OLG Nürnberg, Beschluss vom 18.11.2008 - 1 Ws 313/08 BSch
Fundstelle
openJur 2012, 96543
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Regensburg vom 10.03.2008 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben

a) soweit von der Verurteilung wegen weiterer tateinheitlich begangener Ordnungswidrigkeiten des Verstoßes gegen die Genehmigungspflicht gemäß § 3 Abs. 1 BaySchO und des Verbots einer anderen zugelassenen Nutzung als der nach §§ 3 ff. Naturschutzgebietsverordnung "Weltenburger Enge" abgesehen wurde;

b) im Rechtsfolgenausspruch.

II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens – an das Amtsgericht Regensburg zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Regensburg hat den Betroffenen am 10.03.2008 wegen zweier vorsätzlicher Ordnungswidrigkeiten der Inbetriebnahme von Mietfahrzeugen ohne Zulassung zu Geldbußen von 350 Euro und 500 Euro verurteilt. Danach hat die Firma T GmbH, deren Geschäftsführer der Betroffene ist, am 27.05.2007 und 01.06.2007 jeweils im Anschluss an eine Floßfahrt mit einem Teil der Fahrgäste noch eine Bootsfahrt mit drei bzw. zwölf Schlauchbooten von Weltenburg/Stausacker nach Kelheim durchgeführt. Die Schlauchboote hat jeweils die Firma an der Donau bei Stausacker bereitgestellt und größtenteils jeweils mit einem Führer der Firma T GmbH besetzt, unter anderem einmal auch mit dem Betroffenen. Dieser wusste, dass es sich bei den Schlauchbooten um Mietfahrzeuge handelte, für die eine Zulassung erforderlich ist, verfügte über eine solche aber nicht.

Das Gericht hat der Verurteilung die §§ 2 Nr. 7, 19 Abs. 1, 59 Abs. 3 c BaySchO, Art. 95 Nr. 3 a und b BayWG zugrunde gelegt. Eine Verurteilung wegen weiterer, in dem Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde enthaltener, jeweils rechtlich mit den beiden Verstößen zusammen treffenden Ordnungswidrigkeiten gegen

a) die Genehmigungspflicht gemäß §§ 3 Abs. 1, 59 Nr. 1 BaySchO, Art. 95 Nr. 3 a und b BayWG und

b) das Verbot einer anderen zugelassenen Nutzung als der nach §§ 5, 6 Naturschutzgebietsverordnung "Weltenburger Enge" in Verbindung mit Art. 52 Abs. 1 Nr. 3 BayNatSchG

hat es abgelehnt.

Das Gericht vertritt zu ersterem die Auffassung, bei den Schlauchbooten handele es sich um kleine Fahrzeuge ohne eigene Triebkraft gemäß § 2 Nr. 3 BaySchO, da es sich um Fahrzeuge ohne Maschinenantrieb handele, die nicht länger als 9,20 Meter seien; solche Fahrzeuge seien jedoch gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 BaySchO genehmigungsfrei. Dass es sich um Mietfahrzeuge gemäß § 2 Nr. 7 BaySchO handele, stehe dem nicht entgegen.

Zu letzterem hat es ausgeführt, § 3 der Landesverordnung spreche von "ohne Genehmigungen Veränderungen vorzunehmen", unter Buchst. f.) von "eine andere als die in § 5 zugelassene wirtschaftliche Nutzung auszuüben". Zum Einen erfolge durch das Befahren mit Schlauchbooten keine Veränderung, zum anderen seien in § 5 d.) der Landesverordnung nur die "Durchfahrten von Sportmotorbooten durch die "Weltenburger Enge"" aufgeführt.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig (§ 79 OWi).

Gegenstand des Verfahrens ist eine Binnenschifffahrtssache im Sinne des § 2 Abs. 3 b Binnenschifffahrtsgerichtsgesetz. Das Oberlandesgericht Nürnberg ist gemäß §§ 4 Abs. 1, 11 Binnenschifffahrtsgerichtsgesetz, § 35 Nr. 7 GZVJu als Schifffahrtsobergericht zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde zuständig.

Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Regensburg als Schifffahrtsgericht.

1. Der Abschnitt der Donau zwischen Kloster Weltenburg und Kelheim ist – was das Urteil nicht ausdrücklich ausführt – nicht Teil der Bundeswasserstraße Donau (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Bundeswasserstraßengesetz i.V.m. Anlage 1) und ein nicht allgemein zur Schiff- und Floßfahrt zugelassenes Gewässer. Damit findet die Verordnung für die Schifffahrt auf den Bayerischen Gewässern (Schifffahrtsordnung – BaySchO) vorliegend Anwendung, § 1 BaySchO.

2. Neben der auch vom Amtsgericht Regensburg für erforderlich gehaltenen Genehmigung für die Inbetriebnahme der Fahrzeuge, über die der Betroffene bzw. die Firma T GmbH nicht verfügen, bedarf der Betroffene für das Befahren der Donau oberhalb von Kelheim auch einer Genehmigung für die Schifffahrt. Der Betroffene hat nicht nur entgegen § 19 BaySchO ein Fahrzeug in Betrieb genommen oder nehmen lassen, das nicht zugelassen ist, sondern auch ohne die nach Art. 27 Abs. 4 BayWG, § 3 Abs. 1 BaySchO vorgeschriebene Genehmigung die Schifffahrt ausgeübt, wobei gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 BaySchO die Genehmigungspflicht nach Art. 27 Abs. 4 BayWG unberührt bleibt.

Für die Schifffahrt bestimmen § 3 Abs. 1 BaySchO und Art. 27 Abs. 4 BayWG übereinstimmend, dass diese an Gewässern, sofern sie nicht allgemein hierzu zugelassen sind, nur mit Genehmigung der Kreisverwaltungsbehörde ausgeübt werden darf. Ergänzend bestimmt § 3 Satz 2 BaySchO, dass kleine Fahrzeuge ohne eigene Triebkraft genehmigungsfrei sind und Art. 21 BayWG, dass jedermann unter den Voraussetzungen des § 23 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) oberirdische Gewässer zum Befahren mit kleinen Fahrzeugen ohne eigene Triebkraft benutzen darf. Im Sinne der BaySchO sind "kleine Fahrzeuge ohne eigene Triebkraft" Fahrzeuge ohne Maschinenantrieb, die nicht länger als 9,20 m sind, sowie Ruderboote, § 2 Nr. 3 BaySchO.

Der Begriff der "Schifffahrt" wird weder in der Schifffahrtsordnung noch im Bayerischen Wassergesetz eigens bestimmt.

Was "Schifffahrt" im Sinne der beiden Gesetze ist, ergibt sich aber aus einer Zusammenschau der Artt. 21, 22 und 27 BayWG.

Art. 141 Abs. 3 Satz der Bay. Verfassung gestattet jedermann das Befahren der Gewässer zum Zweck der Erholung in der freien Natur und des Genusses der Naturschönheiten. Es stellt eine Form des Gemeingebrauchs dar. Es ist aber an den Rahmen des bundesrechtlichen § 23 WHG gebunden, also nur ausübbar, soweit nicht Rechte anderer entgegenstehen und soweit nicht Befugnisse oder der Eigentümer- oder Anliegergemeingebrauch anderer dadurch beschränkt werden.

Das Grundrecht auf das Befahren der Gewässer bezieht sich auf das Befahren mit kleinen Fahrzeugen ohne eigene Triebkraft, soweit es dem Naturgenuss und der Erholung dient. Es steht nur dem zur Seite, der das Gewässer selbst zum Zweck der Erholung in der freien Natur und des Genusses der Naturschönheiten befahren will (vgl. zum Ganzen Sieder/Zeidler/Dahme/Knopp, BayWG Art. 21 Rn 3 f. m.w.N.).

Art. 21 BayWG trifft eine Regelung zu diesem Gemeingebrauch. Dieser setzt voraus, dass für seine Ausübung immer das Befahren des Gewässers und nicht andere Zwecke im Vordergrund stehen. Gemeingebrauch üben ferner nur diejenigen aus, die das Gewässer selbst befahren. Alles was darüber hinausgeht, ist Schifffahrt im Sinne des Art 27 BayWG. Sobald Schifffahrt vorliegt, kommt die Privilegierung für Kleinfahrzeuge im Sinne des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 BayWG nicht mehr in Betracht.

Schlauchboote fallen grundsätzlich unter den Begriff der kleinen Fahrzeuge ohne eigene Triebkraft (Czychowski/Reinhardt, Wasserhaushaltsgesetz, 8. Auflage, Art. 23 Rn. 21). Der Betroffene betreibt das Vermieten der Schlauchboote und das Befahren der Donau mit ihnen in erster Linie zur Förderung der wirtschaftlichen Interessen der Firma T GmbH. Für ihn steht also nicht Naturgenuss und Erholung im Vordergrund, sondern die Erzielung von Einkünften durch die Vermietung der Schlauchboote, die auch von ihm selbst und eigenen Mitarbeitern gesteuert werden. Derjenige aber, der etwa gewerbsmäßige Personenbeförderung mit kleinen Fahrzeugen betreibt sowie Boote oder Kanus vermietet und sie deshalb am oder auf dem Gewässer bereithält, übt keinen Gemeingebrauch aus (Czychowski/Reinhardt, a.a.O.). Auf einen etwaigen Gemeingebrauch des Mieters kann er sich deshalb nicht berufen, weil er andere Interessen verfolgt. Der Vermieter will, auch unter gezielter Werbung, möglichst viele Boote einsetzen bzw. fahren lassen. Sein geschäftliches Interesse ist darauf gerichtet, durch logistische Voraussetzungen das Bootfahren so bequem wie möglich für die Kunden zu gestalten.

In einer solchen Auslegung liegt entgegen der Auffassung in der Erwiderung vom 27.05.2008 zur Rechtsbeschwerde auch keine verbotene Analogie. Es handelt sich lediglich um eine sich am Wortlaut orientierende Auslegung.

Der Betroffene hätte daher für die von ihm organisierten und durchgeführten Schlauchbootfahrten einer Genehmigung nach Art. 27 Abs. 4, § 3 Abs. 1 BaySchO bedurft, weil er Schifffahrt betreibt. Das lässt es als möglich erscheinen, dass er den Tatbestand der Ordnungswidrigkeit begangen hat.

3. Der Betroffene kann entgegen der Auffassung des AG Regensburg durch sein Verhalten aber auch gegen die Landesverordnung über das Naturschutzgebiet "Weltenburger Enge" verstoßen. Der Katalog der §§ 3 und 4 der Landesverordnung enthält auf den ersten Blick vor allem Maßnahmen, die Einwirkungen auf den Bestand und das Aussehen betreffen und erwähnt bezogen auf die Gewässernutzung durch Schiffe und Boote ausdrücklich nur Motorsportboote. Hieraus könnte der Schluss zu ziehen sein, dass nur solche oder vergleichbare "Veränderungen" der Genehmigungspflicht unterliegen.

Indessen verbietet § 3 Buchst. f.) ohne Genehmigung Veränderungen vorzunehmen, insbesondere eine andere als die nach § 5 zugelassene wirtschaftliche Nutzung auszuüben. Diesbezüglich lautet § 3: "Im Schutzgebiet ist es gemäß § 16 Abs. 2 des Naturschutzgesetzes verboten, ohne Genehmigung Veränderungen vorzunehmen, insbesondere ... eine andere als die nach § 5 zugelassene wirtschaftliche Nutzung auszuüben; ...".

Der Betroffene betreibt mit der Fa. T GmbH durch das Bereitstellen der Boote und das Befördern der Fahrgäste gegen Entgelt ein kommerzielles Befahren der "Weltenburger Enge" mit Schlauchbooten Dass es sich dabei um eine wirtschaftliche Nutzung durch den Betroffenen und die Fa. T GmbH handelt, kann nicht fraglich sein.

Die konkrete Nutzungsweise ist in § 5 weder ausdrücklich aufgeführt noch war sie bisher üblich. Nutzungen von unbedeutendem Umfang, die nicht zu einer Veränderung führen, wären nach der Formulierung der Landesverordnung nicht verboten. Eine verbotene Veränderung wäre etwa gegeben, wenn durch das Befahren mit oder das Verleihen von Schlauchbooten eine Störung von Flora und Faune oder der Wasserqualität zu befürchten wäre. Auch kommt in Betracht, dass bei dieser Nutzung mit einem verstärkten Anlanden an den Ufern zu rechnen wäre. Dies könnte zusätzlich die Ufer schädigen, aber auch zu Abfallproblemen führen. Auch an eine Beeinträchtigung durch Lärm und an optische Beeinträchtigungen wäre zu denken.

Darüber hinaus hat das Bayerischen Verwaltungsgericht (vom 18.08.1998; Az.: 22 B 96.625 RN 7 K 92.1735), bezüglich der Genehmigung gewerblicher Floßfahrten ausgeführt: "Das vom Kläger beabsichtigte Befördern von Passagieren auf Flößen gegen Entgelt ist aber ... wegen seiner auf immer wiederkehrende Durchführung angelegten Konzeption als Dauersachverhalt anzusehen, der die Situation der Naturnähe im Sinne fehlender bzw. zurückgenommener Beeinflussung durch menschliches Verhalten und damit das Schutzgebiet als solches verändert."

Es liegt nahe, dass dieser Gesichtspunkt auf die von der Fa. T durchgeführten Schlauchbootfahrten zutrifft.

Da die Fa. T die Fahrten zu wirtschaftlichen Zwecken durchführte, kann es sich damit um eine verbotene Nutzung im Sinne des § 4 der Landesverordnung handeln.

Das Urteil war daher im dem Umfang wie aus dem Tenor ersichtlich aufzuheben und zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Regensburg zurückzuverweisen (§§ 17 Abs. 4, 79 Abs. 3 OWiG, § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).