VG Regensburg, Urteil vom 18.02.2009 - RN 3 K 08.01408
Fundstelle
openJur 2012, 98636
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin möchte erreichen, dass sie in den fünf ständigen Ausschüssen des Kreistags, die (neben dem Landrat) mit zwölf Mitgliedern besetzt sind, zu Lasten der CSU-Kreistagsfraktion einen Sitz mehr erhält, nämlich jeweils zwei Sitze und die CSU-Kreistagsfraktion jeweils nur sechs Sitze (anstatt bisher sieben Sitze). Der SPD-Fraktion sei – entgegen der Auffassung des Beklagten - auch Herr Dr. …, der Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen, zuzurechnen.

Der Landkreiswahlausschuss des Beklagten stellte in seiner Sitzung am 13. März 2008 folgendes Ergebnis der Wahl zum Kreistag am 2. März 2008 und die Sitzverteilung im Kreistag fest:

WV-Nr.WahlvorschlagStimmenProzentSitze im Kreistag01Christlich-Soziale Union (CSU)1.312.35350,91 %3202Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)300.33711,65 % 703Bündnis 90/Die Grünen67.8612,63 % 104Freie Wähler (FW)462.84917,96 %1105Ökologisch Demokratische Partei/Parteifreie Umweltschützer (ödp/PU)227.7298,83 % 506Freie Demokratische Partei/Freie Wählergruppe (FDP/FWG)136.1745,28 % 307Die Republikaner (REP)70.4612,73 %1Die Wahlvorschläge 02 und 03 sowie die Wahlvorschläge 04 und 06 waren Listenverbindungen eingegangen. Mit Schreiben vom 20. März 2008 an die Beklagte teilte die Klägerin mit, dass sich Herr Dr. …, der Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen, der Kreistagsfraktion der SPD angeschlossen habe. Deshalb verfüge die Fraktion in der Wahlperiode 2008 bis 2014 über acht Mandate. Es handle sich dabei um keine Fraktionsgemeinschaft, sondern es werde nur der Titel „SPD-Kreistagsfraktion“ geführt. Mit Schreiben vom 24. März 2008 begründete die Klägerin den Fraktionsanschluss näher und brachte u.a. vor, dass den dadurch bedingten Änderungen in der Sitzverteilung der Ausschüsse Rechnung zu tragen sei.

Gemäß § 33 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Kreistages gehören dem Kreisausschuss der Landrat und zwölf Kreisräte an. Weitere Ausschüsse mit zwölf Mitgliedern sind gemäß § 36 Abs. 1, 2 der Geschäftsordnung der Ausschuss für Wirtschaft, Tourismus und Entwicklung, der Bauausschuss, der Umwelt- und Energieausschuss und der Ausschuss für Kultur und Sport. Unter Zugrundelegung des Verfahrens nach d`Hondt hätte sich in diesen Ausschüssen folgende Sitzverteilung ergeben:

Verfahren d`Hondt ohne Berücksichtigung des Fraktionsbeitritts Dr. …

CSU8 SitzeSPD1 SitzFW2 Sitzeöpd/PU    1 SitzDie sich hieraus ergebende Überrepräsentation zu Gunsten der CSU wurde nach dem Verfahren Hare/Niemeyer korrigiert, woraus sich folgende Ausschussbesetzung ergibt:

Verfahren Hare/Niemeyer ohne Berücksichtigung des Fraktionsbeitritts Dr. …

CSU7 SitzeSPD1 SitzFW2 Sitzeöpd/PU1 SitzFDP/FWG    1 SitzIn seiner Sitzung am 2. Mai 2008 lehnte der Kreistag des Beklagten mit 7 gegen 53 Stimmen den Antrag der Klägerin ab, für die Berechnung der Ausschusssitze die SPD-Fraktion wegen des ausschusswirksamen Beitritts des Herrn Dr. … mit acht Mitgliedern zu berücksichtigen (Beschluss-Nr. 5).

Mit Schriftsatz vom 8. August 2008, beim Verwaltungsgericht Regensburg eingegangen am 11. August 2008, ließ die SPD-Fraktion Klage einreichen und sie im Wesentlichen wie folgt begründen:

Die Ausschüsse, denen (neben dem Landrat) zwölf Mitglieder des Kreistages angehören, seien auf der Basis der Stärkeverhältnisse der Parteien und Wählergruppen ohne Berücksichtigung des Beitritts des Herrn Dr. … besetzt worden. Da die CSU bei dem Verfahren nach d`Hondt mit + 1,60 zu Lasten der SPD mit – 0,40 und der FDP/FWG mit – 0,60 überrepräsentiert gewesen wäre, habe das Verteilungsverfahren Hare/Niemeyer angewendet werden müssen. Danach habe die CSU-Fraktion ohne Berücksichtigung des Fraktionsbeitritts sieben Ausschusssitze erhalten. Den siebten Sitz habe sie trotz gleichen Anspruchs wie die SPD-Fraktion wegen der höheren Stimmenzahl bei der Wahl bekommen. Unter Berücksichtigung des Fraktionsbeitritts und unter Anwendung des Verfahrens Hare/Niemeyer ergebe sich richtiger Weise folgende Sitzverteilung:

Verfahren Hare/Niemeyer mit Berücksichtigung des Fraktionsbeitritts Dr. …

CSU6 SitzeSPD2 SitzeFW2 Sitzeödp/PU1 SitzFDP/FWG    1 SitzNach dem Wortlaut des Art. 27 Abs. 3 Satz 1 der Landkreisordnung (LKrO) würden für eine Änderung der Verteilung der Ausschusssitze aufgrund eines Fraktionsbeitritts keine Vorgaben zu der Frage gemacht, inwieweit beim Übertretenden eine Abkehr von bisherigen Überzeugungen und Wählern und die Hinwendung zu den Überzeugungen der neuen Fraktion vorliegen müsse. Wenn zwei Gruppierungen von vorne herein mit gleichen oder sehr ähnlichen Positionen bei der Kommunalwahl anträten, sei kein Raum, auf eine Abkehr von bisherigen Positionen und Wählerschaften und die Hinwendung zu den Positionen der neuen Gruppierung abzustellen. Ein Vergleich der Sachprogramme der die jeweiligen Wahlvorschläge tragenden Parteien SPD und Grüne ergebe vollständige Übereinstimmungen z.B. in den Punkten gentechnikfreier Landkreis bzw. gentechnikfreie Zone, Forderung nach Klimaschutzmaßnahmen, Forderung nach Verbesserungen im öffentlichen Personennahverkehr, Forderung nach dem Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen, Forderung nach dem Ausbau von Jugendbildungsangeboten und Forderung nach dem Ausbau der Donau ohne Staustufen bzw. dem Erhalt des letzten Stücks frei fließender Donau. Es sei also eine Abkehr von den bisherigen Positionen und die Hinwendung zu den Positionen der neuen Gruppierung gar nicht möglich, da sie von vorn herein identisch gewesen seien.

Bereits in der Wahlperiode 2002 bis 2008 habe es eine entsprechende Zusammenarbeit zwischen der SPD und den Grünen gegeben. Die damalige Kreisrätin Frau …, die über die Liste der Grünen in den Kreistag gewählt worden sei, sei am 26. Juni 2003 der klagenden SPD-Fraktion beigetreten. Nach außen sei diese immer als SPD-Fraktion in Erscheinung getreten. Rechnerischen Einfluss auf die Zusammensetzung der Ausschüsse habe der Fraktionsbeitritt von Frau … nicht gehabt. Die Fraktionssitzungen der SPD hätten immer unter Einbeziehung von Frau … stattgefunden. Anträge an die Gremien des Kreistags seien nur im Namen dieser Fraktion gestellt worden.

Herr Dr. … sei zwar weiterhin zahlendes Parteimitglied der Grünen, jedoch nicht aktiv in irgendeiner Parteifunktion tätig. Er werbe auch nicht mit seiner Mitgliedschaft bei den Grünen. Weitere kommunale Wahlmandate (insb. bei der Gemeinde oder dem Bezirk) nehme er nicht wahr. Als gewählter Kreisrat sei er - unabhängig von einer Parteimitgliedschaft - nur seinem Gewissen unterworfen. Durch seinen Fraktionsübertritt seien die Grünen nicht mehr im Kreistag des Beklagten vertreten. Bereits mit Urteil vom 21. August 1961 habe der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass ein derartiger Fraktionswechsel Einfluss auf die Besetzung der Ausschüsse haben müsse.

Am Rande sei anzumerken, dass die Besetzung der Ausschüsse möglicherweise wegen einer nicht ordnungsgemäßen Ladung des Kreistags nicht rechtmäßig zustande gekommen sei. Die Ladung zur 1. Kreistagssitzung könne nur von dem neugewählten Landrat – in dessen neuer Amtszeit ab dem 1. Mai 2008 – erfolgen und gemäß Art. 25 Abs. 1 LKrO müsse eine angemessene Ladungsfrist eingehalten werden. Die Sitzung des Kreistags, bei der die Ausschussbesetzung erfolgt sei, habe am 2. Mai 2008 stattgefunden, dem ersten Werktag in der neuen Amtsperiode. Die Ladung sei noch in der alten Amtsperiode erfolgt. Aus dem Auszug der Niederschrift dieser Sitzung gehe hervor, dass ein Kreisrat gefehlt habe. Somit habe ein ggf. vorliegender Ladungsmangel nicht geheilt werden können.

Die Klägerin lässt beantragen,

festzustellen, dass der Beschluss Nr. 5 der Sitzung des Kreistages des Beklagten vom 2. Mai 2008 rechtswidrig ist. Der Beklagte wird verurteilt, die Sitze in den fünf ständigen Ausschüssen mit zwölf Mitgliedern des Kreistages in der Weise zu verteilen, dass die Klägerin jeweils zwei Sitze erhält.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Zusammensetzung des Kreisausschusses sowie der übrigen vom Kreistag gebildeten beratenden oder beschließenden Ausschüsse habe dem Stärkeverhältnis der im Kreistag vertretenen Parteien und Wählergruppen Rechnung zu tragen. Damit gelte das Prinzip des „verkleinerten Abbildes“ des Kreistages. Zu den Kommunalwahlen am 2. März 2008 seien die Parteien SPD und Die Grünen mit jeweils getrennten Listen angetreten. Die eingegangene Listenverbindung habe lediglich die Auswirkung, dass gemäß Art. 35 Abs. 2 Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz (GLKrWG) bei der Verteilung der Kreistagssitze auf diese Verbindung abgestellt werden müsse, nicht jedoch auf das Bestehen bzw. Nichtbestehen der einzelnen Wählergruppen im Kreistag. Entsprechend dem Ergebnis der amtlichen Wahlfeststellung seien sieben Mitglieder des Wahlvorschlages der SPD und ein Mitglied des Wahlvorschlages der Partei der Grünen in den Kreistag gewählt worden.

Zwischen der amtlichen Feststellung und noch vor der konstituierenden Sitzung des neuen Kreistages habe die Klägerin erklärt, dass der neugewählte Kreisrat der Grünen, Herr Dr. …, der Fraktion der SPD beigetreten sei. Nach der gängigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes zu Art. 27 Abs. 3 LKrO gehe es bei einem ausschusswirksamen Übertritt in eine andere Fraktion oder bei einem Fraktionsanschluss weniger um die inhaltliche Bewertung der politischen Überzeugung, sondern um die äußeren Umstände, aus denen sich ableiten lasse, dass sich der betreffende Mandatsträger von den Personen gelöst habe, die ihm ursprünglich zu seinem Mandat im Kreistag verholfen hätten. Damit ein Fraktionsanschluss oder sogar ein Fraktionswechsel ausschusswirksam im Sinne des Art. 27 Abs. 3 LKrO seien, müssten besondere Umstände hinzu kommen, aus denen sich ergebe, dass der Wechsel nicht nur zum Schein oder in der Absicht der Gesetzesumgehung vorgenommen werde. Eine beachtliche Änderung des Stärkeverhältnisses der Parteien und Wählergruppen liege dann vor, wenn der Eintritt oder Übertritt eines Kreistagsmitglieds in eine aus den Mitgliedern einer anderen Partei oder Wählergruppe gebildeten Fraktion eine Abkehr von bisherigen Positionen und Wählerschaften darstelle. Zugleich müsse hiermit eine Hinwendung zu der neuen Gruppierung verbunden sein, denn nur dann werde deren Mitgliederzahl vergrößert und das Stärkeverhältnis verändert. Ob eine solche Abkehr vorliege, sei anhand aller Umstände des Einzelfalles festzustellen. Dabei gehe es weniger um eine inhaltliche Bewertung politischer Überzeugungen, als um äußere Umstände, aus denen sich diese Loslösung zwingend ableiten lasse.

Es sei richtig, dass die Klägerin in der Wahlperiode 2004 bis 2008 inhaltlich mit der Kreisrätin der Grünen, Frau …, zusammengewirkt habe. Diese habe sich der Fraktion der Klägerin angeschlossen gehabt. Zwischen den Parteien sei allerdings stets unstreitig gewesen, dass dieser Fraktionsanschluss zu keiner Änderung der Stärkeverhältnisse der Ausschüsse geführt habe. Der Fraktionsanschluss habe keine Auswirkungen auf die Zusammensetzung der beschließenden und beratenden Ausschüsse gehabt. Frau … habe niemals Zweifel darüber aufkommen lassen, dass sie der Partei und Wählergruppe der Grünen angehöre. Sie sei stets für die politischen Ziele der Grünen im Kreistag präsent gewesen und habe auch zur Kommunalwahl im Jahr 2008 wieder auf dem Wahlvorschlag der Grünen kandidiert.

Es sei richtig, dass in der Kreispolitik die jeweiligen Kreisräte bzw. die Kreisrätinnen der Grünen und der Klägerin in weiten Bereichen übereinstimmten. Diese inhaltliche Übereinstimmung alleine führe aber zu keinen Konsequenzen bezüglich der Ausschussbesetzung. Eine derart breite inhaltliche Gleichförmigkeit sei zwischen mehreren Gruppierungen feststellbar. Deshalb sei darauf abzustellen, ob objektive Umstände eine Abkehr des Herrn Dr. … von den Wählerschaften der Grünen aufzeigen würden. Dieser bekenne sich aber auch nach der Kommunalwahl und dem erklärten Anschluss an die Fraktion der Klägerin offen zu den Grünen. Bei einem Gespräch am 10. April 2008 habe er ausdrücklich erklärt, dass eine Loslösung von den Wählerschaften wie auch den Positionen der Grünen nicht gewollt sei. Er werde sich zudem künftig nicht quasi als „SPD-Kreisrat“ betrachten, sondern werde nach wie vor als Vertreter der Partei der Grünen im Kreistag sein. Eine anderweitige Erklärung könne und wolle er nicht abgeben. Unmittelbar nach der Kommunalwahl und der Bekanntgabe des Ergebnisses hätten sich die Grünen zu einer Wahlnachlese getroffen. In einem Artikel im Straubinger Tagblatt vom 10. März 2008 stehe, dass man mit Herrn Dr. … wieder einen Kreisrat im Kreistag habe, der grüne Interessen mit Nachdruck und Kompetenz vertreten werde. Er habe bei dieser Veranstaltung deutlich gemacht, dass er sich nach wie vor den Wählerschaften und Positionen der Grünen verbunden fühle.

In einer Fraktionsführerbesprechung am 4. April 2008 im Dienstzimmer des Landrats habe der Fraktionsvorsitzende der Klägerin erklärt, dass der Anschluss von Herrn Dr. … als ausschusswirksam bewertet werden müsse. Diese Rechtseinschätzung werde auch von den juristischen Beratern der SPD-Landtagsfraktion geteilt. Zudem sei das Schreiben der SPD-Kreistagsfraktion vom 24. März 2008 mit der Partei der Grünen und den juristischen Beratern der Landtagsfraktion der Grünen abgestimmt worden. Auch diese seien der Meinung, dass aufgrund des Inhalts des Schreibens eine Ausschusswirksamkeit gegeben sei. Daher stehe fest, dass der Anschluss des Herrn Dr. … zwischen den Parteien abgesprochen gewesen sei. Auch der Umfang der Zusammenarbeit und der Inhalt des Antragsschreibens an die Beklagte seien abgestimmt worden. Dies zeige eindeutig, dass sich Herr Dr. … nicht von den Wählerschaften und Positionen der Grünen „verabschiedet“ habe, sondern in völliger Übereinstimmung mit diesen die Zusammenarbeit mit der Fraktion der Klägerin regeln wollte. Dieses Vorgehen widerspreche den rechtlichen Bedingungen für einen zu beachtenden Fraktionsanschluss und habe keinen Einfluss auf die Besetzung der Ausschüsse. Außerdem werde in dem aktuellen Internetauftritt der Partei Bündnis 90/Die Grünen Herr Dr. … als Mandatsträger dieser Partei im Kreistag Straubing-Bogen aufgeführt. In der Kreisversammlung der Straubinger Grünen im Juni 2008 habe er ausführlich über die aufgenommene Arbeit im Kreistag informiert. Er vertrete also auch im Juni 2008 uneingeschränkt die politischen Positionen dieser Gruppierung und fühle sich deren Wählerschaften verbunden.

Die Klägerin gestehe in ihrem Klageschriftsatz zu, dass eine Abkehr von den Positionen und Wählerschaften gar nicht möglich gewesen sei, weil diese zwischen der Partei der Grünen und der Klägerin nahezu identisch seien. Mit dieser Argumentation dürften jedoch die an die beiden Parteien vom Wähler vergebenen Kreistagsmandate bei der Ausschussbesetzung nicht addiert werden, da dies mit Art. 27 Abs. 1 LKrO nicht vereinbar sei. Die Verteilung der Ausschusssitze müsse dem Spiegelbild des Kreistages und dem dortigen Stärkeverhältnis entsprechen. Alleine der Wähler setze mit seiner Stimmabgabe die Verteilung der Kreistagssitze fest. Daran ändere sich auch nichts, wenn einzelne Gruppierungen oder Parteien in ihren politischen Überzeugungen weitgehend übereinstimmen. Wenn auf verschiedenen Wahlvorschlägen Kandidaten vertreten seien, würden die Zuordnungen zu den unterschiedlichen Wahlvorschlägen über den Wahltag hinaus fort gelten, wenn nicht durch objektiv bewertbare Vorgänge die Zuordnungen zu den Wählerschaften aufgehoben würden. Eine politische Neuausrichtung des Kreisrates Dr. … sei jedoch nicht zu erkennen.

Zudem könne die Klage selbst bei einem „ausschusswirksamen“ Anschluss des Herrn Dr. … an die SPD-Fraktion keinen Erfolg haben. Es sei richtig, dass sich nach dem Berechnungsverfahren Hare/Niemeyer und unter Berücksichtigung einer veränderten Stärke der Klägerin für die CSU in den Ausschüssen sechs Sitze und für die SPD zwei Sitze errechnen würden. Die Sitzverteilung auf die FW mit zwei Sitzen, ödp/PU mit einem Sitz und FDP mit einem Sitz wäre unverändert. Allerdings komme es auf der Grundlage der geltenden Geschäftsordnung bei einem ausschusswirksamen Anschluss des Herrn Dr. … auf die Berechnung nach Hare/Niemeyer nicht an. Die Geschäftsordnung lege nämlich fest, dass prinzipiell das Restwertverfahren nach d`Hondt Berechnungsgrundlage sei. Nur wenn diese Berechnung eine Überrepräsentation oder Unterrepräsentation einer im Kreistag vertretenen Partei oder Wählergruppe mit sich bringe, sei auf das Verteilungsverfahren nach Hare/Niemeyer umzustellen. Unterstelle man unter Berücksichtigung des Herrn Dr. … die Stärke der SPD-Fraktion mit acht Mitgliedern, so ergebe sich nach der Berechnung d`Hondt eine direkte Zuteilung an die CSU von sieben Kreistagsmandaten, an die SPD von einem Kreistagsmandat, die FW von zwei Mandaten und die ödp/PU von einem Mandat. Über die Vergabe des 12. und letzten Mandats müsste dann zwischen den Fraktionen der CSU und der SPD das Los entscheiden. Ein Rückgriff auf die abgegebenen Wählerstimmen sei in diesem Fall nicht mehr zulässig, da die SPD-Fraktion sonst über mehr Mandate verfügen würde als ihr nach den Wählerstimmen zustehen. Die der CSU zufallenden sieben Ausschusssitze würden keine Überrepräsentation darstellen, da es zu keiner Doppelaufrundung zwischen den unmittelbaren Proportionalitätszählen und dem Ergebnis nach d`Hondt kommen würde. Über das letzte Mandat müsse das Los entscheiden, das entweder zu Gunsten der SPD oder aber der CSU ausfällen würde. Damit würde sich eine eventuelle Überrepräsentation nicht aufgrund des Berechnungsverfahrens, sondern der Losentscheidung ergeben. Die Verteilung des letzten Ausschusssitzes erfolge nicht zwingend aus einem mathematischen Berechnungsverfahren. Die notwendige Losentscheidung sei vielmehr als eigenständiges Verfahren anzusehen. Eine Entscheidung, wonach die CSU sechs Ausschusssitze bekommen solle, widerspreche daher sowohl der Geschäftsordnung als auch dem geltenden Recht. Ob der SPD-Fraktion durch Losentscheidung ein weiterer Sitz zufalle, sei nicht im anhängigen Klageverfahren zu entscheiden. Der Losentscheidung könne durch ein Urteil nicht vorgegriffen werden.

Die Rüge der nicht ordnungsgemäßen Ladung greife nicht durch. Der neugewählte Kreistag werde zur sog. konstituierenden Sitzung gemäß Art. 25 Abs. 1 LKrO vom Landrat erstmals binnen vier Wochen nach der Wahl einberufen. Der Landrat sei gemäß Art. 33 Satz 1 LKrO Vorsitzender des Kreistages. Bei der Ladung seien die Ladungsfristen der jeweils anzuwendenden Geschäftsordnung zu beachten. Zur 1. Sitzung der Wahlperiode habe derjenige Landrat einzuladen, der ab Beginn der neuen Wahlperiode auch das Amt des Landrates ausübe. Nur dieser sei Vorsitzender desjenigen Kreistages, der durch Beschluss die Verteilung der Ausschusssitze vornehmen müsse. Einem neugewählten Landrat sei es nicht möglich, die Ladung schon vor dem 1. Mai zu unterzeichnen. In der Vergangenheit habe sich die Praxis bei einer Veränderung der Position des Landrats damit geholfen, dass eine Ladung zur konstituierenden Sitzung, die schon vor dem 1. Mai des Wahljahres versandt worden sei, vom bisherigen und vom neuen Amtsinhaber gemeinsam unterzeichnet worden sei. Anders sei die Sachlage, wenn die Amtszeit des Landrates in die Wahlperiode des Kreistages hineinreiche. In diesem Fall sei der Landrat auch nach dem 1. Mai des Wahljahres Landrat und Vorsitzender des dann neuen Kreistages, so dass in diesem Fall die Ladung auch schon vor dem 1. Mai und damit vor Beginn der neuen Wahlperiode versandt werden könne. Die Funktion des Vorsitzenden des Kreistages bestehe in diesem Fall unverändert und ohne Unterbrechung fort, so dass die Zuständigkeit für die Ladung nicht vom Beginn der neuen Wahlperiode abhänge. Gleiche Erwägungen müssten für den Fall gelten, dass der bisherige Landrat durch die Kommunalwahl in seinem Amt bestätigt worden sei. Hier von einer Zäsur zwischen dem 30. April und dem 1. Mai des Wahljahres auszugehen, könne nur als reiner Formalismus bewertet werden und widerspreche der Tatsache, dass der Landrat ohne jegliche Beschränkung die Amtsgeschäfte über die bisherige Wahlperiode in die nächste Wahlperiode hineinführe. Bei einer Wiederwahl des Amtsinhabers sei es daher sehr wohl möglich, schon vor dem 1. Mai die wirksame Ladung zur konstituierenden Sitzung zu versenden.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Behördenunterlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig.

Klagegegenstand ist zunächst die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Beschlusses Nr. 5 in der Sitzung des Kreistages des Beklagten vom 2. Mai 2008, mit dem der Antrag der Klägerin abgelehnt wurde, dass für die Besetzung der fünf Ausschüsse des Kreistages des Beklagten, die mit zwölf Mitgliedern besetzt sind („Zwölferausschüsse“), der Fraktionsbeitritt des Herrn Dr. … als ausschusswirksam zu berücksichtigten sei. Sofern vom Gericht antragsgemäß die Rechtswidrigkeit festgestellt wird, begehrt die Klägerin ferner die Verurteilung des Beklagten zur Verteilung der Sitze in den Zwölferausschüssen in der Weise, dass die Klägerin jeweils zwei Sitze erhält.

Bei Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit der Besetzung der Ausschüsse eines Kreistags ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) eröffnet, da es sich bei einem solchen Streit zwischen einer Kreistagsfraktion und dem Landkreis um eine kommunalverfassungsrechtliche Streitigkeit handelt. Es geht um die Innenrechtsbeziehungen der Kommunalverfassung des Landkreises.

Statthafte Klageart bezüglich der Feststellung der Rechtmäßigkeit des Beschlusses Nr. 5 des Kreistages ist die Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO. Die Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen, da beim beklagten Landkreis – als einer Körperschaft des öffentlichen Rechts - zu erwarten ist, dass er sich bei einem Erfolg der Feststellungsklage an den feststellenden Urteilsspruch halten und die entsprechenden Maßnahmen treffen wird (vgl. BayVGH vom 15.7.1992 Az. 4 B 91.3106). Hinsichtlich des zweiten Klageantrags ist die allgemeine Leistungsklage statthaft. Eine Anfechtungsklage scheidet aus, da die Besetzung der Ausschüsse kein Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG ist (vgl. BayVGH vom 31.7.1976 Az. 2 IV 72, BayVBl. 1976, 753/754).

Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, § 43 Abs. 1 VwGO. Bei einer Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Beschlusses ist es zumindest möglich, dass die Verteilung der Sitze in den Zwölferausschüssen zu Gunsten der Klägerin geändert werden muss. Die Klägerin ist hinsichtlich der allgemeinen Leistungsklage zur Klage befugt, § 42 Abs. 2 VwGO analog. Sie kann die (mögliche) Verletzung ihres Rechts auf angemessene Vertretung in den Zwölferausschüssen entsprechend dem Gebot der Spiegelbildlichkeit der Ausschüsse geltend machen. Ihr stehen möglicherweise Rechte aus Art. 27 Abs. 2 Satz 2 der Landkreisordnung (LKrO) hinsichtlich des Kreisausschusses und gemäß Art. 29 Abs. 1 Satz 3, Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO hinsichtlich der anderen Ausschüsse zu, die Ausschussbesetzung zu verändern. Sie hat grundsätzlich einen gerichtlich einklagbaren Anspruch darauf, dass ihr in den Ausschüssen als verkleinertes Abbild des Kreistages so viele Sitze zugeteilt werden, als es dem Stärkeverhältnis untereinander entspricht (vgl. BayVGH vom 2.8.1962 Az. 105 IV 61, VGH n.F. 15, 82/88; vom 17.3.2004 Az. 4 BV 03.117).

2. Die Klage ist aber nicht begründet, da der Beschluss Nr. 5 der Sitzung des Kreistages des Beklagten vom 2. Mai 2008 rechtmäßig ist. Der Beitritt des Herrn Dr. … zu der klagenden Fraktion ist nicht ausschusswirksam und daher bei der Ausschussbesetzung nicht zu berücksichtigen. Sein Beitritt ist nicht als Abkehr von den bisherigen Positionen und Wählerschaften der Partei Bündnis 90/Die Grünen, verbunden mit einer Hinwendung zu der neuen Gruppierung anzusehen und entfaltet daher keine für die Besetzung der Ausschüsse relevante Wirkung. Schon daran scheitert die darüber hinaus beantragte Verurteilung des Beklagten, der Klägerin jeweils zwei Sitze in den Zwölferausschüssen zuzuteilen.

a. Der Beschluss ist formell wirksam zustande gekommen. Ein Ladungsfehler liegt nicht vor, da die Kreisräte ordnungsgemäß zu der konstituierenden Sitzung des Kreistages am 2. März 2008 geladen wurden. Der im Amt bestätigte Landrat durfte den Kreistag vor Beginn der neuen Wahlzeit am 1. Mai 2008 einberufen.

Gemäß Art. 25 Abs. 1 LKrO wird der Kreistag vom Landrat erstmals binnen vier Wochen nach der Wahl einberufen. Aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich nicht, dass nur der „neue“ Landrat zu dieser Sitzung laden darf. Der Landrat wird nicht aus der Mitte des neuen Kreistags gewählt, er ist vielmehr neben dem Kreistag ein eigenständiges Kreisorgan mit eigener Rechtsstellung. Der „alte“ kann dem „neuen“ Landrat rechtlich auch Termin, Ort und Tagesordnung der konstituierenden Sitzung nicht aufzwingen. Der neue Landrat ist berechtigt, notfalls vor der konstituierenden Sitzung abzuladen bzw. sie zu Beginn der Sitzung zu schließen, wenn er mit der Ladung durch seinen Amtsvorgänger nicht einverstanden ist.

Daher teilt das Gericht die Einschätzung nicht, dass bei einer Ladung vor dem 1. Mai der neuen Wahlzeit ein Ladungsmangel vorliegt (vgl. aber Keller, KommP BY 2008, S. 3 f.). Zumindest kann der in der alten Amtszeit amtierende Landrat jedenfalls im „Einvernehmen“ mit dem „neuen“ Landrat die Ladung zur konstituierenden Sitzung bereits vor dem 1. Mai ausfertigen (vgl. Hölzl/Hien/Huber, Art. 46 GO, Anm. 4 a.E.; Widtmann/Grasser, Art. 46 GO, Rdnr. 8 lassen sogar ein „Benehmen“ genügen). Dies muss erst recht gelten, wenn – wie hier – der Landrat in seinem Amt bestätigt wurde, also Personenidentität zwischen dem „altem“ und dem „neuem“ Landrat besteht.

b. Der Beitritt des Herrn Dr. … zu der klagenden Fraktion ist nicht ausschusswirksam, da er mit keiner Abkehr von den bisherigen Positionen und Wählerschaften und einer Hinwendung zu der neuen Gruppierung verbunden ist und damit nicht den Anforderungen der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes an einen ausschusswirksamen Fraktionsbeitritt genügt.

Während der Wahlzeit im Kreistag eintretende Änderungen des Stärkeverhältnisses der Parteien und Wählergruppen sind gemäß Art. 27 Abs. 3 Satz 1 LKrO auszugleichen. Eine Änderung des Stärkeverhältnisses zu Beginn der Wahlzeit ist in gleicher Weise zu berücksichtigen; der Zeitpunkt der Änderung (ob nach oder vor der Bildung der Ausschüsse) ist dabei nicht maßgeblich (vgl. BayVGH vom 21.8.1961 Az. 25 IV 61, BayVBl. 1962, 24 f.). Streitentscheidend ist nicht, ob der Beitritt des Herrn Dr. … zu der SPD-Fraktion wirksam ist, ob er also rechtswirksam Mitglied dieser Fraktion geworden ist, sondern, ob sein Fraktionsbeitritt bei der Zahl der der Fraktion zustehenden Ausschusssitze berücksichtigt werden muss. Maßgebend ist also nicht die Wirksamkeit, sondern die Ausschusswirksamkeit seines Fraktionsbeitritts.

Grundsätzlich dürfen sich Kreistagsmitglieder, die auf verschiedenen Wahlvorschlägen gewählt worden sind, zu einer Fraktion zusammenschließen. Dies ergibt sich schon aus dem Recht der Mitglieder einer kommunalen Vertretung zur Selbstorganisation, denn das bayerische Kommunalrecht enthält keine Vorschriften über die Fraktionsbildung und erkennt die Geschäftsordnungsautonomie der kommunalen Vertretungen an. Dass sich die Mitglieder kommunaler Vertretungen zur Verwirklichung ihrer politischen Ziele und Vorstellungen auch über die Grenzen der Wahlvorschläge hinweg zusammenschließen dürfen, ergibt sich auch aus dem Grundsatz des freien Mandats gemäß Art. 13 Abs. 2 BV. Da auch ein Mitglied einer kommunalen Vertretung nicht an Weisungen seiner Partei oder Wählergruppe gebunden ist, steht es ihm frei, sich auch mit solchen Mitgliedern zu einer Fraktion zusammenzuschließen, die auf einem anderen Wahlvorschlag gewählt wurden. Das Stärkeverhältnis der auf diese Weise frei gebildeten Fraktionen, also das Zahlenverhältnis der auf die verschiedenen Wahlvorschläge hin gewählten Kreistagsmitglieder, nicht die von den Parteien und Wählergruppen erreichte Stimmenzahl, ist gemäß Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO auch für die Zusammensetzung der Ausschüsse maßgebend (vgl. BayVGH vom 1.3.2000 Az. 4 B 99.1172; vom 18.6.1993 Az. 4 N 92.3472, VGH n.F. 46, 94/96).

Bei der Ausschussbesetzung sind nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes allerdings nur solche Zusammenschlüsse zu berücksichtigen, die ein gemeinsames Sachprogramm haben und nicht nur zum Schein oder zur Gesetzesumgehung eingegangen wurden. Eine im Sinne des Art. 27 Abs. 3 Satz 1 LKrO relevante Änderung der Stärkeverhältnisse durch Übertritt oder Beitritt sei nur dann anzuerkennen, wenn dieser Schritt anhand der äußerlich erkennbaren Gesamtumstände als Ausdruck eines geänderten politischen Verhaltens zu werten sei. Das setze im Allgemeinen eine für Außenstehende erkennbare Abkehr von bisherigen Positionen und Wählerschaften, verbunden mit einer Hinwendung zu der neuen Gruppierung voraus (vgl. BayVGH vom 1.3.2000 a.a.O.; vom 15.7.1992 Az. 4 B 91.3106). Nur durch eine Hinwendung zu der neuen Gruppierung werde deren Mitgliederzahl vergrößert und das Stärkeverhältnis verändert (vgl. BayVGH vom 15.7.1992 a.a.O.). Ob ein das Stärkeverhältnis verändernder und damit für die Ausschussbesetzung beachtlicher Fraktionsbeitritt vorliege, lasse sich nur anhand der äußerlich erkennbaren Umstände des Einzelfalls beurteilen (vgl. BayVGH vom 15.4.1970 Az. 12 IV 70, VGH n.F. 23, 73/77; vom 2.8.1962 Az. 105 IV 61, VGH n.F. 15, 82/93). Dabei gehe es weniger um eine inhaltliche Bewertung politischer Überzeugungen als um äußere Umstände, aus denen sich erkennen lasse, dass sich der Beitretende von den Personen gelöst habe, die ihm ursprünglich zu seinem Mandat im Kreistag verholfen haben, also der Partei oder Wählergruppe, auf deren Wahlvorschlag er erfolgreich kandidiert habe. Nach den Umständen des Einzelfalles könne die Hinwendung von Kreistagsmitgliedern zu einer anderen Gruppierung auch dann ohne Auswirkungen auf das Stärkeverhältnis in den Kreistagsausschüssen sein, wenn sie nur zum Schein oder in Umgehungsabsicht etwa zu dem Zweck vorgenommen worden sei, Kreisräte einer ausschussunfähigen Gruppe in die Ausschüsse zu bringen (vgl. BayVGH vom 1.3.2000 a.a.O.).

Von dem Erfordernis einer Abkehr von bisherigen Positionen und Wählerschaften hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof – soweit ersichtlich – nur in dem Fall einer von Anfang an gegebenen weitgehenden Übereinstimmung im Programm und der Zugehörigkeit zur selben Partei eine Ausnahme gemacht (vgl. BayVGH vom 8.1.1986 Az. 4 B 85 A.2700, BayVBl. 1986, 466/467). In der dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fallgestaltung hatten sich die Mitglieder der CSU-Fraktion und der Jungen Union-Fraktion (JU) nach einer Kreistagswahl zu einer Fraktion zusammen geschlossen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschied, dass eine „Abkehr“ nicht erforderlich sei, da die auf dem Wahlvorschlag der JU gewählten Mitglieder des Kreistages bereits Parteimitglieder der CSU seien.

Das Gericht sieht keinen Anlass, von der ständigen und gefestigten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes abzugehen. Danach ist nicht jede Veränderung im Hinblick auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppierung für die Ausschussbesetzung relevant. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzu kommen, aus denen sich ergibt, dass ein solcher Wechsel nicht nur zum Schein oder in der Absicht der Gesetzesumgehung vorgenommen wurde (vgl. hierzu BayVGH vom 2.8.1962 VGH n.F. 15, 82/93 f.).

Dies gilt auch in Bezug auf Gruppierungen, die sich in ihrer Programmatik nur geringfügig unterscheiden. In der Kommunalpolitik weisen die programmatischen Unterschiede zwischen den einzelnen Parteien und Wählergruppen erfahrungsgemäß nicht dieselbe Trennschärfe auf wie in der Bundes-, Landes- und Europapolitik. Die partei- und wählergruppenübergreifende Übereinstimmung in vielen Sachfragen ist geradezu typisch für die Zusammenarbeit in kommunalen Vertretungskörperschaften. Würde man die programmatische Übereinstimmung als maßgebliches Kriterium für die Ausschusswirksamkeit ansehen, wären die Kriterien für einen ausschusswirksamen Beitritt nicht mehr greifbar.

Zudem wäre bei einer Lockerung der Anforderungen an einen ausschusswirksamen Fraktionsbeitritt der Unterschied zur Ausschussgemeinschaft kaum mehr feststellbar. Art. 27 Abs. 2 Satz 5 LKrO ist – wie Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO - dahingehend einzuschränken, dass sich nicht Fraktionen und Gruppen, die für sich alleine in den Ausschüssen vertreten sind, mit Einzelgängern und kleineren Gruppen zusammenschließen und sich dadurch eine stärkere Position bei der Sitzverteilung in den Ausschüssen verschaffen dürfen. Es dürfen sich also nicht „Große mit Großen“ und „Große mit Kleinen“ sondern nur „Kleine mit Kleinen oder mit Einzelgängern“ zu Ausschussgemeinschaften zusammenschließen (vgl. Hölzl/Hien/Huber, Art. 33 GO, Anm. 2). Die Bildung einer Ausschussgemeinschaft darf nicht dazu führen, dass Fraktionen, die für sich alleine in den Ausschüssen vertreten sind, aufgrund des Zusammenschlusses die Zahl der Ausschusssitze vergrößern (vgl. VG Regensburg vom 8.3.2006 Az. RO 3 K 05.02175; VG Bayreuth vom 14.4.2005 Az. B 2 K 04.1012). Das Gesetz will durch die Anerkennung von Ausschussgemeinschaften die Mitarbeit sonst dort nicht vertretener kleiner Gruppen oder Einzelpersonen in den Ausschüssen ermöglichen, die nicht schon ohne Zusammenschluss einen Sitz in den Ausschüssen erhalten würden (vgl. BayVGH vom 15.4.1970, VGH n.F. 23, 73/75 m.w.N.). Eine Ausschussgemeinschaft erfordert jedoch im Gegensatz zu einer Fraktion rechtlich nicht die Verfolgung einer gemeinsamen Politik. Eine Ausschussgemeinschaft zwischen der SPD-Fraktion und Herrn Dr. … wäre aber rechtlich nicht zulässig, da die SPD-Fraktion bereits für sich alleine in den Zwölferausschüssen vertreten ist.

Das Gericht teilt die Auffassung der Klägerseite nicht, dass die „Abkehr-Rechtsprechung“ zwischenzeitlich nicht mehr den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Dass die Kommunalwahlen Persönlichkeitswahlen sind, bei denen die Bedeutung der Parteien und Wählergruppen häufig hinter der der Kandidaten zurück tritt, ist kein neu aufgetretener Gesichtspunkt.

Von dem grundsätzlichen Erfordernis einer Abkehr von den bisherigen Positionen und Wählerschaften hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bisher – soweit ersichtlich – nur in dem Fall einer von Anfang an gegebenen weitgehenden Übereinstimmung im Programm und der Zugehörigkeit zur gleichen Partei eine Ausnahme gemacht (vgl. BayVGH vom 8.1.1986 a.a.O.). Die Bezugnahme der Klägerin auf diesen Fall führt jedoch zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. In der dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Fallgestaltung hatten die CSU und die JU, die auf getrennten Wahlvorschlägen kandidiert hatten, sich zu einer Fraktion zusammen geschlossen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschied, dass eine „Abkehr“ nicht erforderlich sei, da die auf dem Wahlvorschlag der JU gewählten Mitglieder des Kreistages bereits Parteimitglieder der CSU seien. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof sah die durch die Änderung von Positionen und Wählerschaften herbeizuführende Übereinstimmung im Programm und in der Zugehörigkeit zur gleichen Gruppe für bereits von Anfang an als gegeben an.

Ein damit vergleichbarer Fall liegt hier nicht vor. Selbst wenn man eine weitgehend übereinstimmende Programmatik der Parteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen annehmen wollte, kann von einer von vorneherein gegebenen Zugehörigkeit zur selben Gruppe nicht die Rede sein. Anders als die Junge Union Bayern, die gemäß § 1 Abs. 2 ihrer Satzung als Arbeitsgemeinschaft eine selbständige Gemeinschaft in der Christlich Sozialen Union in Bayern ist, handelt es sich bei SPD und Bündnis 90/Die Grünen um zwei voneinander unabhängige Parteien. Gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 der Satzung der JU Bayerns soll jedes Mitglied der JU auch Mitglied der CSU sein. Eine gleichzeitige Mitgliedschaft bei den Parteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen ist dagegen ausgeschlossen (vgl. § 6 Abs. 1 Buchstabe a des Organisationsstatuts der SPD und § 3 Abs. 1 der Satzung des Bundesverbandes Bündnis 90/Die Grünen).

Dass die Parteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen für die Kreistagswahl – wie auch in der vorigen Wahlzeit – eine Listenverbindung geschlossen hatten, führt zu keiner anderen Beurteilung. Eine Listenverbindung hat die Auswirkung, dass gemäß Art. 35 Abs. 2 GLKrWG bei der Verteilung der Kreistagssitze auf diese Verbindung abgestellt werden muss. Eine darüber hinaus gehende Wirkung, insbesondere im Hinblick auf die Ausschusswirksamkeit von Fraktionsbeitritten, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen.

Der Beitritt zur SPD-Fraktion erfolgte nach den Angaben des Herrn Dr. … auch aus Gründen der kommunalpolitischen Effektivität. „Einzelgänger“ haben es oft schwerer, in einer Kommunalvertretung ihre Zielsetzungen durchzusetzen als größere Gruppierungen. In seinem Schreiben vom 16. April 2008 an den Beklagten spricht er von der Gewährleistung einer „gedeihlichen Zusammenarbeit“, wenn er sich der SPD-Kreistagsfraktion anschließe. Frau … brachte dies in der mündlichen Verhandlung dahin gehend zum Ausdruck, dass die Mitgliedschaft im Kreistag als einzelnes Kreistagsmitglied ohne Rückhalt in einer Fraktion wenig produktiv sei.

Auch der Beitritt von Frau … in die SPD-Fraktion in der letzten Wahlzeit führt zu keiner anderen Bewertung. Zwar belegt dieser eine auf längere Dauer angelegte Zusammenarbeit der Parteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen im Kreistag. Eine Abkehr von den Positionen von Bündnis 90/Die Grünen hat jedoch auch Frau … in der mündlichen Verhandlung nicht zum Ausdruck gebracht. Eine Abkehr wäre auch kaum mit ihrer erneuten Kandidatur für Bündnis 90/Die Grünen bei der letzten Kreistagswahl zu vereinbaren gewesen.

Auch die von der Klägerseite ins Feld geführte Fallkonstellationen führen zu keinem anderen Ergebnis. Wenn ein Parteimitglied zunächst auf einer Zweitliste kandidiert und sich dann doch der Fraktion der Mutterpartei anschließt, so ist der Klägerin zwar zuzugestehen, dass in einem solchen Fall eine Abkehr von den bisherigen programmatischen Positionen nicht notwendig sein dürfte, sofern diese mit denen der Mutterpartei übereinstimmen. Allerdings ist auch in diesem Fall anhand der äußerlich erkennbaren Gesamtumstände eine Distanzierung von der Zweitliste und eine Hinwendung zur Mutterpartei zu verlangen, damit ein solcher Schritt Ausschusswirksamkeit entfalten kann. Vergleichbares kann auch verlangt werden, wenn der Wechsel von einer zu einer anderen Wählergruppe erfolgt. Dies gilt auch bei der Aufspaltung einer Fraktion oder einer „Einheitsliste“ nach der Wahl. Auch hier ist Voraussetzung für die Ausschusswirksamkeit, dass sich die Beteiligten nach außen hin der „neuen“ Fraktion zuwenden.

Die von der Klägerin aufgeführten Fälle, nach denen in namentlich genannten bayerischen Kommunalvertretungen Zusammenschlüsse als ausschusswirksam beurteilt worden seien, sind nicht entscheidungserheblich. Für das Gericht ist bereits nicht ersichtlich, inwieweit diese Fallkonstellationen mit der hier zu entscheidenden vergleichbar sind. Zudem bindet die Akzeptanz der Ausschusswirksamkeit bestimmter Zusammenschlüsse in den betroffenen Gremien das Gericht ebenso wenig wie das Verhalten der Rechtsaufsichtsbehörden. Die Kammer hat sich als Gericht ihren Rechtsstandpunkt unabhängig vom dem der angesprochen Verwaltungsinstanzen zu bilden.

Eine Abkehr des bisherigen Kreisrats der Grünen Herrn Dr. … von den bisherigen Positionen und Wählerschaften der Partei Bündnis 90/Die Grünen – die weder von der SPD-Frakton noch von Herrn Dr. … behauptet wird - verbunden mit einer Hinwendung zur SPD liegt nicht vor. Ob eine solche Abkehr vorliegt, ist anhand aller Umstände des Einzelfalls festzustellen. Dabei geht es weniger um eine inhaltliche Bewertung politischer Überzeugungen als um äußere Umstände, aus denen sich erkennen lässt, dass sich der Betreffende von den Personen gelöst hat, die ihm ursprünglich zu seinem Mandat im Kreistag verholfen haben, also der Partei oder Wählergruppe, auf deren Wahlvorschlag er erfolgreich kandidiert hat.

Objektive Umstände, aus denen sich mit hinreichender Klarheit eine Abwendung des Herrn Dr. … von der Partei Bündnis 90/Die Grünen entnehmen lässt, sind nicht feststellbar. Herr Dr. … fühlt sich nach den vorliegenden Unterlagen nach wie vor der Partei Bündnis 90/Die Grünen verbunden. Dies ergibt sich bereits aus dem, nach einer Unterredung zwischen ihm und einem Vertreter des Beklagten am 10. April 2008 gefertigten Aktenvermerk. Die in diesem Vermerk zu Tage tretende Einstellung des Herrn Dr. …, dass er sich nicht von der Wählerschaft der Partei Bündnis 90/Die Grünen distanziere, wurde auch von der Klägerin nicht bestritten. Er tritt er auch jetzt noch, z.B. auf der Homepage der Landkreis-Grünen, als Kreisrat von Bündnis 90/Die Grünen auf. Auch wenn er für die Gestaltung der Homepage nicht verantwortlich ist, könnte er z.B. auf eine Entfernung der Benennung als Mandatsträger seiner Partei drängen. Auf der Homepage der SPD-Kreistagsfraktion ist er dagegen nicht bei den Fraktionsmitgliedern aufgeführt.

c. Da der Beschluss Nr. 5 der Sitzung des Kreistages des Beklagten vom 2. Mai 2008 rechtmäßig ist, brauchte das Gericht über den zweiten Klageantrag nicht mehr zu entscheiden. Dies gilt auch hinsichtlich des in einem solchen Fall anzuwendenden Berechnungsverfahrens.

3. Aus diesen Gründen war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren dem Kläger nicht aufzuerlegen, da dies nicht der Billigkeit entspricht, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt und sind daher kein Kostenrisiko eingegangen. Es entspräche nicht billigem Ermessen, ihnen außergerichtliche Kosten zu erstatten (Kopp/Schenke, VwGO, § 162, Rdnr. 23). Die Kostenentscheidung war gemäß § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.