VG Würzburg, Urteil vom 26.03.2009 - W 5 K 08.1356
Fundstelle
openJur 2012, 98956
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1. Mit Bescheid vom 21. Juni 2004 erteilte die Stadt Würzburg dem Kläger und dessen Sohn die baurechtliche Genehmigung für die Herstellung von drei Pkw-Stellplätzen einschließlich Stützmauern und Toranlage sowie einer Treppenanlage auf dem Grundstück Fl.Nr. 5149 der Gemarkung W..

2. Mit Bescheid vom 8. August 2005 verpflichtete die Stadt den Kläger und dessen Sohn unter Anordnung des sofortigen Vollzugs und Androhung von Zwangsgeldern, „die Bauarbeiten zur Herstellung von drei Pkw-Stellplätzen einschließlich Stützmauern und Toranlage sowie einer Treppenanlage auf dem Grundstück R. ..., Fl.Nr. 5149 Gemarkung Würzburg, in W. sofort einzustellen“.

Der Bescheid wurde der Architektin des Klägers am 11. August 2005 mit Zustellungsurkunde zugestellt.

3. Am 18. August 2005 legte die Architektin des Klägers und dessen Sohnes „im Namen der Bauherren Widerspruch gegen die Baueinstellung ein“.

Zur Widerspruchsbegründung wurde vorgetragen, es werde um einen Klärungstermin gebeten, damit die Baustelle wieder aufgenommen und zum Abschluss gebracht werden könne. Der Rohbauer habe die Baustelle sofort eingestellt und nur noch Aufräumungsarbeiten vorgenommen. Vielleicht sei ein Vor-Ort-Termin am zweckmäßigsten, damit ersichtlich werde, dass trotz Änderungen gemäß der statischen Sicherung des Hanges die endgültige Oberkante der wieder erstellten Mauer mit Zaun niedriger als im Bestand und Plan werde. Lediglich an der Nordecke sei aus statischen Gründen, dem Gelände folgend, ein Teilbereich der Mauer höher als geplant. Selbstverständlich sei gewollt, dass nach Abschluss der Arbeiten der Eingriff kaum noch wahrnehmbar sei. Der Bauumfang sei im Grundriss genau wie in der Eingabe und folge lediglich dem aufsteigenden Gelände. Um unnötige Eingriffe in den Hang wie in das Nachbargrundstück zu vermeiden, habe die Statik anstelle eines Stiefelfundamentes eine aussteifende Bodenplatte empfohlen. Da die Architektin den Bauherren lediglich die Eingabeplanung in Rechnung gestellt habe und die Ausführung erfahrenen und erprobten Fachleuten überlassen habe, sei sie auch erst jetzt auf dem Stand der Dinge. Da aus Gründen der Statik der nördliche Teil der Mauer höher als geplant werde, würde dies dem rechten erhöhten Teil der bestehenden Mauer entsprechen und als Abschluss wirken. Sie sei sich sicher, dass sich vor Ort die Situation nicht so gravierend darstelle, wenn erst die Mauer wieder geschlossen und mit steingrauem Tor die annähernd gleiche Situation wie vormals von den Anwohnern wahrgenommen werde.

Auf dem als Telefax eingegangenen Widerspruchsschreiben wurde handschriftlich mit Kugelschreiber folgender Vermerk angebracht: „Widerspruch am 21.09.05 zurückgenommen nach Abstimmung mit Statik und Bauherr und Info Standorthöhen“.

Mit Schreiben vom 27. November 2007 (persönlich abgegeben bei der Stadt Würzburg am 7. Dezember 2007) bestätigte die Architektin des Klägers, den Vermerk auf dem Schreiben vom 18. August 2005 (Widerspruch gegen die Baueinstellung vom 08.08.2005) geschrieben zu haben. Am 21. September 2005 habe im Bauamt ein vermittelndes Gespräch mit der Sachbearbeiterin Frau G. und der Verwaltungsangestellten Frau B. stattgefunden. Bei diesem Termin sei der Vermerk von ihr persönlich dem Schreiben vom 18. August 2005 hinzugefügt worden.

4. Mit Bescheid vom 9. Mai 2008 stellte die Stadt Würzburg das Widerspruchsverfahren ein.

Zur Begründung wurde ausgeführt, der von der Architektin als Vertreterin der Bauherren am 21. September 2005 auf dem Widerspruchsschreiben angebrachte handschriftliche Vermerk ohne Namenszeichen beinhalte die Rücknahme des Widerspruchs. Mit Schreiben vom 27. November 2007 habe die Architektin des Klägers bestätigt, den Widerspruch anlässlich einer Besprechung zurückgenommen zu haben. Mit der schriftlichen Bestätigung der Architektin und Vertreterin der Bauherren vom 27. November 2007 habe zweifelsfrei geklärt werden können, dass der Vermerk auf dem Widerspruchsschreiben vom 21. September 2005 von ihr selbst geschrieben worden sei. In Vertretungsfunktion habe die Architektin den Widerspruch eingelegt und sei in gleicher Weise zur Rücknahme handlungsberechtigt. Das Vertretungsrecht habe für das gesamte Verfahren Bestand gehabt. Mit der Rücknahme habe sich der Widerspruch erledigt, das Verfahren sei deshalb einzustellen.

Der Bescheid wurde dem Kläger und dessen Sohn jeweils am 14. Mai 2008 in Ausfertigung mit Zustellungsurkunde zugestellt.

4. Am 10. Juni 2008 ließen der Kläger und sein Sohn (letzterer im Verfahren W 5 K 08.1355) bei Gericht Klage erheben mit dem Antrag,

den Bescheid der Stadt Würzburg vom 9. Mai 2008 aufzuheben.

Zur Klagebegründung wurde vorgetragen, nach Einlegung des Widerspruchs gegen die Baueinstellungsverfügung hätten Verhandlungen zwischen der Beklagten und der Architektin über eine etwaige Änderung des Bauvorhabens sowie die etwaige Aufhebung der Baueinstellungsanordnung stattgefunden. Nachdem die Beklagte in diesen Verhandlungen die Genehmigung einer geänderten Planfassung in Aussicht gestellt habe, habe die Architektin die Rücknahme des Widerspruchs unter der Voraussetzung der Erteilung der vorgenannten geänderten Genehmigung bestätigt. Die geänderte Planfassung sei aber später nicht genehmigt worden.

Da der Bescheid ein laufendes Rechtsbehelfsverfahren des Klägers, in dem er sich gegen einen ihn belastenden Verwaltungsakt wende, beenden solle, ohne dass der zugrunde liegende belastende Bescheid beseitigt werde, handele es sich bei dem Einstellungsbescheid um einen belastenden Verwaltungsakt, so dass der Kläger klagebefugt sei. Das Rechtsschutzbedürfnis beschränke sich dabei auf den Einstellungsbescheid, weil nach Beseitigung das Widerspruchsverfahren gegen die Baueinstellungsverfügung vom 5. Mai 2005 fortzusetzen sei.

Der Bescheid sei rechtswidrig, weil die Beklagte zum Erlass des Einstellungsbescheides nicht zuständig sei. Im Widerspruchsverfahren könne die Ausgangsbehörde ausschließlich einen voll umfänglichen Abhilfebescheid erlassen. In allen anderen Fällen habe die Entscheidung die Widerspruchsbehörde aufgrund des Devolutiveffektes zu treffen.

Eines förmlichen Einstellungsbescheides bedürfe es nicht, wenn der Widerspruch sich erledigt habe. Dies sei auch der Fall, wenn der Widerspruchsführer seinen Widerspruch zurückgenommen habe. Für den Fall der Erledigung bedürfe es allein einer Kostenentscheidung nach Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG. Im Falle der Rücknahme eines Widerspruchs finde ebenfalls eine isolierte Kostenentscheidung nach Art. 80 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG statt. Eine in der bayerischen Verwaltungspraxis übliche Tenorierung, wonach das Verfahren eingestellt werde, habe in diesen Fällen nur deklaratorische Bedeutung. Daraus folge aber noch nicht, welche Behörde für die Kostenentscheidung (und gegebenenfalls die deklaratorische Verfahrenseinstellung) zuständig sei. Die Kostenentscheidung nach Art. 80 BayVwVfG treffe in jedem Fall die Widerspruchsbehörde, nicht die Ausgangsbehörde. Diese könne allein eine Kostenentscheidung nach § 72 VwGO bei vollständiger Abhilfe des Widerspruchs treffen.

Vorliegend möge es streitig sein, ob die Architektin den Widerspruch zurückgenommen habe. Allein schon dann, wenn dies umstritten sei, sei es der Ausgangsbehörde verwehrt, das Widerspruchsverfahren einzustellen und nicht der Widerspruchsbehörde zur Entscheidung vorzulegen. In einem solchen Fall sei die Einstellungsverfügung nämlich nicht nur deklaratorisch, sondern nehme mindestens den Rechtsschein einer konstitutiven Beendigung des Rechtsbehelfsverfahrens zu Lasten des Widerspruchsführers für sich in Anspruch. Die Architektin habe mit ihrer Erklärung eine Rücknahme des Widerspruchs erklärt. Zum einen ergebe sich aus der Erklärung selbst, dass diese unter der Voraussetzung der Erteilung der Genehmigung für den geänderten Bauantrag folge. Dabei handele es sich um eine aufschiebende Bedingung. Im Übrigen ergebe sich auch aus den Umständen, dass die Architektin nicht die Absicht gehabt haben könne, einen Rechtsbehelf zurück zu nehmen, solange die ihr versprochene geänderte Baugenehmigung nicht erteilt sei. Darüber hinaus sei die Rücknahme des Widerspruchs als aktus contrarius zur Widerspruchseinlegung wie eine Prozesserklärung bedingungsfeindlich. Eine solche Erklärung sei unwirksam, werde sie unter einer Bedingung abgegeben.

Schließlich unterstelle die Beklagte der Architektin, sie habe für die Widerspruchsrücknahme Vollmacht für den Kläger besessen. Dies sei nicht der Fall. Dies folge auch nicht als Anscheinsvollmacht aus der Stellung des Architekten. Der Kläger billige und genehmige die Erhebung des Widerspruchs. Er genehmige jedoch nicht die Rücknahme des Widerspruchs.

Es komme auch nicht darauf an, ob durch die Versagung des geänderten Bauantrags oder die spätere erneute Baueinstellungsverfügung vom 5. Juni 2007 die ursprüngliche Baueinstellungsanordnung überholt sei. Das sei sie schon deshalb nicht, weil im Vollzug dieser Baueinstellungsanordnung gegen den Kläger ein Zwangsgeld fällig gestellt worden sei.

Demgegenüber beantragte die Stadt Würzburg,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung des Abweisungsantrags wurde ausgeführt, die erhobene Anfechtungsklage sei die unzutreffende Klageart. Für das Begehren des Klägers, der die Einsetzung in den Verfahrensstand eines noch anhängigen Widerspruchsverfahrens verfolge, komme nur die Feststellungsklage nach § 43 VwGO in Betracht. Diese sei mangels Zulässigkeit abzuweisen, weil dem Kläger kein Feststellungsinteresse zustehe. Die ausgesprochene Einstellung des Widerspruchsverfahrens wirke ausschließlich deklaratorisch, der Bescheid diene der Klarstellung des Sachverhaltes, dass sich das Widerspruchsverfahren infolge der wirksamen Widerspruchsrücknahme durch die vertretungsberechtigte Architektin erledigt habe. Aus dem Inhalt des Bescheides lasse sich eine materielle Beschwer im Sinne einer Beeinträchtigung subjektiver Rechte des Klägers nicht ableiten. Der Einstellungsbescheid beinhalte keinen Eingriff in eine schützenswerte Rechtsposition des Klägers.

Die Widerspruchsrücknahme sei wirksam durch die vertretungsberechtigte Architektin des Klägers erklärt worden. Diese sei im Bauantrag als Vertreterin der Bauherren benannt worden. Sie habe in Vertretung der Bauherren die Einlegung des Widerspruchs mit Schreiben vom 18. August 2005 bewirkt. Dem werde seitens des Klägers bis heute nicht widersprochen. Die Beklagte habe keine Veranlassung gehabt, am Vorliegen der Vertretungsmacht zu zweifeln. Aus dem Inhalt eines Schreibens der Architektin vom 25. September 2005 sei zu schließen, dass sie zum Zeitpunkt des Rücknahmevermerks weiterhin in Vertretung des Bauherrn und nicht ohne Vertretungsmacht gehandelt habe. Aus dem Zusammenhang ergebe sich schlüssig, dass eine Zusicherung zur Erteilung einer Genehmigung nach Widerspruchsrücknahme durch die Beklagte nicht gegeben worden sei und die Widerspruchsrücknahme nicht mit einer solchen Bedingung verknüpft worden sei. Auch der Rücknahmevermerk selbst beinhalte keine Bedingung. Es dränge sich der Eindruck auf, dass die Bauherren ihre Architektin zur Verhandlungsführung beauftragt hätten, während sie eigenmächtig unter Missachtung der in den Verhandlungen festgelegten Vereinbarungen die widerrechtliche Bauausführung vorangetrieben und zunehmend vollendete Tatsachen geschaffen hätten. Die Architektin habe aufgrund der ihr eingeräumten Vertretungsmacht anstelle des Bauherrn mit Wirkung für und gegen diesen gehandelt und zwar im gleichen Rahmen wie bei der Einlegung des Widerspruchs wenige Tage zuvor. Der Kläger könne nicht die in seinem Interesse erfolgte Einlegung des Widerspruchs genehmigen und zugleich dem korrespondierenden Akt der Rücknahme, der zu seinen Lasten gehe, nachträglich nicht zustimmen. Die Rücknahme eines Widerspruchs erfolge in der gleichen Weise wie die Einlegung. Eine wirksame Rücknahme setze neben der unzweideutigen Kundgabe des Rücknahmewillens weiterhin die Beachtung der in § 70 VwGO vorgeschriebenen Form voraus. Diese Voraussetzungen seien erfüllt. Auf Nachfrage habe die Architektin mit Schreiben vom 27. November 2007 bestätigt, dass sie selbst für den schriftlichen Rücknahmevermerk verantwortlich zeichne. Die Rücknahme des Widerspruchs beende das Vorverfahren zum 21. September 2005. Der Bescheid vom 9. Mai 2008 konstatiere nur nachträglich die Beendigung des Widerspruchsverfahrens. In der Kostenentscheidung sei auf die Erhebung einer Gebühr verzichtet worden.

5. In der mündlichen Verhandlung am 26. März 2009 wiederholten der Klägerbevollmächtigte und der Beklagtenvertreter die bereits schriftsätzlich gestellten Klageanträge. Hinsichtlich des weiteren Fortgangs der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

6. Die einschlägigen Behördenakten lagen dem Gericht vor. Die Verfahrensakten W 5 E 06.214, W 5 K 07.1526, W 5 S 07.1527, W 5 K 08.316, W 5 S 08.317, W 5 K 08.318, W 5 E 08.319, W 5 K 08.920 und W 5 K 08.1355 wurden beigezogen.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig. Die gegen den Bescheid der Beklagten vom 9. Mai 2008 gerichtete Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alternative 1 VwGO) ist statthaft. Der Kläger begehrt die Aufhebung einer von der Beklagten vorgenommenen Verfahrenseinstellung, weil er der Ansicht, dass fehlerhafterweise statt einer Entscheidung zur Sache eine Einstellung erfolgt ist. Das erkennende Gericht erachtet die vorliegende Konstellation als Unterfall des § 79 Abs. 2 VwGO (vgl. Sodan/Ziekow, VwGO, Rd.Nr. 48 zu § 79 m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, Rd.Nrn. 2 und 9 zu § 73, Rd.Nr. 11 zu § 79; Redeker/v. Oertzen, VwGO, Rd.Nr. 10 zu § 79; a A wohl BayVGH, U.v. 06.12.1974 Nr. 76 I 70, BayVBl. 76, 349 sowie Geiger, Die fiktive Widerspruchsrücknahme nach Art. 15 KG, BayVBl. 79, 105 und Petermann, Die fiktive Rücknahme des Widerspruchs, BayVBl. 73, 349). Die subsidiäre Feststellungsklage, die die Beklagtenseite als richtige Klageart annimmt, kommt daher nicht in Betracht.

2. Die Klage ist unbegründet.

Der Widerspruch des Klägers ist wirksam zurückgenommen worden. Die Architektin des Klägers hat den Widerspruch eingelegt. Über die Wirksamkeit der Widersprucheinlegung besteht kein Streit. Die Architektin trat im Bauantrag als Vertreterin der Bauherren auf, an sie wurde auch der Baugenehmigungsbescheid zugestellt. Die Architektin der Kläger ist deshalb, wenn man ihr schon – wie auch der Kläger dies tut – die Befugnis zur Einlegung des Widerspruchs zuerkennt, berechtigt gewesen, den actus contrarius zur Widerspruchseinlegung, die Widerspruchsrücknahme, vorzunehmen. Weshalb sie, wie der Kläger vortragen lässt, zwar zur Widerspruchseinlegung, nicht aber zur Widerspruchsrücknahme befugt gewesen sein soll, erschließt sich dem erkennenden Gericht nicht. Eine Rücknahmebefugnis hätte der Kläger nur ausschließen können, wenn er gegenüber der Beklagten vor der Rücknahmehandlung eine entsprechende Erklärung abgegeben hätte, mit der die Vertretungsbefugnis widerrufen worden wäre.

Die Zurücknahme des klägerischen Widerspruchs geschah auch formgerecht. Grundsätzlich erfolgt die Zurücknahme eines Widerspruchs wie seine Einlegung. Wird die Rücknahme erklärt und die Rücknahmeerklärung unterschrieben, ist der Form des § 70 Abs. 1 VwGO immer Genüge getan. Vorliegend hat die Architektin des Klägers die Rücknahmeerklärung nicht unterschrieben. Sie hat aber mit dem von ihr unterschriebenen Schriftsatz vom 27. November 2007 bestätigt, den Rücknahmevermerk auf der Widerspruchsakte angebracht zu haben (Bl. 181 – BA 14325 – des Leitzordners der Behördenakte). Dies genügt den Anforderungen des § 70 Abs. 1 VwGO. Der Sinn der Vorschrift liegt nach allgemeiner Auffassung nur darin, die Identität des Erklärenden festzustellen und gleichzeitig klarzustellen, dass es sich um eine gewollte prozessuale Erklärung handelt. Urheberschaft und Verkehrswille müssen geklärt sein (vgl. nur Hk-VerwR/VwGO/Kastner, Rd.Nr. 4 und 5 zu § 70). Dies ist vorliegend eindeutig der Fall.

Die Rücknahmeerklärung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil ihr etwa eine unzulässige Bedingung beigegeben worden wäre. Die Zurücknahme eines Widerspruchs ist wie eine Prozesshandlung zu werten und deshalb grundsätzlich bedingungsfeindlich (Hk-VerwR/VwGO/Kastner, a.a.O., Rd.Nr. 16 zu § 69; BVerwG, U.v. 16.08.1995 Nr. 11 C 2.95 DVBl. 96, 105). Vorliegend ist aber gerade nicht ersichtlich, dass eine Bedingung Teil der Erklärung der Architektin auf der Widerspruchsurkunde gewesen wäre. Dem Wortlaut der Erklärung nach wurde die Rücknahme unbedingt eingelegt. Hinweise, die den insofern eindeutigen Wortlaut der Erklärung zu widerlegen vermöchten, sind nicht ersichtlich. Auch aus der nachträglichen Stellungnahme der Architektin zu der Widerspruchsrücknahme im Schreiben vom 27. November 2007 (a.a.O) ergibt sich nichts für die Annahme einer Bedingung.

Nach alledem wurde der Widerspruch des Klägers wirksam zurückgenommen.

Die Rücknahme des Widerspruchs beendet das Vorverfahren automatisch und ex nunc (Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im öffentlichen Recht, 11. Auflage, § 27 Rd.Nr. 26; § 36, Rd.Nr. 11; Klein, BayVBl. 93, 582). Sie stellt einen Unterfall der Erledigung dar. Ein förmlicher Abschluss des Verfahrens durch Einstellung entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist nicht erforderlich, aus Gründen der Klarstellung und Rechtssicherheit gleichwohl zweckmäßig und üblich (Pietzner/Ronellenfitsch, a.a.O., § 36, Rd.Nr. 11; § 42, Rd.Nr. 33), das Widerspruchsverfahren ist dann also von Amtswegen, ansonsten auf Erledigungserklärungserklärung des Widerspruchsführers hin einzustellen (Pietzer/Ronellenfitsch, a.a.O., § 42, Rd.Nr. 33; vgl. auch BVerwG, U.v. 20.01.1998 Nr. 8 C 30.87, BVerwGE 81, 226). Der Widerspruchsführer hat durch seine Rücknahmeerklärung seine Dispositionsbefugnis ausgeübt, so dass eine Einstellung von Amtswegen möglich ist (BFH, U.v. 04.11.1981, Nr. 11 R 119/79 NVwZ 82, 583).

Zuständig für die Einstellung ist die Behörde, unter deren Verfahrensherrschaft das erledigende Ereignis eingetreten ist, also die Ausgangsbehörde allein bis zu dem Zeitpunkt, in dem sie die Abhilfe verweigert und die Sache der Widerspruchsbehörde vorlegt (Pietzner/Ronellenfitsch a.a.O., § 42, Rd.Nr. 34; BayVGH, U.v. 12.02.1982 Nr. 23 B 80 A.2332, BayVBl. 82, 440; Kopp/Schenke, a.a.O., Rd.Nr. 6 zu § 72), nach Eintritt des Devolutiveffekts daneben auch die Widerspruchsbehörde (Pietzner/Ronellenfitsch a.a.O., § 42 Rd.Nr. 33; § 25 Rd.Nr. 6 und 11). Vorliegend war der Devolutiveffekt in Ermangelung einer Vorlage des Widerspruchs an die Regierung von Unterfranken noch nicht eingetreten. Die Beklagte war daher für die Einstellung alleine zuständig. Das nach § 72 VwGO grundsätzlich die Verwerfungsbefugnis hinsichtlich eines Widerspruchs der Widerspruchsbehörde vorbehalten ist, hindert die Abhilfebehörde nicht an der Erledigungsfeststellung, denn § 72 VwGO will nur die Verwerfungsbefugnis der Ausgangsbehörde ausscheiden, weil eine derartige Entscheidung „in eigener Sache“ potentiell geeignet ist, den Zweck des Widerspruchsverfahrens zu gefährden. Die deklaratorische Erledigungsfeststellung wird hiervon nicht erfasst (Pietzner/Ronellenfitsch, a.a.O., § 42, Rd.Nr. 34).

Nach alledem war die Klage insgesamt abzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.