OLG München, Urteil vom 27.02.2009 - 25 U 2690/08
Fundstelle
openJur 2012, 98562
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts München I vom 6. Februar 2008 - 25 O 22194/06 - wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 179.583,60 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB aus € 179.583,60 seit dem 16. August 2003 und aus € 96.150,99 für die Zeit vom 2. Oktober 2002 bis 15. August 2003, sowie in Höhe von 1,5 % aus € 96.150,99 für die Zeit vom 2.Oktober 2000 bis zum 15. Februar 2002 und aus € 83.432,61 für die Zeit vom 2. Oktober 2000 bis zum 15.3.2003 zu zahlen; und zwar Zug um Zug

a) gegen Abgabe eines notariellen Angebots zur Übertragung der zu Gunsten der Klägerin

- im Grundbuch des Amtsgerichts Hanau ... Band ...11, Blatt ...13 unter laufender Nummer ...14 eingetragenen mithaftenden Grundschuld in Höhe von DM 189.000,00

- im Grundbuch des Amtsgerichts Hanau ... Band ...37, Blatt ...94 unter laufender Nummer ...15 eingetragenen mithaftenden Grundschuld in Höhe von DM 164.000,00

sowie

b) gegen Abtretung der Ansprüche aus den Darlehensverträgen der Klägerin mit Herrn B. L., Kontonummer ...48/08 sowie Kontonummer ...48/09, maximal jedoch in Höhe des Gesamtanspruchs gemäß dem vorstehenden Antrag zu 1)

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere € 77.813,67 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB aus € 76.693,78 vom 8. Oktober 2003 bis zum 22. Dezember 2003 sowie aus € 77.813,67 seit dem 23. Dezember 2003 zu zahlen; und zwar Zug um Zug

a) gegen Abgabe eines notariellen Angebots zur Übertragung der zu Gunsten der Klägerin im Grundbuch des Amtsgerichts Hanau ... Blatt ...69 unter laufender Nummer 15 über DM 150.000,- eingetragenen Grundschuld

sowie

b) gegen Abtretung der Ansprüche aus dem Darlehensvertrag Nr. ...71 über nominal DM 150.000,00 der Klägerin mit Herrn L. R., maximal jedoch in Höhe des Gesamtanspruchs gemäß dem vorstehenden Antrag zu 2)

II. Die Berufung der Nebenintervenientin wird zurückgewiesen.

III. Von den Gerichtskosten des Berufungsverfahrens, den außergerichtlichen Kosten der Klägerin und den Kosten des Nebenintervenienten auf Seiten der Klagepartei tragen die Nebenintervenientin 49/100, die Beklagte 51/100. Im Übrigen tragen die Nebenintervenientin und die Beklagte ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits erster Instanz verbleibt es bei der Kostenentscheidung des Landgerichts.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten und die Nebenintervenientin können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils aus dem Urteil gegen sie vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

VI. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf € 158.160,59 festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beklagte ist der Berufshaftpflichtversicherer des ehemaligen Notars Dr. S. Die Parteien streiten um die Einstandspflicht der Beklagten für drei Schadensfälle wegen derer der ehemalige Notar Dr. S. in den vorangegangenen Haftpflichtprozessen rechtskräftig zu Schadensersatz in Höhe der Klageforderungen (€ 77.813,67 nebst Zinsen im Schadenfall L. R., € 96,150,99 bzw. € 88.432,31 jeweils nebst Zinsen in den beiden Fällen Schadensfällen L.) verurteilt wurde.

Der Notar und Versicherungsnehmer Dr. S. hat Deckungsansprüche wegen der vorgenannten Schadensfälle an die Klägerin abgetreten.

Die Klägerin vertritt den Standpunkt, die Beklagte könne sich auf den Ausschlusstatbestand des § 4 Abs. 3 der AVB der Beklagten nicht berufen. Diese Klausel sei unwirksam, zudem lägen die Tatbestandsvoraussetzungen einer wissentlichen Pflichtverletzung des Dr. S. in den drei Schadensfällen nicht vor. Jedenfalls sei die Beklagte gemäß § 19 a Abs. 2 S.2 BNotO zum Schadensersatz verpflichtet.

Die Beklagte behauptet eine wissentliche Pflichtverletzung in den drei Schadensfällen durch Dr. S. Daher sei sie allenfalls zur Zahlung gemäß § 19 a Abs. 2 S 2 BNotO verpflichtet. Danach müsse sie aber nur in der Höhe haften, in der sie später auch Regress nehmen könne. Insbesondere beim Vertrauensschadenversicherer, der Streitverkündeten zu 2) könne sie hinsichtlich der titulierten Zinsen und Kosten keinen Regress nehmen, da diese als sogenannter mittelbarer Schaden im Vertrag zwischen der Notarkammer und dem Vertrauenschadenversicherer ausgeschlossen seien. Zudem sei eine erfolglose Zwangsvollstreckung gegen den Versicherungsnehmer und die vorangegangene Verwertung von Grundpfandrechten Anspruchsvoraussetzung für einen Anspruch nach § 19 Abs. 2 S 2 BNotO. Zudem seien die Regressmöglichkeiten auch bis zu den für die Vertrauensschadenversicherung geltenden Haftungshöchstgrenzen beschränkt, so dass wegen der Mehrzahl der angemeldeten Ansprüche gemäß § 156 Abs. 3 VVG a.F. ein Verteilungsverfahren stattzufinden habe und noch gar nicht abgesehen werden könne, in welcher Höhe die Beklagte überhaupt Regress nehmen könne.

Das Landgericht hat die Beklagte durch Endurteil vom 6.2.2008 im Wesentlichen antragsgemäß verurteilt. Hinsichtlich der geltend gemachten Verzugszinsen hat es der Klägerin jedoch nur Prozesszinsen zugesprochen und die Klage im Übrigen insoweit abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Vorleistungen hinsichtlich der titulierten unmittelbaren Schäden zuzüglich Verzugszinsen. Der Anspruch ergebe sich aus § 19 a Abs. 2 S 2 BNotO und nicht aus dem gepfändeten bzw. abgetretenen Deckungsanspruch des Versicherungsnehmers Dr. S., denn insoweit liege der Ausschlusstatbestand der wissentlichen Pflichtverletzung durch Dr. S. in allen drei Fällen vor. Dies hat das Landgericht im Einzelnen ausgeführt. Hierauf wird Bezug genommen.

Ob § 19 a Abs. 2 S 2 BNotO eine eigene Anspruchsgrundlage darstelle oder die Beklagte lediglich daran hindere, sich wirksam auf die Ausschlussklausel bei wissentlicher Pflichtverletzung zu berufen, könne dahingestellt bleiben, denn jedenfalls habe die Beklagte bis zur Höhe der Mindestversicherungssumme zu leisten. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm seien erfüllt. Dass neben der wissentlichen Pflichtverletzung auch der Anspruchsumfang streitig sei, stehe nicht entgegen. Die Einschränkung, dass nur Ausschlussgründe des § 19 a Abs. 2 S.1 BNotO streitig sein dürften, beziehe sich lediglich auf das Vorliegen einer Amtspflichtverletzung. Vorliegend sei lediglich der Verschuldensgrad der Pflichtverletzung streitig, alles andere sei im Haftpflichtprozess rechtskräftig festgestellt.

Die Klägerin müsse sich auch nicht auf das Verteilungsverfahren gemäß § 156 Abs. 3 VVG verweisen lassen. Dagegen spreche der Wortlaut des § 19 a Abs. 2 S 2 BNotO und Sinn und Zweck der Norm.

Die titulierten Zinsen würden der Klägerin jedoch nicht zustehen. Dies ergebe sich daraus, dass der Regelung des § 19 a Abs. 2 S 2 BNotO Vorschusscharakter zukomme, was sich aus der Regressmöglichkeit des § 19 a Abs. 2 S.3 BNotO, insbesondere hinsichtlich der Vertrauensschadensversicherung der Notarkammer ergebe. Weil die Beklagte bezüglich der Zinsen keine Regressmöglichkeit habe, sei sie auch nicht verpflichtet, den Zinsschaden zu ersetzen. Zwar sehe § 19 a Abs. 2 S 3 BNotO auch den Rückgriff beim Notar und bei der Notarkammer vor. Aus den Gesetzesmaterialen ergebe sich jedoch, dass in erster Linie ein Regress gegenüber dem Vertrauensschadenversicherer ins Auge gefasst worden sei.

Die Klägerin habe zwar grundsätzlich Anspruch auf Verzugszinsen, die Voraussetzungen des Verzugs seien nicht ausreichend dargelegt, sodass die Klägerin lediglich Prozesszinsen verlangen könne.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien sowie der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 6.2.2008 (S. 5/16; Bl. 238/250 d.A.) Bezug genommen.

Dieses Urteil wurde der Klagepartei am 17.3.2008, der Beklagten am 14.3.2008 zugestellt.

Die Klägerin hat gegen das Urteil mit Schriftsatz vom 1.4.2008, eingegangen am 7.4.2008 form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese innerhalb bis 16.6.2008 verlängerter Frist mit Schriftsatz vom 30.5.2008, eingegangen am 3.6.2008, form - und fristgerecht begründet.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags den geltend gemachten Zinsanspruch weiter, soweit er durch das Ersturteil abgewiesen wurde.

Das Landgericht sei zu Unrecht von einer Wirksamkeit der Ausschlussklausel § 4 Nr.3 AVB der Beklagten ausgegangen und habe zu Unrecht wissentliche Pflichtverletzungen des Versicherungsnehmers Dr. S. bejaht.

Die Beklagte sei jedoch auch im Rahmen des § 19 a Abs. 2 S 2 BNotO verpflichtet, die in den Haftpflichtprozessen titulierten Zinsen zu bezahlen. Die Leistung der Beklagten als Berufshaftpflichtversicherer sei nicht lediglich ein Vorschuss. Eine Beschränkung der Leistungspflicht sei im Gesetz nicht vorgesehen. Sie sei aber auch gar nicht erforderlich, da die Beklagte unbeschränkt Rückgriff nehmen könne. Der Vertrauensschadensversicherer könne sich auf die mit ihm angeblich vereinbarte Ausschlussklausel in § 4 Nr. V der AVB nicht berufen. Diese Beschränkungsmöglichkeit habe der Gesetzgeber in § 67 Abs. 3 BNotO nicht eröffnet. Einzig die Beschränkung auf eine Mindestversicherungssumme sei vorgesehen. Gegenüber dem Streitverkündeten zu 3) bestehe ohnehin eine weitere Regressmöglichkeit, das Insolvenzrisiko trage insoweit die Beklagte.

Im Übrigen habe das Landgericht zu Unrecht die Voraussetzungen des Verzugs verneint. Die Schreiben gemäß Anlagen K 3 und K 9 seien jeweils verzugsbegründend gewesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts München I vom 6. Februar 2008 - 25 O 22194/06 - abzuändern und wie folgt zu erkennen:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 179.583,60 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB aus € 179.583,60 seit dem 16. August 2003 und aus € 96.150,99 für die Zeit vom 2. Oktober 2002 bis 15. August 2003, sowie in Höhe von 1,5 % aus € 96.150,99 für die Zeit vom 2.Oktober 2000 bis zum 15. Februar 2002 und aus € 83.432,61 für die Zeit vom 2. Oktober 2000 bis zum 15.3.2003 zu zahlen; und zwar Zug um Zug

a) gegen Abgabe eines notariellen Angebots zur Übertragung der zu Gunsten der Klägerin

- im Grundbuch des Amtsgerichts Hanau ... Band ...11, Blatt ...13 unter laufender Nummer 14 eingetragenen mithaftenden Grundschuld in Höhe von DM 189.000,00

- im Grundbuch des Amtsgerichts Hanau ..., Band ...37, Blatt ...94 unter laufender Nummer 15 eingetragenen mithaftenden Grundschuld in Höhe von DM 164.000,00

sowie

b) gegen Abtretung der Ansprüche aus den Darlehensverträgen der Klägerin mit Herrn B. L., Kontonummer ...48/08 sowie Kontonummer ...48/09, maximal jedoch in Höhe des Gesamtanspruchs gemäß dem vorstehenden Antrag zu 1)

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere € 77.813,67 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB aus € 76.693,78 vom 8. Oktober 2003 bis zum 22. Dezember 2003 sowie aus € 77.813,67 seit dem 23. Dezember 2003 zu zahlen; und zwar Zug um Zug

a) gegen Abgabe eines notariellen Angebots zur Übertragung der zu Gunsten der Klägerin im Grundbuch des Amtsgerichts Hanau ... Blatt ...69 unter laufender Nummer 15 über DM 150.000,- eingetragenen Grundschuld

sowie

b) gegen Abtretung der Ansprüche aus dem Darlehensvertrag Nr. ...71 über nominal DM 150.000,00 der Klägerin mit Herrn L. R., maximal jedoch in Höhe des Gesamtanspruchs gemäß dem vorstehenden Antrag zu 2)

hilfsweise werden die Anträge zu 1.) und 2) unter den von der Beklagten verlangten Vorbehalt sowie unter den weiteren Vorbehalt gestellt, dass über die Anträge zu 1) und 2) nicht bereits rechtskräftig entschieden wurde und insoweit beantragt:

3. Der Beklagten bleibt vorbehalten, von der Klägerin eine Erstattung der vorstehend zu 1) und 2) titulierten Beträge zu verlangen, falls und soweit der Beklagten ein anerkannter oder rechtskräftig festgestellter Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 19 a Abs. 2 S. 3 BNotO zustehen sollte, der ausschließlich wegen seiner rechtlichen Begrenzung nicht durchgesetzt werden kann. Der Erstattungsanspruch ist Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte zu erfüllen, die auf die Beklagte wegen ihrer Leistungspflicht übergegangen oder übertragen worden sind.

Mit Schriftsatz vom 14.4.2008, eingegangen am selben Tag, einem Montag ist die Notarkammer Frankfurt als Streitverkündete dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten und hat gegen das Urteil des Landgerichts vom 6.2.2008 innerhalb der für die Beklagte laufenden Frist Berufung eingelegt.

Die Nebenintervenientin beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen

sowie

das Urteil des Landgerichts München I vom 6. Februar 2008 insoweit aufzuheben und die Klage der Klägerin gegen die Beklagte abzuweisen, als diese in Sachen L. R. verurteilt worden ist, an die Klägerin € 77.813,67 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Februar 2007 zu bezahlen und zwar Zug um Zug

a) gegen Abgabe eines notariellen Angebots zur Übertragung der zu Gunsten der Klägerin im Grundbuch des Amtsgerichts Hanau ... Blatt ...69 unter laufender Nummer 15 eingetragenen mithaftenden Grundschuld in Höhe von DM 150.000 und

b) gegen Abtretung der Ansprüche aus dem Darlehensvertrag über nominell DM 150.000,00 der Klägerin mit Herrn L. R., Konto Nr. Nr. ...71 maximal jedoch in Höhe des Gesamtanspruchs gemäß Nr. 2 des Tenors des o.g. Urteils des Landgerichts München I.

Zur Begründung führt die Nebenintervenientin aus, der Klägerin stünde insoweit kein Anspruch zu, da die Beklagte keine Regressmöglichkeit gegen den Vertrauensschadenversicherer und den Vertrauensschadensfonds habe. Beide seien nicht zur Leistung verpflichtet, weil der Schadensfall R. nicht innerhalb einer Frist von 4 Jahren gemeldet wurde, die Notarkammer habe erst durch die Mitteilung des Landgerichts Limburg vom 29.11.2004 von diesem Schadensfall erfahren. Dass sich der Vertrauensschadenfond auf diese Frist berufen habe, ergebe sich bereits aus dem von der Klägerin vorgelegten Schreiben gemäß Anlage K 20. Der Deckungsausschluss sei auch wirksam. Er entspreche einer Vereinbarung zwischen der Kreditwirtschaft und dem Vertrauensschadenfonds aus dem Jahre 1989 anlässlich der Verhandlungen über die Einbeziehung der Banken als institutionelle Anleger in die Vertrauensschadenvorsorge der Notarkammern. Der Zentrale Kreditausschuss habe federführend für die Banken mit Schreiben vom 22.12.1989 dem entwickelten Modell, welches auch den vorgenannten Deckungsausschluss vorsehe, zugestimmt. Hieran sei auch die Klägerin gebunden.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Nebenintervenientin zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Berufung der Nebenintervenientin sei bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet, da diese mit ihrem nunmehrigen Vorbringen in der Berufungsinstanz ausgeschlossen sei. Der Ablauf der Vierjahresfrist sei nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Rechtstreits gewesen, nachdem die Beklagte den Inhalt der Anlage K 20 nicht aufgegriffen und zum Gegenstand ihres Vorbringens gemacht habe. Die Voraussetzungen des Fristablaufs würden bestritten. Die Meldung sei rechtzeitig erfolgt.

Die Beklagte, welche selbst auf eine Berufung bzw. Anschlussberufung verzichtet hat, beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigt, ebenfalls unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das Ersturteil im Umfang der Klageabweisung als zutreffend. Eine wissentliche Pflichtverletzung sei im vorliegenden Deckungsprozess festzustellen gewesen. Das Landgericht habe diese auch zutreffend festgestellt. Die Beklagte dürfe nicht zu Vorleistungen verurteilt werden, deren Erstattung nach dem Inhalt der Vertrauensschadenversicherung ungesichert seien. Der Gesetzgeber habe dem Berufshaftpflichtversicherer nur den Streit über die Ungewissheit der Wissentlichkeitsfrage zugewiesen, nicht jedoch einen Streit über die Anspruchsvoraussetzungen und den Anspruchsumfang für Leistungen in der Vertrauensschadenversicherung Im Übrigen sei auch in der Berufhaftpflichtversicherung der vereinbarte Selbstbehalt in Höhe von € 2.556, zu berücksichtigen.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet, die Berufung der Nebenintervenientin ist zulässig, aber unbegründet.

1. Berufung der Klägerin.

481.1. Der Klägerin stehen die noch im Berufungsverfahren geltend gemachten, weitergehenden, in den vorgenannten Haftpflichtprozessen titulierten Zinsansprüche gegen die Beklagte zu. Die Ansprüche ergeben sich unmittelbar aus § 19 a Abs. 2 S. 2 BNotO. Insoweit hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsansicht nicht mehr fest. Auf diese Möglichkeit wurden die Parteien im Termin vom 20.1.2009 zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung hingewiesen, die Parteien haben auch von der Möglichkeit, hierzu ergänzend vorzutragen, Gebrauch gemacht. Die Beklagte hat bezüglich der rechtlichen Einordnung des Anspruchs aus § 19 a Abs. 2 S.2 BNotO zutreffend darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber eine Leistung des Haftpflichtversicherers gemäß § 19 a Abs. 2 S.2 BNotO nicht als Erfüllung des Deckungsanspruchs aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag behandelt, nachdem er in § 19 a Abs. 2 S.3 BNotO den Übergang der Ansprüche u.a. gegen den Notar anordnet. Nachdem bei Erfüllung des - gepfändeten bzw. abgetretenen - Deckungsanspruchs durch den Haftpflichtversicherer auch die Forderung des Ersatzberechtigten gegen den Notar erlöschen würde, wäre ein Übergang dieser Forderung auf den Haftpflichtversicherer nicht mehr möglich. Dies war vom Gesetzgeber ersichtlich nicht gewollt und steht einer Einordnung des Anspruchs aus § 19 a Abs. 2 S.2 BNotO als Erfüllungsanspruch entgegen.

491.2. Der Anspruch der Klägerin ist nicht, wie die Beklagte meint, auf den Betrag beschränkt, den die Beklagte als Haftpflichtversicherer im Rahmen eines Regresses gegen den Versicherer gemäß § 67 Abs. 3 Nr.3 BNotO geltend machen kann. Daher spielt es keine Rolle, dass nach dem Inhalt der Vertrauensschadenversicherung mittelbare Schäden, wie der hier streitgegenständliche Zinsschaden, nicht versichert sind. Der Wortlaut des § 19 a Abs. 2 BNotO enthält keinerlei Anhaltspunkte für die von der Beklagten gewünschte Auslegung. Der Gesetzgeber hat in den Fällen, in denen bei Vorliegen einer Amtspflichtverletzung des Notars nur streitig ist, ob der Ausschlussgrund der wissentlichen Pflichtverletzung des Notars gemäß § 19 a Abs. 2 S.1 Nr. 1 BNotO vorliegt, ohne weitere Einschränkungen angeordnet, dass der Berufshaftpflichtversicherer gleichwohl bis zur Höhe der für den Versicherer, der Schäden aus vorsätzlichen Handlungen deckt, geltenden Mindestversicherungssumme zu leisten hat. Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, bezieht sich die vorgenannte Einschränkung ausweislich ihres eindeutigen Wortlauts lediglich auf das „Vorliegen einer Amtspflichtverletzung“ und damit nicht auf den Anspruchsumfang. Vorliegend ist hinsichtlich der Pflichtverletzung lediglich der Verschuldensgrad streitig, alles andere ist durch die vorangegangenen Haftpflichtprozesse rechtskräftig festgestellt.

Soweit die Beklagte und die Nebenintervenientin geltend machen, dass sich aus gesetzgeberischen Motiven ergebe, dass der Gesetzgeber durch § 19 a Abs. 2 S.2 BNotO eine Vorleistungspflicht des Haftpflichtversicherers habe anordnen wollen, woraus geschlossen werden könne, dass der Haftpflichtversicherer nur in dem Umfang leisten müsse, in dem beim Vertrauensschadenversicherer Regress nehmen könne, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Eine solche Einschränkung hat jedenfalls keinen Eingang in den Wortlaut des Gesetzes gefunden. Zutreffend verweist die Klägerin in diesem Zusammenhang darauf, dass sich der in den Motiven genannte Begriff der Vorleistung darauf bezieht, dass der Haftpflichtversicherer nach § 19 a Abs. 2 S.2 BNotO leisten muss und sich sodann selbst darum bemühen muss, das Geleistete später von einem sonstigen Ersatzverpflichteten wiederzuerlangen. Gegen die von der Beklagten gewünschte Auslegung spricht auch der Umstand, dass der Gesetzgeber u.a. den Übergang der Ansprüche des Ersatzberechtigten gegen den Notar auf den Haftpflichtversicherer angeordnet hat und diese Ansprüche auch mittelbare Schäden wie etwa Zinsschäden erfassen.

1.3. Die Frage der wissentlichen Pflichtverletzung ist im Prozess über den gesetzlichen Anspruch des Ersatzberechtigten aus § 19 a Abs. 2 S.2 BNotO nicht zu entscheiden. Diese Frage ist vielmehr in einem eventuellen Rechtstreit zwischen dem Haftpflichtversicherer und dem Vertrauensschadenversicherer zu klären. Dies ergibt sich eindeutig sowohl aus dem Wortlaut des § 19 a Abs. 2 BNotO als auch aus Sinn und Zweck dieser Norm. Der Gesetzgeber wollte dem durch eine Amtspflichtverletzung des Notars geschädigten Ersatzberechtigten erkennbar den Streit über die Wissentlichkeit der Pflichtverletzung ersparen.

1.4. Ob § 156 Abs. 3 VVG a.F. anwendbar ist, muss der Senat im vorliegenden Fall nicht entscheiden. Er hat im Termin vom 20.1.2009 darauf hingewiesen, dass die Anwendbarkeit dieser Norm die Konsequenz der Einordnung des Anspruchs der Klagepartei als Deckungsanspruch aus der Berufshaftpflichtversicherung sei. Dieser Argumentation fehlt bei Einordnung des Anspruchs aus § 19 a Abs. 2 S.2 BNotO die Grundlage. Im vorliegenden Fall kann die Anwendbarkeit des § 156 Abs. 3 VVG a.F. dahinstehen. Die Beklagte hat zwar den Erschöpfungseinwand bezüglich der Berufshaftpflichtversicherung in zweiter Instanz nicht fallen gelassen, was sich aus S. 11 der Berufungserwiderung ergibt. . Der Erschöpfungseinwand greift jedoch bezüglich der noch streitgegenständlichen Zinsforderung der Klägerin nicht durch. Nach Prölss/Martin/Voit/Knappmann (27. A., § 156 VVG Rn 19) bleiben Zinsen insoweit außer Ansatz, soweit sie unter § 150 Abs. 2 S.2 VVG a.F. fallen. Die Kommentierung hierzu (a.a.O. § 150 Rn 14) verweist insoweit auf die Kommentierung bei § 3 AHB Rn. 4. Danach begrenzt die Deckungssumme nur die Haupt, - nicht jedoch auch die Zinsforderung. Dies ergebe sich aus § 150 Abs. 2 S.2 VVG, denn veranlasst im Sinne von § 150 VVG sei die Verzögerung durch den Versicherer schon dadurch, dass dieser dem Versicherungsnehmer die Leistung an den Dritten in § 5 Nr. 5 AHB verbiete. Der Senat schließt sich dem an. Nachdem die Beklagte die Verurteilung im Komplex L. nicht angegriffen hat, ist der vom ihr weiterhin geltend gemachte Einwand der Erschöpfung der Gesamtdeckungssummen in der Berufshaftpflichtversicherung bezüglich der Hauptforderung nicht mehr entscheidungserheblich. Es steht fest, dass die Beklagte zur Zahlung der ungekürzten Hauptforderung an die Klägerin verpflichtet ist, diese muss sich daher unter keinen Umständen auf das Verteilungsverfahren verweisen lassen. Daher vermag sich der Senat der Argumentation der Beklagten im Schriftsatz vom 9.2.2009 (S.4/6; Bl. 491/492 d.A.) nicht anzuschließen, wonach die Zinsforderung nur aus der gekürzten Hauptforderung begründbar sei, weil die Hauptforderung wegen der Erschöpfung der Jahresdeckungssumme zu kürzen sei. Dies trifft im vorliegenden Fall gerade nicht zu. Die Gründe, wegen derer die Beklagte von einem Rechtsmittel gegen die Verurteilung im Komplex L. abgesehen hat, können in diesem Zusammenhang keine Berücksichtigung finden. Die Beklagte trägt insoweit das Risiko der abweichenden rechtlichen Beurteilung durch das Berufungsgericht.

1.5. Aus den unter 1.5. genannten Gründen schuldet die Beklagte Zinsen aus dem ungekürzten Hauptsachebetrag. Ein Abzug bezüglich des vereinbarten Selbstbehalts war nicht vorzunehmen.

1.6. Der Senat hat, entgegen der Ansicht der Beklagten, auch nicht über die Wirksamkeit der Deckungsbeschränkung in der AVB der Vertrauensschadenversicherung zu entscheiden. Dies muss die Beklage in einem eventuellen Prozess mit dem Vertrauenschadenversicherer klären. Zwar hat der Senat im Termin vom 20.1.2009 darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber als Ausgleich dafür, dass er dem Berufshaftpflichtversicherer bis zur Summe von € 250.000,- den Einwand der Leistungsfreiheit wegen wissentlicher Pflichtverletzung nimmt, den gesetzlichen Forderungsübergang gemäß § 19 a Abs. 2 S. 3 BNotO angeordnet und ihm zudem den Anspruch auf Aufwendungsersatz gemäß § 19 a Abs. 2 S. 4 BNotO zuerkannt. Hieran hält der Senat fest. Entgegen der Ansicht der Beklagten droht in diesem Zusammenhang kein Wertungswiderspruch. Der Gesetzgeber hat den Übergang sämtlicher denkbarer Regressansprüche auf den nach § 19 a Abs. 2 S.2 BNotO zur Leistung verpflichteten Berufshaftpflichtversicherer angeordnet. Jedenfalls in Bezug auf die übergegangenen Ansprüche gegen den versicherten Notar ist weder dargetan noch ersichtlich, dass dieser Anspruch hinter dem im Haftpflichtprozess titulierten Anspruch zurückbleiben würde. Das Risiko der Durchsetzung dieses Anspruchs hat der Gesetzgeber dem Berufshaftpflichtversicherer zugewiesen. Er hat als Ausgleich dafür den Übergang sämtlicher in Betracht kommender Ansprüche auf diesen angeordnet.

2. Berufung der Nebenintervenientin.

Die zulässige Berufung der Nebenintervenientin ist unbegründet.

2.1. Das Vorbringen der Nebenintervenientin, wonach der Vertrauenschadenversicherer im Schadensfall L.R. wegen Überschreitung der in § 4 Ziffer 2 des Vertrauensschadenversicherungsvertrages vereinbarten Frist von vier Jahren zur Anmeldung des Schadensfalls leistungsfrei wäre, stellt ein neues Verteidigungsmittel im Sinne von § 531 Abs. 1 ZPO dar, denn die Beklagte hat das in diesem Zusammenhang zitierte Vorbringen des Vertrauensschadensfond im Schreiben vom 26.4.2004 (Anlage K 20) in erster Instanz nicht aufgegriffen. Weshalb die Nebenintervenientin als Streitverkündete nicht in der Lage gewesen wäre, dem Rechtsstreit bereits in erster Instanz auf Seiten der Beklagten beizutreten und dieses Verteidigungsvorbringen geltend zu machen, ist nicht dargetan. Die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Nr.3 ZPO sind daher nicht erfüllt.

2.2. Im Übrigen müsste sich die Klägerin den Umstand, dass die Beklagte möglicherweise beim Vertrauensschadenversicherer keinen Regress nehmen könnte, ohnehin nicht entgegen halten lassen. der Senat nimmt insoweit auf die Ausführungen unter 1.2. Bezug.

2.3. Die von der Nebenintervenientin zitierte Vereinbarung zwischen dem Vertrauensschadenfonds und der Kreditwirtschaft braucht sich die Klägerin nicht entgegenhalten zu lassen. Die Nebenintervenientin zeigt keine tragfähige Rechtsgrundlage auf, wonach diese Vereinbarung zu Lasten der Klägerin im hiesigen Rechtstreit Wirkung entfalten könnte.

Daher war auf die Berufung der Klägerin das Ersturteil wie beantragt, abzuändern und die Berufung der Nebenintervenientin zurückzuweisen.

III. Nebenentscheidungen.

1. Bei der Bemessung des Streitwerts war zu berücksichtigen, dass die als Nebenforderung in erster Instanz geltend gemachte Zinsforderung der Beklagten in zweiter Instanz zur Hauptforderung geworden ist. Sie betrug bei Eingang der Berufung der Klägerin am 7.4.2008 € 80.346,92. Hinsichtlich der Berechnung wird auf den Schriftsatz der Klagepartei vom 28.7.2008 (Bl. 347/349 d.A.) Bezug genommen. Hinzuzurechen war der Gegenstandswert der Berufung der Nebenintervenientin in Höhe von € 77. 813,67. Dies ergibt den festgesetzten Streitwert von € 158.160,59.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97, 101 ZPO. Die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels eines Nebenintervenienten, an dem sich die unterstützte Partei nicht beteiligt hat, sind der Nebenintervenientin nach § 97 ZPO aufzuerlegen (vgl. Musielak/Wolst 6.A.2008, § 101; Rn 2; Zöller/Herget 27.A. 2009; § 101; Rn 4). Zwar liegt eine Beteiligung der unterstützten Partei nach der Rechtsprechung des BGH grundsätzlich bereits dann vor, wenn diese durch einen am Rechtsmittelgericht zugelassenen Rechtsanwalt Schriftsätze einreicht und im Termin vertreten ist (vgl. BGH NJW 1986, 743), im vorliegenden Fall beruht die Einreichung von Schriftsätzen durch die Beklagte sowie die Vertretung im Termin durch einen Prozessbevollmächtigten auf dem Umstand, dass diese selbst Berufungsbeklagte war.

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

4. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Soweit ersichtlich liegen divergierende Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte nicht vor. Daher werden durch die Entscheidung keine Rechtsfragen angesprochen, die der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dienen.