Bayerischer VGH, Beschluss vom 07.11.2008 - 11 CS 08.2650
Fundstelle
openJur 2012, 95972
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.800,- € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Anordnung, in der Zeit vom 1. September 2008 bis 31. Mai 2009 ein Fahrtenbuch für ein bestimmtes Fahrzeug zu führen.

Der Fahrtenbuchauflage lag zugrunde, dass mit dem auf sie zugelassenen Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ... am Nachmittag des 13. April 2008 in Frankfurt am Main die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaft um 32 km/h überschritten wurde und der Fahrzeugführer nicht ermittelt werden konnte.

Die Klägerin wurde als Fahrzeughalterin erstmals am 28. April 2008 wegen des Verkehrsverstoßes angeschrieben und ihr ein Zeugenfragebogen übersandt. Mit Schreiben vom 26. Mai 2008 wurde die Antragstellerin an die Erledigung des Zeugenfragebogens erinnert. Eine Reaktion erfolgte nicht.

Am 17. Juni 2008 erhielt der Markt M. Kenntnis von dem Vorgang. Mit Schreiben vom 18. Juni 2008 lud er die Antragstellerin vor; ihr werde vorgeworfen, den o.g. Verkehrsverstoß begangen zu haben. Sie solle bis zum 27. Juni 2008 im Bürgerbüro der Gemeinde erscheinen, um sich zu den Tatvorwürfen zu äußern. Mit Schriftsatz vom 25. Juni 2008 ließ die Antragstellerin hierauf mitteilen, sie werde nicht erscheinen und derzeit keine Angaben zur Sache machen. Sie bitte um Abgabe der Akte an die Staatsanwaltschaft und stelle bereits jetzt den Antrag an die Staatsanwaltschaft, ihr Akteneinsicht zu gewähren. Die Akten wurden von der Stadt Frankfurt am Main am 1. Juli 2008 zur Einsicht an den Antragstellerbevollmächtigten ver- und am 7. Juli 2008 von diesem zurückgesandt.

Mit Schreiben vom 22. Juli 2008 teilte das Landratsamt Aschaffenburg der Antragstellerin mit, dass das Ordnungswidrigkeitenverfahren eingestellt worden sei, da der verantwortliche Fahrer nicht habe festgestellt werden können. Zugleich erfolgte die Anhörung zur beabsichtigten Fahrtenbuchauflage. Der Antragstellerbevollmächtigte äußerte sich hierzu mit Schreiben vom 29. Juli 2008. Die Antragstellerin habe von dem Vorgang erstmals durch das Schreiben des Marktes M. vom 18. Juni 2008 erfahren und sei gerne bereit, Aufklärung darüber zu geben, wem das Fahrzeug überlassen worden sei. Es werde aber darauf aufmerksam gemacht, dass ihre Erinnerung wegen des Zeitablaufs verblasst sein werde.

Mit Bescheid des Beklagten vom 6. August 2008 wurde der Antragstellerin in sofort vollziehbarer Weise die Führung eines Fahrtenbuches für das o.g. Kraftfahrzeug für die Dauer von neun Monaten vom 1. September 2008 bis zum 31. Mai 2009 auferlegt und ein Zwangsgeld i.H.v. 250,- € für den Fall der Nichtbefolgung dieser Verpflichtung angedroht.

Die Klage gegen diesen Bescheid sowie der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gingen am 22. August 2008 bei dem Verwaltungsgericht Würzburg ein. Unter anderem wurde zur Begründung des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz vorgetragen, es sei der Ermittlungsbehörde zumutbar gewesen, von sich aus weitere Ermittlungen anzustellen. Es hätten Verdachtsmomente vorgelegen, weil auf dem beim Verkehrsverstoß gefertigten Frontfoto offensichtlich eine männliche Person erkennbar sei. Es habe deshalb Ansatzpunkte für Ermittlungen gegen männliche Familienangehörige der Antragstellerin gegeben. Hätte die Behörde die zumutbaren Maßnahmen (Einwohnermeldeabfrage, Lichtbilderabgleich etc.) durchgeführt, hätte sie ohne weiteres festgestellt, dass es sich bei dem Fahrer um den Ehemann der Antragstellerin gehandelt habe. Zudem sei es der Behörde zuzumuten gewesen, zur Fahrerermittlung die Hausanschrift der Antragstellerin aufzusuchen, da bekannt sei, dass die Verwendung eines Kfz seitens des Halters regelmäßig nur Familienangehörigen und Lebenspartnern gestattet werde.

Das Verwaltungsgericht Würzburg lehnte den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO mit Beschluss vom 5. September 2008 ab. Die Fahrtenbuchauflage sei voraussichtlich rechtmäßig. Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit sei ausreichend begründet. Es liege nicht etwa deshalb ein Defizit bei der Ermittlung des verantwortlichen Fahrers vor, weil die Antragstellerin nicht innerhalb von zwei Wochen nach dem Verkehrsverstoß angehört worden sei. Die Zweiwochenfrist sei keine starre Grenze und gelte nicht in Fallkonstellationen, in denen auch eine spätere Anhörung zur effektiven Rechtsverteidigung genüge. Zum einen sei die Antragstellerin bereits am 28. April 2008 erstmals vom Verkehrsverstoß benachrichtigt und nach dem Fahrzeugführer befragt worden, zum anderen sei eine verspätete Anhörung jedenfalls unschädlich, weil die Antragstellerin den Fahrer verschwiegen habe, obwohl sie ihn gekannt habe. Da die Antragstellerin die Mitwirkung bei der Fahrerermittlung verweigert habe, seien der Behörde weitere Ermittlungen nicht zumutbar gewesen. Das Zeugnisverweigerungsrecht im Ordnungswidrigkeitenverfahren stehe einer Fahrtenbuchauflage ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass die Antragstellerin nach Eintritt der Verjährung bezüglich der Ordnungswidrigkeit nunmehr ihren Ehemann als Fahrzeugführer benannt habe.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der beantragt wird, unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 5. September 2008 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 6. August 2008 hinsichtlich der Fahrtenbuchauflage wiederherzustellen und hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung anzuordnen. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts sei unrichtig. Zum einen genüge die Begründung für die Anordnung des Sofortvollzugs in dem angegriffenen Bescheid nicht den Anforderungen von § 80 Abs. 3 VwGO. Zum anderen sei die Fahrtenbuchauflage offensichtlich rechtswidrig. Im Schreiben vom 18. Juni 2008 sei ihr selbst ein Tatvorwurf gemacht worden mit der Folge eines Aussageverweigerungsrechts. Der Vorwurf ihrer mangelnden Mitwirkung bei der Fahrerermittlung sei daher unverständlich, da die Antragstellerin als Beschuldigte keine Mitwirkungspflicht getroffen habe. Im Übrigen habe sie in ihrem Schriftsatz vom 29. Juli 2008 ihre Mitwirkung gerade nicht verweigert. Das Verwaltungsgericht habe rechtsirrig angenommen, die Zweiwochenfrist sei nur geringfügig überschritten gewesen und auch die Ausführungen zur Nichtanwendung der Zweiwochenfrist gingen fehl. Dies gelte gleichermaßen für die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Verweigerung der Mitwirkung und zum Bestehen eines Zeugnisverweigerungsrechts der Antragstellerin. Wie bereits auf den Seiten 3 bis 5 der Antragsschrift vom 22. August 2008 dargestellt, seien der Behörde weitere Ermittlungen zumutbar gewesen.

Der Antragsgegner trat der Beschwerde entgegen.

Wegen des Inhalts der gewechselten Schriftsätze, der weiteren Einzelheiten sowie wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

II.

Die fristgerechte Beschwerde, bei deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die form- und fristgerecht vorgetragenen Gründe beschränkt ist, hat keinen Erfolg.

Die Landesanwaltschaft weist zu Recht darauf hin, dass die pauschale, vollumfängliche Bezugnahme auf das Vorbringen im Antragsschriftsatz vom 22. August 2008 den Anforderungen von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht gerecht wird, der eine Auseinandersetzung mit dem angegriffenen Beschluss fordert (vgl. BayVGH vom 6.3.2008 Az. 11 CS 07.3451). In wirksamer Weise zum Beschwerdevorbringen gemacht wurden allerdings die ausdrücklich zu einem ganz bestimmten Punkt in Bezug genommenen und genau bezeichneten Seiten 3 bis 5 des Schriftsatzes vom 22. August 2008.

1. Das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin, die Vollziehungsanordnung sei unzureichend begründet, da ihr standardisierte Wendungen zugrunde lägen und einzelfallbezogene Ausführungen fehlten, greift nicht durch. Die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs der Fahrtenbuchauflage in Nr. 5 des Bescheids vom 6. August 2008 genügt den Erfordernissen von § 80 Abs. 3 VwGO (vgl. hierzu BayVGH vom 6.3.2008 ebenda). Mittels einer Fahrtenbuchauflage soll nicht nur sichergestellt werden, dass künftig mit dem Kraftfahrzeug begangene Verkehrsverstöße während der Dauer der Fahrtenbuchauflage geahndet werden können. Die Führung eines Fahrtenbuchs soll vielmehr auch dazu beitragen, dass derartige Verstöße künftig unterbleiben, weil es sich positiv auf die Verkehrsdisziplin eines Fahrzeugführers auswirkt, wenn er damit rechnen muss, dass er wegen der aufgrund des Fahrtenbuchs feststellbaren Fahreridentität für jeden Verkehrsverstoß zur Verantwortung gezogen werden kann. Zumindest unter letzterem, im Hinblick auf die Verkehrssicherheit besonders wichtigen Gesichtspunkt ist es aber nicht unerheblich, ob das Fahrtenbuch tatsächlich bereits unmittelbar nach Erlass des entsprechenden Bescheids oder erst nach dessen Bestandskraft - und damit möglicherweise erst nach Jahren - zu führen ist. § 31 a StVZO gehört somit zu den Vorschriften, bei denen zur Abwehr von Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter - nämlich die Ordnung und Sicherheit im Straßenverkehr - das besondere öffentliche Vollzugsinteresse nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO im Regelfall mit dem Interesse am Erlass des Verwaltungsakts selbst zusammenfällt (BayVGH vom 6.3.2008, a.a.O:, m.w.N.). Dadurch wird zwar im Einzelfall eine Abwägung zwischen den Interessen der Beteiligten nicht entbehrlich (BVerfG vom 19.2.1991 NVwZ-RR 1991, 365). Diese darf sich im Wesentlichen jedoch auf die Prüfung beschränken, ob nicht wegen der besonderen Umstände des Falles die sofortige Vollziehung ausnahmsweise weniger dringlich als im Normalfall ist. Da sich § 31 a StVZO mit einer abstrakten Wiederholungsgefahr begnügt, die daran anknüpft, dass der verantwortliche Fahrer bei Begehung des Verkehrsverstoßes anonym geblieben ist, genügt es für die Annahme eines Ausnahmefalles nicht bereits, dass keine Hinweise auf eine konkrete Wiederholungsgefahr vorliegen (BayVGH vom 6.3.2008, a.a.O.). Auch im vorliegenden Beschwerdeverfahren wurden keine Umstände vorgetragen, die ein vom Regelfall abweichendes Ergebnis der Interessenabwägung zumindest nahe legen könnten.

2. Die der Antragstellerin gegenüber gemäß § 31 a StVZO ergangene Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, begegnet im Ergebnis keinen rechtlichen Bedenken. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift kann die Verwaltungsbehörde einem Fahrzeughalter gegenüber die Führung eines Fahrtenbuches anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften - wie hier - nicht möglich war.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Feststellung des Kraftfahrzeughalters unmöglich, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalls alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um ihn zu ermitteln. Art und Ausmaß der Ermittlungen hängen insbesondere von der Art des jeweiligen Verkehrsverstoßes und der Bereitschaft des Kraftfahrzeughalters zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrers ab (vgl. etwa BVerwG vom 17.12.1982 Az. 7 C 3.80; BVerwG vom 21.10.1987 Buchholz 442.16 § 31 a StVZO Nr. 12 und Nr. 18; BVerwG vom 23.12.1996 Az. 11 B 84/96). Zu einem angemessenen Ermittlungsaufwand gehört grundsätzlich die unverzügliche, d.h. regelmäßig innerhalb von zwei Wochen erfolgende Benachrichtigung des Fahrzeughalters von der mit seinem Kraftfahrzeug begangenen Zuwiderhandlung (vgl. BVerwG vom 13.10.1978 Buchholz 442.16 § 31 a StVZO Nr. 5). Der Sinn und Zweck der sog. Zweiwochenfrist erhellt sich auch aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. April 1971 (DAR 1972, 26). Es heißt dort zu § 7 Abs. 2 StVZO a.F., der Vorgängervorschrift von § 31 a StVZO, es sei geboten, den Halter möglichst bald von dem mit seinem Kraftfahrzeug begangenen Verkehrsverstoß in Kenntnis zu setzen, zumal dann von diesem auch die etwaige Frage, wer zur Tatzeit sein Fahrzeug geführt hat, noch zuverlässig beantwortet werden könne. Diesem Grundsatz entspreche es, wenn bei Geschwindigkeitskontrollen durch Verkehrsradargeräte die Messbilder innerhalb weniger Tage dem Halter übersandt würden oder er jedenfalls durch eine kurze Nachricht auf den mit seinem Kraftfahrzeug begangenen Verkehrsverstoß hingewiesen werde. Die Wahrscheinlichkeit, in diesem Falle eine Auskunft des Halters über den Fahrer seines Kraftfahrzeuges zu erhalten, sei naturgemäß ungleich größer, als wenn dieser erst Wochen später darüber befragt werde.

Eine verspätete Anhörung ist jedoch unschädlich, wenn die Verzögerung für die unterbliebene Ermittlung des Täters nicht ursächlich gewesen ist. An einem derartigen Kausalzusammenhang fehlt es dementsprechend, wenn die Ergebnislosigkeit der Ermittlungen nicht auf Erinnerungslücken des Fahrzeughalters beruht (vgl. etwa BayVGH vom 12.2.2007 Az. 11 B 05.427; vom 10.10.2006 Az. 11 CS 06.607; BayVGH vom 28.3.2008 Az. 11 ZB 06.2573). So liegt es hier.

b) Die Antragstellerin trägt zur Begründung ihrer Beschwerde vor, sie habe die Schreiben der Stadt Frankfurt vom 28. April und vom 26. Mai 2008 nicht erhalten. In den Akten findet sich lediglich ein nicht unterschriebener Ausdruck der beiden genannten Anhörungsschreiben. Ein Vermerk darüber, wann sie versandt wurden und ein Nachweis über den Zugang bei der Antragstellerin fehlen. Es muss deshalb zugunsten der Antragstellerin davon ausgegangen werden, dass sie erstmals mit dem Schreiben des Marktes M. vom 18. Juni 2008 von dem gut acht Wochen zuvor mit ihrem Kfz begangenen Verkehrsverstoß erfahren hat.

aa) Dies hat jedoch auf die Rechtmäßigkeit der Fahrtenbuchauflage keinen Einfluss, da auch eine nachweisbar rechtzeitige Benachrichtigung von dem Verkehrsverstoß nicht zur Benennung des Fahrers durch die Antragstellerin geführt hätte. Denn - wie nachfolgend dargestellt - hing ihr Auskunftsverhalten nicht von ihrem Erinnerungsvermögen ab.

In dem Schriftsatz vom 25. Juni 2008, mit dem ihr Bevollmächtigter auf die Beschuldigung im Schreiben vom 18. Juni 2008 reagierte, wurde ausgeführt, die Antragstellerin wolle derzeit keine Angaben zur Sache machen. Auf ein mangelndes Erinnerungsvermögen hat sie sich hier nicht berufen. Erst nach Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens hat sie mit Schriftsatz vom 29. Juli 2008 ihre Mitwirkungsbereitschaft bekundet, zugleich aber angedeutet, ihre Erinnerung könnte verblasst sein. In der Antragsschrift vom 22. August 2008 hat die Antragstellerin dann eingeräumt, dass ihr Ehemann zum fraglichen Zeitpunkt des Verkehrsverstoßes der Fahrer ihres Wagens war. Durch Mitwirkungshandlungen, die der Halter eines Kraftfahrzeugs, mit dem eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften verübt wurde, zu einem Zeitpunkt vornimmt, zu dem diese bereits verjährt war, kann er sich einer Anordnung nach § 31 a StVZO aber nicht mit Erfolg entziehen (vgl. z.B. BayVGH vom 6.10.1997 NZV 1998, 88; vom 31.10.2007 Az. 11 CS 07.1811).

Bis zum Ablauf der Verjährungsfrist für die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit am 13. Juli 2008 hätte die Antragstellerin - eine entsprechende Bereitschaft vorausgesetzt - ihren Ehemann als verantwortlichen Fahrzeugführer benennen können. Dies war ihr ohne weiteres zumutbar und entsprach ihrer Mitwirkungspflicht. Auf ein mangelndes Erinnerungsvermögen kann die Antragstellerin sich nicht berufen. Entsprechend ihrem eigenen Vorbringen ist nämlich davon auszugehen, dass die Antragstellerin ihr Fahrzeug nur einem kleinen Kreis Angehöriger zur Benutzung überließ. Selbst wenn außer ihrem Ehemann noch weitere Angehörige als Fahrer des besagten Kfz am 13. April 2008 theoretisch in Betracht gekommen wären, kann nach dem Vorbringen der Antragstellerin nicht von einer derart unüberschaubaren Zahl potentieller Fahrer ausgegangen werden, dass es ihr unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre, unter den in Betracht kommenden nachzufragen, wer ihr Kfz an diesem Tag benutzt hat. Die Antragstellerin hat aber weder vorgetragen, dass sie ihre Familienangehörigen befragt habe, noch hat sie vorgetragen, dass eine dementsprechende Nachfrage erfolglos geblieben wäre. Dies hätte ihr im Rahmen ihrer Pflicht zur Mitwirkung bei der Fahrerermittlung oblegen. Auch hätte sie bei der Anfang Juli 2008 stattgefundenen Akteneinsicht das Frontfoto betrachten können. Dass ihr Ehemann hierauf gut zu erkennen ist, bestreitet die Antragstellerin nicht. Eine Benennung des Fahrers rechtzeitig vor Eintritt der Verfolgungsverjährung wäre dann noch möglich gewesen.

bb) Das Verhalten der Antragstellerin während des Ordnungswidrigkeitenverfahrens entspricht einer Aussageverweigerung. Zutreffend trägt sie vor, dass ihr im Schreiben vom 18. Juni 2008 die Begehung der Verkehrsordnungswidrigkeit vorgeworfen wurde, und ihr deshalb als Beschuldigter bzw. Betroffener im Ordnungswidrigkeitenverfahren ein Recht zur Aussageverweigerung zugestanden habe. Dies führt aber nicht zu einer Rechtfertigung der fehlenden Mitwirkung bei der Fahrerfeststellung, mit der Folge dass deshalb die Anordnung des Führens eines Fahrtenbuchs rechtswidrig wäre.

Der Betroffene im Ordnungswidrigkeitenverfahren ist gemäß § 55 OWiG ebenso anzuhören, wie der Beschuldigte im Strafverfahren gemäß § 136 StPO. Vor seiner Vernehmung (der sich die Antragstellerin vorliegend entzogen hat) ist er darüber zu belehren, dass es ihm freisteht, zur Sache auszusagen (vgl. Göhler, OWiG, 14. Auflage 2006, RdNr. 2 zu § 55). Dieses Aussageverweigerungsrecht bezieht sich nach dem Rechtsgrundsatz „nemo tenetur“ in erster Linie auf den Beschuldigten selbst. Das Aussageverweigerungsrecht verbietet es dem Beschuldigten nicht, sich durch Nennung des wahren Täters zu entlasten. Es kann unterstellt werden, dass, wenn - wie vorliegend - der wahre Täter ein naher Angehöriger des Beschuldigten ist, ihm wie einem Zeugen ein Recht zusteht, den Angehörigen als Täter nicht preiszugeben (vgl. § 55 StPO) und ihn so vor einer Ahndung seines Verstoßes zu bewahren. Von dem Auskunftsverweigerungsrecht zum Schutze des Angehörigen Gebrauch zu machen, ist die freie Entscheidung des Beschuldigten. Allerdings entspricht es der gefestigten obergerichtlicher Rechtsprechung, dass der Halter eines Kraftfahrzeugs nicht verlangen kann, von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, wenn er in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren von seinem Zeugnis- oder Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat. Ein doppeltes "Recht", nach einem Verkehrsverstoß einerseits im Ordnungswidrigkeitenverfahren die Aussage zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, besteht nicht. Ein solches "Recht" widerspräche dem Zweck des § 31 a StVZO, nämlich der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs zu dienen, die auch die Antragstellerin für sich gegenüber anderen in Anspruch nimmt (vgl. BVerfG vom 7.12.1981 NJW 1982, 568; BVerwG vom 22.6.1995 BayVBl 1996, 156 und vom 11.8.1999 BayVBl 2000, 380; BayVGH vom 10.4.2006 Az. 11 CS 05.1980, vom 2.8.2007 Az. 11 ZB 06.1759, vom 20.3.2008 Az. 11 ZB 08.432, vom 22.4.2008 Az. 11 ZB 07.3419, vom 12.6.2008 Az. 11 CS 08.587 und zuletzt vom 30.9.2008 Az. 11 CS 08.1953).

cc) Im vorliegenden Fall bestand auch unter dem Gesichtspunkt, dass auf dem Frontfoto relativ deutlich erkennbar eine männliche Person abgebildet, die Antragstellerin als Fahrzeughalterin aber weiblich ist, keine Verpflichtung der Behörde, von sich aus weitere Ermittlungen bezüglich des Fahrers anzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Feststellung des Fahrzeugführers bereits dann "nicht möglich" im Sinne von § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO, wenn der Täter nicht ermittelt werden konnte, obwohl die Behörde unter sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen alle nach den Umständen des Einzelfalles angemessenen und zumutbaren Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung ergriffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und die erfahrungsgemäß Erfolg haben (vgl. BVerwG vom 21.10.1987 Buchholz 442.16 § 31 a StVZO Nr. 18). Im Falle der Antragstellerin stellt es im Lichte dieser Rechtsprechung noch eine pflichtgemäße Betätigung des behördlichen Ermessen dar, keine weiteren Ermittlungen zur Person des Fahrzeugführers anzustellen. Aus dem Umstand, dass auf dem Frontfoto eine männliche Person abgebildet war, folgte zunächst nur, dass der Verkehrsverstoß wohl nicht von der Antragstellerin selbst begangen worden war. Der Aufwand, den die Behörde hätte treiben müssen, um den tatsächlichen Fahrer zu ermitteln, war nicht zumutbar, weil der in Betracht kommende Personenkreis in keiner Weise eingegrenzt war. Hierin unterscheidet sich der vorliegende Fall von demjenigen, den das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 17. Dezember 1982 (a.a.O.) entschieden hat. Im dortigen Fall hatte der Fahrzeughalter erklärt, der Pkw sei von einer ihm nahe stehenden Person gefahren worden, deren Namen er nicht nennen wolle. Die Antragstellerin dagegen hatte im Verlauf des Ordnungswidrigkeitenverfahrens lediglich mitgeteilt, sie werde derzeit keine Angaben zur Sache machen und bitte um Abgabe der Sache an die Staatsanwaltschaft. Aus dieser Einlassung war für die Behörde nicht ersichtlich, in welche Richtung zu ermitteln sein könnte (vgl. auch BayVGH vom 10.10.2006 Az. 11 CS 06.607). Insbesondere lag darin auch keine eindeutige Berufung auf ein Zeugnisverweigerungsrecht zum Schutze naher Angehöriger, deretwegen auf diesen Personenkreis begrenzte weitere Ermittlungen als erfolgversprechend erscheinen mussten. Die Behörde musste auch nicht ohne weiteres von sich aus davon ausgehen, dass das Fahrzeug stets nur an Familienmitglieder zur Nutzung überlassen wird. Vielmehr ist es durchaus nicht unüblich, dass ein Kraftfahrzeug auch im Freundeskreis verliehen wird. Selbst wenn man von einer Mitnutzung des Kfz nur durch Familienmitglieder hätte ausgehen müssen, hätte sich aber immer noch kein ohne weiteres überschaubarer und somit leicht ermittelbarer Personenkreis ergeben: denn nicht nur der Ehemann der Antragstellerin, sondern auch Brüder, Schwager, etc. wären als Familienmitglieder und potentielle Fahrzeugnutzer in Betracht gekommen. Außerdem waren für die Behörde durch eine Halterabfrage auch nicht ohne weiteres gesicherte Erkenntnisse darüber zu gewinnen, ob das betreffende Kfz privat oder möglicherweise auch im Rahmen der Ausübung einer Erwerbstätigkeit genutzt wurde.

3. Die Beschwerde war nach allem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG und den Empfehlungen in den Abschnitten II.1.5 Satz 1 und II.46.13 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./8. Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327).