FG München, Urteil vom 27.11.2008 - 14 K 3842/07
Fundstelle
openJur 2012, 96631
  • Rkr:
Tatbestand

I. Bei der Klägerin zu 1) (nachfolgend: Klägerin) handelt es sich um eine mit Vertrag vom 4. November 2002 gegründete GmbH, Geschäftsführer ist der Kläger zu 2) (nachfolgend: Kläger). Unternehmensgegenstand ist die Vermarktung von Datenträgern, datenträgerbasierenden Systemen, Etablierung von Kommunikationssystemen wie z. B. medizinischen Internetportalen sowie Aufbau und Vermarktung von Hard- und Softwaresystemen im Bereich des Gesundheitswesens. Der Sitz der GmbH befand sich zunächst in M und wurde am 1. Dezember 2006 nach I verlegt.

Für das Jahr 2005 wurde am 7. August 2006 eine Umsatzsteuererklärung beim damals zuständigen Finanzamt M eingereicht (Bl. 7 FA-Akte). Die selbst errechnete Umsatzsteuer belief sich auf einen Negativbetrag von 11.134 €. Nachdem keine Bilanz vorgelegt wurde, wurde die Umsatzsteuererklärung nicht zum Soll gestellt. Am 31. Oktober 2006 reichte die Klägerin eine berichtigte Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2005 ein und errechnete darin eine Umsatzsteuerzahllast von 220.866 € (Bl. 10 ff FA-Akte).

Laut den – jeweils nach vorhergegangenen Schätzungen – ursprünglich beim Finanzamt München für Körperschaften eingereichten Voranmeldungen I – IV/2006 erzielte die Klägerin im Jahr 2006 Umsätze von insgesamt 2.258.230 € und machte Vorsteuern in Höhe von 380.000 € geltend. Am 26. Oktober 2006 reichte die Klägerin berichtigte Umsatzsteuervoranmeldungen I – III/2006 und am 2. Juli 2007 eine geänderte Umsatzsteuervoranmeldung für den Zeitraum IV/2006 ein. Insgesamt ergab sich eine Zahllast von 361.316,80 €. Eine Jahreserklärung wurde nicht abgegeben.

Am 5. Oktober 2006 begann das FA mit der Durchführung einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung für den Voranmeldungszeitraum I – II/2006.  

Mit Schreiben vom 12. August 2007 legte die Klägerin Einspruch gegen die Umsatzsteuerfestsetzung der Veranlagungszeiträume 2005 und 2006 ein. Als Begründung führte sie an, die Bescheide seien nichtig, weil sie sich auf das Umsatzsteuergesetz 1999 als Ermächtigungsgrundlage stützten. Diese Ermächtigungsgrundlage sei jedoch ebenso wie das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz vom 19. Dezember 2001 nichtig, weil sie gegen den Verfassungsgrundsatz des Zitiergebotes i. S. d. Art. 20 Abs. 3, Art. 19 Abs. 1 S. 2 und Abs. 4 Grundgesetz (GG) verstoßen würden.

Mit Schreiben vom 12. August 2007 (eingegangen beim Finanzgericht München am 14. August 2007) erhob die Klägerin Klage mit dem Antrag, die Nichtigkeit der Umsatzsteuerbescheide der Jahre 2005 und 2006 festzustellen. Die Geschäftstelle des FG München teilte der E am 6. September 2007 das Aktenzeichen mit, unter dem die Klage geführt wird. Mit Schreiben vom 1. November 2007 teilte der Kläger unter diesem Aktenzeichen mit, dass sich die Klage auch auf die Feststellung der Nichtigkeit der Umsatzsteuerbescheide der Firma G richte. Bei dieser handle es sich um die Klägerin zu 2).

Am 29. August 2007 reichte die Klägerin nochmals geänderte Umsatzsteuervoranmeldungen I – IV/2006 ein. Für die Quartale I – III/2006 ergab sich eine noch nicht zum Soll gestellte Zahllast von 0 €, für das Quartal IV/2006 ergibt sich eine Zahllast von 612.800 €.

Nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 6. September 2007 auf eine mögliche Verfristung ihres Einspruchs durch das Finanzamt hingewiesen worden war, wurde der Einspruch mit Entscheidung vom 17. Oktober 2007 als unzulässig verworfen (Bl. 7 ff FG-Akte).

Am 6. November 2007 erhoben die Kläger Klage wegen „Nichtigkeit einer Einspruchsentscheidung sowie Unzulässigkeit von Vollstreckungsmaßnahmen“. In der Klageschrift wurde mitgeteilt, dass zurzeit mehrere rechtliche Auseinandersetzungen vor dem Finanzgericht, unter anderem unter dem Aktenzeichen 14 K 3117/07 geführt würden (vgl. Bl. 2 FG-Akte).

Die am 6. November 2007 erhobene Klage richte sich dagegen, dass das FA den Einspruch angesichts der Tragweite der Verfassungswidrigkeit der bisherigen Bescheide das FA zu Unrecht als unzulässig verworfen habe. Die Methode des FA, sollstandserhöhende Korrekturbuchungen sofort zu berücksichtigen, gleichzeitig jedoch sollstandsverringernde Buchungen beharrlich zu verweigern würde im normalen Geschäftsleben eine umgehende Anzeige bei der Staatsanwaltschaft wegen versuchten Betrugs auslösen. Die Vollstreckungsmaßnahmen des FA beruhten auf reinen Luftbuchungen.

Nachdem die im Jahr 2001 eingeführte Vorschrift des § 27 b UStG das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung im Sinne von Art. 13 GG einschränke und der Gesetzgeber es versäumt habe, auf diesen Grundrechtseingriff entsprechend Art. 19 Abs. 2 GG hinzuweisen, ergebe sich die Nichtigkeit des gesamten Umsatzsteuergesetzes 1999.

Während des finanzgerichtlichen Verfahrens erließ das FA am 14. Juli 2008 einen Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2006.

Die Kläger beantragen sinngemäß, die Einspruchsentscheidung vom 17. Oktober 2007 aufzuheben, die Nichtigkeit der Umsatzsteuerbescheide 2003, 2004 und 2005, sowie den Umsatzsteuerbescheid 2006 vom 14. Juli 2008 und die Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide 2007, die Nichtigkeit des Betriebsprüfungsberichts vom 12. März 2003, des Antrags auf Insolvenzeröffnung vom 4. Juli 2007 festzustellen, alle Handlungen des FA für nichtig zu erklären, Vollstreckungsmaßnahmen zu unterlassen, sowie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.

Es verweist im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt es vor, dass das Amtsgericht W die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin am 21. Februar 2008 mangels Masse abgelehnt habe. Der Kläger sei ab April 2008 zum Liquidator über das Vermögen der Klägerin bestellt worden. Ein Antrag auf Rücknahme des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei beim Finanzgericht München unter dem Aktenzeichen xxx mit Beschluss vom 6. Dezember 2007 zurückgewiesen worden, da keine Ermessensfehler des FA festgestellt hätten werden können.

Die Festsetzung der Umsatzsteuer der Klägerin für die Jahre 2003 und 2004 beruhten auf Schätzungsbescheiden vom 2. Januar 2006 für das Jahr 2003 und vom 11. April 2006 für das Jahr 2004, Einspruch sei dagegen nicht eingelegt worden. Die Umsatzsteuervorauszahlungen 2007 wurden in Höhe von 0 € festgesetzt, ein Jahressteuerbescheid 2007 sei noch nicht ergangen.

Entsprechend der im Rahmen der Umsatzsteuerprüfung getroffenen Erkenntnisse sei die Umsatzsteuer 2006 für die Klägerin mit Bescheid vom 14. Juli 2008 mit 612.800 € festgesetzt worden. Der dagegen gerichtete Einspruch habe nur teilweise Erfolg gehabt (vgl. Entscheidung vom 12. November 2008). Die Umsatzsteuer sei auf 255.033,94 € festgesetzt worden und der Einspruch im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen worden. Dieser Bescheid könne jedoch nicht Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten sowie auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO -)

Gründe

II. Die Klage hat keinen Erfolg.

I. Klägerin

1. Die Klage der Klägerin gegen den Umsatzsteuerbescheid 2005 vom 31. Oktober 2006, die Umsatzsteuervoranmeldung I – III /2006 vom 16. Oktober 2006 sowie die Umsatzsteuervoranmeldung IV/2006 vom 21. Juni 2007 in Gestalt der Umsatzsteuervoranmeldung vom 29. August 2007 ist unbegründet. Soweit das FA einen Umsatzsteuerbescheid für 2006 erlassen hat, ist dieser Bescheid nicht Gegenstand des Verfahrens geworden, weil die Klägerin mit der vorliegenden Klage lediglich die isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung begehrt (vgl. § 68 FGO).

Das FA hat den Einspruch der Klägerin vom 12. August 2007 zu Recht wegen Fristüberschreitung als unzulässig verworfen.

Gemäß § 355 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung 1977 (AO) ist der Einspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes einzulegen. Eine Steueranmeldung steht gemäß § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Ein Einspruch gegen eine Steueranmeldung ist gemäß § 355 Abs. 1 Satz 2 AO innerhalb eines Monats nach Eingang der Steueranmeldung beim FA einzulegen.

Die Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2005 ging am 31. Oktober 2006 beim FA ein. Gemäß § 168 Satz 1 AO i. V. m. § 355 Abs. 1 Satz 2 AO lief die Rechtsbehelfsfrist bereits mit Ablauf des 6. November 2006 ab.

Die Umsatzsteuervoranmeldungen I – II /2006 gingen am 26. Oktober 2006 beim FA ein. Gemäß § 168 Satz 1 AO i. V. m. § 355 Abs. 1 Satz 2 AO lief die Rechtsbehelfsfrist mit Ablauf des 27. November 2006 ab, weil der 26. November 2006 ein Sonntag war (§ 108 Abs. 1 und Abs. 3 AO i. V. m. § 188 Abs. 2 und § 193 BGB). Die Umsatzsteuervoranmeldung IV/2006 ging am 2. Juli 2007 beim FA ein. Gemäß § 168 Satz 1 AO i. V. m. § 355 Abs. 1 Satz 2 AO lief die Rechtsbehelfsfrist mit Ablauf des 2. August 2007 ab.

Die Klägerin hat den Einspruch erst am 12. August 2007 und damit nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist eingelegt. Auch hat das Finanzamt zutreffend festgestellt, dass eine Wiedereinsetzung wegen Versäumnis der Frist nach § 110 Abs. 3 AO nicht in Betracht kommt, da keine Wiedereinsetzungsgründe vorgetragen wurden. Insbesondere stellt die behauptete Nichtigkeit der Umsatzsteuerbescheide keinen Wiedereinsetzungsgrund dar.

282. Soweit die Klägerin die Feststellung der Nichtigkeit aller gegen sie gerichteten Umsatzsteuerbescheide sowie des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens begehrt, ist die Klage wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig.

Bereits mit Schriftsatz vom 12. August 2007 erhob die Klägerin Klage mit dem Antrag, die Nichtigkeit der Umsatzsteuerbescheide der Jahre 2005 und 2006 sowie von Vollstreckungsmaßnahmen festzustellen. Mit der Klageschrift vom 6. November 2007 verfolgt die Klägerin dasselbe Ziel.

30Die Rechtshängigkeit der Streitsache 14 K 3117/07 löst eine Sperrwirkung aus. Eine Klage mit demselben Streitgegenstand gegen das gleiche Finanzamt ist bei jedem anderen Gericht und bei demselben Gericht unzulässig (§§ 70, 155 FGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes -GVG-). Dem Interesse der Kläger an effektiven Rechtsschutz wird durch eine Entscheidung im diesem Verfahren entsprochen.

Eine Verbindung beider Verfahren kommt nicht in Betracht (vgl.  Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH  - vom 26. Mai 2006 IV B 151/05, BFH/NV 2006, 2086). Zum Einen sind die Parteien nicht identisch, da im Rechtstreit yyy noch die Firma G als Klägerin zu 2) beteiligt ist. Darüber hinaus wurde für diesen Rechtstreit ein Prozessbevollmächtigter benannt, nicht jedoch im hier zu entscheidenden Verfahren.

II. Kläger

Die Klage des Klägers ist unzulässig, weil die hierfür erforderlichen allgemeinen Sachentscheidungsvoraussetzungen nicht vorliegen. Er hat nicht schlüssig dargelegt, dass ihn die Steuerbescheide und Vollstreckungsmaßnahmen, die gegenüber der Klägerin ergangen sind, in seiner Rechtsstellung gefährden und er daher eigene Rechte verfolgt (§ 40 Abs. 2 FGO). Die erforderliche Klagebefugnis ist somit nicht gegeben.

III. Kosten

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.