OLG Bamberg, Beschluss vom 15.01.2009 - 3 Ss OWi 1610/2008
Fundstelle
openJur 2012, 97883
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Weißenburg i. Bay. vom 1. September 2008 mit den Feststellungen aufgehoben.

II. Die Sache wird zur neuen Entscheidung an das Amtsgericht Weißenburg i. Bay. zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbundenen, aber von einem Verteidiger mit Vertretungsvollmacht im Sinne des § 73 Abs. 3 OWiG vertretenen Betroffenen am 01.09.2008 wegen "fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 19 km/h, 16 km/h, 16 km/h, 15 km/h, 17 km/h und 17 km/h" zu einer Geldbuße von 320,00 EUR verurteilt und ein mit einer Anordnung nach § 25 Abs. 2 a Satz 1 StVG verbundenes Fahrverbot auf die Dauer von 1 Monat verhängt.

Das Protokoll der Hauptverhandlung enthält unter anderem neben dem Namen der anwesenden, in Untervollmacht auftretenden Verteidigerin und dem Namen, Vornamen und Geburtsnamen des Betroffenen den Hinweis, dass der Richter dessen Personalien "wie im Bußgeldbescheid vom 08.11.2007" feststellt, sowie die weitere Feststellung: "Der Richter verkündete durch Verlesen der Urteilsformel und durch mündliche Mitteilung des wesentlichen Inhalts der Urteilsgründe IM NAMEN DES VOLKES folgendes Urteil " . Sodann wird das verkündete Urteil mit vollständigem Tenor und der Liste der angewendeten Vorschriften wiedergegeben. Nach Vermerken über einen Verzicht auf Rechtsmittelbelehrung sowie über Anfertigung und Fertigstellung des Protokolls folgen die Unterschriften des Richters und der Protokollführerin. Nach einer als "Anlage I" zum Protokoll genommenen schriftlichen Untervollmacht befindet sich in der Akte sodann ein von dem erkennenden Richter unterzeichnetes Urteil, bestehend aus einem mit "Im Namen des Volkes  U r t e i l" überschriebenen und vom Richter handschriftlich mit Aktenzeichen, Namen des Betroffenen, Schuldspruch, Rechtsfolgen, angewendeten Vorschriften und Datum ergänzten Vordruck. Als Nächstes folgt die noch am Tag der Hauptverhandlung, dem 01.09.2008, um 13.18 Uhr per Fax übermittelte und beim Amtsgericht eingegangene Rechtsmittelschrift des Verteidigers vom gleichen Tag. Mit der unmittelbar anschließenden und zeitlich mit dem Tag der Fertigstellung des Hauptverhandlungsprotokolls zusammenfallenden (Formblatt-) Verfügung vom 02.09.2008 ordnete das Gericht die Übersendung der Akten an die Staatsanwaltschaft "gem. § 41 StPO" an. Bei dieser gingen sie ausweislich des auf der Verfügung sowie auf Seite 4 des Hauptverhandlungsprotokolls neben dem Urteilstenor befindlichen und dort zusätzlich mit dem Vermerk "Zur Zustellung eingelaufen" versehenen Eingangsstempels am 05.09.2008 ein. Nach Rückkunft der Akten am 08.09.2008 mit einem von dem Leitenden Oberstaatsanwalt unterzeichneten, auf dem Verfügungsformular bereits vorgedruckt enthaltenen Rechtsmittelverzicht fertigte der Tatrichter ein mit Gründen versehenes, von ihm unterschriebenes und ausweislich des angebrachten Vermerks am 06.10.2008 zur Geschäftsstelle gelangtes Urteil und verfügte unter diesem Datum dessen Zustellung an den Verteidiger.

Mit seiner gegen das Urteil geführten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II.

4Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 OWiG statthafte und auch im übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge – vorläufigen – Erfolg, weil das der Staatsanwaltschaft auf richterliche Verfügung am 05.09.2008 zugegangene, für die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht maßgebliche Urteil entgegen § 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 267 StPO keine Gründe enthält und damit dem Senat eine materiell-rechtliche Überprüfung auf etwaige Rechtsfehler von vornherein verwehrt ist; eine Ergänzung durch die am 06.10.2008 zu den Akten gelangten schriftlichen Urteilsgründe ist unzulässig.

1. Das Rechtsbeschwerdegericht hat auf die Sachrüge hin zu prüfen, ob nach der am 05.09.2008 erfolgten Zustellung eines Urteils ohne Gründe an die Staatsanwaltschaft die Fertigung der am 06.10.2008 und damit innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO zu den Akten gelangten schriftlichen Urteilsgründe zulässig war – ohne dass es einer entsprechenden Verfahrensrüge bedarf –, weil von der Klärung dieser Frage abhängt, welcher Urteilstext auf die Sachrüge hin vom Rechtsbeschwerdegericht auf materiell-rechtliche Fehler überprüft werden soll (OLG Bamberg ZfS 2006, 592 = VM 2007 Nr. 27; OLG Köln VRS 63, 460/461; BayObLG NStZ 1991, 342 = NZV 1991, 324/325; OLG Düsseldorf MDR 1993, 894; OLG Brandenburg NStZ-RR 2004, 121; KG VRS 108, 278).

62. Im Bußgeldverfahren ist, wie auch im Strafverfahren, unabhängig von der Einhaltung der Urteilsabsetzungsfrist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO die nachträgliche Ergänzung eines nicht mit Gründen versehenen, also abgekürzten Urteils bzw. die nachträgliche Fertigung schriftlicher Urteilsgründe grundsätzlich unzulässig, wenn es bereits aus dem inneren Dienstbereich des Gerichts herausgegeben worden ist; dieser Grundsatz gilt nur dann nicht, wenn das Gesetz entsprechende Ausnahmen zulässt (stRspr. z.B. BGHSt 43, 22/26; BayObLG ZfS 2004, 382; OLG Bamberg ZfS 2006, 592 = VM 2007 Nr. 27; ZfS 2007, 55/56 – jeweils m.w.N.).

Für das Bußgeldverfahren regelt § 77 b OWiG, unter welchen Voraussetzungen eine schriftliche Begründung des Urteils nachträglich zu den Akten gebracht werden kann. Erforderlich ist zunächst, dass nach § 77 b Abs. 1 OWiG zulässigerweise von einer schriftlichen Begründung des Urteils abgesehen werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf die Einlegung der Rechtsbeschwerde verzichtet haben oder wenn innerhalb der Frist Rechtsbeschwerde nicht eingelegt wird (§ 77 b Abs. 1 Satz 1 OWiG) oder wenn die Verzichtserklärung ausnahmsweise entbehrlich ist (§ 77 b Abs. 1 Sätze 2 und 3 OWiG).

3. Im vorliegenden Fall hat auf Veranlassung des Tatrichters ein nicht mit Gründen versehenes, also abgekürztes Urteil den inneren Dienstbereich des Gerichts verlassen, ohne dass die Voraussetzungen des § 77 b Abs. 1 OWiG gegeben waren.

9a) Mit der in der Verfügung vom 02.09.2008 getroffenen Anordnung der Übersendung der Akten mit Hauptverhandlungsprotokoll und unterzeichnetem Urteilsformular an die Staatsanwaltschaft gemäß § 41 StPO hat sich der Tatrichter für die Hinausgabe eines Urteils in eben dieser, nicht mit Gründen versehenen Fassung entschieden (grundlegend: Senatsbeschluss <in der Besetzung mit drei Richtern> vom 16.12.2008 – 3 Ss OWi 1060/2008; weiterhin OLG Celle VRS 75, 461/462 = MDR 1989, 482; OLG Rostock Beschluss vom 06.10.2004 – 2 Ss [OWi] 259/04 I 174/04 - juris; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2007, 212/213; vgl. auch OLG Celle NZV 1999, 524 = VRS 97, 436/437; NStZ-RR 2000, 180 = VRS 98, 220/221; OLG Brandenburg NStZ-RR 2004, 121; OLG Bamberg ZfS 2006, 592). Damit hat ein schriftliches Urteil ohne Gründe den inneren Dienstbereich des Gerichts verlassen und ist mit der Zustellung an die Staatsanwaltschaft nach außen hin in Erscheinung getreten.

aa) Bereits das Hauptverhandlungsprotokoll enthält vorliegend alle für den Urteilskopf nach 275 Abs. 3 StPO erforderlichen Angaben (Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 275 Rn. 24), nämlich die Bezeichnung des Tages der Sitzung, den Namen des Richters, der Verteidigerin und der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, Namen und Vornamen nebst Geburtsnamen des Betroffenen sowie den vollständigen Tenor einschließlich der angewendeten Vorschriften und ist von dem erkennenden Richter unterzeichnet. Gleiches gilt – bis auf die Aufnahme der Namen der Verteidigerin und der Protokollführerin – für das von dem Tatrichter unter Verwendung des Vordrucks handschriftlich erstellte und unterzeichnete, mit der Sitzungsniederschrift (wohl als weitere Anlage) zu den Akten gegebene und mit der Niederschrift bzw. den Akten der Staatsanwaltschaft zugestellte Urteil. Zwar hat der Tatrichter in diesem wie in dem Hauptverhandlungsprotokoll keine Urteilsgründe niedergelegt. Jedoch steht dies der Annahme eines bereits in das Hauptverhandlungsprotokoll aufgenommenen schriftlichen Urteils nicht zwingend entgegen, da der Richter im Bußgeldverfahren von einer schriftlichen Begründung des Urteils vollständig absehen kann, wie sich aus § 77 b OWiG ergibt.

bb) Das Amtsgericht hat vorliegend auch bewusst bei der Zustellung des verkündeten Urteils an die Staatsanwaltschaft von einer Begründung abgesehen. Es hat weder von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, das Urteil mit den Gründen in das Protokoll aufzunehmen (§ 275 Abs. 1 Satz 1 StPO), noch es vor Übermittlung des Hauptverhandlungsprotokolls und des von ihm handschriftlich ausgefüllten Urteilsvordrucks an die Staatsanwaltschaft mit Gründen versehen.

cc) Der Tatrichter wollte das Urteil in der oben beschriebenen Form der Staatsanwaltschaft auch zustellen, handelte also mit Zustellungswillen (KK-Graf StPO 6. Aufl. § 41 Rn. 3). Dies folgt zum einen aus seinem Hinweis auf § 41 StPO, der Zustellungen an die Staatsanwaltschaft regelt. Dies ergibt sich aber auch aus dem ersichtlich gegebenen Sinn und Zweck dieser Zuleitung. Wie der auf dem für die Zustellungsanordnung vom 02.09.2008 verwendeten Formblatt bereits vorgedruckte Passus: "Auf die Einlegung von  Rechtsmitteln wird verzichtet" zeigt, wollte der Tatrichter eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft zur Frage der Rechtsmitteleinlegung herbeiführen, um beurteilen zu können, ob er das der Staatsanwaltschaft aufgrund seiner Verfügung übermittelte und damit bekanntgemachte Urteil (auch) auf deren etwaiges Rechtsmittel (noch) mit Gründen versehen muss. Dieses Ziel wird hierdurch auch erreicht, denn mit der Urteilszustellung wird die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gemäß § 79 Abs. 4 OWiG unabhängig davon in Lauf gesetzt, ob die Voraussetzungen für ein Urteil ohne Gründe vorliegen (BGHSt 49, 230/239; OLG Bamberg Beschluss vom 31.01.2008 – 2 Ss OWi 119/2008).

13Da der Tatrichter das Hauptverhandlungsprotokoll mit dem unterzeichneten Urteil der Staatsanwaltschaft in der Urschrift und ausdrücklich unter Berufung auf § 41 StPO, somit für den Empfänger eindeutig erkennbar im Wege der förmlichen Bekanntmachung einer Entscheidung zugeleitet hat, muss er sich an dieser Erklärung festhalten lassen.

14b) Die Voraussetzungen des § 77 b Abs. 1 OWiG für ein Absehen von Urteilsgründen waren aber bereits deswegen nicht gegeben, weil der Betroffene schon zum Zeitpunkt der Zuleitung ein - als Rechtsbeschwerde zu behandelndes - Rechtsmittel eingelegt hatte (vgl. auch OLG Celle NStZ-RR 2000, 180; OLG Bamberg ZfS 2006, 592).

c) § 77 b OWiG kommt hier auch sonst nicht nach Sinn, Zweck und Regelungsgehalt dieser Norm zur Anwendung.

16aa) Die vom Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 13.03.1997 (BGHSt 43, 22 ff.) zu § 77 b Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 OWiG aufgestellten Grundsätze können nicht auf die vorliegende Fallgestaltung übertragen werden. Diese Norm schränkt die durch Halbsatz 1 gegebene Entbehrlichkeit einer Verzichtserklärung der Staatsanwaltschaft im Sinn des § 77 b Abs. 1 Satz 1 OWiG zur Entlastung der Justiz ein. Vorliegend hat der Tatrichter aber nicht einen der Entlastung der Justiz dienenden Antrag übersehen, sondern zu Gunsten des Betroffenen in § 77 b OWiG enthaltene Einschränkungen (Rechtsmittelverzicht des Betroffenen bzw. dessen Entbehrlichkeit, kein – fristgerecht – eingelegtes Rechtsmittel des Betroffenen) nicht beachtet, indem er von einer schriftlichen Begründung des Urteils absah, obwohl weder ein Rechtsmittelverzicht des Betroffenen vorlag noch für diesen die Rechtsmittelfrist abgelaufen noch der Verzicht wegen der Verhängung eines Fahrverbotes entbehrlich, ein Rechtsmittel vielmehr bereits eingelegt war.

bb) Eine entsprechende Anwendung des § 77 b OWiG ist auch nicht aus sonstigen Gründen der Vereinfachung oder Beschleunigung geboten.

18Dadurch, dass der Tatrichter die Akten mit dem Hauptverhandlungsprotokoll und dem von ihm unterzeichneten Urteil noch während der für den Betroffenen offenen Rechtsmitteleinlegungsfrist der Staatsanwaltschaft zuleitet, ergibt sich für ihn keine Vereinfachung. Bereits aufgrund des seitens des Betroffenen eingelegten Rechtsmittels hatte er ein Urteil mit Gründen zu fertigen, und zwar unabhängig von einem im vorliegenden Fall ohnedies nicht zu erwartenden Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft. Aber auch wenn zum Zeitpunkt der Anordnung des Tatrichters vom 02.09.2008 der Betroffene noch kein Rechtsmittel eingelegt hätte, hätte diese Anordnung nicht zu einer Verfahrensvereinfachung geführt. Die Anordnung der Zustellung eines Urteils, sei es mit oder ohne Gründe, an die Staatsanwaltschaft hat der Richter in jedem Fall zu treffen. Es ist ihm unbenommen, bei Fertigstellung des Protokolls bereits eine Verfügung des Inhalts zu treffen, dass die Akten nach Eingang eines Rechtsmittelverzichtes des Betroffenen oder nach Ablauf der Rechtsmittelfrist für den Betroffenen der Staatsanwaltschaft mit dem bei den Akten befindlichen Urteil - ohne Gründe - zuzustellen, andernfalls, falls ein Rechtsmittel des Betroffenen eingeht, ihm wieder vorzulegen sind. Da in diesem Fall das Urteil (ohne Gründe) den inneren Dienstbereich des Gerichts nicht verlassen hat, kann der Tatrichter innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO noch ein Urteil mit Gründen zu den Akten bringen. Sollte kein Rechtsmittel des Betroffenen eingehen, bringt die Geschäftsstelle des Amtsgerichts nach Rückkunft der Akten von der Staatsanwaltschaft, sei es mit Rechtsmittelverzicht, sei es ohne Rechtsmitteleinlegung, sodann den Rechtskraftvermerk an und leitet die Akten der Staatsanwaltschaft zur Vollstreckung zurück. Die von Teilen der obergerichtlichen Rechtsprechung für unschädlich erachtete formlose Zuleitung der Akten mit Hauptverhandlungsprotokoll an die Staatsanwaltschaft zum Zweck der Information über den Ausgang des Verfahrens (vgl. hierzu auch, unklar und z.T. widersprüchlich Göhler OWiG 14. Aufl. § 77 b Rn. 3 und 8 sowie KK/Senge OWiG 3. Aufl. § 77 b Rn. 5 unter Hinweis auf Göhler Rn. 3) bringt demgegenüber keine Arbeitsvereinfachung für den Tatrichter.

Allerdings führt die noch während der für den Betroffenen laufenden Rechtsmitteleinlegungsfrist erfolgte förmliche Zustellung wie auch die formlose Übersendung zur Information der Staatsanwaltschaft über den Ausgang des Verfahrens zu einem im Höchstfall um eine Woche früheren Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, falls der Betroffene zwischenzeitlich Rechtsmittelverzicht erklärt oder kein Rechtsmittel einlegt und die Staatsanwaltschaft ihrerseits bei Aktenrückleitung gleichfalls Rechtsmittelverzicht erklärt. Unabhängig davon, dass diesem Gesichtspunkt im vorliegenden Fall aufgrund des Rechtsmittels des Betroffenen keine Bedeutung zukommt, kann ein im besten Fall sieben Tage früherer Eintritt der Rechtskraft eine analoge Anwendung des § 77 b OWiG nicht rechtfertigen, auch nicht mit dem Argument, § 77 b OWiG diene der vereinfachten und beschleunigten Handhabung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens. Hätte der Gesetzgeber eine entsprechende Handhabung und Beschleunigung für angebracht gehalten, so hätte er dies in § 77 b Abs. 1 Satz 2 OWiG ohne weiteres regeln können. Er hat jedoch für den Fall, dass die Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung nicht anwesend ist, die Voraussetzungen für ein Absehen von Gründen in § 77 b OWiG ausdrücklich anders geregelt, im Übrigen auch die Bekanntmachung in Abwesenheit eines Beteiligten ergangener Entscheidungen in § 35 StPO.

III.

Da somit die am 06.10.2008 zu den Akten gelangten schriftlichen Urteilsgründe unbeachtlich sind, das – maßgebliche – der Staatsanwaltschaft am 05.09.2008 zugegangene Urteil aber keine Gründe enthält, somit dem Rechtsbeschwerdegericht keine Nachprüfung auf sachlich-rechtliche Fehler ermöglicht, unterliegt es allein deswegen der Aufhebung.

IV.

Der Senat verweist die Sache daher gemäß § 79 Abs. 6 OWiG zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Weißenburg i. Bay. zurück.

Entgegen der Auffassung der Verteidigung ist Verfolgungsverjährung, die zu einer Einstellung des Verfahrens geführt hätte, nicht eingetreten. Die Staatsanwaltschaft bei dem Rechtsbeschwerdegericht hat in ihrer Antragsschrift vom 16.12.2008 hierzu ausgeführt:

"Verkehrsordnungswidrigkeiten verjähren gemäß § 26 Abs. 3 StVG binnen 3 Monaten, ab Erlass des Bußgeldbescheides binnen 6 Monaten. Die dem Betroffenen zur Last liegende Tat wurde hier am 19.10.2007 begangen. Der Bußgeldbescheid wurde bereits am 08.11.2007 erlassen und ordnungsgemäß am 10.11.2007 zugestellt. In der Folgezeit wurde die Verjährungsfrist jeweils rechtzeitig unterbrochen. Am 14.12.2007 sind die Akten beim Amtsgericht Weißenburg eingegangen (§ 33 Abs. 1 Nr. 10 OWiG). Am 11.03.2008 hat der Tatrichter ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben, was gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 3 OWiG zur Verjährungsunterbrechung führt. Schließlich wurde am 14.07.2008 Termin zur Hauptverhandlung bestimmt, § 33 Abs. 1 Nr. 11 OWiG. Am 01.09.2008 ist ein Urteil ergangen, so dass seit dem Verfolgungsverjährung nicht mehr in Betracht kommt, § 32 Abs. 2 OWiG."

Diese zutreffenden Ausführungen macht sich der Senat zu Eigen und nimmt hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

V.

Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf folgendes hin:

Auch die weiteren, im vorliegenden Fall nicht (mehr) entscheidungserheblichen Ausführungen der Staatsanwaltschaft bei dem Rechtsbeschwerdegericht in ihrer Antragsschrift vom 16.12.2008 stehen im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats.

Ergänzend wird angemerkt, dass die Überprüfung einer Verurteilung wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit grundsätzlich voraussetzt, dass das Rechtsbeschwerdegericht dem angefochtenen Urteil die im konkreten Fall zulässige Höchstgeschwindigkeit und die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit entnehmen kann. Die bloße Mitteilung des Ausmaßes einer vom Tatrichter festgestellten Überschreitung wird hierfür im Regelfall, insbesondere bei unvollständiger Angabe der verletzten Vorschrift und unvollständiger Bezeichnung des vom Betroffenen gesteuerten Kraftfahrzeuges nicht genügen.

Angaben eines Betroffenen zu einer bei Verhängung eines Fahrverbotes drohenden Existenzgefährdung, hier durch Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sorgfältig zu prüfen. Dies gilt umso mehr, wenn – wie sich hier aus dem Vorbringen der Rechtsbeschwerde ergibt – Angaben in vorgelegten Schreiben des Arbeitgebers widersprüchlich erscheinen (Fahrverbot/Verlust der Fahrerlaubnis; Bestätigung "fehlender Probleme mit Verkehrsverstößen"/Vorahndungslage) oder hierzu ersichtlich ein lediglich auszufüllender Vordruck verwendet wird. Gegebenenfalls wird zur sicheren Abklärung des Vorbringens des Betroffenen eine Vernehmung des Arbeitgebers erforderlich sein.

Soweit die Auffassung vertreten wird, der Betroffene könne sich für den Weg zur Arbeitsstelle eines Aushilfsfahrers bedienen, wird es für den Fall, dass sich das Vorbringen einer drohenden Kündigung bestätigen sollte, weiterer Ausführungen dazu bedürfen, aus welchen Gründen hierdurch die Kündigung – der Betroffene ist ersichtlich Berufskraftfahrer – vermieden werden kann.