Bayerisches LSG, Urteil vom 11.03.2009 - L 19 R 813/06
Fundstelle
openJur 2012, 99145
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 16.10.2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Weitergewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit über den 31. Juli 2002 hinaus.

Die 1954 geborene Klägerin wurde von 1968 bis 1971 zur Bürokauffrau ausgebildet. Zuletzt arbeitete sie von August 1995 bis 1996 bei der L. Bausparkasse als Beratungsstellensekretärin. Der erlernte Beruf der Bürokauffrau war Voraussetzung für die Tätigkeit als Beratungsstellensekretärin.

Nach Ablehnung eines Antrages der Klägerin auf Rente wegen Berufsunfähigkeit (Bescheid vom 23.01.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.09.1996) und Abweisung der hiergegen zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhobenen Klage (S 12 An 201/96) verpflichtete sich die Beklagte nach Einholung eines Gutachtens bei dem Neurologen und Psychiater Dr. S. vor dem Bayer. Landessozialgericht (BayLSG), Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Zeit vom 01.08.2000 bis 31.07.2002 zu zahlen (Vergleich vom 12.07.2000 - L 13 RA 114/99).

Die Klägerin beantragte am 08.03.2002 die Weiterzahlung der Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Der von der Beklagten beauftragte Neurologe und Psychiater Dr. K. gelangte in seinem Gutachten vom 18.06.2002 zu dem Ergebnis, die Klägerin könne noch vollschichtig den zuletzt ausgeübten Beruf als Bürokauffrau verrichten. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne sie leichte Tätigkeiten in lärmgeschützter Umgebung verrichten. Tätigkeiten mit intensivem Publikumsverkehr unter Hektik, Stress und unter arbeitsbelasteten Situationen dürften vorerst nicht ausgeübt werden. Er diagnostizierte einen Zustand nach Hörsturz beidseits mit Tinnitus beidseits, mit rezidivierend unsystematisiertem Schwindel ohne Hinweis auf eine peripher-vestibuläre Irritation sowie eine erhebliche Somatisierung mit dysphorischen Elementen. Die typischen Elemente eines Fibromyalgiesyndroms ließen sich nicht nachweisen. Darüber hinaus bestehe eine rezidivierende Migräne sowie ein Spannungskopfschmerzsyndrom und ein lokales HWS-Syndrom ohne Defizite.

Mit Bescheid vom 25.07.2002 lehnte die Beklagte die Weitergewährung ab. Nach Widerspruch hiergegen beauftragte die Beklagte ferner die Fachärztin für Innere Medizin - Rheumatologie Dr. M. R. mit der Erstellung eines Gutachtens. Diese diagnostizierte ein Fibromyalgiesyndrom und Tinnitus aurium. Die Klägerin könne noch sechs Stunden und mehr als Sekretärin arbeiten. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne sie in diesem zeitlichen Umfang noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen, im Gehen oder im Sitzen verrichten. Zu vermeiden seien dauerhafte Zwangshaltungen, ständiges Arbeiten über Kopf oder in gebückter Haltung, Arbeiten mit Absturz oder erhöhter Unfallgefahr, Nachtschicht sowie Arbeiten in Kälte oder Nässe.

Der ebenfalls mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte HNO-Arzt Dr. D. diagnostizierte einen chronischen Tinnitus mit Hyperakusis. Die Klägerin könne die Tätigkeit als Sekretärin bzw. Bürokauffrau noch sechs Stunden täglich verrichten. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sollten aus HNO-ärztlicher Sicht vor allem Lärmtätigkeiten vermieden werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Die dagegen gerichtete Klage vom 10.04.2003 hat die Klägerin damit begründet, der Gesundheitszustand habe sich weiter verschlechtert, so dass ein vollschichtiges Leistungsvermögen nicht bestehe. Außerdem seien die qualitativen Leistungseinschränkungen wie das Vermeiden von Tätigkeiten mit Publikumsverkehr, Hektik, Stress und anderen belastenden Situationen nicht mit dem Berufsbild einer Bürokauffrau Banken/Bausparkasse zu vereinbaren. Auch könne die Klägerin nicht Telefongespräche, Kundenkontakte und Stresssituationen bewältigen.

Das Sozialgericht hat die medizinischen Unterlagen beigezogen und ein Gutachten der Ärztin für Psychiatrie, Neurologie und Psychotherapie Dr. W. eingeholt. Diese beschreibt in ihrem Gutachten vom 11.07.2005 eine somatoforme Schmerzstörung bei histrionischer Persönlichkeit sowie beidseitigem Tinnitus mit Hyperakusis. Unter Vermeidung von Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung wie Akkord-, Fließbandarbeit, Wechsel-/Nachtschicht, Arbeit an laufenden Maschinen und Lärm sowie Tätigkeiten an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen wie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten mit Absturzgefahr und Arbeiten an laufenden Maschinen könne die Klägerin noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten zu den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes verrichten.

Der Arzt für HNO-Heilkunde und Allergologe Dr. L. (13.01.2006) hat in seinem gemäß § 106 SGG erstatteten Gutachten eine geringgradige Hochtonperzeptionsschwerhörigkeit beidseits, einen chronisch komplexen Tinnitus sowie eine zentrale Gleichgewichtsfunktionsstörung diagnostiziert. Aus HNO-ärztlicher Sicht sei eine Tätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zumutbar. Verrichtet werden könnten leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Sitzen, in geschlossenen Räumen. Vermieden werden sollten Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung wie Akkord-, Fließbandarbeiten, Wechsel-, Nachtschicht, Arbeiten an laufenden Maschinen und Lärmtätigkeiten, Tätigkeiten an Leitern und Gerüsten wegen der bestehenden Schwindelsymptomatik und der dadurch erhöhten Absturzgefahr oder Arbeit an laufenden Maschinen, Tätigkeiten mit übermäßiger Lärmbelastung über 75/80 dB, Tätigkeiten über mehrere Stunden hinweg bei denen mit längerfristigen Telefonaten, intensivem Personenverkehr zu rechnen sei oder längerfristige über Stunden hinweggehende Tätigkeiten am Diktaphon.

Der Leiter des Zentrums für Fibromyalgie Dr. Dr. F. hat in seinem im Auftrag des Sozialgerichts erstellten Gutachten vom 06.06.2006 ein Ganzkörperschmerzsyndrom, dem ätiologisch eine Somatisierungsstörung sowie eine anhaltend somatoforme Schmerzstörung zugrunde liege, eine Dysthymie mit einer Angststörung und der Ausprägung einer mäßiggradigen depressiven Symptomatik, ein fehlstatisch-degeneratives Wirbelsäulensyndrom ohne neurologische Ausfallerscheinungen, einen Tinnitus aurium mit Hyperakusis beidseits, eine Schwindelsymptomatik und ein Migräneleiden beschrieben. Zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes könne die Klägerin noch wenigstens sechs Stunden täglich leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Stellung in geschlossenen Räumen verrichten. Zu vermeiden seien Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung, Tätigkeiten an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen, Tätigkeiten mit besonderer Belastung des Bewegungs- und Stützsystems sowie unter ungünstigen äußeren Bedingungen und unter Kontakt von Hautreizstoffen.

Die Tätigkeit als Bürokauffrau könne die Klägerin noch verrichten. Tätigkeiten mit intensivem Publikumsverkehr unter Stressbedingungen bzw. unter psychisch belasteten Situationen sollten nicht ausgeübt werden.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 16.10.2006 die Klage abgewiesen. Nach den Gutachten von Dr. W., Dr. Dr. F. und Dr. L. könne die Klägerin noch Tätigkeiten einer Bürokauffrau bzw. Sekretärin sechs Stunden täglich und mehr zumutbar verrichten. Dem stünden nicht die von den Sachverständigen ausgeschlossenen Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung wie Akkord-, Fließbandarbeiten, Wechsel-, Nachtschicht, Arbeiten an laufenden Maschinen und Lärmtätigkeiten entgegen. Zwar ergebe sich aus den Ausführungen im "berufenet" der Arbeitsagentur, dass die Tätigkeit einer Bürokauffrau häufig Termindruck mit sich bringe. Allerdings sei dieser Termindruck kein Dauerzustand. Darüber hinaus gebe es eine genügend große Anzahl von Bürotätigkeiten, in denen ein häufiger Termindruck nicht zu befürchten sei. Aus eigener Kenntnis bestünden etwa in der Sozialgerichtsbarkeit oder in der Buchhaltung größerer Firmen gleichbleibende Tätigkeiten im Büro ohne häufigen Termindruck.

Zur Begründung der Berufung hat die Klägerin vorgebracht, ihre Belastbarkeit sei reduziert (Befundbericht Dr. S. vom 16.02.2006, Dr. T. vom 14.02.2006). Die von Dr. T. diagnostizierte depressive Angststörung und Posttraumatisierungsstörung sei von Dr. W. nicht berücksichtigt worden. Ebenso wenig habe sie das generalisierte Schmerzsyndrom berücksichtigt. Das Gutachten von Dr. Dr. F. lasse fachärztliche Untersuchungen auf orthopädischem und nervenärztlichem Gebiet vermissen. Weiter sei die Bewertung von Dr. Dr. F. nicht schlüssig. Im Jahr 1999 habe er im Rahmen eines Gutachtens ausgeführt, dass die Klägerin lediglich zwei Stunden am Tag leichte Arbeiten verrichten könne, wobei nach einer Stunde eine halbe Stunde Pause einzulegen sei. Nach Ansicht der behandelnden Ärzte habe sich jedoch das Beschwerdebild nicht signifikant geändert (Stellungnahme Dr. K. vom 07.12.2006). Doch selbst bei einem vollschichtigen Leistungsvermögen stünden die bislang festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen der Ausübung einer Tätigkeit als Bürokauffrau entgegen. Nach den Angaben im "berufenet" erfordere diese Tätigkeit sorgfältige Arbeitsweise auch unter Zeitdruck und gleichbleibender Konzentration in unruhiger Umgebung. Ebenso müssten Tätigkeiten unter Zeitdruck, gleichzeitige Erledigung verschiedener Tätigkeiten geleistet werden. Gerade diese Fähigkeiten besitze die Klägerin nicht mehr.

Der Senat hat aktuelle Befundberichte für die Zeit ab Februar 2005 eingeholt und den Neurologen und Psychiater Dr. S. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 10.12.2007 folgende Diagnosen gestellt: Tinnitus mit Hyperakusis, leichte Funktionseinschränkung der Halswirbelsäule, Verdacht auf Rotatorenmanschettenteilruptur linkes Schultergelenk, Verdacht auf Intercostalneuralgie TH5 rechts, somatoforme Schmerzstörung unter dem Bild einer subsyndromalen Fibromyalgie mit ängstlicher Selbstbeobachtungs-Katastrophisierungsneigung auf dem Hintergrund einer histrionischen Persönlichkeitsakzentuierung. Die Klägerin könne noch vollschichtig leichte und gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. Nicht möglich seien Arbeiten mit Hocken, Knien, Heben und Tragen von Lasten, Steigen auf Leitern und Gerüsten, anhaltende Lärmbelastung über 70 dB, Arbeiten mit besonderer Anstrengung am Konzentrations- und Reaktionsvermögen, Arbeiten unter Zeitdruck und Arbeiten unter Wechsel- und Nachtschicht. Die Klägerin könne die Tätigkeit als Bürokraft im damaligen Belastungsumfang (Telefondienst, Stressbelastung durch konkurrierende Anforderungen verschiedener Mitarbeiter) nicht mehr ausüben, jedoch Tätigkeiten in einer Registratur oder in einem Archiv in einer großen Behörde oder Pförtnerdienst in einer Nebenstelle.

Hiergegen hat die Klägerin unter Vorlage einer Bescheinigung des sie behandelnden Internisten Dr. K. vorgebracht, das Gutachten von Dr. S. habe wichtige Beschwerdebilder außer Acht gelassen. Auf die Verweisungsberufe für Tätigkeiten in einer Registratur, in einem Archiv oder Pförtnerdienst an einer Nebenstelle könne sie nicht verwiesen werden. Auch könne die Klägerin wegen ihrer Erkrankungen keinen PC bedienen und kaum telefonieren.

Hierzu hat Dr. S. unter Bezugnahme auf die Informationen der Agentur für Arbeit im "berufenet" ausgeführt, die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Bürokauffrau könne nicht mehr verrichtet werden. Tinnitus und Hyperakusis ließen ein regelmäßiges Telefonieren und Konfrontation mit Lärmbelastung nicht zu.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 16.10.2006 sowie den Bescheid vom 25.07.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen Berufsunfähigkeit über Juli 2002 hinaus zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die systematischen berufskundlichen Informationen im "berufenet" beschrieben die Berufe anhand häufig festzustellender Merkmale. Nicht alle genannten Merkmale seien jedoch in der jeweils konkreten Ausübungsform zu finden. Deshalb unterliege die Tätigkeit der dreijährig gelernten Bürokauffrau mit abgegrenztem Verantwortungsbereich ohne Leitungsposition und weiterführende Aufgaben auch keinem hohen permanenten Zeitdruck als stressauslösendes Moment. Die Arbeit einer Bürokauffrau sei eine typische Bürotätigkeit. Diese werde überwiegend im Sitzen verrichtet, lasse einen Haltungswechsel je nach individueller Arbeitsorganisation zu. Es werde in geschlossenen temperierten Räumen gearbeitet, Arbeiten im Bücken, Hocken und Knien seien nicht typisch. Die mögliche Hebe- und Tragbelastung liege bei unter 5 kg und sei nicht permanent zu leisten. Auf Leitern und Gerüsten werde nicht gearbeitet. Diesem Anforderungsprofil entspreche die Klägerin. Darüber hinaus sei die Klägerin objektiv und subjektiv zumutbar auf die Tätigkeit einer Registratorin nach Vergütungsgruppe VIII BAT zu verweisen.

Dem entgegnete die Klägerin, der Verweis auf eine Registratorin sei nicht zumutbar. Die gabi, auf die sich die Beklagte bezogen habe, sei nicht mehr existent und in Gebrauch. Den Beruf der Registratorin gebe es gar nicht mehr.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten, die Akte S 12 An 201/96 und L 13 RA 114/99 und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Weiterbewilligung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit noch wegen teilweiser Erwerbsminderung hat, denn die Klägerin kann noch vollschichtig in dem zumutbaren Verweisungsberuf als Registratorin tätig sein.

Die Rechtslage beurteilt sich gemäß § 302b Abs 1 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der vom 01.04.1999 bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (aF) des § 43 SGB VI (Artikel 1 des Gesetzes vom 18.12.1989, BGBl I S 2261, 1990 I S 1337 zuletzt geändert durch Gesetz vom 24.03.1998, BGBl I S 388).

Nach § 43 Abs 2 SGB VI aF sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.

Die Klägerin ist noch in der Lage, vollschichtig leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten zu verrichten. Zu vermeiden sind Arbeiten mit Hocken, Knien, häufiges Heben und Tragen von Lasten, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten mit besonderer Anstrengung an Konzentrations- und Reaktionsvermögen, Arbeiten und Zeitdruck und Arbeiten unter Wechsel- und Nachtschicht sowie anhaltende Lärmbelastung über 70 dB.

Zur Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit der Klägerin stützt sich der Senat sowohl auf die Feststellungen des Sachverständigen Dr. S. sowie der vom Sozialgericht als Sachverständigen gehörten Dr. W., Dr. L. und Dr. Dr. F.. Eingeschränkt ist die Erwerbsfähigkeit der Klägerin im Wesentlichen durch einen Tinnitus mit Hyperakusis sowie eine somatoforme Schmerzstörung unter dem Bild einer subsyndromalen Fibromyalgie. Daneben besteht eine leichte Funktionseinschränkung der Halswirbelsäule mit computertomographisch nachgewiesenen degenerativen Veränderungen ohne neurologischer Reiz- oder Ausfallsymptomatik, Verdacht auf Rotatorenmanschettenteilruptur linkes Schultergelenk, Verdacht auf Intercostalneuralgie PH5 rechts. Der im Vordergrund stehende Tinnitus mit Hyperakusis sowie die somatoforme Schmerzstörung bedingen jedoch keine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens sondern ergeben die o.g. qualitativen Einschränkungen.

Die Gutachten der Sachverständigen sind schlüssig und nachvollziehbar. Die Einwendungen der Klägerin können insbesondere das Ergebnis des Gutachtens von Dr. S. nicht entkräften. Die Klägerin führt aus, dass Hyperakusis und Tinnitus mit Ohrenschmerzen bei Stress, häufigem Telefonieren und gehobener Lautstärke nicht adäquat gewürdigt würden. Gleiches gelte für den erhöhten Blutdruck während der Untersuchung, die Fibromyalgie, die Behandlung als chronische Schmerzpatientin und Leiden der Psyche. Gravierende Protrusionen der Lendenwirbelsäule sowie die orthopädische Problematik seien unberücksichtigt gelassen worden, die Migräne, die Trigeminusneuralgie und der Menièreschwindel seien nicht gewürdigt worden. Dies trifft nicht zu, denn die Auswirkung des Tinnitus hat bei der Bewertung der qualitativen Leistungsfähigkeit durch Dr. S. Berücksichtigung gefunden. Eine anhaltende Lärmbelastung über 70 dB sei nicht tolerabel und die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Bürokraft mit Telefondienst sowie Stressbelastung durch konkurrierende Anforderungen verschiedener Mitarbeiter könne nicht mehr ausgeübt werden. Der erhöht gemessene Blutdruck während der Untersuchung führe für sich genommen noch zu keiner relevanten Leistungseinschränkung. Die Fibromyalgie, die chronischen Schmerzen und die Psyche würden unter der Beschreibung somatoforme Schmerzstörung ausreichend berücksichtigt. Auch die orthopädischen Beschwerden wurden von Dr. S. genannt: Degenerative Halswirbelsäulenveränderung, der Verdacht auf eine Intercostalneuralgie und der Verdacht auf eine Rotatorenmanschettenruptur links. Die im Kernspintomogramm beschriebene polysegmentale Osteochondrosis der Wirbelsäule vor allem thorakal ist durch die qualitative Einschränkung, dass Arbeiten mit besonderer Dreh- und Wendebewegung der Wirbelsäule nicht möglich sind, berücksichtigt worden. Die Lendenwirbelsäulenveränderung führe zu keinem radikulären Symptom. Migräne und Trigeminusneuralgie hätten keine relevanten leistungsmindernden Auswirkungen. Unter Carbamazepin sei es zu einer Besserung der Gesichtsschmerzen gekommen. Die Diagnose der Migräne ohne Aura sei grundsätzlich einer ambulanten nervenärztlichen Behandlung etwa mit einem Betablocker zugänglich. Allerdings fänden sich bei der Untersuchung weder Schwindel noch ein Nystagmus. Die durch MRT vom 20.12.2007 festgestellte Protrusion im Bereich der Lendenwirbelsäule würdigt Dr. S. als Osteochondrosis intervibralis. Eine quantitative Leistungsminderung ergebe sich dadurch jedoch nicht.

Soweit die Klägerin anführt, die Behandlung mit Carbamezepin scheitere wegen Unverträglichkeit für den Magen, steht dem die Aussage in dem Bericht der sie behandelnden Neurologin Dr. J. vom 18.07.2007 entgegen :"Die Gesichtsschmerzen sind durch Carbamezepin recht gut remittiert. Nebenwirkungen treten nicht auf".

Zudem ist die Auffassung der Klägerin, ihre Beschwerden müssten darüber hinaus ohne Medikamenteneinnahme gewürdigt werden, nicht zutreffend. Entscheidend sind nämlich die gesundheitlichen Beeinträchtigungen, wie sie sich durch das Bild der sozialmedizinischen Untersuchungen ergeben. Ob die Medikamenteneinnahme ihrerseits zu Einschränkungen des Leistungsvermögens führt, ist gegebenenfalls zu beachten. Dies ist hier nicht ersichtlich.

Die Klägerin geht weiterhin davon aus, die im Rahmen des streitgegenständlichen Verfahrens eingeholten Gutachten seien nicht schlüssig. Sie schließt dies aus dem Ergebnis des Verfahrens zur Berufsunfähigkeit aus dem Jahr 1995. Die Prüfung der Voraussetzungen für die Weiterbewilligung einer Rente auf Zeit erfolgt jedoch unabhängig und ohne jegliche Bindung an die Ergebnisse der vorausgegangenen (Erst-)Bewilligung. Darüber hinaus wurde auch im Verfahren bezüglich der Erstbewilligung ein vollschichtiges Leistungsvermögen attestiert (Gutachten Dr. S. vom 30.01.2000).

Soweit die Klägerin anführt, die Gutachten von Dr. L. und Dr. Dr. F. im Verfahren vor dem Sozialgericht seien nicht verwertbar, da Gegenstand der Beweisfragen lediglich das sechsstündige Leistungsvermögen gewesen sei, ist dem nicht zu folgen.

Dr. L. nahm zwar explizit zum quantitativen Leistungsvermögen hinsichtlich einer sechsstündigen Tätigkeit Stellung. Allerdings nahm er weiter zu dem Gutachten von Dr. D. vom 20.12.2002 Stellung und kam zu dem Ergebnis, es ergebe sich keine Befundänderung und keine abweichende Beurteilung. Dr. D. hingegen attestierte der Klägerin aus HNO-ärztlicher Sicht noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Gleiches gilt im Ergebnis für das Gutachten von Dr. Dr. F. vom 06.06.2006. Das Gutachten von Dr. S. bestätigt dies und steht insoweit auch in Übereinstimmung mit den durch das Sozialgericht eingeholten Sachverständigengutachten (Dr. L. vom 13.01.2006, Dr. W. vom 11.07.2005, Dr. Dr. F. vom 06.06.2006). Die Sachverständigen kommen übereinstimmend zu einem vollschichtigen Leistungsvermögen.

Die Befundberichte von Dr. S. und Dr. T. stehen dem nicht entgegen. Sie wurden vielmehr durch die Sachverständigen gewürdigt. Auch hat Dr. W. die depressive Angststörung und Posttraumatisierungsstörung berücksichtigt.

Dabei ist das Gutachten von Dr. Dr. F. auch verwertbar, denn es ist schlüssig. Dr. Dr. F. kam in seinem Gutachten vom 06.06.2006 zu dem Ergebnis, die Klägerin könne noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Stellung in geschlossenen Räumen vollschichtig verrichten. Diesem Ergebnis steht nicht sein Befundbericht vom 28.06.1999 im Verfahren L 13 RA 114/99 entgegen, in dem er die Klägerin bei deutlich reduzierter Belastbarkeit nur für zwei Stunden pro Tag arbeitsfähig gehalten hat, wobei nach einer Stunde eine Pause von 30 Minuten zur Erholung eingeleitet werden müsse. Dr. Dr. F. führt dazu aus, dem Befundbericht aus dem Jahr 1999 habe kein Testverfahren und keine weiterführende Labor- und Gerätediagnostik zugrunde gelegen. Es habe sich also sich nicht um ein ärztliches Gutachten, bei dem eine umfangreichere und weiterführende Diagnostik vorgenommen worden ist, gehandelt. Bei der aktuellen Begutachtung hätten die seelischen Leiden und Erkrankungen der Klägerin das Beschwerdebild dominiert. Anlässlich der Begutachtung sei ein Ganzkörperschmerzsyndrom, dem ätiologisch eine Somatisierungsstörung sowie eine anhaltend somatoforme Schmerzstörung zugrunde liegen, diagnostiziert worden. Die weiterführende Diagnostik, einschließlich der Laboruntersuchung sowie der testpsychologischen Untersuchung hätten keine quantitativen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit ergeben.

Damit ist lediglich von einem qualitativ eingeschränkten Leistungsvermögen auszugehen.

Für die Prüfung, ob die - unter Beachtung der qualitativen Leistungseinschränkungen - noch vollschichtig leistungsfähige Klägerin berufsunfähig ist, ist der qualitative Wert des bisherigen Berufes maßgeblich. Dabei ist grundsätzlich der zuletzt versicherungspflichtig ausgeübte Beruf zugrunde zu legen (BSG, Urteile vom 19.04.1978 - 4 RJ 55/77 - und 29.07.2004 - B 4 RA 5/04 R - veröffentlicht in juris).

Die Klägerin erlernte den Beruf einer Bürokauffrau und war in den letzten Jahren auch als solche tätig (vgl. Auskünfte des Arbeitgebers vom 20.03.1998 und 13.07.1999). Demzufolge ist die Tätigkeit einer Bürokauffrau zugrunde zu legen.

Dabei kann offen bleiben, ob es zu dem typischen Anforderungsprofil einer Bürokauffrau gehört, dass Arbeiten unter Zeitdruck und Stress verrichtet werden müssen, denn berufsunfähig ist auch nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann (§ 43 Abs 2 Satz 3 SGB VI aF); dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Zur Beurteilung der verschiedenen beruflichen Tätigkeiten und der Zumutbarkeit der Verweisung auf andere Tätigkeiten hat das Bundessozialgericht ein Mehrstufenschema entwickelt. Danach können die Berufe der Versicherten im Bereich der Angestellten in Gruppen eingeteilt werden. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, gebildet worden. Danach werden die Gruppen durch den Leitberuf des Angestellten hoher beruflicher Qualität, des Angestellten mit längerer Ausbildung (Ausgebildeter), des Angestellten mit einer Ausbildung von drei Monaten bis zu zwei Jahren (Angelernter) und des unausgebildeten Angestellten (Ungelernter) charakterisiert. Angestellte sind grundsätzlich jeweils auf Tätigkeiten der gleichen oder nächst niedrigeren Gruppe verweisbar (BSG, Urteil vom 25.01.1994 - B 4 RA 35/93 - veröffentlicht in juris; Urteil vom 29.07.2004 aaO).

Die Klägerin war zuletzt als Bürokauffrau eingesetzt und übte dabei eine Tätigkeit aus, die im Allgemeinen von Ausgebildeten verrichtet wird. Die Klägerin unterfällt demnach der Gruppe der Ausgebildeten im Sinne des Mehrstufenschemas und ist zumutbar verweisbar auf die Tätigkeiten dieser und der nächst niedrigeren Stufe, d.h. der Gruppe der angelernten Tätigkeiten.

Die Klägerin ist subjektiv zumutbar auf die Tätigkeit einer angelernten Registraturkraft zu verweisen.

Diese Tätigkeit ist existent und der nächst niedrigeren Stufe zuzuordnen.

Zum Aufgabenbereich einer Büroangestellten in einer Registratur zählt das Sortieren und Ablegen von Schriftgut, das Beschriften von Ordnern und Heften, das Ziehen und das Ablegen/Abhängen von Vorgängen, das Aussondern und vorbereitende Aufgaben zum Vernichten von Akten, das Führen von nach bestimmten Kriterien geordneten Karten- und Terminüberwachungslisten und gegebenenfalls das Anfertigen von Fotokopien. Die Tätigkeit einer Registraturkraft in größeren Unternehmen und im öffentlichen Dienst ist als körperlich leichte Tätigkeit zu qualifizieren, welche bereits aus arbeitsorganisatorischen Gründen im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen verrichtet wird. Schweres Heben und Tragen wird nicht gefordert. In den Registraturen sind die erforderlichen Hilfsmittel (Registraturwagen, Ablagemöglichkeiten etc.) in der Regel vorhanden. Dem steht nicht entgegen, dass in Einzelfällen Heben und Tragen von Lasten bis zu 5 kg (Stehordner, gebündelte Akten) Zwangshaltungen wie Überkopfarbeiten und je nach Registratur auch Arbeiten auf Stehleitern erforderlich sein können. Die körperlichen Belastungen hängen aber weitgehend von der jeweiligen Arbeitsplatzgestaltung und der Arbeitsorganisation ab. Folglich sind das Handhaben schwerer Aktenvorgänge, Zwangshaltungen und das Arbeiten auf Leitern nicht generell mit der Tätigkeit einer Registraturkraft verbunden. An die geistigen Anforderungen einer Tätigkeit als Registraturkraft werden keine über das normal übliche Maß hinaus gehenden Ansprüche gestellt. Soweit der Arbeitsplatz mit einem vernetzten PC ausgestattet ist, können die für alle Beschäftigten somit auch für die Registraturkräfte erforderlichen grundlegenden Kenntnisse innerhalb der Einarbeitungszeit auch von Beschäftigten ohne Vorkenntnisse bzw. bisher nicht in der Bedienung einer Tastatur geübten Beschäftigung angeeignet werden. Diese Tätigkeiten werden im Öffentlichen Dienst nach der Vergütungsgruppe VIII BAT entlohnt (vgl berufskundliche Stellungnahme vom 20.04.2005 im Rechtsstreit S 8 RJ 750/02 der Regionaldirektion Bayern, Urteil des BayLSG vom 19.12.2007 - L 19 R 904/05 - veröffentlicht in juris). Die Tätigkeit eines Registrators ist existent und in den Informationen der Bundesagentur für Arbeit zu finden (berufenet). Für die Existenz einer solchen Tätigkeit spricht darüber hinaus auch die Erfassung in einem Tarifvertrag (s.o.).

Die Verweisung auf eine Tätigkeit in der Vergütungsgruppe VIII ist nach der Rechtsprechung einem Facharbeiter durchaus zumutbar (BSG, Urteil vom 27.11.1991 - 5 RJ 91/89 - veröffentlicht in juris).

Die Tätigkeit kann auch von der Klägerin objektiv verrichtet werden, denn sie entspricht ihrem Leistungsvermögen. Die gelegentliche Handhabung von Aktenstücken größeren Gewichts stellt keine besonderen Anforderungen an das Hebe- und Tragevermögen, denn es stehen ausreichend Hilfsmittel zur Verfügung. Auch der Umstand, dass die Klägerin aufgrund der bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen keine Leitern besteigen sollte, hindert sie nicht an der Ausübung einer Tätigkeit in der Registratur. Denn ausgeschlossen sind bei der Klägerin lediglich Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, während anlässlich der Tätigkeit in einer Registratur allenfalls das Besteigen von kleinen Leitern in Büroräumen erforderlich ist. Die Dauer der Einarbeitungszeit beträgt üblicherweise nicht länger als drei Monate. Im Übrigen besitzt die Klägerin aufgrund ihrer Ausbildung zur Bürokauffrau PC-Kenntnisse. Dass die Klägerin überhaupt keine Tätigkeiten mehr am PC verrichten könne, wird von den gehörten Sachverständigen nicht beschrieben.

Nach Überzeugung des Senats ist die Klägerin deshalb in der Lage, sich innerhalb von höchstens drei Monaten in die Tätigkeit eines Registrators einzuarbeiten.

Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gem. § 240 SGB VI besteht ebenfalls nicht.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.