Bayerischer VGH, Beschluss vom 11.02.2009 - 15 ZB 08.1045
Fundstelle
openJur 2012, 98074
  • Rkr:
Tenor

I. Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Kläger wenden sich gegen die dem Beigeladenen am 6. Oktober 2005 erteilte Baugenehmigung in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Juni 2006 und des Änderungsbescheids vom 28. November 2007. Gegenstand der Baugenehmigung ist der Bau eines „Anbindestalles für Milchvieh“ an das bestehende Stallgebäude. Die Kläger sind Eigentümer des benachbarten Grundstücks FlNr. 59, das mit einem der Wohn- und der gewerblichen Nutzung dienenden Gebäude bebaut ist.

Um die vom Vorhaben des Beigeladenen ausgehenden Geruchs- und Lärmimmissionen zu begrenzen, wurde die Baugenehmigung mit zahlreichen Auflagen und Bedingungen versehen. So ist u.a. festgesetzt, dass beim Anwesen der Kläger unter Berücksichtigung der Vorbelastung keine höheren Lärmwerte als 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts auftreten dürfen (Nr. 14) und dass die Beurteilungspegel der vom Betrieb des Beigeladenen ausgehenden Geräusche 57 dB(A) tags und 39 dB(A) nachts nicht überschreiten dürfen (Nr. 15).

Im Laufe des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens legten die Kläger eine immissionsschutzfachliche Prüfung der Firma hoock farny vor. Darin wird festgestellt, dass die vom Vorhaben ausgehenden Geruchsemissionen voraussichtlich zu keinen schädlichen Umwelteinwirkungen führen werden. Als Beurteilungspegel wurden an den relevanten Immissionspunkten am Gebäude der Kläger für die Tagzeit zwischen 50 und 52 dB(A), für die lauteste Nachtstunde zwischen 40 und 43 dB(A) prognostiziert. Das Sachgebiet Immissionsschutz der Regierung von Niederbayern kam zu dem Ergebnis, dass die in Auflage Nr. 15 der Baugenehmigung festgesetzten Beurteilungspegel eingehalten werden könnten, wenn die abgestrahlte Schallleistung an der Mündung des Abluftkamins 75 dB(A) nicht überschreite. Dies wurde mit Änderungsbescheid vom 28. November 2007 in die Baugenehmigung aufge-nommen.

Das Verwaltungsgericht wies die Klage gegen den Bescheid vom 6. Oktober 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Juni 2006 sowie gegen den Änderungsbescheid vom 28. November 2007 nach Verbindung der Verfahren (RN 6 K 07.2334) ab. Das Vorhaben liege im unbeplanten Innenbereich, der einem faktischen Dorfgebiet entspreche. Es erzeuge keine Geruchsemissionen, die über das im Dorfgebiet hinzunehmende Maß hinausgingen. Die sich aus dem Abstandsdiagramm der „Abstandsregelungen für Rinderhaltung“ des Bayerischen Arbeitskreises „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“ ergebenden Abstände würden eingehalten. Auch die zu erwartenden Lärmimmissionen seien von den Klägern hinzunehmen. Die festgesetzten Immissionsgrenzwerte lägen unter den im Dorfgebiet zulässigen Richtwerten und könnten nach der Festsetzung des Schallleistungspegels an der Mündung des Abluftkamins auf 75 dB(A) problemlos eingehalten werden.

Hiergegen beantragten die Kläger am 14. April 2008 die Zulassung der Berufung. Sie machen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass der rückwärtige Teil des Gebäudes, welcher als Werkstatt bzw. Lagerbereich genehmigt sei, durch die Gerüche unzumutbar beeinträchtigt werde. Die erforderliche Einzelfallprüfung sei nicht erfolgt. Auch sei das Verwaltungsgericht selbst davon ausgegangen, dass die Einhaltung der Grenzwerte in den Nachtstunden problematisch sei. Damit werde jedoch die Nutzungsmöglichkeit des klägerischen Anwesens beschnitten. Die Rechtssache weise auch besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten auf. Den Klägern werde ohne weitere Begründung und Prüfung im Detail eine mögliche Überschreitung der Lärmgrenzwerte in den Nachtstunden zugemutet.

Der Beklagte beantragte, den Zulassungsantrag abzulehnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie auf die vom Beklagten vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Anträge auf Zulassung der Berufung haben keinen Erfolg.

1. Die Kläger berufen sich zum einen auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Kläger innerhalb offener Frist zur Begründung ihres Zulassungsantrags haben darlegen lassen (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

a) Die Kläger wenden ein, dass vom Vorhaben des Beigeladenen eine Geruchsbelästigung ausgehe, die ihnen nicht mehr zumutbar sei. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zu begründen.

Das Vorhaben des Beigeladenen liegt in einem faktischen Dorfgebiet und ist dort nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BauNVO nach seiner Art zulässig. Die Grenzen dessen, was nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO den Nachbarn noch zugemutet werden kann, werden durch die vom Vorhaben ausgehenden Geruchsemissionen nicht überschritten.

Das Verwaltungsgericht konnte zur Prüfung der Frage, ob das Bauvorhaben Geruchsimmissionen erzeugt, die über das in einem Dorfgebiet hinzunehmende Maß hinausgehen, u.a. auf die „Abstandsregelungen für Rinderhaltung“ des Bayerischen Arbeitskreises „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“ vom Januar 2005 zurückgreifen. Auch wenn diese Vorgaben rechtlich nicht verbindlich sind, bieten sie doch brauchbare Anhaltspunkte für die Beurteilung der im Einzelfall von der genehmigten Rinderhaltung ausgehenden Beeinträchtigung für die Nachbarn (BayVGH vom 22.3.2006 Az. 15 CS 05.3343 <juris>). Ausgehend von diesen Arbeitsanleitungen führte der Sachverständige für Immissionsschutz der Regierung bereits im Widerspruchsverfahren aus, dass keine unzumutbaren Geruchs-immissionen zu erwarten seien. Dies ergebe sich aus der günstigen Lage des Wohnhauses der Kläger zur Hauptwindrichtung und der geschlossenen Ausführung des Stalles mit Entlüftung über eine Zwangslüftungsanlage. Hier sei bereits ein Abstand von 13 m zum Schutz der Nachbarn ausreichend. Der maßgebliche Emissionsschwerpunkt „Abluftkamin“ der Zwangsentlüftungsanlage befindet sich in einer Entfernung von 23 m zur nördlichen Außenwand des Gebäudes der Kläger. Auch der von den Klägern beauftragte Gutachter gelangte in der immissionsschutzfachlichen Prüfung vom 7. Februar 2007 zu dem Ergebnis, dass die Geruchsemissionen zu keinen schädlichen Umwelteinwirkungen führen werden. Diese eindeutigen fachlichen Stellungnahmen der Sachverständigen werden von den Klägern nicht substantiiert in Zweifel gezogen. Das Verwaltungsgericht hat sich entgegen des Auffassung der Kläger auch ausführlich mit den gutachterlichen Äußerungen sowie den besonderen Umständen des Einzelfalls auseinandergesetzt.

b) Das Vorbringen der Kläger, das genehmigte Vorhaben verstoße im Hinblick auf die ihm zuzurechnenden Geräuschimmissionen gegen das Rücksichtnahmegebot, begründet ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO sind bauliche Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Zur Bestimmung der Grenzen der Zumutbarkeit ist für Geräuschimmissionen die Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz vom 26. August 1998 (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm) heranzuziehen (BVerwG vom 24.9.1992 BVerwGE 91, 92/94). Nach Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. c) und Nr. 6.6 Satz 2 TA Lärm betragen die Immissionsrichtwerte in „faktischen“ Dorfgebieten 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts. Diese Richtwerte werden vom Vorhaben des Beigeladenen nicht überschritten. Nach der letzten Prognoseberechnung der Regierung von Niederbayern sind konkrete Beurteilungspegel von max. 53 dB(A) am Tag und 38 dB(A) in der lautesten Nachtstunde zu erwarten. Der von den Klägern eingeschaltete Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass der Beurteilungspegel am Wohngebäude der Kläger zur Tagzeit 52 dB(A) und in der lautesten Nachtstunde 43 dB(A) nicht überschreitet. Dieser Prognose lag jedoch noch ein Schallleistungspegel an der Mündung des Kamins von 80 dB(A) zugrunde. Nachdem dieser Schallleistungspegel auf Vorschlag der Regierung mit Änderungsbescheid vom 28. November 2007 auf 75 dB(A) herabgesetzt wurde, besteht keinerlei Anlass, an der Einhaltung der Immissionsrichtwerte der TA Lärm zweifeln. Vielmehr unterschreitet das Vorhaben sogar die deutlich unter Immissionsrichtwerten der TA Lärm liegenden Beurteilungspegel von 57 dB(A) tags und 39 dB(A) nachts, die in Auflage Nr. 15 der Baugenehmigung festgesetzt wurden. Anhaltspunkte dafür, dass die Wohnnutzung oder die gewerbliche Nutzung auf dem Anwesen FlNr. 59 durch Geräuschimmissionen unzumutbar eingeschränkt werden, ergeben sich vor diesem Hintergrund nicht.

2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Der Sachverhalt wurde vom Verwaltungsgericht umfassend aufgeklärt, die entscheidungserheblichen Fragestellungen sind gutachterlich geklärt. Besondere rechtliche Schwierigkeiten sind ebenfalls nicht ersichtlich, da die auftretenden Fragen ohne weiteres anhand der einschlägigen Vorschriften des Bauplanungsrechts und der hierzu ergangenen Rechtsprechung gelöst werden können (Happ in Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, RdNr. 32 zu § 124).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 7./8. Juli 2004.

Mit der Ablehnung der Anträge auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).