Bayerischer VGH, Beschluss vom 07.01.2009 - 11 CS 08.1545
Fundstelle
openJur 2012, 97435
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.250,- € festgesetzt.

Gründe

I.

Mit seiner Beschwerde wendet sich der 1961 geborene Antragsteller gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis.

Am 8. Mai 2007 hatte er im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug mit einer Konzentration von 2,5 ng/ml THC und 29 ng/ml THC-COOH im Blut geführt. Bei der Verkehrskontrolle gab er an, am Nachmittag des 6. Mai 2007 mehrere Züge von einem Joint genommen zu haben. Weitere Angaben zur Sache machte er nicht. Mit Schreiben vom 13. September 2007 ordnete die Fahrerlaubnisbehörde die ärztliche Begutachtung des Antragstellers an, da zu klären sei, ob einmaliger oder gelegentlicher Cannabiskonsum vorliege. Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten ließ er daraufhin mitteilen, dass er zwar in geringem Umfang, aber mehr als einmal Cannabis konsumiert habe. Die Fahrerlaubnisbehörde ließ deshalb die Forderung nach einem ärztlichen Gutachten zur Klärung der Konsumfrequenz fallen und verlangte stattdessen ein medizinisch-psychologisches Fahreignungsgutachten vom Antragsteller. Dieser ließ die Begutachtung am 16. Januar 2008 zwar durchführen, legte aber nur einzelne Seiten des Gutachtens vor, das er als fachlich nicht nachvollziehbar bezeichnete.

Mit Bescheid vom 2. April 2008 entzog die Behörde dem Antragsteller in sofort vollziehbarer Weise die Fahrerlaubnis der Klassen 1 und 3 (alte Einteilung), verpflichtete ihn, den Führerschein innerhalb von drei Tagen nach Zustellung des Bescheids abzuliefern und drohte für den Fall der Nichtbefolgung dieser Anordnung ein Zwangsgeld von 250,- € an. Am 5. April 2008 lieferte der Antragsteller seinen Führerschein ab und legte am 7. April 2008 Widerspruch ein, über den nach Aktenlage noch nicht entschieden wurde.

Am 23. April 2008 beantragte der Antragsteller bei dem Verwaltungsgericht Augsburg, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 2. April 2008 wiederherzustellen. Diesen Antrag lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 21. Mai 2008 ab. Er sei dahin auszulegen, dass die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer noch zu erhebenden Anfechtungsklage erstrebt werde. Der Antragsteller habe durch seine Fahrt mit 2,5 ng/ml THC im Blut am 8. Mai 2007 gezeigt, dass er nicht zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen von Kraftfahrzeugen trennen könne. Auch sei er gelegentlicher Konsument von Cannabis. Das könne mit Blick auf die Rechtsprechung des BayVGH (Beschlüsse vom 20.11.2006 Az. 11 CS 06.118, vom 14.9.2006 Az. 11 CS 06.1475, vom 25.1.2006 ZfS 2006, 294) zwar nicht aus dem Eingeständnis des Antragstellers gefolgert werden, weil nicht klar sei, ob zwischen den einzelnen Konsumakten mehr als ein Jahr liege. Gelegentlicher Konsum lasse sich aber daraus schließen, dass der Antragsteller eingeräumt habe, am 6. Mai 2007 Cannabis geraucht zu haben und am 8. Mai 2007 2,5 ng/ml THC in seinem Blut nachgewiesen worden seien. Nach den neueren naturwissenschaftlichen Erkenntnissen zur Abbaugeschwindigkeit von THC im Blut (Maastricht-Studie) bedeute dieser Wert, dass der Antragsteller nach dem 6. Mai 2007 noch ein weiteres Mal zeitnah zur Verkehrskontrolle Cannabis zu sich genommen haben müsse. Im Ergebnis sei deshalb die Behörde gemäß § 3 Abs. 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV, Nr. 9.2.2 Anlage 4 zur FeV zu Recht von fehlender Fahreignung des Antragstellers ausgegangen. Aus den vorgelegten Fragmenten des medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 16. Januar 2008 ergebe sich nichts anderes. Von Wiedererlangung der Fahreignung könne entsprechend Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV frühestens nach nachgewiesener einjähriger Abstinenz ausgegangen werden. Da das Widerspruchsverfahren vorliegend nicht statthaft sei, sei für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung auf den Zeitpunkt des Bescheidserlasses abzustellen. Zwischen der Drogenfahrt und der Fahrerlaubnisentziehung sei noch kein Jahr verstrichen gewesen, so dass die Behörde ohne weiteres gemäß § 11 Abs. 7 FeV von fehlender Fahreignung habe ausgehen dürfen. Der Antragsteller habe auch bislang weder Drogenabstinenz noch Übergang zu einem fahrerlaubnisrechtlich unbedenklichen Konsum geltend gemacht. Auf die Rechtmäßigkeit der Anordnung der medizinisch-psychologischen Begutachtung komme es vorliegend nicht an.

Zur Begründung der hiergegen eingelegten Beschwerde wurde mit Schriftsatz vom 26. Juni 2008, auf den Bezug genommen wird, u.a. geltend gemacht, der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz sei auch zulässig, soweit er sich gegen den Sofortvollzug der Zwangsgeldandrohung richte, weil ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bestehe. Das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht von mangelndem Trennungsvermögen aus. Zumindest sei bei einmaligen Verstößen gegen das Trennungsgebot eine Ermessensausübung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles geboten. Auch verstoße es im Lichte der Entscheidung des BVerfG vom 20. Juni 2002 gegen das Gleichheitsgebot, bereits bei zweimaligem Cannabiskonsum von Gelegentlichkeit auszugehen. Schließlich sei die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts insofern unrichtig, als dort Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV entsprechend herangezogen werde. Durch den angegriffenen Beschluss werde der Beschwerdeführer als Cannabiskonsument wesentlich schlechter gestellt als ein vergleichbarer Alkoholtäter. Darin liege ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der Antragsteller habe nach dem Vorfall vom 8. Mai 2007 sein Verhalten grundlegend geändert und sei drogenabstinent. Das Verwaltungsgericht stelle fälschlicherweise fest, dass es auf die Rechtmäßigkeit der Gutachtensanforderung nicht ankomme, weil die fehlende Fahreignung des Antragstellers feststehe.

Der Antragsteller beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs, hilfsweise einer noch zu erhebenden Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 2. April 2008 wiederherzustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und verteidigt den Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 21. Mai 2008.

Wegen der weiteren Einzelheiten sowie wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die beigezogene Behördenakte verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde, bei deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgetragenen Gesichtspunkte beschränkt ist, bleibt ohne Erfolg.

Der vom Antragsteller eingelegte Widerspruch ist statthaft, da es sich bei der vorliegenden Fahrerlaubnisentziehung um eine "personenbezogene Prüfungsentscheidung" im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 Nr. 6 AGVwGO handelt (vgl. grundlegend BayVGH vom 7.8.2008 Az. 11 CS 08.1854). Es wurde deshalb zu Recht beantragt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen. Der Sache nach hat das Verwaltungsgericht Augsburg dieses Begehren im Ergebnis zutreffend abgelehnt.

Soweit sich der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die in Nr. 6 des Tenors des angegriffenen Bescheids enthaltene Zwangsgeldandrohung richtet, war er, wie bereits das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Beschluss feststellt, schon deshalb abzulehnen, weil für dieses Begehren bereits bei Stellung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO kein Rechtsschutzbedürfnis bestand. Denn die Zwangsgeldandrohung hatte sich mit der Ablieferung des Führerscheins am 5. April 2008 bereits erledigt (vgl. BayVGH vom 20.1.2006 Az. 11 CS 05.1584). Eine Feststellung analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ist unzulässig (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage 2007, RdNr. 131 zu § 80). Auch besteht kein Feststellungsinteresse, denn es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin nach fristgerechter Abgabe des Führerscheins durch den Antragsteller in rechtswidriger Weise noch hätte vollstrecken wollen oder dies künftig tun würde.

Nach der im Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Prüfung erweist sich die Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers nach § 3 Abs. 1 StVG, § 46 Abs. 1, § 11 Abs. 7 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV als rechtmäßig.

1. Für den Verlust der Fahreignung wegen Verstoßes gegen das Trennungsgebot nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ist entscheidend, ob ein gelegentlicher Konsument von Cannabis objektiv unter dem Einfluss einer THC-Konzentration am Straßenverkehr teilgenommen hat, bei der davon ausgegangen werden muss, dass sich das Risiko einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit durch negative Auswirkungen des Konsums auf den Betroffenen signifikant erhöht. Darauf, ob bei dem Betroffenen drogentypische Ausfallerscheinungen bzw. Fahruntüchtigkeit (zum Unterschied zwischen „Fahreignung“ und „Fahrtüchtigkeit“ vgl. BayVGH vom 20.9.2006 Az. 11 CS 05.2143) feststellbar waren, kommt es hiernach nicht an. Der derzeitige medizinisch-naturwissenschaftliche Erkenntnisstand rechtfertigt es, ab einer THC-Konzentration von mehr als 2,0 ng/ml im Blut eines Kraftfahrzeugführers eine Erhöhung des Risikos für die Verkehrssicherheit als derart gesichert im Sinn des § 11 Abs. 7 FeV anzusehen, dass dem Betroffenen ohne weitere Sachverhaltsaufklärung die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen ist. Bei gelegentlichem Konsum von Cannabis und Fahren mit einer THC-Konzentration zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml ist vor einer etwaigen Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 FeV ein medizinisch-psychologisches Gutachten einzuholen (grundlegend BayVGH vom 25.1.2006 Az. 11 CS 05.1711, DAR 2006, 407 ff.; BayVGH vom 14.9.2006 Az. 11 CS 06.1475). Die laut Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität München vom 27. Juni 2007 im Blut des Antragstellers gemessene THC-Konzentration von 2,5 ng/ml rechtfertigt somit ohne weitere Sachverhaltsaufklärung die Annahme fehlender Fahreignung.

2. Auch ist der Antragsteller gelegentlicher Cannabiskonsument. Zum einen folgt dies aus den vom Verwaltungsgericht Augsburg in dem angefochtenen Beschluss angestellten Erwägungen zur Abbaugeschwindigkeit von THC. Wenn beim Antragsteller am 8. Mai 2007 mittags eine THC-Konzentration von 2,5 ng/ml gemessen wurde, kann dies nicht von dem zugestandenen Konsum am 6. Mai 2007 um 20:00 Uhr herrühren, sondern der Antragsteller muss ein weiteres Mal, zeitnah vor der Verkehrskontrolle, bei der er auffiel, Cannabis zu sich genommen haben. Bereits bei zweimaliger Einnahme von Cannabis in selbständigen Konsumakten ist von Gelegentlichkeit des Cannabiskonsums auszugehen (vgl. BayVGH vom 25.1.2006 Az. 11 CS 05.1453, ZfS 2006, 294 ff.; BayVGH vom 27.3.2006 Az. 11 CS 05.1559; BayVGH vom 14.9.2006 a.a.O.). Insoweit wird nach § 122 Abs. 2 VwGO auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts verwiesen.

Dass bereits zwei von einander unabhängige Konsumakte ausreichen, um von Gelegentlichkeit im Rechtssinne auszugehen, ist unabhängig davon, dass der Antragsteller selbst nie explizit behauptet hat, nur zweimal Cannabis konsumiert zu haben, verfassungsrechtlich unbedenklich. Nr. 9.2 der Anlage 4 zur FeV trägt Art. 3 Abs. 1 GG ausreichend Rechnung. Der Verordnungsgeber berücksichtigt, dass es in zahlreichen Fällen bei einem einmaligen Probierkonsum von Cannabis bleibt, und knüpft deshalb hieran nicht unmittelbar den Schluss auf fehlende Fahreignung. Hat es der Betroffene aber nicht beim Probieren bewenden lassen, sondern aufgrund eines neuen Entschlusses ein weiteres Mal Cannabis eingenommen und zusätzlich das Trennungsgebot verletzt, ist die Gefahr einer Fortsetzung dieses Verhaltens weit größer und deshalb die Regelung in Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV angemessen. Die notwendige Differenzierung zwischen gelegentlichem und regelmäßigem Cannabiskonsum ergibt sich aus Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV, wonach bei regelmäßigem Konsum die Fahreignung generell und unabhängig vom Vorliegen eines Verstoßes gegen das Trennungsgebot entfällt.

Es ist aber auch deshalb von gelegentlichem Cannabiskonsum auszugehen, weil der Antragsteller dies in dem vom 22. November 2007 datierenden Schreiben seines Bevollmächtigten eingeräumt hat. Den Entscheidungen des erkennenden Senats vom 25. Januar 2006 (Az. 11 CS. 05.1453, a.a.O.), vom 14. September 2006 (a.a.O) und vom 20. November 2006 (Az. 11 CS 06.118) ist nicht zu entnehmen, dass der sichere Schluss auf Fahrungeeignetheit generell nur dann zulässig wäre, wenn zwischen den einzelnen Konsumakten höchstens ein Jahr liegt:

In dem mit Beschluss des Senats vom 25. Januar 2006 (Az. 11 CS 05.1453, a.a.O.) entschiedenen Fall hatte der Antragsteller gegen das Trennungsgebot verstoßen (6,0 ng/ml THC im Blut), jedoch den gelegentlichen Cannabiskonsum geleugnet. Der Senat hat sich ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt, ob dem OVG Hamburg (Beschluss vom 23. Juni 2005, ZfS 2005, 214 ff.) darin zu folgen sei, dass bereits einmaliger Cannabiskonsum einen gelegentlichen Konsum im Rechtssinne darstelle. Er hat sich dem nicht angeschlossen und entschieden, dass zur Klärung der Frage, wie oft Cannabis eingenommen wurde, auch dann, wenn nur ein einmaliger Konsum feststeht, gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV ein ärztliches Gutachten angefordert werden darf, sofern weitere, Eignungszweifel begründende Tatsachen (z.B. Verstoß gegen das Trennungsgebot) vorliegen. In der Folge behandelte der Senat die Frage, ob ein solches ärztliches Gutachten über die Konsumgewohnheiten des Betroffenen in der Vergangenheit genügend Aufschluss geben kann. Er kam zu der Auffassung, dass es der naturwissenschaftlichen Aufklärungsmöglichkeiten halber sinnvoller sei, die Konsumgewohnheiten zukunftsbezogen zu ermitteln. Allein bezogen auf diese Konstellation und Problematik hat der Senat sodann festgestellt, dass es dem Betroffenen nicht zumutbar sei, sich länger als für die Dauer eines Jahres einer ärztlichen Überwachung durch Drogenscreenings unterziehen zu müssen. Hieraus kann nicht geschlossen werden, dass länger als ein Jahr auseinander liegende Konsumakte den Schluss auf Gelegentlichkeit generell nicht erlaubten. Das hat der Senat in seiner Entscheidung vom 14. September 2006 (a.a.O., dort ging es um den Fall einer Fahrerlaubnisentziehung nach § 11 Abs. 8 FeV bei zweimaliger Straßenverkehrsteilnahme mit jeweils deutlich weniger als 2,0 ng/ml im Abstand von circa einem Jahr) ausdrücklich klargestellt (vgl. BA S. 10 und 11): In seinem Beschluss vom 20. November 2006 (Az. 11 CS 06.118) schließlich hat der Senat ausdrücklich sogar einen nahezu fünfjährigen Abstand zwischen zwei Konsumakten noch für die Annahme von Gelegentlichkeit genügen lassen. Der Antragsteller hat somit nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV die Fahreignung verloren und die Fahrerlaubnisbehörde durfte ihm ohne weitere Sachverhaltsaufklärung die Fahrerlaubnis entziehen, so dass es auf die medizinisch-psychologische Begutachtung des Antragstellers hier nicht ankommt.

3. Die Annahme fehlenden Trennungsvermögens i.S.v. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV steht in Einklang mit Art. 2 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG und mit dem Beschluss des BVerfG vom 20. Juni 2002 (NJW 2002, 2378 ff.). Der vom BVerfG entschiedene Fall betraf eine Fahrerlaubnisentziehung bei einmalig festgestelltem Haschischbesitz und Weigerung der Teilnahme an einem Drogenscreening. Im Fall des BVerfG war keine Verkehrsteilnahme unter Cannabiseinfluss und kein Verstoß gegen das Trennungsgebot nachgewiesen. Das BVerfG hat festgestellt, ein auch verfassungsrechtlich tragfähiger Anlass zur Entziehung einer Fahrerlaubnis bestehe u.a. bei die Fahreignung ausschließenden charakterlich-sittlichen Mängeln. Solche Mängel lägen vor, wenn der Betroffene bereit sei, das Interesse der Allgemeinheit an sicherer und verkehrsgerechter Fahrweise den jeweiligen eigenen Interessen unterzuordnen und hieraus resultierende Gefährdungen oder Beeinträchtigungen des Verkehrs in Kauf zu nehmen. Ausdruck eines Mangels dieser Art sei es, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber ungeachtet einer im Einzelfall anzunehmenden oder jedenfalls nicht auszuschließenden drogenkonsumbedingten Fahruntüchtigkeit nicht bereit sei, vom Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr abzusehen. Eine solche unzureichende Trennungsbereitschaft hat der Antragsteller mit seiner Fahrt vom 8. Mai 2007 unter Beweis gestellt. Er macht geltend, nach der Entscheidung des BVerfG vom 20. Juni 2002 (a.a.O.) sei mangelnde Trennungsfähigkeit nicht schon dann zu bejahen, wenn „situationsbedingt“ die Fahrtüchtigkeit fehle. Der einmalige Verstoß des Antragstellers gegen das Trennungsgebot belege daher noch nicht, dass es ihm grundsätzlich an Trennungsfähigkeit und –bereitschaft fehle. Diesen Schluss erlauben die Feststellungen des BVerfG indes nicht. Sie beziehen sich allein auf die Frage, ob bereits einmaliger oder gelegentlicher Cannabiskonsum ohne Zusammenhang mit dem Straßenverkehr die Steuerungsfähigkeit in einer Weise einschränke, dass generell von einem Wegfall des Trennungsvermögens ausgegangen werden und deshalb jederzeit mit einer zukünftigen Teilnahme am Straßenverkehr unter Betäubungsmitteleinfluss gerechnet werden müsse. Unter Einbeziehung der hierzu eingeholten gutachtlichen Äußerungen kam das BVerfG zu dem Ergebnis, dass dies nicht der Fall sei. Eine Aussage zum Trennungsvermögen bei Erfüllung der Voraussetzungen für Fahrungeeignetheit nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV musste das BVerfG nicht treffen und hat es auch nicht getroffen. Der vom Antragsteller behauptete Wertungswiderspruch der Fahrerlaubnisentziehung zu § 24 a, § 25 StVG besteht ebenfalls nicht (vgl. z.B. BayVGH vom 10.10.2006 Az. 11 CS 05.1648; vom 14.2.2006 Az. 11 ZB 05.1406; vom 23.2.2006 Az. 11 CS 05.1968; vom 10.7.2006 Az. 11 CS 05.2062).

Auch der geltend gemachte Verstoß gegen das in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Gleichbehandlungsgebot wegen einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung von Cannabis- gegenüber Alkoholkonsumenten liegt nicht vor (vgl. BayVGH vom 30.5.2005 Az. 11 CS 04.1767). Bei gelegentlichem privatem Alkoholkonsum und einer einmaligen Fahrt mit weniger als 1,6 Promille sieht das Fahrerlaubnisrecht keine Maßnahme vor, bei gelegentlichem Cannabiskonsum und Verstoß gegen das Trennungsgebot ist dagegen nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV von Fahrungeeignetheit auszugehen. Für diese Ungleichbehandlung gibt es aber wegen der unterschiedlichen Wirkungsweisen, wegen des unterschiedlichen Wissens über die Auswirkungen der Drogen auf die Fahreignung und wegen der Unterschiede der sozialen Kontrolle des Konsums sachliche Gründe (vgl. BVerwG vom 23.08.1996 NZV 1996, 467 unter Hinweis auf BVerfGE 90, 145 ff.; BayVGH vom 23.2.2006 Az. 11 CS 1968; VGH Baden-Württemberg vom 22.11.2004, ZfS 2005, 158; OVG Brandenburg vom 22.7.2004, VRS 107, 397; Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung, Kommentar, Abschnitt 1.1 zu Kapitel 3.12.1 – S. 169 ff.).

Die normative Wertung von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV entfaltet Bindungswirkung, solange keine Umstände des Einzelfalls vorliegen, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ausnahmen von den Regelvermutungen der Anlage 4 zur FeV sind dann anzuerkennen, wenn in der Person des Betäubungsmittelkonsumenten Besonderheiten bestehen, die darauf schließen lassen, dass seine Fähigkeit, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr sicher, umsichtig und verkehrsgerecht zu führen, sowie sein Vermögen, zwischen dem Konsum von Betäubungsmitteln und der Teilnahme am Straßenverkehr zuverlässig zu trennen, nicht erheblich herabgesetzt sind. Beispielhaft sind in Satz 2 der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV besondere menschliche Veranlagung, Gewöhnung, besondere Einstellung oder besondere Verhaltenssteuerungen und –umstellungen genannt, durch die eine Kompensation z. B. der drogenbedingten Einschränkungen erfolgen kann. Es obliegt insoweit dem Betroffenen, durch schlüssigen Vortrag die besonderen Umstände darzulegen und nachzuweisen, die ein Abweichen von der Regelvermutung rechtfertigen sollen (vgl. OVG Brandenburg vom 22.7.2004, VRS 107, 397 m.w.N.). Dies ist hier nicht ansatzweise erfolgt. Der Antragsteller trägt lediglich im Beschwerdeverfahren pauschal einen Verhaltenswandel vor. Ein Abweichen von der Regelvermutung der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ist deshalb auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht geboten (BayVGH vom 10.7.2006 Az. 11 CS 05.2062).

4. Der Antragsteller hält die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts auch deshalb für unrichtig, weil dort für die Frage der Wiedererlangung der verlorenen Fahreignung Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV entsprechend herangezogen wird. Auch in Fällen des Betäubungsmittelkonsums ohne bestehende Abhängigkeit muss es aber verallgemeinerungsfähige Kriterien dafür geben, wann eine einmal verloren gegangene Fahreignung als wiedererlangt anzusehen ist. Dass bei Verlust der Fahreignung wegen Betäubungsmittelkonsum ein Verzicht auf Drogen (in den Fällen von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV alternativ ein Übergang zu einem straßenverkehrskonformen Cannabisgebrauch) zu fordern ist, liegt in der Natur der Sache. Diskussionsbedarf kann nur bezüglich der Frage bestehen, über welchen Zeitraum die behauptete Abstinenz bzw. der Übergang zu einem straßenverkehrskonformen Konsum nachzuweisen ist. In seinem Beschluss vom 9. Mai 2005 (a.a.O.) und auch in der vom Antragsteller zitierten Entscheidung vom 14. September 2006 (a.a.O.) sowie in zahlreichen weiteren Entscheidungen geht der Senat davon aus, dass grundsätzlich entsprechend Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV der Nachweis des Verhaltenswandels für die Dauer eines Jahres auch bei Betäubungsmittelmissbrauch zu fordern ist. Hieran wird festgehalten. In dem Fall, der dem Beschluss vom 14. September 2006 (a.a.O.) zugrunde lag, ging es um eine Straßenverkehrsteilnahme mit einer THC-Konzentration zwischen 1,0 und 2,0 ng/ml (kein Verstoß gegen das Trennungsgebot, kein Verlust der Fahreignung). Für diese Konstellation hat der Senat befunden, dass die Forderung des Nachweises einjähriger Drogenabstinenz nicht gerechtfertigt sei. Diese Aussage ist aber auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil der Antragsteller hier mit 2,5 ng/ml THC im Blut das Trennungsgebot missachtet und die Fahreignung verloren hat. Bei Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalles kann entsprechend der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV ein Abweichen von der Regelfallbewertung in Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV angezeigt sein. Auch insoweit obliegt es aber dem Betroffenen, durch schlüssigen Vortrag die besonderen Umstände darzulegen und nachzuweisen, die ein Abweichen von der Regelvermutung rechtfertigen sollen. Daran fehlt es vorliegend.

Zunächst hat der Antragsteller weder behauptet, abstinent zu sein noch zu einem fahrerlaubnisrechtlich unproblematischen Cannabiskonsum übergegangen zu sein. Das vom 22. November 2007 datierende Schreiben seines Bevollmächtigten befasst sich, wie dem Gesamtzusammenhang zu entnehmen ist, nicht mit der Wiedererlangung der Fahreignung, sondern enthält nur Ausführungen dazu, dass der Antragsteller die Fahreignung mangels Erfüllung des Tatbestands von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV nie verloren habe. Die Fahrerlaubnisbehörde musste der Frage nicht nachgehen, ob er die Fahreignung wieder erlangt haben könnte, weil es keine konkreten Anhaltspunkte dafür gab (vgl. BayVGH vom 9.5.2005 VRS 109, 64 ff.). Eine Abstinenzbehauptung ist erstmals in der Beschwerdebegründung vom 26. Juni 2008 enthalten, wobei nur angegeben wird, der Antragsteller habe „nach dem Vorfall vom 08.05.2007“ sein Verhalten grundsätzlich geändert. Es wird jedoch nicht mitgeteilt, seit wann genau er sich des Cannabiskonsums enthalte. Der Umstand, dass er von dem medizinisch-psychologischen Gutachten vom 16. Januar 2008 nur wenig aussagekräftige Auszüge vorgelegt hat, spricht dagegen, dass bereits seit dem Vorfall vom 8. Mai 2007 Abstinenz eingehalten worden sein könnte. Aus einer der vorgelegten Seiten des Gutachtens geht zwar hervor, dass das aus Anlass der Begutachtung durchgeführte Drogenscreening keinen Hinweis auf aktuellen Drogenkonsum erbracht habe. Dabei handelt es sich aber nur um einen punktuellen Befund. Auch heißt es dort, dass der Antragsteller keine zusätzlichen Urin-Drogenscreenings vorgelegt hat, was er im Fall der Abstinenz ohne weiteres - i.Ü. auch im laufenden Gerichtsverfahren noch - hätte tun können. Es muss daher mangels näherer Angaben und konkreter Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller nicht bereits seit dem Vorfall vom 8. Mai 2007, sondern erst im Verlauf des ersten Halbjahrs 2008 mit dem Konsum von Cannabis aufgehört hat. Gemäß dem Beschluss des Senats vom 9. Mai 2005 (a.a.O.) darf bis zum Ablauf eines Jahres nach Abstinenzbeginn die Behörde weiterhin ohne Sachverhaltsaufklärung von fehlender Fahreignung ausgehen (sog. verfahrensrechtliche Einjahresfrist). Die vorliegende Abstinenzbehauptung hindert somit nicht das Festhalten an der Fahrerlaubnisentziehung.

Selbst wenn man von einer Abstinenz seit dem 8. Mai 2007 ausginge, würde das indes am Ausgang des vorliegenden Verfahrens nichts ändern. Nach den im Beschluss des Senats vom 9. Mai 2005 (a.a.O.) aufgestellten Grundsätzen müsste die Widerspruchsbehörde dann durch Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens aufklären, ob die Abstinenzbehauptung zutrifft und ob die Verhaltensänderung stabil ist, weil sie auf einem grundlegenden Einstellungswandel beruht. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache wären damit offen, weil die Sachverhaltsaufklärung ergeben könnte, dass der Antragsteller die verlorene Fahreignung inzwischen wieder erlangt hat. Es wäre eine von den Erfolgsaussichten der Hauptsache unabhängige Interessenabwägung vorzunehmen, die aber im Lichte des Schutzauftrags für Leben und Gesundheit dritter Verkehrsteilnehmer nicht zugunsten des Antragstellers ausfallen könnte, weil außer der pauschalen Behauptung einer Verhaltensänderung weder seinem Sachvortrag noch den dargestellten Gesamtumständen irgendwelche Anhaltspunkte dafür zu entnehmen sind, dass der Antragsteller auf der Grundlage eines gefestigten Einstellungswandels zu einem straßenverkehrsgerechten Verhalten zurückgefunden hat.

Nach allem war die Beschwerde mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 VwGO und den Empfehlungen in den Abschnitten II. 1.5 Satz 1, 46.1 und 46.5 und 46.8 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./8. Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327 f.).