Bayerischer VGH, Beschluss vom 24.11.2008 - 11 CS 08.2882
Fundstelle
openJur 2012, 96101
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beschwerde wird verworfen.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,-- € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller - ein serbischer Staatsangehöriger - war am 2. Oktober 2003 als Führer eines Kraftfahrzeugs in einen Verkehrsunfall verwickelt. In einer ihm an diesem Tag entnommenen Blutprobe wurden kein THC, jedoch THC-Carbonsäure in einer Konzentration von 4,3 µg/L vorgefunden.

Am 18. November 2007 wurde er gegen 2.00 Uhr als Führer eines Kraftfahrzeugs einer Verkehrskontrolle unterzogen. Eine ihm am gleichen Tag um 2.35 Uhr entnommene Blutprobe enthielt THC in einer Konzentration von 6,6 µg/L. In einem vom Antragsteller unterschriebenen Polizeiprotokoll wurde festgehalten, er habe nach eigener Angabe am 15. November 2007 um 22.00 Uhr einen Joint geraucht.

Durch insoweit für sofort vollziehbar erklärten Bescheid vom 1. September 2008 entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klasse B. Gleichzeitig gab sie ihm unter Androhung eines Zwangsgelds auf, seinen Führerschein innerhalb einer Woche nach der Zustellung des Bescheids abzuliefern. In den Bescheidsgründen wurde u. a. ausgeführt, die fehlende Fahreignung des Antragstellers stehe im Sinn von § 11 Abs. 7 FeV fest, da bei ihm zwei voneinander unabhängige Vorgänge des Cannabiskonsums aktenkundig seien und sich aus der THC-Konzentration von 6,6 µg/L sein mangelndes Trennungsvermögen ergebe.

Mit einer am 15. September 2008 zum Verwaltungsgericht München erhobenen Klage erstrebt der Antragsteller die Aufhebung des Bescheids vom 1. September 2008. Gleichzeitig beantragte er, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.

Das letztgenannte Begehren lehnte das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 6. Oktober 2008 ab. Da nicht zweifelhaft sei, dass der Antragsteller außer am 18. November 2007 auch am 2. Oktober 2003 Cannabis konsumiert habe, habe er dieses Betäubungsmittel "gelegentlich" gebraucht. Mit dem Einwand, dass zwischen beiden Einnahmevorgängen mehr als vier Jahre lägen, könne er nicht durchdringen.

Mit seiner Beschwerde beantragt der Antragsteller, den Beschluss vom 6. Oktober 2008 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid vom 1. September 2008 wiederherzustellen.

Zur Begründung führt er aus, das Verwaltungsgericht habe sein "Ermessen" hinsichtlich der Beurteilung des gelegentlichen Konsums fehlerhaft "ausgelegt". Es habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass zwischen den beiden feststehenden Konsumakten vier Jahre gelegen hätten. Bei zwei "einmaligen" Einnahmevorgängen innerhalb von vier Jahren sei nach Auffassung der Bevollmächtigten des Antragstellers nicht von einem gelegentlichen, sondern von einem experimentellen Cannabisgebrauch auszugehen. Vor dem Hintergrund von nur zwei Konsumnachweisen erscheine die Entziehung der Fahrerlaubnis "überzogen und insoweit rechtsfehlerhaft".

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen ihres Vorbringens wird auf die Beschwerdeerwiderung vom 7. November 2008, wegen der weiteren Einzelheiten auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 19. September 2008, 2. Oktober 2008 und 7. November 2008 übersandten Verwaltungsvorgänge verwiesen.

II.

Die Beschwerde war gemäß § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO zu verwerfen, da sie nicht in einer den Erfordernissen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügenden Weise begründet wurde.

Der letztgenannten Vorschrift zufolge muss die Begründung einer in Verfahren nach § 80 Abs. 5, § 80 a oder § 123 VwGO erhobenen Beschwerde u. a. die Gründe darlegen, derentwegen die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit ihr auseinandersetzen. Eine diesen Anforderungen genügende Beschwerdebegründung liegt nur vor, wenn sich aus den fristgerecht dargelegten Gesichtspunkten die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses und die Notwendigkeit seiner Aufhebung ergeben (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, RdNr. 41 zu § 146; Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Aufl. 2004, RdNr. 22 zu § 146). Ausgehend von der Entscheidung des Verwaltungsgerichts muss der Beschwerdeführer aufzeigen, in welchen Punkten und weshalb diese aus seiner Sicht nicht tragfähig ist. Das setzt voraus, dass er sich mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses befasst (vgl. Guckelberger in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, RdNr. 77 zu § 146 mit umfangreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung und dem Schrifttum). An der nötigen inhaltlichen Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung fehlt es u. a. dann, wenn sich der Beschwerdeführer lediglich mit pauschalen, formelhaften Rügen begnügt (OVG SH vom 31.7.2002 NJW 2003, 158; Guckelberger, a.a.O., RdNr. 78 zu § 146; Kopp/Schenke, a.a.O.). Vielmehr müssen ein die Entscheidung des Verwaltungsgerichts tragender Rechtssatz oder eine dafür erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. VGH BW vom 1.7.2002 NVwZ 2002, 1388/1389).

Diesen Erfordernissen genügt die Beschwerdebegründung auch unter Berücksichtigung des Gebots, dass die Anforderungen an die Darlegungslast nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht überspannt werden dürfen (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O.), nicht. Der Antragsteller bekämpft - was grundsätzlich ausreichen würde - nur die Auffassung des Verwaltungsgerichts, das in der Nummer 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung enthaltene Tatbestandsmerkmal der "Gelegentlichkeit" einer Cannabiseinnahme sei in seinem Fall ungeachtet des Umstands zu bejahen, dass zwischen den Konsumvorgängen im Oktober 2003 und im November 2007 (mehr als) vier Jahre vergangen sind. Das Verwaltungsgericht hat - beginnend auf Seite 9 unten des angefochtenen Beschlusses bis auf Seite 10 Mitte dieser Entscheidung - eingehend dargelegt, warum ein solcher zeitlicher Abstand seiner Überzeugung nach unschädlich ist. Es hat insbesondere darauf verwiesen, dass nach dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. November 2006 (Az. 11 CS 06.118) selbst ein zwischen den Konsumakten liegender Zeitraum von vier Jahren und zehn Monaten der Bejahung der "Gelegentlichkeit" eines Cannabisgebrauchs nicht entgegensteht. Ferner hat es die Gründe referiert, derentwegen der Verwaltungsgerichtshof in der letztgenannten Entscheidung in einer solchen Fallgestaltung keinen nur experimentellen, von der Nummer 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung nicht erfassten Konsum angenommen hat. Erwähnt wurde in der angefochtenen Entscheidung ferner, dass sich der Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 20. November 2006 zur Stützung seiner Rechtsauffassung auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Juni 2005 (DAR 2005, 581) berufen hat; die insoweit maßgeblichen Aussage aus der letztgenannten Entscheidung hat das Verwaltungsgericht ebenfalls wiedergegeben. Abschließend wurde im Beschluss vom 6. Oktober 2006 ausgeführt, die Konsumfrequenz des Antragstellers müsse deshalb als "gelegentlich" eingestuft werden, weil er bereits vor der im November 2007 erfolgten Cannabiseinnahme Erfahrungen mit diesem Rauschmittel besessen habe.

Mit keinem dieser zahlreichen, in Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung stehenden Argumente setzt sich die - außerordentlich knapp gefasste - Beschwerdebegründung auch nur ansatzweise im Sinn von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO auseinander. Das Vorbringen des Antragstellers beschränkt sich im Wesentlichen darauf, den Standpunkt des Verwaltungsgerichts wiederzugeben (vgl. den ersten Satz im letzten Absatz auf Seite 2 der Rechtsmittelschrift vom 23.10.2008), und im dritten Satz jenes Absatzes der eigenen Auffassung Ausdruck zu verleihen, wonach bei zwei nachgewiesenen Konsumvorgängen innerhalb von vier Jahren nicht von einer gelegentlichen Cannabiseinnahme gesprochen werden könne, sondern von einem Experimentierverhalten auszugehen sei. Die bloße, in einem einzigen Satz apodiktisch formulierte Aussage, nach Meinung des Bevollmächtigten des Rechtsmittelführers sei eine Rechtsfrage anders zu beantworten, als es das Verwaltungsgericht getan hat, stellt keine Darlegung von Gründen im Sinn von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO dar. Denn die Notwendigkeit, die angefochtene Entscheidung aufzuheben oder abzuändern, ergibt sich aus dem Vorbringen eines Rechtsmittelführers nur dann, wenn nicht nur behauptet wird, dass anders als geschehen hätte entschieden werden müssen, sondern wenn Argumente dargelegt werden, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass die Auffassung des Verwaltungsgerichts falsch und die Auffassung des Rechtsmittelführers richtig ist. Einen so verstandenen Begründungskontext, aus dem das "Warum" des Standpunkts des Antragstellers deutlich wird, enthält die Rechtsmittelschrift indes nicht.

Soweit der Antragsteller im zweiten Satz des letzten Absatzes auf Seite 2 der Beschwerdeschrift vom 23. Oktober 2008 geltend machte, das Verwaltungsgericht habe den vierjährigen Abstand zwischen den in Frage stehenden Konsumakten nicht ausreichend berücksichtigt, erübrigte sich eine nähere Substantiierung dieser Behauptung umso weniger, als der Beschluss vom 6. Oktober 2008 umfangreiche Erwägungen zu dieser Thematik enthält.

Ebenfalls nur um eine apodiktische, nicht durch Argumente gestützte Behauptung handelt es sich, wenn eingangs der Beschwerdebegründung ausgeführt wurde, das Verwaltungsgericht habe nach Auffassung des Antragstellers das Ermessen "hinsichtlich der Beurteilung des gelegentlichen Konsums fehlerhaft ausgelegt". Nur am Rande ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass die Auslegung des in der Nummer 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung enthaltenen Tatbestandsmerkmals der "Gelegentlichkeit" keine Frage korrekter Ermessensausübung, sondern ein Problem zutreffender Norminterpretation darstellt. Die diesbezüglichen Ausführungen des Antragstellers sind deshalb bereits in sich unschlüssig.

Soweit es auf Seite 3 oben des Schriftsatzes vom 23. Oktober 2008 sinngemäß heißt, vor dem Hintergrund von nur zwei nachgewiesenen Konsumakten erscheine die ergriffene Maßnahme "überzogen und insoweit rechtsfehlerhaft", handelt es sich gleichfalls nur um eine unsubstantiierte Einlassung, nicht aber eine durch Argumente gestützte, die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung schlüssig aufzeigende Begründung.

Der Kostenausspruch beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG und den Empfehlungen in den Abschnitten II.1.5 Satz 1 und II.46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327).