AG Obernburg a. Main, Beschluss vom 29.12.2008 - 1 F 669/08
Fundstelle
openJur 2012, 97230
  • Rkr:
Tenor

1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin J G, geboren am 20.07.1986, zu Händen des jeweiligen gesetzlichen Vertreters ab dem 01.10.2008 einen monatlichen, jeweils monatlich im Voraus fälligen Kindesunterhalt in Höhe von 496,00 Euro zu bezahlen. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.

2. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

3. Der Streitwert für das Verfahren der einstweiligen Anordnung wird auf 3.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die am 20.07.1986 geborene Antragstellerin ist die volljährige Tochter des Antragsgegners. Die Parteien streiten um Ausbildungsunterhalt für eine Dolmetscherausbildung der Antragstellerin.

Die Antragstellerin nahm nach dem Realschulabschluss eine Ausbildung an dem Institut für Fremdsprachen und Auslandskunde bei der Universität Erlangen-Nürnberg im September 2004 auf. Dieses Institut umfasst zwei Schularten, nämlich eine Berufsfachschule für Fremdsprachenberufe und eine Fachakademie für Fremdsprachenberufe. Zunächst absolvierte die Antragstellerin an der Berufsfachschule die Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin, die sie im Sommer 2007 nach drei Jahren Ausbildung mit der Gesamtnote "gut"(2,40) abschloss, wobei die Regelausbildungszeit hier 2 Jahre beträgt. Unmittelbar hieran anschließend nahm die Antragstellerin an der Fachakademie eine weitere Ausbildung zur Dolmetscherin auf. Voraussetzung für diese Ausbildung ist entweder das Abitur oder der erfolgreiche Abschluss der Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin. Regelausbildungszeit ist 3 Jahre, für besonders geeignete Bewerber kann die Ausbildungszeit auf 2 Jahre verkürzt werden durch Überspringen des ersten Ausbildungsjahres. Die Antragstellerin hat dieses Ausbildungsjahr nicht übersprungen, sondern beabsichtigt, die Dolmetscherausbildung nach 3 Jahren im Jahr 2010 zu beenden. Das erste Ausbildungsjahr bestand die Antragstellerin im Sommer diesen Jahres und befindet sich nunmehr im zweiten Ausbildungsjahr.

Die Antragstellerin hat im Hauptsacheverfahren Stufenklage gegen den Antragsgegner erhoben und begehrt auf der 1. Stufe Auskunft zu dessen Einkommensverhältnissen. Zugleich begehrt sie eine einstweilige Anordnung auf Zahlung von Unterhalt.

Hierzu behauptet die Antragstellerin,

ihre Mutter erziele ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von 1900 Euro aus abhängiger Beschäftigung und weitere 500 Euro aus selbstständiger Tätigkeit bis Ende 2008. Weiter behauptet sie, sie habe vor Beginn der Ausbildung mit dem Antragsgegner abgesprochen, dass sie auf die Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin eine Dolmetscherausbildung aufbauen wolle.

Sie beantragt,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung dazu zu verurteilen, an sie monatlich im Voraus bis zum 3. eines jeden Monats eine Unterhaltsrente in Höhe von 500 Euro beginnend mit dem Monat Oktober 2008 zu bezahlen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Der Antragsgegner behauptet,

eine vorherige Absprache über die Dolmetscherausbildung habe nicht stattgefunden. Die Mutter der Antragstellerin erziele zudem mindestens weitere 1000 Euro netto monatlich aus einer Vollzeitbeschäftigung.

Der Antragsgegner ist der Ansicht,

die Voraussetzungen eines Anspruches auf Ausbildungsunterhalt seien nicht gegeben, weil es sich um eine Zweitausbildung handele. Auf den Fall sei die Fallgruppe Lehre-Abitur-Studium der obergerichtlichen Rechtsprechung anzuwenden. Im Übrigen bestehe im Hinblick auf die Überschreitung der Regelausbildungszeit für die Fremdsprachenkorrespondentin kein Unterhaltsanspruch mehr, die Antragstellerin habe sich hierdurch als ungeeignet für eine Dolmetscherausbildung erwiesen. Zudem sei der Antrag unzulässig, weil als unabdingbare Voraussetzung für eine Gerichtsentscheidung der auf den Antragsgegner entfallende Haftungsanteil festzustellen sein müsse und dies wegen fortbestehender Unklarheiten über die Höhe des Einkommens der Mutter der Antragstellerin nicht möglich sei.

II.

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist gemäß §§ 621 Abs. 4, 644, 620 ff. ZPO zulässig. Ein Hauptsacheverfahren ist anhängig. Im Weiteren bedarf es für den Erlass einer einstweiligen Anordnung lediglich eines Regelungsbedürfnisses für das geltend gemachte Begehren, das ein Zuwarten bis zum Ergebnis der Hauptsache nicht zulässt (Musielak-Barth ZPO § 620 Rn. 5). Eines Sicherungsbedürfnisses gemäß §§ 935, 940 ZPO bedarf es ebenso wenig wie einer Notlage oder einer besonderen Eilbedürftigkeit (OLG Frankfurt FamRZ 2002, 401). Die Tatsache, dass der Antragsgegner derzeit keinen Ausbildungsunterhalt leistet und damit die Finanzierung der laufenden Ausbildung der Antragstellerin ungesichert ist, stellt ein ausreichendes Regelungsbedürfnis dar.

2. Auch dass die Rechtsfrage, ob eine vom Unterhaltsanspruch nicht umfasste Zweitausbildung oder eine Weiterbildung vorliegt, bei der hiesigen Fallkonstellation strittig ist, führt nicht zur Unzulässigkeit des Antrages auf einstweiliger Anordnung. Eine ungeklärte Rechtsfrage führt nicht zum Wegfall des Regelungsbedürfnisses für eine einstweilige Anordnung, sondern ist bereits im Anordnungsverfahren zunächst zu entscheiden. Die Antragstellerin darf nicht mit der Begründung auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden, die Rechtsfrage sei mit gewisser Wahrscheinlichkeit zu ihren Gunsten und mit anderer Wahrscheinlichkeit zu ihren Lasten zu entscheiden, weswegen es zur Klärung der Durchführung des Hauptverfahrens bedürfe. Die sich im Falle strittiger Rechtsfragen hieraus ergebenden Konsequenzen für den Rechtsschutz des Antragsgegners während der Dauer des Hauptverfahrens (Rechtsmittelbeschränkung des §620 c S. 2 ZPO) – insbesondere im Hinblick auf §§ 812, 818 Abs. 3 BGB im Falle einer späteren anderen Entscheidung im Hauptverfahren – sind als Folge der vom Gesetzgeber gewollten stärkeren Stellung des Antragstellers im familienrechtlichen Anordnungsverfahren gegenüber dem zivilrechtlichen Verfügungsverfahren hinzunehmen und so gewollt.

III.

Der Antrag ist auch weitestgehend begründet.

1. Gemäß § 1610 Abs. 2 BGB umfasst der Anspruch auf Kindesunterhalt auch die Kosten einer angemessenen Vorbildung für einen Beruf. Aus der Formulierung "Vorbildung für einen Beruf" folgt, dass die Kosten für eine zweite Ausbildung vom Unterhaltsanspruch nicht umfasst sind (BGH FamRZ 1992, 1407). Demgegenüber können die Kosten für eine Weiterbildung unter bestimmten Umständen vom Anspruch auf Ausbildungsunterhalt umfasst sein. Eine solche Weiterbildung liegt dann vor, wenn die Durchführung der auf die erste Ausbildung aufbauenden zweiten Ausbildung von Anfang an vorgesehen war (Wendl/Staudigl-Scholz §2 Rn. 78). Dass eine entsprechende Absprache von Anfang an bestand, konnte die Antragstellerin, die als Anspruchsberechtigte insoweit beweispflichtig ist, nicht beweisen. Ihrer Behauptung, sie habe vor Beginn der Ausbildung dem Antragsgegner erklärt, dass allein der Beruf der Dolmetscherin ihr Traumberuf sei, steht die Behauptung des Antragsgegners entgegen, dass von der Erlangung des Dolmetscherabschlusses nie die Rede gewesen sei. Diese Angaben werden gestützt durch die Zeugenaussage der neuen Ehefrau des Antragsgegners, die bei einem Gespräch mit der Antragstellerin vor Ausbildungsbeginn zugegen war und bekundet hat, es sei lediglich von der Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin die Rede gewesen. Auch wenn diese Zeugin als im Lager des Antragsgegner stehend anzusehen ist und ihrer Aussage daher nur ein eingeschränkter Beweiswert zukommt, verbleibt es dabei, dass die Antragstellerin für ihre Behauptung, die Ausbildung zur Dolmetscherin sei von Anfang an besprochen gewesen, keinerlei Beweismittel anbieten konnte. Dieser offene Ausgang der Beweisaufnahme muss nach Beweislastregeln zu Ihren Lasten gehen.

2. Dennoch besteht unter bestimmten Voraussetzungen auch dann ein Anspruch auf Weiterbildungsunterhalt, wenn der Entschluss zur zweiten Ausbildung erst nach Beginn der ersten Ausbildung aufgekommen ist, wovon nach Beweislastregeln hier auszugehen ist.

(a) Als wichtigste Fallgruppe in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist hier die Fallgruppe Abitur – Lehre – Studium zu nennen. Auf Grund des vielfach veränderten Verhaltens der Schulabgänger soll in diesem Fall auch ohne vorherige Absprache mit dem Pflichtigen nach Abschluss der Lehre ein Studium zu finanzieren sein, wenn ein fachlicher Zusammenhang zum Lehrabschluss besteht und das Studium der Ausbildung zeitlich ohne Zäsur folgt (BGH FamRZ 1989, 853). Demgegenüber soll dies nicht gelten, wenn das Kind nach dem Schulabschluss zunächst eine Lehre macht, dann das Abitur oder Fachabitur nachholt – sei es durch eine entsprechende Gleichstellung des Ausbildungsabschlusses oder durch zwischenzeitlichen erneuten Schulbesuch – und nachfolgend ein Studium ergreifen will. Hier soll es nach einem Teil der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und des Bundesgerichtshofes dabei verbleiben, dass ein Anspruch auf Unterhalt nur besteht, wenn dieser Ausbildungsweg von Anfang an so mit dem Pflichtigen besprochen worden sei. Zur Begründung hierzu wird angeführt, der Unterhaltspflichtige müsse sich darauf eingestellt machen können, wie lange voraussichtlich die Belastung mit der Unterhaltspflicht andauere. Bei einem Kind, das kein Abitur erreicht hat, sei ein Studium mit geringerer Wahrscheinlichkeit zu erwarten als bei einem Abiturienten. Dieser Sachverhalt rechtfertige die unterschiedliche Behandlung der Fallgruppen (OLG Köln-NJW-FeR 1999, 178; BGH FamRZ 1995, 416; OLG Bamberg FamRZ 1998, 315).

(b) Diese Unterscheidung erscheint aus Sicht des Amtsgerichtes heute nicht mehr gerechtfertigt. Sie führt zu einer ungerechtfertigten Privilegierung von Abiturienten. Von berufstätigen Menschen wird zunehmend die Bereitschaft erwartet, sich ein Leben lang weiterzubilden. Somit muss auch einem Schüler der die Hochschulzugangsberechtigung zunächst nicht erreicht, die Möglichkeit geboten werden, seine Studierfähigkeit und Studierneigung auch zu einem späteren Zeitpunkt unter Beweis zu stellen, ohne dass dies von Anfang an geplant sein muss (MüKo-BGB-Born § 1610 Rn. 263). Verlangt man dagegen eine Verpflichtung zur Absprache vor Ausbildungsbeginn, führt dies auch deswegen zu einer weiteren Privilegierung bildungsnaher Schichten, weil in erster Linie bei diesen zu erwarten ist, dass es zu einer solchen Absprache kommt. Voraussetzung einer solchen Absprache ist nämlich eine umfassende Kenntnis vom Ausbildungsablauf und von sich nach Ende der Ausbildung ergebenden Möglichkeiten. Sie ist dann am ehesten zu erwarten, wenn Unterhaltspflichtiger und Unterhaltsberechtigter vorher gemeinsam Informationsunterlagen über die Ausbildung durchgehen und bei dieser Gelegenheit die mögliche auf der Ausbildung aufbauende Lebensplanung durchsprechen. Fehlt dagegen beim Unterhaltspflichtigen das Interesse hieran oder die Fähigkeit hierzu, erfordert also die Absprache vor Ausbildungsbeginn die Eigeninitiative des Unterhaltsberechtigten, wird es zu einem solchen Gespräch nur kommen, wenn der Berechtigte über das nötige Organisationstalent und die Fähigkeit verfügt, sich Informationen aus dem Internet oder anderen Quellen selbstständig zu verschaffen und darüber hinaus so zukunftsorientiert plant, dass er sich schon vor Ausbildungsbeginn Gedanken über eine mögliche Fortsetzung der Ausbildung nach deren Ende macht. Zudem muss er dann auch noch den Mut aufbringen, gegenüber dem wesentlich älteren Unterhaltspflichtigen als die kompetentere Person aufzutreten, die mehr weiß als er, obwohl des öfteren noch ein Abhängigkeitsverhältnis zu ihm bestehen wird. Das hierfür erforderliche Organisationstalent, die Fähigkeit zur Informationsrecherche sowie das notwendige Selbstbewusstsein wird man leider regelmäßig von einem Haupt- oder Realschulabgänger nicht erwarten können, wenn dies – entsprechend der Rechtsprechung zur Fallgruppe Abitur – Lehre – Studium – nicht einmal von einem Abiturienten erwartet wird und im Übrigen selbst Studierende nach früherer eigener Erfahrung des Gerichtes häufig nur über diejenigen Kenntnisse des Studienganges verfügen, die ihnen auf Informationsveranstaltungen erläutert wurden, während eigene Recherche eher selten betrieben wird. Würde man also die vorherige Absprache mit dem Unterhaltspflichtigen fordern, führt dies dazu, dass nur ein kleiner Teil von Haupt – und Realschulabgängern die Möglichkeit zu Abitur und Studium erhält – und zwar in erster Linie derjenige Teil, bei dem die Eltern selbst studienerfahren und bildungsnah sind, während gerade diejenigen Absolventen, die ohne elterliche Hilfe ihre ganze Energie in den Abschluss des Schulabschlusses investieren mussten und mangels familiärer Erfahrung mit weitergehenden Bildungsabschlüssen sich über mögliche weitere Schritte nach der Lehre – durchaus verständlich – noch gar keine Gedanken gemacht haben, letztlich ohne weitergehende Ausbildung verbleiben werden, da die Möglichkeit der Eigenfinanzierung durch Ansparen auch nur in wenigen Fällen und wenn überhaupt erst zeitlich deutlich später möglich sein wird. Eine solche Folge entspricht aber nicht dem aus dem Sozialstaatsprinzip in Verbindung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Artt. 20 Abs. 1, 3 Abs. 1 GG) folgenden Gebot der Herstellung gleicher Ausbildungschancen, das auch bei der Auslegung zivilrechtlicher Normen zu berücksichtigen ist.

Die entsprechende Rechtsprechung ist auch als durch die gesellschaftliche Entwicklung überholt anzusehen, weil inzwischen erkennbar ist, dass die Bildungspolitik deutlich mehr als früher darauf ausgerichtet ist, Bildungschancen unabhängig vom Bildungsstand der Eltern zu ermöglichen, "Spätzündern" mehr Chancen einzuräumen und jungen Menschen auch den späten Wechsel in einen höheren Bildungsgang zu ermöglichen (vgl. schon zutreffend OLG Hamm NJW-RR 1990, 72 (73), wonach die zunehmende Durchlässigkeit der Bildungsgänge auch den Ausbildungsgang Lehre-Fachoberschule-Studium als üblich erscheinen lässt). Beispielhaft hierfür sei die flächendeckende Einführung der zehnten Klasse an der Förderschule Lernen im Saarland zur Ermöglichung des Hauptschulabschlusses zu nennen ( http://bildungsklick.de/mobil/pm/61348/ueber-200-hauptschulabschluesse-an-den-foerderschulen/ ) oder die beabsichtigte Einführung von Gelenkklassen in der fünften Jahrgangsstufe in Bayern, um auch nach der Schulwahlentscheidung nach Klasse 4 einen Wechsel in einen anderen Bildungsgang zu erleichtern ( http://www.br-online.de/aktuell/bildungspolitik-DID1206634257887/index.xml ). Es liegt auch nahe, dass der Wille zu einer weiteren höheren Ausbildung häufig erst während der Lehre aufkommen wird, weil erst hier die intensive Auseinandersetzung mit der fachlichen Materie stattfindet. Erst durch diese fachliche Auseinandersetzung, und auch durch das Kennenlernen von Menschen mit höherer Ausbildung an anderen Funktionsstellen im Ausbildungsbetrieb, wird vielfach erst das Bewusstsein entstehen, dass sich nach der Lehre noch weitere Möglichkeiten bieten. Dieser Einblick in die Arbeitswelt und die sich daraus ergebenden Varianten weiterer Ausbildung sind der Lehre immanent und der daraus resultierende Wunsch nach weiterer höherer Ausbildung ist auch nicht überraschend. Dass ein Haupt- oder Realschulabsolvent auch durch die Einbindung in die Strukturen des Ausbildungsbetriebes zu weiteren Einsichten kommt und möglicherweise einen Lebensweg beschreiten will, den er vorher nie durchdacht hat, ist ein nachvollziehbarer Schritt der Persönlichkeitsentwicklung, mit dem auch ein verständiger Unterhaltspflichtiger rechnen muss.

22(c) Demnach ist wegen des zeitlich unmittelbaren Anschlusses der Dolmetscherausbildung an die Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin die Durchführung dieser Ausbildung auch dann vom Anspruch auf Ausbildungsunterhalt umfasst, wenn die Ausbildung in die Fallgruppe Lehre – Abitur – Studium einzuordnen wäre. Für eine solche Einordnung spricht, dass auch in diese Fallgruppe solche Ausbildungen fallen, deren Abschluss einem Fachabitur gleichsteht und daher die Aufnahme eines Studiums ermöglichen (z. B. Erzieherausbildung und nachfolgend Studium der Sozialpädagogik), d. h. ein zwischenzeitlicher erneuter Schulbesuch zum Erreichen der Hochschulreife nicht erforderlich ist. Trotz dieser Ähnlichkeit sieht das Gericht den Unterschied zum hiesigen Fall darin liegend, dass die weiterführende Dolmetscherausbildung an der selben nicht-universitären Ausbildungseinrichtung absolviert werden kann, an der die Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin erfolgt. Die Aufnahme der Dolmetscherausbildung nach Abschluss der Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin stellt somit einen noch natürlicheren Fortgang dar, als es im Falle Lehre – damit verbunden Fachabitur – Studium der Fall ist, weil mit der Aufnahme der weiteren Ausbildung hier kein Wechsel der Ausbildungsstelle verbunden ist und im Übrigen die Dolmetscherausbildung ebenfalls eine nicht-akademische Ausbildung darstellt. Die Aufnahme der Dolmetscherausbildung ist nicht deswegen möglich, weil der Abschluss der Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin dem Abitur gleich steht, sondern weil dieser Abschluss – neben dem Abitur – eine selbstständige Voraussetzung für die Aufnahme der Ausbildung zur Dolmetscherin ist. Es handelt sich damit um eine Fallgruppe eigener Art, die im Hinblick auf den schulischen Zusammenhang und die gemeinsame nicht-akademische Struktur der Ausbildung erst recht als ein Ausbildungsgang im Sinne von § 1610 Abs. 2 BGB anzusehen ist. Der Durchgang zwischen den beiden Ausbildungen ist vergleichbar mit der Strukturierung der Bachelor- und Masterstudiengänge. Hier ist auch der Bachelorabschluss Voraussetzungen für die Aufnahme des Masterstudiums – ebenfalls handelt es sich in beiden Fällen um die gleiche, nämlich die akademische, Ausbildungsstruktur. Hier liegt eine einheitliche Ausbildung vor und der Masterabschluss ist als unterhaltsrechtliches Ende der Ausbildung anzusehen (Wendl/Staudigl-Scholz § 2 Rn. 68). Nicht überzeugend dagegen ist es, selbst hier eine Einbeziehung des Masterstudiums davon abhängig machen zu wollen, dass eine Tätigkeit im wissenschaftlichen Bereich angestrebt wird (so Strohal FPR 2008, 331 (333)), weil typischerweise damit gerechnet werden muss, dass ein Bachelor-Student – auch ohne vorherige Planung – auf sein Studium einen Masterstudiengang aufbaut.

3. Der Unterhaltsanspruch besteht auch trotz der Überschreitung der Regelausbildungszeit zur Fremdsprachenkorrespondentin um ein Jahr. Die Antragstellerin kann nicht als für den Dolmetscherberuf ungeeignet angesehen werden, weil sie zu Beginn der Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin Schwierigkeiten hatte. Für die Eignung ist der Zeitpunkt der Aufnahme der weiteren Ausbildung maßgebend. Angesichts des Abschlusses der Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin mit der Note "gut" kann von einer Eignung ausgegangen werden, das erfolgreiche Bestehen des ersten Ausbildungsjahres der Dolmetscherausbildung bestätigt diese Eignung. Allerdings wird auch im Falle der Eignung Unterhalt nur für die übliche Ausbildungsdauer geschuldet. Hierbei wird man nicht nur auf die aktuelle Dolmetscherausbildung abstellen können, sondern die vorhergehende Ausbildung mit einbeziehen müssen, weil es sich – wie dargelegt – letztlich um eine Ausbildung im unterhaltsrechtlichen Sinne handelt. Da die Ausbildung zur Dolmetscherin 3 Jahre beträgt und die zur Fremdsprachenkorrespondentin ebenfalls üblicherweise 3 Jahre, ist die übliche Ausbildungsdauer auf 6 Jahre anzusetzen. Bei der Dolmetscherausbildung kann auch im Fall der vorherigen Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin nicht von 2 Jahren Regelausbildungszeit ausgegangen werden, weil im Falle von Vorkenntnissen die verkürzte Ausbildung zwar möglich ist, jedoch dennoch nicht den ausbildungsrechtlichen Regelfall darstellt. Gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 der Schulordnung für die Fachakademien für Fremdsprachenberufe in Bayern (FAK-O Sprachen) beträgt die Ausbildungsdauer zwingend 3 Jahre. Die Verkürzung auf 2 Jahre kann dadurch erreicht werden, dass eine Aufnahme in das zweite oder dritte Ausbildungsjahr möglich ist, wobei eine Aufnahme im Ermessen der jeweiligen Fachakademie liegt und diese Aufnahme von einer Prüfung abhängig gemacht werden kann (§ 4 Abs. 2 FAK-O Sprachen). Der Homepage der von Antragstellerin besuchten IFA Erlangen ist zu entnehmen, dass eine Aufnahme in das 2. Ausbildungsjahr auch im Fall einer vorher absolvierten Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin nur in besonderen Fällen nach Einstufungsprüfung erfolgt ( http://www.ifa.uni-erlangen.de/ueber-das-ifa/fachakademie/ ).

Durch die Verzögerungen während des ersten Jahres der Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin wird die Antragstellerin bis zum Dolmetscherabschluss voraussichtlich insgesamt 7 Jahre statt 6 Jahre benötigen. Diese Verzögerung ist noch hinnehmbar. Ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt besteht bei einem Studenten erst dann nicht mehr, wenn der Student nachhaltig seine Obliegenheit verletzt, der Ausbildung pflichtbewusst und zielstrebig nachzugehen (BGH FamRZ 1987, 470). 1-2 Semester Verzögerung wird man im Allgemeinen hinzunehmen haben (Wendl/Staudigl §2 Rn. 68 b). Orientierungsschwierigkeiten zu Beginn eines Studiums sowie die Umstellung auf eine Art des Lernens, die anders als das schulische Lernen weniger von einer von außen gesetzten Pflicht getragen ist, führen in der Praxis häufig zu nachvollziehbaren Anfangsproblemen, die nicht als nachhaltige Obliegenheitsverletzung angesehen werden können. Billigt man schon einem Studenten, der – soweit er die Studienzugangsberechtigung über die gymnasiale Oberstufe erworben hat – bereits bei Studienbeginn mit einem Kurssystem vertraut ist und die letzten Jahre seiner schulischen Ausbildung außerhalb bestehender Schulpflicht absolviert hat, 1-2 Semester Verzögerung zu, so muss dies bei Aufnahme einer Ausbildung direkt nach dem Realschulabschluss – und damit aus dem Zustand der Schulpflicht heraus – erst recht gelten.

4. Da kein Betreuungsunterhalt geleistet wird, haften beide Elternteile nach Quoten (§ 1606 Abs. 3 S. 1 BGB). Ist es dabei so, dass der nicht beklagte Elternteil Einkünfte erzielt, muss das klagende Kind deren Höhe angeben und bei Bestreiten unter Beweis stellen (Wendl/Staudigl § 2 Rn. 451). Bleiben Unklarheiten hinsichtlich der Höhe des Einkommens des anderen Elternteils, geht dies zu Lasten des Unterhaltsberechtigten, hat aber nicht zur Folge, dass die Klage wegen Fehlens einer "unabdingbaren Voraussetzung für eine Gerichtsentscheidung" abzuweisen wäre. Vielmehr ist bei widerstreitendem Sachvortrag das höhere Einkommen des anderen Elternteils anzusetzen, lediglich wenn entsprechender Vortrag gänzlich fehlt, ist zu Lasten des Unterhaltsberechtigten von einer vollen Leistungsfähigkeit allein des anderen Elternteils auszugehen. Seitens der Antragstellerin ist jedoch vorgetragen und durch eidesstattliche Versicherung der Mutter unter Beweis gestellt, dass diese aus abhängiger Beschäftigung 1900 Euro brutto verdient sowie zusätzlich 500 Euro brutto aus freiberuflicher Tätigkeit. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners ist auch die Lohnsteuerklasse nachgewiesen durch Vorlage der Gehaltsabrechnung von Oktober 2008, woraus sich die Lohnsteuerklasse 1 ergibt sowie ein Nettoverdienst aus der abhängigen Beschäftigung von 1271,46 Euro. Mangels weiteren Nachweises steuerlicher Abzüge muss davon ausgegangen werden, dass der Beklagten von den zusätzlichen 500 Euro aus selbstständiger Beschäftigung 400 Euro verbleiben, mithin ist von einem Monatsnettoeinkommen in Höhe von 1671,46 Euro auszugehen. Soweit der Antragsgegner nunmehr nach der mündlichen Verhandlung schriftsätzlich vorträgt, die Mutter der Klägerin verdiene durch eine weitere Vollzeitbeschäftigung wenigstens ebenfalls 1.000 Euro netto und hierfür eine namentlich benannte Person als Beweis benennt, kann er hiermit nicht gehört werden. Gemäß § 620 a Abs. 2 S. 3 ZPO genügt im Verfahren der einstweiligen Anordnung die Glaubhaftmachung von Tatsachen. Gemäß § 294 ZPO ist die Versicherung an Eides Statt zur Glaubhaftmachung ausreichend, im Übrigen ist eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, unstatthaft. Eine Glaubhaftmachung der behaupteten weiteren Beschäftigung der Mutter der Antragstellerin ist nichterfolgt, da eine eidesstattliche Versicherung oder schriftliche Zeugenaussage der als Beweismittel angegebenen Person nicht beigegeben ist. Zudem erscheint es auch wenig glaubhaft, dass die Mutter noch einer weiteren Vollzeitbeschäftigung nachgehen soll, da glaubhaft gemacht ist, dass sie bereits 30 Stunden pro Woche im Angestelltenverhältnis arbeitet und darüber hinaus noch einer selbstständigen Tätigkeit nachgeht. Zeit für eine weitere Vollzeitbeschäftigung dürfte kaum bestehen. Bei einem glaubhaft gemachten Monatsnettoeinkommen der Mutter von 1671,46 Euro und einem Selbstbehalt von 1100 Euro besteht Leistungsfähigkeit in Höhe von 571,46 Euro.

Nach dem Vortrag des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung erzielt er nach Abzug von Vorsorgeaufwendungen und Werbungskosten monatlich 4500 Euro als selbstständiger Kinder- und Jugendarzt unter Abzug von 272 Euro für eine Lebensversicherung. Es verbleiben damit 4228 Euro. Nicht berücksichtigt werden kann die behauptete Rückzahlung eines Ausbildungsdarlehens an die Schwester des Antragsgegners. Grundsätzlich ist der Abzug von Schulden auch beim Kindesunterhalt zulässig und es ist im Einzelfall nach einer Interessenabwägung zu entscheiden, ob Schulden berücksichtigt werden oder nicht (BGH NJW-RR 1996, 321 (323)). Allein dass es sich um innerfamiliäre Schulden handelt, führt für sich genommen nicht zur Nichtberücksichtigung. Für eine Berücksichtigung spricht auch, dass das Darlehen vor Kenntnis der hiesigen Unterhaltsverpflichtung aufgenommen worden ist und der Berufsausbildung des Antragsgegners und nicht etwa luxuriösen Zwecken diente. Der Vortrag zur Höhe der Tilgungsraten ist jedoch bislang widersprüchlich. In der mündlichen Verhandlung gab der Antragsgegner an, er zahle monatlich 1000 Euro an seine Schwester zurück. Nach nunmehr vorgelegter schriftlicher Vertragsurkunde datiert das zinslose Darlehen vom 14.09.1986 und lautet über 230.000 DM. Zur Rückzahlungsverpflichtung ist geregelt, dass diese erfolgen soll, sobald der finanzielle Status die Rückzahlung ermöglicht oder sobald seine Schwester das Geld benötigt und um unverzügliche Rückzahlung bittet. Mit Email vom 18.12.2008 forderte die Darlehensgeberin den Antragsgegner auf, im Hinblick auf die Wirtschaftskrise in den USA und eine hieraus folgende Einkommenslosigkeit dringend 5.000$ zu bezahlen und sodann mindestens 2.000$ monatlich. Die Email vom 18.12.2008, mit der neben einem Monatsbetrag auch ein Startbetrag von 5.000$ gefordert wird, steht im Widerspruch zu den Angaben des Antragsgegners in der Verhandlung, er zahle bereits 1.000 Euro monatlich. Ebenfalls hat der Antragsgegner nicht nachgewiesen, dass Zahlungen auf das Darlehen tatsächlich erbracht werden und in welcher Höhe. Sollte es sich letztlich im weiteren Verfahren so darstellen, dass das Darlehen aus dem Jahr 1986 tatsächlich jetzt erstmals ratenweise zurück verlangt wird, dürften die Tilgungsraten jedenfalls nicht in voller Höhe zu berücksichtigen sein. Der Antragsgegner war nämlich nach Darlehensvertrag zur Rückzahlung verpflichtet, sobald er ausreichend Einkommen erzielt. Da der Antragsgegner bereits seit einiger Zeit als niedergelassener Kinder- und Jugendarzt praktiziert, dürfte diese Bedingung der Rückforderung nicht erst jetzt eingetreten sein. Dies könnte dafür sprechen, die Tilgungssumme auf einen entsprechend längeren Zeitraum seit Abschluss der Ausbildung des Antragsgegners und Aufbau dessen wirtschaftlicher Existenz umzulegen.

Von den verbleibenden 4228 Euro sind weiter abzuziehen Kindesunterhalt eines vorrangigen Kindes in Höhe von 358 Euro sowie 800 Euro Familienunterhalt für den mit dem Beklagten zusammen lebenden nicht erwerbstätigen Ehegatten. Es verbleiben 3070 Euro, mithin bei einem Selbstbehalt von 1100 Euro stehen 1970 Euro für weitere Unterhaltszahlungen zur Verfügung. Daraus ergibt sich eine Haftungsquote des Beklagten von 77,5% von 640 Euro Ausbildungsunterhalt gemäß Düsseldorfer Tabelle, also 496 Euro.

An dieser Haftungsquote ändert sich auch für das Jahr 2009 nichts. Zwar ist seitens der Antragstellerin vorgetragen, die freiberufliche Tätigkeit der Mutter der Antragstellerin ende mit dem Jahr 2008, aus deren an Eides Statt versicherter schriftlichen Zeugenaussage ergibt sich dies jedoch nicht.

5. Letztlich erweist sich die Zahlung des Ausbildungsunterhaltes auch als zumutbar für den Antragsgegner. Dieses weitere Anspruchskriterium folgt aus § 1618 a BGB, wonach das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern von gegenseitiger Rücksichtnahme geprägt ist. Hieraus folgt, dass im Falle wirtschaftlich beengter Verhältnisse der Eltern sich Ausbildungsinhalt und Ausbildungsdauer nicht allein nach den Neigungen und Fähigkeiten des Unterhaltsberechtigten richten dürfen (Wendl/Staudigl-Scholz § 10 Rn. 61). Gerade wenn die Voraussetzungen für das Vorliegen einer einheitlichen Ausbildung weit gefasst werden, bedarf es dieses einschränkenden Kriteriums, um den Unterhaltspflichtigen vor einer wirtschaftlich unzumutbaren Inanspruchnahme zu schützen. Kriterien für die Frage der Unzumutbarkeit sind das Alter des Kindes und der Eltern, die wirtschaftliche Position der Eltern und insbesondere bei Absolvierung mehrerer Ausbildungsabschnitte, ob die Eltern im Hinblick auf ein erwartetes früheres Ende der Ausbildung wirtschaftliche Dispositionen getroffen haben, die nur unter finanziellen Einbußen rückgängig gemacht werden können (Mü-Ko-BGB-Born § 1610 Rn. 57). Bei diesem Kriterium handelt es sich um ein am Schluss der Prüfung stehendes Kriterium, das erst nach Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern zum Tragen kommen kann. Auch wenn für sich genommen die Aufnahme eines weiteren Ausbildungsabschnittes oder eine Verzögerung im Ausbildungsablauf noch nicht zum Wegfall des Unterhaltsanspruches führt, kann sich dennoch ergeben, dass im Rahmen der umfassenden Zumutbarkeitsprüfung festzustellen ist, dass im konkreten Einzelfall die Geltendmachung von Ausbildungsunterhalt nicht dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme entspricht. Hier erscheint die Gewährung von Ausbildungsunterhalt jedoch auch in der Gesamtschau zumutbar. Bei lediglich 650 Euro Gesamtausbildungsunterhalt steht eine Verteilungsmasse von 1970 Euro zur Verfügung, der Antragsgegner hat als in freier Praxis niedergelassener Arzt auch in Zukunft gesicherte Einnahmen zu erwarten, die Antragstellerin ist 22 Jahre alt und befindet sich damit in einem Alter, in dem üblicherweise noch mit finanzieller Belastung aus Ausbildungsgründen zu rechnen ist. Gemessen an der Verteilungsmasse und der zu erwartenden gesicherten finanziellen Lage des Antragsgegners auch in näherer Zukunft stellt die Verpflichtung zur Zahlung des Ausbildungsunterhaltes an die Antragsgegnerin keine unzumutbare finanzielle Beeinträchtigung dar.

IV.

Eine Kostenentscheidung war in diesem Beschluss nicht veranlasst. Diese bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Der Streitwert folgt aus dem sechsfachen geltend gemachten Monatsbetrag.