AG Nördlingen, Urteil vom 19.11.2008 - 3 C 350/08
Fundstelle
openJur 2012, 96554
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 143,21 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 5.10.2007 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 15 %, die Beklagte 85%.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.

Tatbestand

(entfällt gemäß § 313a ZPO)

Gründe

I. Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung restlicher Mietwagenkosten gemäß § 823 Abs. 1 BGB, §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 18 Abs. 1, 3 StVG, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 4 VVG i.V.m. PflVG (entspricht § 3 PflVG a.F.) aus abgetretenem Recht gemäß § 398 BGB.

2. Der Umfang der Schadenersatzpflicht richtet sich nach §§ 249 ff. BGB. Gemäß § 249 Satz 1 BGB hat der Schädiger den Zustand herzustellen, der bestanden haben würde, wenn der Unfall nicht geschehen wäre. Hierzu gehören grundsätzlich auch Mietwagenkosten. Nach der herrschenden Rechtsprechung kann der Geschädigte vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer nur Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 21.11.2007, Az. XII ZR 15/06, zitiert nach juris). Der dem Geschädigten in der Regel und damit der Klägerin zu erstattende Normaltarif ist fiktiv zu ermitteln und kann vom Gericht gemäß § 287 ZPO geschätzt werden.

53. In diesem Zusammenhang stellt das Gericht auf das gewichtete Mittel (sog. Modus) der Schwacke-Liste 2007 als Schätzungsgrundlage ab. Dem Antrag der Beklagten auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Ermittlung eines von der Schwacke-Liste abweichenden Normaltarifes musste das Gericht nicht entsprechen. Im Rahmen von § 287 ZPO steht die Beweisaufnahme im Ermessen des Gerichts. Die von der Beklagten vorgebrachten Bedenken gegen die Eignung dieser Liste als Schätzungsgrundlage greifen nicht durch (vgl. dazu insgesamt LG Bielefeld, Urteil vom 12.9.2007, Az. 21 S 147/07; zitiert nach juris).

Derartige Bedenken ergeben sich zunächst nicht aus der angewandten Erhebungsmethode. Die von der Fa. Schwacke erstellte Mietpreisliste 2003 war vom Bundesgerichtshof ausdrücklich als zulässige Schätzungsgrundlage im Rahmen von § 287 ZPO anerkannt worden (vgl. u.a. BGH, NJW 2007, 1449; NJW 2007, 1124; NJW 2006, 2693). Es ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass sich die zur Erstellung der Schwacke-Liste 2007 angewandte Erhebungsmethode von der bei der Erstellung früherer Mietpreisspiegel angewandten Methode wesentlich unterscheidet.

Das Gericht vermag auch alleine daraus, dass der Index der Verbraucherpreise im fraglichen Zeitraum eine geringere Steigung aufwies als einige der von der Fa. Schwacke ermittelten Preise, keine durchgreifenden Bedenken gegen die Eignung des Mietpreisspiegels 2007 als Schätzungsgrundlage herzuleiten. Allein dieser Umstand lässt nicht darauf schließen, dass bei der Erhebung seitens der befragten Autovermieter unzutreffende Preise genannt worden sind. Die Beklagte hat auch nicht konkret dargelegt, dass die Schwacke-Liste 2007 die Tarifstruktur im Postleitzahlbereich 866xx tatsächlich unzutreffend wiedergibt. Es ist insoweit nicht ersichtlich, dass im Unfallzeitraum im Postleitzahlgebiet des Wohnorts des Unfallgeschädigten tatsächlich insgesamt eine günstigere Tarifstruktur gegeben war als in der Schwacke-Liste.

Die Eignung des Schwacke-Mietpreisspiegels 2007 ist auch nicht deshalb in Zweifel zu ziehen, weil dieser sog. Internet-Tarife überregionaler Mietwagenunternehmen nicht berücksichtigt. Da deren Zugänglichkeit zwangsläufig die Verfügungsmöglichkeit über einen Internet-Anschluss voraussetzt, handelt es sich nicht um allgemein zugängliche Angebote, die bei der Ermittlung des zugänglichen Normaltarifs zu berücksichtigen wären, da viele Haushalte auch heutzutage nicht über einen Internetanschluss verfügen.

Bei dieser Sachlage ist mit den Schwacke-Listen eine geeignete Grundlage zur Schadensschätzung gegeben und somit die im Ermessen des Gerichts stehende Einholung des von der Beklagten beantragten Sachverständigengutachtens zur Ermittlung des Normaltarifs nicht veranlasst.

Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass von einem Sachverständigen anzuwendende Erhebungsmethoden den der Schwacke-Liste zugrundeliegenden überlegen wären. Einem gerichtlich bestellten Sachverständigen stünden keine Erkenntnismöglichkeiten offen, die eine bessere und realistischere Ermittlung der Mietwagenkosten zum Unfallzeitpunkt erwarten ließen. Die Ermittlung von Mietpreisen für einen vergangenen Zeitraum könnte ebenfalls nur durch eine Markterhebung in Form einer Befragung der im einschlägigen Postleitzahlenbereich ansässigen Mietwagenunternehmer erfolgen. Damit wären jedoch dieselben Fehlerquellen und Manipulationsmöglichkeiten eröffnet, aus denen die Beklagte Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der Schwacke-Liste herleitet (so zutreffend auch LG Bielefeld, a.a.O.).

Soweit sich die Beklagte auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11.3.2008 (Az. VI ZR 164/07) beruft, so rechtfertigt dies ebenfalls keine andere Beurteilung und führt insbesondere nicht zur Notwendigkeit einer Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens im Rahmen von § 287 ZPO. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Urteil lediglich betont, dass sich der Tatsachenrichter im Rahmen von § 287 ZPO selbstverständlich nicht auf falsche bzw. offenbar unrichtige Erwägungen stützen darf. Weiterhin hat der Bundesgerichtshof jedoch festgestellt, dass der Tatrichter nicht gehalten ist, lediglich allgemein gehaltenen Angriffen gegen eine Schätzgrundlage nachzugehen. Die Einwendungen der Beklagten sind ihrer Natur nach allgemein und nicht geeignet, die vermeintliche Unrichtigkeit der Schwacke-Liste für den konkreten Fall zu belegen. In diesem Zusammenhang sind auch die von der Beklagten angeführten weiteren Gutachten zu beurteilen: die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sich daraus etwa für das konkret streitgegenständliche Postleitzahlgebiet 866xx ein anderer Normaltarif ergäbe.

Unter Berücksichtigung der Mietwagengruppe 7 und des für den Wohnort des Geschädigten maßgeblichen Postleitzahlenbereich 866xx ergibt sich danach unter Zugrundelegung der Schwacke-Liste 2007 folgende Abrechnung:

4 x 1-Tagespauschale: 120,45 Euro x 4 =481,80 Euro

Allerdings muss sich der Geschädigte einen Abzug pauschaler Eigenaufwendungen in Höhe von gemäß § 287 ZPO nach ständiger Rechtsprechung des Gerichts geschätzten 3 % anrechnen lassen, so dass ihm nur noch ein restlicher Anspruch in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe zusteht, der sich wie folgt ergibt:

481,80 Euro - 3 % (14,45 Euro) =467,35 EuroWeiterhin erstattungsfähig sind, wiederum unter Zugrundelegung der Schwacke-Liste 2007, folgendeNebenkosten:

 Haftungsbefreiung:         4 x 1-Tagespauschale 4 x 27,94 Euro Gesamt: 111,76 EuroDie Mietwagenkosten, die der Geschädigte insgesamt ersetzt verlangen kann, belaufen sich demnach auf579,11 Euro.Darauf hat die Beklagte unstreitig einen Betrag in Höhe von 435,90 Euro bezahlt, so dass sich als Differenz der ausgeurteilte Betrag ergibt. Eine Herabgruppierung in Gruppe 6 musste das Gericht nicht vornehmen, da seit der Erstzulassung des Fahrzeugs des Geschädigten im Unfallzeitpunkt am 18.6.2007 noch keine fünf Jahre vergangen waren.

4. Soweit die Klägerin einen darüber hinausgehenden Betrag begehrte, war die Klage abzuweisen. Die Klägerin hat nicht substantiiert behauptet, dass dem Geschädigten kein Normaltarif zugänglich war.

5. Der Zinsausspruch ergibt sich aus §§ 286, 288, 247 BGB.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 ZPO.

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Beschluss:Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 166,35 Euro festgesetzt.

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