LAG München, Urteil vom 19.03.2009 - 3 Sa 25/09
Fundstelle
openJur 2012, 99361
  • Rkr:
Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 23.09.2008 - 4 Ca 785/07 Tr - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Verdachtskündigung.

Der am 00.00.1948 geborene Kläger war beim S. als Fachbereichsleiter Ingenieurbau tätig und in dieser Funktion für die Auftragsvergabe und die Prüfung von Rechnungen auf deren sachliche und rechnerische Richtigkeit zuständig. Der seit 1963 als Angestellter beim Beklagten beschäftigte Kläger befand sich seit 01.09.2005 in der Freistellungsphase der Altersteilzeit. Sein Rentenbeginn war am 01.03.2008. Er bezog zuletzt ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 0,00 €. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des örtlichen Personalrats mit Schreiben vom 20.11.2007 außerordentlich und fristlos wegen Verdachts der Untreue und der Bestechlichkeit, dem Kläger übergeben am 21.11.2007.

Vorangegangen waren Ermittlungen zunächst der Beschäftigungsbehörde des Klägers auf Grund eines anonymen Schreibens, das am 01.03.2007 bei der Staatsanwaltschaft Traunstein einging und sich nicht unmittelbar auf den Kläger, sondern einen anderen Mitarbeiter bezog. Über deren Stand berichtete die Beschäftigungsbehörde der Regierung von Oberbayern mit Schreiben vom 27.03.2007 und 30.07.2007, wobei im letztgenannten Schreiben - zusammenfassend - mitgeteilt wurde, es könne seitens des S. ohne Befragung der Beteiligten nicht geklärt werden, ob die festgestellten Sachverhalte für einen weitergehenden Verdacht gegen den Kläger und den weiteren Mitarbeiter sowie beteiligte Ingenieurbüros hinsichtlich unzulässiger Absprachen und illegaler Zahlungen ausreichten. Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei hätten das S. mittlerweile gebeten, von eigenen Befragungen abzusehen. Das S. befolgte diese Bitte. Die Staatsanwaltschaft übermittelte dem S. mit „Mitteilung nach Nr. 16 der Anordnung über Mitteilungen in Strafsachen“ am 08.11.2007 einen gegen den Kläger erlassenen Haftbefehl vom 19.10.2007, in dem ausgeführt ist, es bestehe der dringende Tatverdacht, dass der Beschuldigte aus sachfremden Erwägungen, insbesondere durch Bestechungsgelder und sonstige Zuwendungen dazu veranlasst worden sei, ohne sachlichen Grund und unter Verstoß gegen seine Dienstpflichten ein - namentlich bezeichnetes - Ingenieurbüro übermäßig oft zu beauftragen und überhöhte Rechnungen sowie Rechnungen für nicht erbrachte Leistungen zuzulassen und deren Anweisungen zu veranlassen. Die Bestechungsgelder seien über das auf den Namen der Ehefrau des Beschuldigten eingetragene Büro abgewickelt worden. Dies wird sodann näher ausgeführt und der Haftgrund der Fluchtgefahr und der Verdunkelungsgefahr im Einzelnen begründet. Ein erneuter Haftbefehl wurde gegen den Kläger am 10.04.2008 erlassen, in dem der dringende Tatverdacht der Bestechlichkeit in fünf tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit 69 tatmehrheitlichen Fällen der Untreue, jeweils tateinheitlich mit Beihilfe zum Betrug im besonders schweren Fall näher spezifiziert und auf Zusammenwirken des Klägers mit einem weiteren Ingenieurbüro erstreckt wurde.

Den wesentlichen Inhalt des Haftbefehls vom 08.11.2007 teilte das S. dem Kläger in einem ihm am 15.11.2007 in der Justizvollzugsanstalt zugestellten Schreiben unter dem Betreff „Anhörung zu Anschuldigungen aus dem Haftbefehl vom 08.11.2007 der Staatsanwalt Traunstein …“ mit, in dem der Kläger aufgefordert wurde, bis spätestens 18.11.2007 zu diesen Anschuldigungen Stellung zu nehmen bzw. mitzuteilen, falls er hierzu keine Angaben machen wolle. Der Kläger verfasste hierauf am 16.11.2007 eine mehrseitige handschriftliche Stellungnahme, die beim S. jedoch erst am 06.12.2007 einging. Nachdem das S. bis zum 18.11.2007 keine Stellungnahme erhalten hatte, erkundigte sich ein Mitarbeiter bei der Justizvollzugsanstalt und bei der Staatsanwaltschaft, ob dort eine Stellungnahme des Klägers vorliege, was jeweils verneint wurde. Darauf sprach der Beklagte die streitgegenständliche Kündigung aus, die dem Kläger am 21.11.2007 in der Justizvollzugsanstalt übergeben wurde. Die Staatsanwaltschaft Traunstein hat inzwischen bei der Großen Strafkammer des zuständigen Landgerichts gegen den Kläger Anklage wegen Untreue, Beihilfe zum Betrug in einem besonders schweren Fall, Bestechlichkeit und Vorteilsannahme erhoben. Dort werden die vom Kläger vereinnahmten Vorteile auf 46.534,80 € und der Gesamtschaden durch überhöhte Abrechnungen auf 174.506,78 € beziffert. Nachdem der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 18.09.2008 an das Landgericht Traunstein die Anschuldigungen zurückgewiesen und beantragt hat, den Haftbefehl aufzuheben, hat das Gericht mit Beschluss vom 02.10.2008 die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zur besseren Aufklärung des Schadens angeordnet. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 19.12.2008 einen Schaden in Höhe 105.678,84 € angenommen. Das S. hat demgegenüber mit Schreiben vom 20.05.2008 einen vorläufigen Schaden in Höhe von 437.259,56 € sowie die Herausgabe von Schmiergeld in Höhe von 12.437,60 € gegenüber dem Kläger geltend gemacht.

Der Kläger hat im ersten Rechtszug vorgebracht, die ausgesprochene Verdachtskündigung sei unwirksam, da es an einer (ordnungsgemäßen) Anhörung fehle. Es sei ihm unmöglich gewesen, innerhalb der gesetzten, dreitätigen Frist zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Er habe seine schriftliche Stellungnahme sofort geschrieben und sofort bei der Justizvollzugsanstalt in den Postauslauf gegeben. Da jede Post des Klägers während der Untersuchungshaft von der Staatsanwaltschaft kontrolliert werde, sei es ihm nicht bekannt, warum die Stellungnahme erst am 06.12.2007 beim S. eingegangen sei. Ferner sei dem S. der Verdacht gegen den Kläger bereits weit vor Erlass des Haftbefehls bekannt gewesen.

Der Beklagte hat demgegenüber vorgetragen, auf Grund des Haftbefehls vom 19.10.2007 sei der Verdacht begründet gewesen, dass der Kläger die ihm zur Last gelegten, gerade auf seine arbeitsvertragliche Tätigkeit bezogenen Straftaten begangen und dadurch den Beklagten finanziell erheblich geschädigt habe. Die Weiterbeschäftigung des Klägers sei nicht mehr zumutbar gewesen, vor allem, weil die öffentliche Hand darauf bedacht sein müsse, nach außen klarzustellen, dass Beschäftigte, die Straftaten der Untreue oder Bestechlichkeit begehen, im öffentlichen Dienst nicht geduldet und entsprechende Verfehlungen mit allen verfügbaren Mitteln verfolgt würden. Der Kläger sei ausreichend angehört worden, weil er zwischen dem Zugang des Anhörungsschreibens und dem Zugang der Kündigung fünf Tage Zeit gehabt habe, sich zu äußern. Dass seine schriftliche Stellungnahme vom 16.11.2007 erst am 06.12.2007 beim S. eingegangen sei, könne diesem nicht angelastet werden. Es sei allein Sache des Klägers, dafür Sorge zu tragen, dass seine Äußerung schnellstmöglich zum Beklagten gelange. Dieser habe somit nicht schuldhaft seine Anhörungspflicht verletzt. Auch sei eine Anhörung wegen des Erlasses des Haftbefehls generell entbehrlich gewesen. Die Ausschlussfrist für den Ausspruch der außerordentlichen Kündigung sei eingehalten, weil der Beklagte mit der Kündigungsentscheidung bis zur Mitteilung des Haftbefehls vom 19.10.2007 am 08.11.2007 habe zu warten dürfen.

Das Arbeitsgericht Rosenheim hat mit Endurteil vom 23.09.2008 - 4 Ca 785/07 Tr -, auf das hinsichtlich des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien, der im ersten Rechtszug gestellten Anträge sowie der Einzelheiten der rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts verwiesen wird, die Klage auf Feststellung, dass das Anstellungsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 20.11.2007 nicht ende, abgewiesen, weil dem Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Hinblick auf den im Haftbefehl vom 19.10.2007 dokumentierten dringenden Verdacht der Untreue und Bestechlichkeit nicht zuzumuten gewesen sei. Die außerordentliche Kündigung scheitere nicht an einer dem Kläger gesetzten zu kurzen Frist zur Stellungnahme, weil die Anhörung des Klägers entbehrlich gewesen sei. Denn angesichts des Haftbefehls, der den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr wegen dringenden Verdachts der Einwirkung auf Beweismittel bejaht habe, sei eine entlastende Stellungnahme des Klägers nicht zu erwarten gewesen. Die Anhörung müsse jedoch nur um einer denkbaren Aufklärung des Sachverhalts Willen dem Arbeitgeber abverlangt werden. Abgesehen davon sei die dem Kläger gesetzte Frist zur Stellungnahme nicht unzumutbar kurz gewesen, weil die Vorwürfe aus dem Haftbefehl dem Kläger bekannt und nicht überraschend gewesen seien. Auch habe der Beklagte auf Grund seiner Erkundigungen vom 19.11.2007 berechtigterweise darauf vertrauen dürfen, dass der Kläger keine Stellungnahme abgegeben habe. Auch die Ausschlussfrist gemäß § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB sei gewahrt, weil der Beklagte das Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen habe abwarten und auf ein erhebliches Zwischenergebnis - wie hier den Haftbefehl - habe abstellen dürfen. Nachdem das S. vom Haftbefehl am 08.11.2007 Kenntnis erlangt habe, sei die Kündigung am 21.11.2007 fristgerecht zugegangen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 08.12.2008 zugestellte Endurteil vom 23.09.2008 mit einem am 07.01.2009 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 09.02.2009, einem Montag, eingegangenen Schriftsatz begründet.

Er betont, die Anhörung vor Ausspruch der Verdachtskündigung sei nicht entbehrlich gewesen. Auch sei im Zeitpunkt der Kündigung die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB längst abgelaufen gewesen; bereits zum Zeitpunkt der Stellungnahme des S. vom 13.07.2007 gegenüber der Regierung von Oberbayern wäre eine Anhörung des Klägers geboten gewesen. Der Kläger habe im Schriftsatz vom 18.09.2008 an die Staatsanwaltschaft gewichtige Einwände gegen den Haftbefehl erhoben. Diese hätte er bei einer Anhörung durch die Beklagte vorbringen können. Voraussetzung hierfür sei jedoch der Einblick in Unterlagen gewesen. Auch die Strafkammer des Landgerichts Traunstein habe diese Einwendungen für gewichtig gehalten und deshalb das schriftliche Sachverständigengutachten eingeholt.

Der Kläger beantragt:

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts Rosenheim - Kammer Traunstein - AZ: 4 Ca 785/07 Tr wird aufgehoben.

II. Es wird festgestellt, dass das Anstellungsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 20.11.2007 nicht beendet wurde.

III. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Beklagte beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Er bringt vor, Zweck der Anhörung des Arbeitnehmers bei der Verdachtskündigung sei es, Einwendungen und entlastenden Vortrag entgegen zu nehmen. Dieser Zweck werde verfehlt, wenn sich Verdachtsmomente im Laufe der Ermittlungen so verdichteten, dass ein Haftbefehl erlassen wird. Dies gelte umso mehr, wenn, wie hier, Verdunkelungsgefahr gegeben sei. Der weitere Verlauf, insbesondere das vom Strafgericht eingeholte Sachverständigengutachten, zeige, dass die Einwendungen des Klägers „Luftnummern“ seien. Dessen ungeachtet habe der Beklagte den Versuch der Anhörung unternommen. Die verspätete Reaktion des Klägers gehe nicht zu seinen Lasten. Der Beklagte bleibt dabei, das die Ausschlussfrist für den Ausspruch der außerordentlichen Kündigung eingehalten sei.

Hinsichtlich des sonstigen Vortrags der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 09.02.2009 und des Beklagten vom 10.03.2009 sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 19.03.2009 verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die fristlose Verdachtskündigung wirksam ist.

1. Der vorliegende dringende Verdacht der Bestechlichkeit und der Untreue, wie er im Haftbefehl vom 19.10.2007 dokumentiert ist, ist an sich als wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Gegen die Zulässigkeit einer Verdachtskündigung unter den strengen, vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze (BAG 29.11.2007) sprechen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Dies hat das Bundesverfassungsgericht jüngst bestätigt (BVerfG 15.12.2008 - 1 BvR 347/08). Dabei hat es (BVerfG 04.11.2008 - 1 BvR 2587/06) offen gelassen, ob unter bestimmten Voraussetzungen auf das Erfordernis der Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch der Verdachtskündigung verzichtet werden kann, sondern dem Fachgericht die Klärung dieser Rechtsfrage überantwortet.

Aus den im Haftbefehl vom 19.10.2007 wiedergegebenen Tatsachen spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger die ihm angelasteten Straftaten begangen hat. Objektive Tatsachen, die geeignet wären, die Intensität des Verdachts in erheblicher Weise zu mindern, sind seiner eigenen schriftlichen Stellungnahme vom 16.11.2007 nicht zu entnehmen und auch nicht vorgetragen. Im Gegenteil: Aus der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft, dem Ermittlungsbericht sowie dem vom Strafgericht eingeholten Sachverständigengutachten ergibt sich, dass die Einlassungen des Klägers mit hoher Wahrscheinlichkeit Schutzbehauptungen sind.

Damit ist der von der Rechtsprechung geforderte dringende Verdacht einer Straftat gegeben.

212.  Der Kläger ist auch zu den verdachtsbegründenden Tatsachen ausreichend angehört worden. Es kann somit dahinstehen, ob - wie das Arbeitsgericht annimmt - im Anschluss an die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 13.08.1998 - 13 Sa 345/98 - die Anhörung entbehrlich ist, weil sich der durch den Haftbefehl manifestierte dringende Tatverdacht auch auf Delikte zum Nachteil des Arbeitgebers richtete und unter den gegebenen Voraussetzungen nicht damit zu rechnen war, dass veränderte Gesichtspunkte auftauchen könnten, die geeignet wären, zu einer Revision der beabsichtigten Entscheidung des Arbeitgebers zu führen. Gleichwohl sei darauf hingewiesen, dass aus der Sicht der Berufungskammer diese Argumentation nicht bedenkenfrei ist, weil sie letzten Endes auf hypothetischen Erwägungen beruht und das Erfordernis der Anhörung - gerade entgegen seinem Zweck - von einer Bewertung der verdachtsbegründenden Umstände selbst abhängig gemacht wird. Auch erschließt sich der Berufungskammer nicht, wieso im Falle des Erlasses eines Haftbefehles, bei dem der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr bejaht wird, die vorherige, „nochmalige“ Anhörung des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber unzumutbar sein soll.

22Die vom Beklagten mittels des Anhörungsschreibens vom 15.11.2007 durchgeführte Anhörung war ordnungsgemäß. Sie entspricht den vom Bundesarbeitsgericht hierzu entwickelten Grundsätzen (BAG 13.03.2008 - 2 AZR 961/06). Dem Kläger wurden bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen mitgeteilt, zu denen er Stellung nehmen, den Verdacht entkräftende Umstände bezeichnen und so zur Aufhellung der für den Beklagten im Dunklen liegenden Geschehnisse beitragen konnte. Soweit der Kläger darauf hinweist, er hätte bei einer entsprechenden Anhörung - unter der Voraussetzung, dass ihm Einblick in die Unterlagen gewährt worden wäre - Einwendungen vorbringen können, wie er sie mit Rechtsanwaltsschriftsatz vom 18.09.2008 gegenüber dem Landgericht im Hinblick auf die Anklageschrift und den Haftbefehl vorgebracht habe, ist darauf hinzuweisen, dass der Beklagte bei gegebenem dringendem Tatverdacht das Ergebnis der Ermittlungen nicht abwarten musste, um dem Kläger im Rahmen der Anhörung dann auch die ermittelten Unterlagen vorlegen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu geben zu können. Denn dann wäre der Arbeitgeber gehalten, das Arbeitsverhältnis zunächst fortzusetzen, obwohl ihm durch den dringenden Tatverdacht - bei gebotener Interessenabwägung - gegebenenfalls die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist. Die Auffassung, eine ordnungsgemäße Anhörung hätte vorausgesetzt, dass dem Kläger nach Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen Einblick in die ermittelten Unterlagen gewährt werden würde, würde dazu führen, dass die Anhörung des Arbeitnehmers zu einer verfahrensrechtlichen Erschwernis der dem Arbeitgeber zur Prüfung der Qualität des Verdachts auferlegten Aufklärung führen würde. Hierzu ist die Anhörung aber nicht bestimmt (BAG 13.03.2008 - 2 AZR 961/06).

23Die Anhörung des Klägers vor Ausspruch der Verdachtskündigung ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil ihm eine zu kurze Frist für seine Stellungnahme von lediglich drei Tagen gesetzt wurde. Die Art und Weise der Anhörung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Sie muss jedenfalls nicht den Anforderungen genügen, die an eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG gestellt werden (BAG 13.03.2008 - 2 AZR 961/08). Dies bedeutet, dass die Beklagte dem Kläger eine verhältnismäßig kurze Frist setzen durfte, weil der im Schreiben vom 15.11.2007 mitgeteilte Sachverhalt dem Sachverhalt entspricht, der dem Kläger im Haftbefehl vom 19.10.2007 angelastet wurde und der ihm somit im Zeitpunkt des Zugangs des Anhörungsschreibens bereits bekannt war. Die in diesem Schreiben mitgeteilten Tatsachen stellen lediglich eine Umschreibung des dem Kläger im Haftbefehl zur Last gelegten Sachverhalts dar, mit dem er sich bereits geraume Zeit vor Zugang des Anhörungsschreibens am 15.11.2007 auseinandersetzen konnte. Dass die dem Kläger gesetzte Äußerungsfrist nicht unangemessen kurz war, hat dieser selbst gezeigt, indem er bereits am 16.11.2007 eine mehrseitige handschriftliche Stellungnahme gefertigt hat, in der die wesentlichen Elemente seines Verteidigungsvorbringens enthalten sind, wie sie dann später im Anwaltsschreiben vom 18.09.2008 an das Landgericht näher ausgeführt worden sind. Der Kläger hat in dieser Stellungnahme auf eben diejenigen Umstände hingewiesen, die aus seiner Sicht dazu beitragen konnten, angesichts des vom Beklagten angenommenen dringenden Tatverdachts den Sachverhalt aufzuhellen.

24Der Beklagte hat seine Anhörungspflicht nicht dadurch schuldhaft verletzt, dass er bereits fünf Tage nach Zugang des Anhörungsschreibens beim Kläger und zwei Tage nach Ablauf der gesetzten Äußerungsfrist die Kündigung aussprach. Er hat sich zuvor sowohl bei der Justizvollzugsanstalt als auch bei der Staatsanwaltschaft erkundigt, ob eine Stellungnahme des Klägers vorliege, was jeweils verneint wurde. Auf diese Auskünfte durfte sich der Beklagte verlassen, auch wenn er damit rechnen musste, dass ausgehende Post des Klägers einer staatsanwaltschaftlichen Kontrolle unterliege. Er durfte nach der Auskunft der Staatsanwaltschaft berechtigterweise annehmen, der Kläger habe eine Stellungnahme nicht abgegeben und auch nicht abgeben wollen, und musste deshalb nicht nochmals beim Kläger rückfragen, ob dies zutreffend sei. Etwaige Verzögerungen im Postlauf oder bei der innerbehördlichen Verteilung sind jedenfalls nicht dem Beklagten als kündigendem Arbeitgeber anzulasten; er hat insoweit nicht die Anhörungspflicht schuldhaft verletzt (vgl. BAG 13.03.2008 - 2 AZR 961/06 -, wo auf eine schuldhafte Verletzung der Anhörungspflicht abgestellt wird).

3. Die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass dem Interesse des Beklagten am Ausspruch der Kündigung der Vorzug vor dem Interesse des Klägers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu geben ist.

Zwar sprechen für den Kläger dessen vorgerücktes Alter, die lange Dauer seiner Beschäftigung beim Beklagten und vor allem auch die Auswirkungen einer außerordentlichen Kündigung auf die Altersversorgung, die darin bestehen, dass er mutmaßlich die Zusatzversorgung des Öffentlichen Dienstes verliert. Auch spricht für ihn, dass die ihm angelasteten Straftaten im Zeitpunkt der Kündigung jedenfalls nicht auf Grund eines strafgerichtlichen Verfahrens erwiesen waren.

Dem gegenüber kann sich der Beklagte darauf berufen, dass es sich um einen Verdacht von erheblicher Intensität handelt und dass er sich auf Taten erheblichen Umfangs und Gewichts bezieht. Der Verdacht trifft ein strafbares Verhalten, dass eine nachhaltige und schwerwiegende kriminelle Energie impliziert und in geradezu paradigmatischer Weise den Kernbereich der an ein ordnungsmäßiges staatliches Handeln zu stellenden Anforderungen betrifft. Angesichts der Erschütterung des Vertrauens in rechtsstaatliches Handeln der Verwaltung, die Korruption und Untreue in diesem Bereich bewirken, darf nicht der leiseste Zweifel daran entstehen, dass gegen solche Verfehlungen im Öffentlichen Dienst mit allen verfügbaren Mitteln vorgegangen wird. Der Beklagte durfte mithin nicht den geringsten Eindruck dahin erwecken, er gehe mit einem gravierenden Verdacht der hier vorliegenden Art nachsichtig oder duldsam um. Darauf hat er zu Recht bereits ersten Rechtszug hingewiesen.

Dem kann auch nicht entgegen gehalten werden, dass sich der Kläger im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bereits in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befand und diese mit Rentenbeginn bereits einige Monate später geendet hätte. Denn auch in dieser Phase dürfen keinerlei Zweifel innerhalb und außerhalb des Öffentlichen Dienstes daran entstehen, dass korruptes Verhalten zu den strengstmöglichen arbeitsrechtlichen Sanktionen führen muss. Der Kläger stand auch während der Freistellungsphase der Altersteilzeit noch in einem Arbeitsverhältnis zum Beklagten. Ihn trafen in diesem Zeitraum in gleichem Maße wie im aktiven Arbeitsverhältnis Loyalitätspflichten, die im Falle von Bestechlichkeit und Untreue zu Lasten des Öffentlichen Arbeitgebers in schwerster Weise verletzt werden. Der dringende Verdacht, der Kläger habe diese Pflichten verletzt, entzog somit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses die unabdingbare Vertrauensgrundlage.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger im Zeitpunkt der Kündigung im rentennahen Alter war, so dass er den Bezug einer gesetzlichen Altersrente in absehbarer Zeit erwarten konnte und jedenfalls mit Wirksamwerden der außerordentlichen Kündigung nicht jeder Existenzgrundlage beraubt wurde.

4. Die Ausschlussfrist für den Ausspruch der außerordentlichen Kündigung gemäß § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB ist gewahrt. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt, so dass gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen werden kann.

31Ergänzend dazu wird ausgeführt, dass entgegen der Annahme des Klägers die Frist weder mit Kenntnis der ersten Verdachtsgesichtspunkte auf Grund der anonymen Anzeige vom März 2007 und dem nachfolgenden Schreiben des S. an die Regierung von Oberbayern vom 27.03.2007 noch im Zeitpunkt des Schreibens des S. an die Regierung vom 13.07.2007 zu laufen begonnen hat. Denn der Beklagte musste nicht selbst ermitteln, sondern durfte den Verlauf des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft abwarten, zumal diese darum gebeten hatte, den Kläger nicht selbst zu befragen, sondern ihr die Ermittlungen zu überlassen. Andererseits musste der Beklagte das Ergebnis des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungs- oder eines nachfolgenden Strafverfahrens nicht abwarten. Vielmehr konnte er sich auch dann, wenn er auf Grund neuer Tatsachen einen ausreichenden Kenntnisstand für die Verdachtskündigung zu haben glaubte, dazu entschließen, diese Kündigung auszusprechen. Dies ist hier nicht zu einem beliebigen, willkürlichen Zeitpunkt erfolgt (vgl. BAG 17.03.2005 - 2 AZR 245/04; BAG 14.02.1996 - 2 AZR 274/95; BAG 29.07.1993 - 2 AZR 90/93), sondern zu einem Zeitpunkt, in dem sich auf Grund des mitgeteilten Haftbefehls und der dort angeführten Tatsachen der Verdacht erheblich - im Sinne eines dringenden Tatverdachts - erhärtet und somit eine neue Qualität erhalten hatte.

Ausgehend von diesem Zeitpunkt - hier der 08.11.2007 - ist die Kündigung fristgerecht ausgesprochen worden.

5. Gegen die Ordnungsmäßigkeit der Personalratsanhörung sind relevante Einwendungen nicht erhoben worden.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

7. Die Revision wird nicht zugelassen. Auf die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zu erheben, wird hingewiesen.

    Dr. Rosenfelder              Reuter                    Eibl