegewebshülle bilden kann. Die Klägerin wurde auch darauf hingewiesen, dass im Fall einer Schrumpfung der Bindegewebshülle (Kapselbildung) es zu einer Verhärtung und Verformung der Brust sowie zu Schmerzen und einem Spannungsgefühl sowie zu einer Verlagerung des Silikonkissens kommen könne, so dass ein zweiter Eingriff, eine sog. Kapselsprengung, evtl. verbunden mit einem Wechsel des Silikonkissens, erforderlich werden könne. Die Beklagten verweisen insofern auf die Merkblätter des Aufklärungsgesprächs in den Anlagen B 5 bis B 10. Dass sich bei der Klägerin später tatsächlich eine Kapselfibrose auf der linken Seite gebildet habe, sei schicksalhaft. Die Bildung der Kapselfibrose hänge insbesondere nicht damit zusammen, dass das Silikonkissen direkt unter der Brusthaut eingebracht worden sei. Hierbei handele es sich im Übrigen um eine gängige Methode, die auch zum damaligen Zeitpunkt nicht kontraindiziert gewesen sei.

Die Beklagten bestreiten, dass bei der Klägerin eine schwere Depression vorliegt. Die Beklagten bestreiten weiter, dass die von der Klägerin geltend gemachte Arbeitsunfähigkeit durch die streitgegenständlichen Operationen des Beklagten zu 1) am 18.11.1999 und 8.5.2000 verursacht wurde. Die streitgegenständlichen Operationen seien nämlich zeitlich nach dem Antrag der Klägerin auf Erwerbsunfähigkeitsrente am 8.4.1999 erfolgt. Hierdurch sei belegt, dass die Arbeitsunfähigkeit auf die Primärerkrankung, nämlich das Krebsleiden der Klägerin, zurückzuführen sei.

Die Beklagten bestreiten weiter, dass die Klägerin infolge psychischer Probleme in ihrer Haushaltsführung beeinträchtigt sei. Die Zuzahlung für die stationären Behandlungskosten sei kein ersatzfähiger Schaden. Die Besuchsfahrten des Ehemannes der Klägerin seien zahlenmäßig nicht konkret beziffert. Der geltend gemachte Arbeitszeitausfall des Ehemannes sei ein nicht erstattungsfähiger Drittschaden und nicht konkret dargelegt. Die Schmerzensgeldvorstellung der Klägerin sei weit überzogen. Die missglückten und langwierigen Operationen ... seien nicht kausal zurückzuführen auf die streitgegenständlichen Operationen durch den Beklagten zu. 1).

Der Haftpflichtversicherer der Beklagten leistete vorprozessual einen Betrag von insgesamt 30.000,00 EUR an die Klägerin.

Das Gericht hat Beweis erhoben zu den von der Klägerin behaupteten Behandlungsfehlern und zu dem von ihr geschilderten Behandlungsverlauf ab Juni 2000 durch Einholung eines frauenärztlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen ... gemäß Beweisbeschluss vom 21.11.2005. Das schriftliche Sachverständigengutachten vom 17.7.2006 nebst der Ergänzungsgutachten vom 23.11.2006, 5.6.2007 und 23.7.2007 hat der Sachverständige ... in der mündlichen Verhandlung vom 17.9.2007 erläutert. Darüber hinaus hat das Gericht gemäß Beweisbeschluss vom 15.10.2007 zu den von der Klägerin behaupteten psychischen Problemen, der daraus aus ihrer Sicht resultierenden Erwerbsunfähigkeit und der Einschränkung in der Haushaltsführung ein psychiatrisches Gutachten des Sachverständigen ... angefordert. Das Gutachten wurde vom Sachverständigen ... am 5.6.2008 schriftlich erstattet. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die eingeholten Gutachten sowie die mündliche Erläuterung des Sachverständigen ... in der mündlichen Verhandlung vom 17.9.2007 Bezug genommen. Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes verwiesen auf alle von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschritten.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der tenorierten Höhe Erfolg.

I.

Die Klage ist zulässig. Das Feststellungsinteresse der Klägerin rechtfertigt sich vorliegend daraus, dass sie nur so einen etwaigen Verjährungseinwand der Beklagten abwenden kann, sollten zukünftig noch weitere Schäden entstehen.

II.

Die Klägerin kann von den gesamtschuldnerisch haftenden Beklagten aus einem ärztlichen Behandlungsfehler bzw. aus fehlerhafter Aufklärung ein Schmerzensgeld in Höhe von 130.000,00 €, weiteren Schadensersatz in Höhe von 9.258,00 € sowie eine vierteljährlich im Voraus jeweils zum 1.1., 1.4., 1.7. und 1.10. eines jeden Jahres zu zahlende Schadensersatzrente in Höhe von 831,00 € ab 1.7.2009 bis 31.1.2027 beanspruchen, §§ 611, 823 Abs. 1, 31 BGB, 847 BGB a.F..

A. Zur Haftung der Beklagten dem Grunde nach

Die Beklagten sind der Klägerin nach §§ 611, 823 Abs. 1, 31 BGB. wegen eines vom Beklagten zu 1) zu vertretenen Behandlungsfehlers und wegen einer ebenfalls vom Beklagten zu 1) zu vertretenen fehlerhaften Aufklärung der Klägerin dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet.

1. Die Schadensersatzpflicht des Beklagten zu 1) ergibt sich aus § 823 Abs. 1 BGB, da er in zurechenbarer Weise aufgrund eines Behandlungsfehlers bzw. aufgrund einer fehlerhaften Aufklärung der Klägerin rechtswidrig und schuldhaft deren Körper und Gesundheit verletzt hat.

a) Der Beklagte zu 1) hat bei der am 8.5.2000 vorgenommenen Operation zur Angleichung der rechten, gesunden Brust der Klägerin an die linke, nach Einsetzung eines Implantats kleinere Brust gegen ärztliche Behandlungsregeln verstoßen, was ihm zur Überzeugung der Kammer als Behandlungsfehler zuzurechnen ist.

Aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen ... ist davon auszugehen, dass der Beklagte vorliegend ein operatives Verfahren angewendet hat, das für die vorgegebenen anatomischen Verhältnisse ungeeignet war. Es ist nach den Ausführungen des Sachverständigen davon auszugehen, dass der Beklagte nur diese eine von ihm gewählte Technik nach Strömbeck beherrscht. Nach den Feststellungen des Sachverständigen hätte es zu den Aufklärungspflichten des Beklagten zu 1) gehört, darauf hinzuweisen, dass diese Operationstechnik in dem vorliegenden Fall nicht das optimale Verfahren darstellt und dass andere Operationsverfahren zur Verfügung stehen. Hinzu kommt, dass das kosmetische Ergebnis der vom Beklagten zu 1) gewählten ungeeigneten Operationstechnik zudem als außergewöhnlich schlecht anzusehen ist, da auch unter Anwendung dieser ungeeigneten Operationstechnik ein kosmetisch besseres Ergebnis zu erwarten gewesen wäre. Der Sachverständige kommt zu dem Ergebnis, dass im Rahmen der ursprünglich geplanten angleichenden Reduktionsplastik rechts eine partielle Mastektomie rechts und keine Reduktionsplastik erfolgt ist. Die Art der durchgeführten angleichenden Operation verstoße daher eindeutig gegen elementare ärztliche Behandlungsregeln und gesicherte medizinische Erkenntnisse. Es liege daher ein schwerer Behandlungsfehler vor.

Die Kammer schließt sich den überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen ... vollumfänglich an. An der Sachkunde des Sachverständigen bestehen keine Zweifel. Soweit die Ausführungen im Erstgutachten vom 17.7.2006 im Vergleich zu dem ergänzenden Gutachten vom 23.7.2007 insofern widersprüchlich erschienen, als in dem Erstgutachten vom 17.7.2006 eine Mastektomie verneint wurde, während im ergänzenden Gutachten vom 23.7.2007 von einer teilweisen Entfernung der Brust anstelle der ursprünglich vorgesehenen Reduktionsplastik gesprochen wurde, hat der Sachverständige dies in der mündlichen Verhandlung vom 17.9.2007 nachvollziehbar begründet. Der Sachverständige hat insbesondere offen dargelegt, dass das Erstgutachten von dem verantwortlichen Oberarzt ... erstellt und von dem Sachverständigen dann mit unterzeichnet worden sei, obwohl es von ihm nicht im Detail überprüft worden sei. Im Rahmen des Ergänzungsgutachtens habe der Sachverständige diese eigene Überprüfung dann vorgenommen.

b) Der Beklagte zu 1) hat die Klägerin im Vorfeld der Operation vom 18.11.1999, bei der nach Entfernung der linken Brust ein Brustaufbau mittels Einbringung eines Implantats unter die Haut erfolgte, nicht ordnungsgemäß aufgeklärt.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen ... ist zwar die Durchführung eines heterologen Brustaufbaues nach Bestrahlung zum damaligen Zeitpunkt nicht als fehlerhaft anzusehen. Auch der Verzicht auf einen autologen Brustaufbau kann nicht als Behandlungsfehler angesehen werden. Allerdings besteht eine Aufklärungspflicht des Arztes dahingehend, auf die Möglichkeit eines autologen Aufbaues der Brust hinzuweisen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen war auch im Jahr 1999 bereits allgemein bekannt, dass ein heterologer Brustaufbau bei Radiatio ein deutlich erhöhtes Komplikationsrisiko bedeutet. Hierüber muss die Patientin ausdrücklich aufgeklärt werden. Falls eine solche Aufklärung unterbleibt, muss dies als Verstoß gegen die Regeln der ärztlichen Kunst angesehen werden. Nach den Ausführungen des Sachverständigen findet sich eine entsprechende Dokumentation über die Aufklärung, bei der auch explizit die Wahrscheinlichkeit des Auftretens der Komplikationen dokumentiert ist, in den Akten nicht.

Das Gericht schließt sich auch insofern den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen ... an. Eine hinreichende Aufklärung der Klägerin zum einen über die Möglichkeiten eines autologen Aufbaues der Brust, zum anderen über die konkrete Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Komplikationen bei einem heterologen Brustaufbau wird weder von den Beklagten behauptet noch finden sich entsprechende Dokumentationen in den Akten. Die Beklagten tragen vor, die Klägerin sei darauf hingewiesen worden, dass beim Einsetzen eines Silikonkissens sich als "mögliche Komplikation" eine Bindegewebshülle bilden könne. Wenn diese schrumpfe, so könne es zu einer Verhärtung und Verformung der Brust sowie zu Schmerzen, Spannungsgefühl und zu einer Verlagerung des Silikonkissens kommen. Für diesen Fall sei die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass ein zweiter Eingriff erforderlich sein könne. In den bei den Patientenunterlagen befindlichen Aufklärungsbögen (hier Anlage B 10) findet sich der Hinweis "Patientin wurde auf erhöhtes Risiko nach Bestrahlung aufgeklärt". Aus dem Vortrag der Beklagten und aus den Behandlungsunterlagen ergibt sich daher nicht, dass der Beklagte zu 1) die Klägerin über die Möglichkeit eines autologen Aufbaues der Brust aufgeklärt hat. Es ergibt sich hieraus auch nicht, dass über die konkrete Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Komplikationen aufgeklärt wurde. Nach den Ausführungen des Sachverständigen liegen die Komplikationsraten bei dem durchgeführten Brustaufbau nach Strahlentherapie zwischen 45 und 100 %. Das deutlich erhöhte Komplikationsrisiko bei heterologem Brustaufbau war auch im Jahr 1999 bereits bekannt. Hinsichtlich der Operation vom 18.11.1999 ist daher zur Überzeugung der Kammer von einem Aufklärungsfehler auszugehen. Der Beklagte zu 1) haftet daher für alle den Gesundheitszustand der Klägerin betreffenden nachteiligen Folgen der Behandlung, da aufgrund der fehlerhaften Aufklärung der Eingriff nicht von einer wirksamen Einwilligung der Klägerin gedeckt war und daher eigenmächtig erfolgte.

c) Die behandlungsfehlerhafte Operation durch den Beklagten zu 1) an der rechten Brust am 8.5.2000 war auch ursächlich für die auf der rechten Seite erforderlichen Folgeoperationen der Klägerin. Dies ergibt sich aus den Ausführungen des Sachverständigen ... , denen sich die Kammer auch insofern anschließt.

Die unterbliebene Aufklärung über das deutlich erhöhte Komplikationsrisiko des heterologen Brustaufbaues links war ursächlich für die Notwendigkeit der anschließenden Entfernung des Implantats (links) wegen einer Kapselfibrose, da sich gerade das aufklärungspflichtige Risiko verwirklicht hat.

Da die Kausalität des Behandlungsfehlers (rechts) für die bei der Klägerin auf der rechten Seite vorgenommenen Folgeoperationen zur Überzeugung der Kammer feststeht, kommt es auf die Frage, ob der vom Beklagten zu 1) zu vertretene "schwere" Behandlungsfehler zugleich als "grober" Behandlungsfehler im Rechtssinne zu werten ist, mit der Folge, dass hinsichtlich des Kausalverlaufs eine Beweislastumkehr eintritt, nicht an.

d) Der Beklagte zu 1) handelte auch rechtswidrig, wobei die Rechtswidrigkeit seines Tuns vorliegend durch die von ihm begangenen Pflichtwidrigkeiten und die bei der Klägerin eingetretenen Rechtsgutverletzungen indiziert wird. Der Beklagte zu 1) handelte auch schuldhaft, da ihn infolge der Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ein Fahrlässigkeitsvorwurf trifft (§ 276 BGB).

2. Die Beklagte zu 2) haftet der Klägerin gemäß §§ 823 Abs.1, 31 BGB für den vom Beklagten zu 1) zu vertretenden Behandlungsfehler. Ferner haftet die Beklagte zu 2) gemäß positiver Vertragsverletzung (jetzt § 280 BGB n.F.) des Behandlungsvertrages gemäß §§ 611,31 BGB.

3. Die Beklagten haften der Klägerin nach § 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner.

B. Zur Haftung der Beklagten der Höhe nach

Die Klägerin kann von den gesamtschuldnerisch haftenden Beklagten ein Schmerzensgeld in Höhe von 130.000,00 €, weiteren Schadensersatz in Höhe von 9.258,00 € sowie eine vierteljährliche Rente vom 1. Juli 2009 bis zum 31.1.2027 in Höhe von 831,00 € beanspruchen.

581. Die Klägerin kann nach § 847 BGB a.F. wegen ihrer physischen und psychischen Leiden infolge der fehlerhaften Behandlung durch den Beklagten zu 1) von den Beklagten ein Schmerzensgeld in Höhe von 130.000,00 € beanspruchen.

Das Schmerzensgeld hat die Aufgabe, dem Geschädigten wegen der Verletzung seiner Gesundheit und seines Körpers Genugtuung und Ausgleich für die erlittenen Einbußen seiner Rechtsgüter zu verschaffen. Bei der Bemessung des Anspruchs sind daher alle Umstände des Einzelfalles abzuwägen.

60Im Rahmen der Ausgleichsfunktion wirkt sich vorliegend bei der Bemessung des Schmerzensgeldes aus, dass die Klägerin durch die vom Beklagten zu 1) auf der rechten Seite durchgeführte partielle Mastektomie ihre bis dahin völlig gesunde rechte Brust verloren hat und bis an ihr Lebensende mit einer Prothese mit den dadurch gegebenen gesundheitlichen Risiken leben muss. Den damit verbundenen psychischen und physischen Beeinträchtigungen ist die Klägerin ein Leben lang ausgesetzt. Schmerzensgelderhöhend wirkt sich im Rahmen der Ausgleichsfunktion die Vielzahl der Operationen aus, die die Klägerin infolge der partiellen Mastektomie auf der rechten Seite zum Wiederaufbau der Brust im Zeitraum vom 29.1.2001 bis zum 8.11.2002 über sich ergehen lassen musste. Zum Wiederaufbau der rechten Brust waren insgesamt sieben Operationen, teils von erheblicher zeitlicher Dauer erforderlich, die stationäre Krankenhausaufenthalte von mehreren Wochen notwendig machten. Der Sachvortrag der Klägerin zu dem Behandlungsverlauf ab dem Sommer 2000 hat sich nach den Ausführungen des Sachverständigen ... anhand der Behandlungsunterlagen vollumfänglich bestätigt. Lediglich die Behauptung der Klägerin, sie hätte durch die langwierigen Operationen Wasser in der Lunge und Kreislaufprobleme gehabt, konnte anhand der Behandlungsunterlagen nicht verifiziert werden. Hinzu kommt, dass sich die Klägerin aufgrund des Aufklärungsfehlers des Beklagten zu 1) hinsichtlich des vorgenommenen heterologen Brustaufbaues auf der linken Seite dieser risikobehafteten Operation unterzogen hat mit der Folge, dass nach Eintreten der Komplikation einer Kapselfibrose das eingebrachte Silikonkissen wieder entfernt werden musste. Die Klägerin leidet infolge der behandlungsfehlerhaften Operation durch den Beklagten zu 1) an psychischen Beschwerden, die die Klägerin in ihrer Lebensstellung beeinträchtigen. Hinzu kommen Beeinträchtigungen des körperlichen Erscheinungsbildes der Klägerin durch die Vielzahl der erfolgten Operationen. Im Rahmen der Genugtuungsfunktion wirkt sich vorliegend erheblich schmerzensgelderhöhend aus, dass die Klägerin gezwungen war, in einem langwierigen und komplizierten Zivilprozess ihren Schmerzensgeldanspruch gegen die Beklagten durchzusetzen. Der Haftpflichtversicherer der Beklagten, ... , hat außergerichtlich zwar eine Schadensregulierung vorgenommen, die jedoch als völlig unzureichend betrachtet werden muss. Die geleistete Zahlung von 30.000,00 € ist in Anbetracht der geschilderten Umstände bei weitem nicht angemessen. Selbst nachdem aufgrund der Gutachtenerstattung durch den gerichtlichen Sachverständigen ... ein schwerer Behandlungsfehler des Beklagten zu 1) hinsichtlich der Operation am 8.5.2000 und eine Aufklärungspflichtverletzung hinsichtlich der Operation am 18.11.1999 festgestellt war, ist eine weitere Regulierung durch die Beklagten bzw. deren Versicherung nicht erfolgt. Die Kammer kann dieses Regulierungsverhalten nur mit Unverständnis zur Kenntnis nehmen. Die Klägerin hat nach nunmehr beinahe neun bzw. zehn Jahren nach den streitgegenständlichen Operationen lediglich einen ganz geringen Ausgleichsbetrag vom Versicherer der Beklagten ausbezahlt erhalten. Im vorliegenden Rechtsstreit hätte sogar noch ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt werden müssen mit der Folge einer weiteren Verzögerung des Schadensausgleichs, wenn nicht die Klägerin ihren Sachvortrag, dass auch im Hinblick auf körperliche Folgen der Operationen ihre Haushaltsführungsfähigkeit zusätzlich eingeschränkt sei, im Hinblick auf ihr Interesse an einer baldigen Beendigung des Rechtsstreits zurückgenommen hätte.

61Unter Abwägung der den Umfang des Schmerzensgeldanspruchs begründenden Umstände ergibt sich daher zur Überzeugung der Kammer, dass ein Schmerzensgeld in Höhe von 130.000,00 € den Ausgleichs- und Genugtuungsinteressen der Klägerin gerecht wird. Die Kammer orientiert sich insofern auch an der Entscheidung des OLG Hamm vom 12.12.2001, Gz. 3 U 119/00. Der dortigen Schmerzensgeldentscheidung lag zwar zugrunde, dass die dortige, damals 30-jährige Klägerin behandlungsfehlerhaft beide Brüste verloren hat. Angesichts der im hiesigen Verfahren zu berücksichtigenden Vielzahl von Folgeoperationen, die die Klägerin über sich ergehen lassen musste, erscheinen die Fälle dennoch in ihrem Gewicht als vergleichbar.

622. Darüber hinaus steht der Klägerin gegen die Beklagten ein Schadensersatzanspruch wegen verletzungsbedingter Vermehrung ihrer Bedürfnisse für die Zeit ab dem 28.1.2001 nach §§ 249, 251, 843 Abs. 1 BGB zu. Aus den Ausführungen des Sachverständigen ... in seinem Gutachten vom 5.6.2008 ergibt sich, dass die Klägerin an einer ängstlich depressiven Symptomatik leidet, die zu 50 % auf der vom Beklagten zu 1) behandlungsfehlerhaft durchgeführten Operation vom 8.5.2000 beruht. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ist die Klägerin durch ihre psychischen Beschwerden seit dem 28.1.2001 mit 40 % in ihrer Haushaltsführung eingeschränkt. Hierfür ist zu 50 % die behandlungsfehlerhafte Durchführung der Operation durch den Beklagten zu 1) verantwortlich.

63Das Gericht schließt sich den überzeugenden und widerspruchslosen Ausführungen des Sachverständigen ... vollumfänglich an. Für die Zeiten der stationären Krankenhausaufenthalte, d.h. vom 28.1.2001 bis 19.2.2001,. 10.9.2001 bis 26.9.2001, 10.2.2002 bis 18.2.2002 und 21.8.2002 bis 28.8.2002 geht das Gericht von einer 100 %igen Einschränkung der Haushaltsführung aus. Für die übrigen Zeiten legt das Gericht zugrunde, dass 20% der Beeinträchtigung der Haushaltsführungsfähigkeit auf den Behandlungsfehler des Beklagten zu 1) zurückzuführen sind. Der Berechnung des infolge der eingeschränkten Haushaltsführungsfähigkeit entstehenden Schadens ist zugrunde zu legen, dass die Klägerin bis zum 31.3.2006 mit ihrem Ehemann und ihrem Sohn einen Drei-Personen-Haushalt führte und ab dem 1.4.2006 mit ihrem Ehemann zusammen einen Zwei-Personen-Haushalt. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin beträgt die Wohnungsgröße 100 qm. Daneben sind ein Garten am Haus mit einer Größe von 60 qm und Grundstücke mit einer Größe von 7000 qm vorhanden. Ein Grundstück mit einer Größe von 3500 qm ist dabei zur Hälfte mit Gemüse bepflanzt, die andere Hälfte besteht aus Wald. Das zweite Grundstück, ebenfalls mit einer Größe von 3.500 qm besteht zur Hälfte aus einem Ziergarten, zur anderen Hälfte aus Wald und Wiese. Das Gericht schätzt den wöchentlichen Aufwand zur Pflege und Bearbeitung der Grundstücke auf neun Stunden (§ 287 ZPO). Hinsichtlich des Aufwandes für die eigentliche Haushaltsführung geht das Gericht in Anlehnung an die Tabelle von Schulz-Borck/Hofmann bei einem Drei-Personen-Haushalt von einem wöchentlichen Aufwand von 45,6 Stunden aus, und für den Zwei-Personenhaushalt von einem wöchentlichen Aufwand von 30,8 Stunden. Für die Zeit des Krankenhausaufenthaltes der Klägerin geht das Gericht von einem reduzierten Drei-Personen-Haushalt mit einem Stundenbedarf an Haushaltsführung von 39,5 Stunden pro Woche aus. Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin, war die Klägerin vor den Operationen für die Haushaltstätigkeit sowie für die Versorgung des Gartens innerhalb der ehelichen Lebensgemeinschaft zu 80 % verantwortlich. Das Gericht schätzt den angemessenen Stundensatz für die Haushaltsführungstätigkeit auf 10,00 € netto pro Stunde (§ 287 ZPO).

Hieraus ergibt sich für die Zeit bis einschließlich 30.6.2009 ein Haushaltsführungsschaden der Klägerin in Höhe von 36.820,00 €, wie nachfolgende Berechnung zeigt:

ZeitraumAnzahl TagePersonen im HaushaltStunden/Woche (mit Zuschlag Garten)Anteil d. Kl. 80%Einschränkung aufgrund BehandlungsfehlerStunden ges. im Zeitraum€/Std. nettoBetrag €2.8.1.-19.2.0123    red. 3 Pers.39,5 + 9= 48,538,8   100 (KH)127,5 10,00 1275,0020.2.-9.9.01202     3 Pers45,6 + 9=54,643,68 20% (40% x 0,5)252,1 10,00 2.521,0010.9.-26.9.0117    red. 3 Pers39,5 + 9=48,538,8   100 (KH)94,2   10,00 942,0027.9.01-9.2.02136     3 Pers.45,6 + 9=54,643,68 20% (40%x 0,5)169,7 10,00 1.697,0010.2.-18.2.029       red 3 Pers39,5 + 9=48,538,8   100 (KH)49,9   10,00 499,0019.2.-20.8.02183     3 Pers45,6 + 9= 54,643,68 20% (40% x 0,5)228,4 10,00 2.284,0021.8.-28.8.028       red. 3 Pers39,5 + 9=48,538,8   100 (KH)44,3   10,00 443,0029.8.-31.12.02125     3 Pers45,6 + 9=54,643,68 20% (40% x 0,5)156     10,00 1.560,001.1.03-31.3.062x3651x366903 Pers45,6 + 9= 54,643,68 20% (40% x 0,5)1480,110,00.14.801,001.4.06-30.06.091187   2 Pers30,8 + 9= 39,831,84 20% (40% x 0,5)1.079,810,00 10.798,00Gesamt                                                        36.820,00Nach dem 1.7.2009 ergibt sich unter Berücksichtigung des fortbestehenden Zwei-Personen-Haushalts bei einem wöchentlichen Stundenaufwand von 30,8 Stunden plus neun Stunden für die Gartenarbeit unter Berücksichtigung der vormals 80 %igen Tätigkeit der Klägerin und der nunmehr vorliegenden, von den Beklagten zu vertretenden Einschränkung der Haushaltsführungstätigkeit um 20 % ein zu ersetzender Stundenaufwand von 27,7 Stunden pro Monat. Unter Zugrundelegung eines Nettostundenlohnes von 10,00 € ergibt sich im Monat ein zu ersetzender Betrag von 277,00 €.

Gemäß §§ 843 Abs. 2, 760 BGB ist die Rente jeweils für drei Monate im Voraus zu bezahlen. Vierteljährlich ergibt sich ein Betrag von 831,00 €.

Da die Klägerin die Zahlung der Geldrente zum Ausgleich des Haushaltsführungsschadens lediglich bis zum 31.1.2027 beantragt hat, war ihr auch nur bis zu diesem Zeitpunkt der Anspruch zuzusprechen (§ 308 Abs. 1 ZPO).

Soweit die Klägerin unter Annahme einer Einschränkung der Haushaltsführungsfähigkeit von 70 % bzw. 50 % eine höhere Geldrente beantragt hat, war die Klage insofern abzuweisen.

Die von den Beklagten bereits außergerichtlich regulierten 30.000,00 € waren von dem für die Vergangenheit zu zahlenden Betrag in Höhe von 36.820,00 € abzuziehen, so dass sich eine Restforderung in Höhe von 6.820,00 € ergibt.

3. Die Beklagten sind weiter gem. §§ 249, 251 BGB verpflichtet, der Klägerin die Fahrtkosten für die Behandlungen ... zu bezahlen. Ferner kann die Klägerin Ersatz der für Besuchsfahrten ihres Ehemannes angefallenen Fahrtkosten verlangen.

Für die Fahrtkosten der Klägerin ergeben sich für insgesamt vier Fahrten zur stationären Krankenhausaufenthalten und fünf Fahrten zu ambulanten Behandlungen ... insgesamt also neun Fahrten zu jeweils (einfach) 390 km. Unter Berücksichtigung von Hin- und Rückfahrt und einer Pauschale von 0,21 €/km ergibt sich ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.474,20 €.

Eine Ersatzpflicht der Beklagten besteht auch für die Besuchsfahrten des Ehemannes der Klägerin. Die Klägerin konnte zwar die Anzahl der Fahrten bzw. deren konkretes Datum nicht mehr konkret benennen. Sie führt aus, ihr Mann habe sie ca. sechsmal besucht. Die Kammer kommt im Rahmen einer Schätzung gemäß § 287 ZPO zu der Auffassung, dass bei stationären Krankenhausaufenthalten von insgesamt 57 Tagen sechs Besuche des Ehemannes der Lebenserfahrung entsprechen und daher ein entsprechender Schaden bei der Klägerin für die Besuchsfahrten entstanden ist. Die Klägerin kann diesen Fahrtaufwand auch als eigenen Schaden geltend machen (vgl. BGH, Urteil vom 21.5.1985, Gz. VI ZR 201/83, zu Verdienstausfallschäden des Besuchenden). Bei sechs Fahrten zu 390 km (einfach) kann die Klägerin unter Berücksichtigung von Hin- und Rückfahrt bei einer Kilometerpauschale von 0,21 €/km den von ihr veranschlagten Betrag von 928,80 € verlangen.

Die Klägerin kann auch die Kosten für ein hausärztliches Attest, weiches im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit erholt wurde (vgl. Anlage K 23) in Höhe von 35,00 € ersetzt verlangen. Es ergibt sich somit ein weiterer Schadensersatzanspruch in Höhe von 2.438,00 €.

Soweit die Klägerin Zuzahlungen zu stationären Behandlungskosten ersetzt verlangt, war die Klage abzuweisen, da sich die Klägerin den Eigenanteil an den Krankenhauskosten im Wege der Vorteilsausgleichung auf ersparte häusliche Verpflegungskosten anrechnen lassen muss (vgl. KG Berlin, Urteil vom 25.5.1998, Gz. 12 U 328/95; OLG Celle, Urteil vom 4.7.1985, Gz. 5 U 244/84).

Soweit die Klägerin weiter einen Verdienstausfall ihres Ehemannes für die durchgeführten Besuche ersetzt verlangt, war die Klage ebenfalls abzuweisen. Zwar ist der Verdienstausfall des besuchenden Ehemannes der Klägerin prinzipiell ein erstattungsfähiger Schaden (vgl. BGH, Urteil vom 21.5.1985, Gz. VI ZR 201/83). Der Vortrag der Klägerin zu dem Umfang des Verdienstausfalles ist jedoch unsubstantiiert. So wird bereits nicht deutlich, ob bzw. welche der Fahrten an Werktagen und welche Fahrten an arbeitsfreien Wochenenden durchgeführt wurden. Auch fehlen konkrete Angaben zum regelmäßigen Verdienst des Ehemannes der Klägerin. Das Gericht sieht sich daher auch zu einer Schätzung im Rahmen des § 287 ZPO außerstande, da hierfür keine Anknüpfungstatsachen vorhanden sind.

4. Soweit die Klägerin einen Verdienstausfallschaden geltend macht, war die Klage als unbegründet abzuweisen. Die Klägerin hat den Nachweis, dass die bestehende Arbeitsunfähigkeit auf der fehlerhaften Behandlung durch den Beklagten zu 1) beruht, nicht geführt. Die Klägerin ist aber für die Ursächlichkeit des Behandlungsfehlers für den Verdienstausfallschaden beweispflichtig. Dies würde auch für den Fall gelten, dass vorliegend von einem groben Behandlungsfehler des Beklagten zu 1) auszugehen wäre. Denn die Beweiserleichterung hinsichtlich des groben Behandlungsfehlers erstreckt sich grundsätzlich nur auf den Beweis der Ursächlichkeit des Behandlungsfehlers für den haftungsbegründenden Primärschaden (vgl. Palandt, 68. Aufl., § 823, Rdnr. 162). Für die Ursächlichkeit des Behandlungsfehlers für die Arbeitsunfähigkeit und den daraus resultierenden Vermögensschaden bleibt es hingegen bei der Beweislast der Klägerin mit dem geringeren Beweismaß des § 287 ZPO (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 29.5.2008, Gz. 12 U 81/06). Ausreichend ist damit zwar eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Verursachung des geltend gemachten Vermögensschadens durch den Behandlungsfehler. Eine solche überwiegende Wahrscheinlichkeit lässt sich vorliegend aber nach den Ausführungen des Sachverständigen ... gerade nicht feststellen. Der Sachverständige kommt nämlich zu dem Ergebnis, dass die Prognose der Erwerbsunfähigkeit vor dem Jahr 2001 noch nicht absehbar und keinesfalls eindeutig günstig oder ungünstig gewesen sei. Vor der behandlungsfehlerhaft durchgeführten Operation habe zumindest die Möglichkeit einer Besserung mit der Chance, ganztägig oder zumindest halbtags wieder am Arbeitsleben teilnehmen zu können, bestanden. Durch die behandlungsfehlerhafte Operation und die Retraumatisierungen durch die erforderlichen Folgeoperationen war dies jedoch aufgrund einer Chronifizierung des psychischen Störungsbildes nicht mehr möglich. Dies bedeutet, dass weder eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit der Klägerin noch für einen Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit, ausgehend vom Jahr 2001, festgestellt werden kann.

Der Beweis der Ursächlichkeit der fehlerhaften Behandlung für den Verdienstausfallschaden wurde somit durch die Klägerin nicht geführt.

5. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

III.

Die Feststellungsklage ist ebenfalls begründet. Aufgrund des Aufklärungsfehlers im Zusammenhang mit der Operation vom 18.11.1999 und aufgrund der behandlungsfehlerhaft durchgeführten Operation am 8.5.2000 sowie der dadurch bedingten zahlreichen Folgeoperationen ist auch zukünftig mit weiteren materiellen und immateriellen Schäden der Klägerin zu rechnen. Um sich diesbezüglich nicht dem Verjährungseinwand der Beklagten auszusetzen, war daher auch dem Feststellungsbegehren der Klägerin stattzugeben.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Ausgehend von den ursprünglichen Klageanträgen, hinsichtlich deren teilweiser Klagerücknahme die Klägerin die Kosten zu tragen hat, und des Erfolgs der Klage im Übrigen ergab sich eine Kostentragungspflicht der Klägerin von 55 % und der Beklagten von 45 %.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO.