LG Deggendorf, Urteil vom 08.10.2008 - 2 O 617/07
Fundstelle
openJur 2012, 95824
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Zahlung für die Inanspruchnahme sogenannter Mehrwertdienste.

Die Klägerin bietet den Mobilfunkdienst T an. Der Beklagte hat bei der Klägerin einen Mobilfunkvertrag abgeschlossen und eine T Karte aktivieren lassen. In den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin heißt es unter Ziff. 6.1: "Die Preise werden mit Zugang der Rechnung fällig. Eingeschlossen sind Preise für Dienste, zu denen T den Zugang vermittelt." Unter Ziff. 7 heißt es: "Erhebt der Kunde Einwendungen gegen die Höhe der in Rechnung gestellten Beträge, so hat er dies innerhalb von 8 Wochen nach Zugang der Rechnung T schriftlich anzuzeigen." Hinsichtlich der übrigen allgemeinen Geschäftsbedingungen wird auf Anlage K 5 Bezug genommen. Mit Rechnungen vom 10.10.2006, 8.11.2006, 9.12.2006, 3.1.2007 und 4.2.2007 verlangt die Klägerin vom Beklagten insgesamt einen Gesamtrechnungsbetrag von EUR 6.803,31. Insbesondere macht die Klägerin mit Rechnung vom 10.10.2006 für Leistungen der M GmbH einen Betrag von 2.388,– EUR sowie für Leistungen der C AG von EUR 0,49 geltend. Mit Rechnung vom 8.11.2006 macht sie insbesondere für Leistungen der M GmbH einen Betrag von EUR 2.994,95 und für Leistungen der m AG einen Betrag von EUR 40,93 geltend. Mit Rechnung vom 9.12.2007 macht sie insbesondere für Leistungen der M GmbH einen Betrag von EUR 624,86 geltend. Der Beklagte zahlte zunächst die Rechnungen nicht. Am 10.12.2006 sperrte die Klägerin den Anschluß und kündigte am 23.1.2007 den Mobilfunkvertrag vorzeitig. Am 15.6.2007 bat der Beklagte um Einräumung einer Ratenzahlung. Am 18.10.2007 bezahlte der Beklagte an die Klägerin EUR 779,08 auf die geltend gemachten übrigen Verbindungsentgelte. Offen sind die Beträge für die oben genannten "Mehrwertdienste".

Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe Mehrwertdienste oben erwähnter Unternehmen in Anspruch genommen, in dem er die Kurzwahlnummer 30333 angewählt habe. Die Klägerin vermutet, dabei handele es sich um den Versand einer Kurznachricht in einen Chat. Die Klägerin meint, da der Beklagte die Inanspruchnahme der Leistungen binnen 80 Tage nach Rechnungserhalt nicht beanstandet hat, trage der Beklagte dafür die Nachweispflicht, daß er die Leistungen nicht in Anspruch genommen habe. Jedenfalls müsse der Beklagte beweisen, daß er die Leistungen der bezeichneten Unternehmen nicht in Anspruch genommen habe. Sie beantragt:

Die beklagte Partei zu verurteilen, an die Klägerin EUR 6.024,23 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus EUR 6.024,23 seit dem 5.3.2007 sowie EUR 507,50 Verzugsschaden und EUR 3,80 Auskunftskosten nebst vorgerichtlichen Mahnkosten in Höhe von EUR 12,50 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, er habe die Kurzwahlnummer nicht gewählt. Ihm sei weder der Mehrwertdienstleister bekannt noch habe er mit diesem einen Vertrag geschlossen. Einen Mehrwertdienst habe er nicht in Anspruch genommen. Die aufgeführten Unternehmen seien auch keine Leistungserbringer, sondern lediglich eine technische Plattform, über welche Mehrwertdiensteanbieter ihre Leistungen erbringen könnten.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

1.

Die Klägerin begehrt die Zahlung von Mehrwertdiensten. Sie hat jedoch nicht darlegen können, einen derartigen vertraglichen Zahlungsanspruch zu haben.

Der Beklagte hat vorgerichtlich die verlangten Verbindungsentgelte bezahlt. Im Streite steht, ob die Klägerin darüberhinaus Zahlungen für die Erbringung sogenannter Mehrwertdienste verlangen kann. Derartige Leistungen werden aufgrund eines neben dem Telefondienstvertrages bestehenden weiteren Rechtsverhältnisses zwischen dem jeweiligen Erbringer der Mehrwertdienste und dem Nutzer erbracht, wobei der Mehrwertdienstvertrag die inhaltliche Seite der Dienstleistung betrifft (vergl. BGH NJW 2007, S. 438). Auch ein derartiger Vertrag setzt zwei inhaltlich korrespondierende, auf dieselbe Rechtsfolge gerichtete Willenserklärungen voraus. Das Angebot zum Abschluß eines derartigen Vertrages muß vor allem die "essentialia negotii" (allgemein dazu Staudinger/Borg, § 145 BGB, RdNr. 17) also Vertragsgegenstand, Vertragstyp, Vertragsparteien und eine evtl. zu erbringende Gegenleistung hinreichend bestimmt festlegen. Ein solches Angebot gibt der Mehrwertdiensteanbieter in der Regel durch die Bereithaltung seiner Leistung im TK/Netz in Form einer Realofferte ab. Aus dem Vortrag der Klägerin ist jedoch derartiges nicht zu entnehmen. Die Klägerin schweigt sich trotz Hinweises darüber aus, wer welche Leistung zu welchen Bedingungen angeboten haben soll. Die von der Klägerin genannten Unternehmen sind nicht die Mehrwertdienstleister, zu denen ein Vertragsverhältnis bestanden haben soll, sondern lediglich die Anbieter der technischen Schnittstellen, welche es dem Mehrwertdienstanbieter ermöglicht, seine Leistung zu erbringen. Mit dem Betreiber dieser "Plattformen" und dem Kunden des Telefonanschlusses besteht kein Vertragsverhältnis (BGH MMR 2005, S. 597). Den die Leistung anbietenden Vertragspartner hat die Klägerin dagegen nicht benannt. Wer dies konkret ist, mag zwar möglicherweise dem Kunden bei der Anwahl der bestimmten Nummer gleichgültig sein. Gleichwohl muß der Anbieter auch bei Abschluß eines auf Mehrwertdienste gerichteten Vertrages zumindest bestimmbar sein. Der Darlegung der Klägerin ist nicht zu entnehmen, ob dies der Fall war. Dem Vortrag ist auch nicht zu entnehmen, wie der Beklagte bei Anwahl der Nummer ersehen konnte, daß neben dem üblichen Verbindungsentgelt für die Versendung einer SMS von EUR 0,1034 ein weiteres Entgelt von EUR 1,99 anfällt. Es ist auch nicht vorgetragen, zu welchen Bedingungen die Mehrwertdienstleistung angeboten worden sein soll. Bis auf die bestrittene Vermutung, es habe sich um Vermittlung von SMS in einen Chat gehandelt, hat die Klägerin auch nicht den Inhalt der vertraglichen Leistung angegeben oder etwa dargelegt, daß die geschuldete Leistung auch erbracht worden sei. Der Vortrag der Klägerin ermöglicht es dem Beklagten auch nicht, Einwendungen zu erheben. Es ist dem Beklagten nicht einmal möglich zu überprüfen, ob die angeblich erbrachte Leistung gegen Strafgesetze verstößt und schon aus diesem Grunde ein Entgelt nicht gefordert werden kann.

Im übrigen verwundert der Vortrag der Klägerin, nur vermuten zu können, es ginge um die Vermittlung von SMS in einen Chat. Allein eine jedermann mögliche Recherche im Internet erbringt tiefere Erkenntnisse.

2.

13Der Beklagte ist mit den Einwendungen gegen den Abschluß eines Mehrwertdienstevertrages und gegen dessen Erfüllung nicht gem. § 16 TKV ausgeschlossen. Diese Bestimmung beschäftigt sich ausschließlich mit der technischen Erbringung der Telekommunikationsdienstleistung und verpflichtet deshalb den Anbieter im Falle von Einwendungen auch nur zu einer technischen Prüfung. Diese betrifft aber das Vertragsverhältnis und die Vertragserfüllung zwischen Mehrwertdienstanbieter und Kunden schon deshalb nicht, weil sich die Problematik des Vertragsschlusses und der Vertragserfüllung einer technischen Überprüfung entzieht. Der Teilnehmernetzbetreiber kann durchaus den Nachweis geführt haben, die Leistung technisch einwandfrei erbracht zu haben, ohne daß sich aus diesem Nachweis ergibt, wer mit wem über welche Leistung einen Vertrag geschlossen hat und die vertraglich geschuldete Leistung inhaltlich vertragsgemäß erfüllt worden ist. Diese Auslegung des § 16 TKG entspricht auch dem Verständnis des Gesetzgebers, der zum im wesentlichen inhaltsgleichen § 45 i TKG ausführt: "Die besondere Beweislastregelung des § 45 i führt nicht dazu, daß der Endnutzer Einwendungen wegen Mangelhaftigkeit der über die technische Verbindungsleistung hinausgehenden inhaltlichen Leistung verliert" (Bundestagsdrucksache 15/5213, S. 22).

3.

Eine andere Auslegung des § 16 TKV kann auch nicht mit dem Interesse an der Erhaltung der "Marktgängigkeit von Sprachkommunikationsdienstleistungen" begründet werden. Ein derartiges Interesse besteht sicherlich in Bezug auf den Betrieb und den Zugang zu einem öffentlichen Telekommunikationsnetz. Daß es darüberhinaus aber ein öffentliches Interesse daran geben soll, das wirtschaftliche Risiko der evident mißbrauchsanfälligen Mehrwertdienste dem Anschlußinhaber aufzubürden, ist allerdings nicht ersichtlich. Vielmehr würde eine derartige Risikoverlagerung die Installation eines Telefonanschlusses zu einem unkalkulierbaren wirtschaftlichen Risiko machen, welches ein Verbraucher mit durchschnittlicher Wirtschaftskraft in Anbetracht der nach oben nicht begrenzten Kosten nicht tragen könnte. Ein wirtschaftlich verantwortlich handelnder Verbraucher könnte sich mit hinreichender Sicherheit vor derartigen Forderungen nur schützen, in dem er auf einen Telefonanschluß verzichtet. Dies würde jedoch das öffentliche Interesse an einer flächendeckenden Versorgung mit Telekommunikation hintertreiben. Es ist darüberhinaus nicht ersichtlich, aus welchem Grunde der Mehrwertdienstleister gegenüber anderen Gläubigern, welche den Vertragsschluß und die vertragsgerechten Leistungen darzulegen und ggf. zu beweisen haben, privilegiert werden soll.

4.

15Die Frage, ob der Teilnehmernetzbetreiber aufgrund von AGB auch die Vergütung für die Nutzung von Mehrwertdienstangeboten als eigene Forderung geltend machen darf, wie es der BGH bei Vereinbarung entsprechender AGB bejaht, ist eine andere Frage. Sie betrifft die technische Zahlungsabwicklung, nicht aber die Frage, wie ein Anspruch entsteht und welche Einwände der Kunde gegen eine Forderung erheben kann. Jedenfalls muß sich der Teilnehmernetzbetreiber die im Verhältnis des Kunden zu dem Drittanbieter bestehenden Einwendungen entgegenhalten lassen, ohne eine abweichende Regelung wirksam treffen zu können (BGH NJW 2007, S. 438). Aus der Kombination Ziff. 6.1 der AGB der Klägerin, wonach die Fälligkeit auch die Preise für Dienste, zu denen T den Zugang vermittelt, mit Zugang der Rechnung eintritt, mit Ziff. 7 der AGB, wonach Einwendungen gegen die Höhe der in Rechnung gestellten Beträge nach 8 Wochen ausgeschlossen sind, kann sich somit ein Einwendungsverlust nicht ableiten lassen. Im übrigen kann diese Bestimmung in den AGB des Teilnehmernetzbetreibers einen Vertragsschluß mit einem Dritten, dessen Forderung beigetrieben werden soll, nicht ersetzen. Auch der Inhalt eines möglichen Vertrages zwischen dem Drittanbieter und dem Kunden ist der Regelung durch AGB der Klägerin nicht zugänglich, weil die Klägerin an diesem Vertragsverhältnis nicht beteiligt ist. Die Klägerin wird auch schwerlich mit ihren AGB jedem beliebigen unbekannten Dritten einen Zahlungsanspruch gegen ihre Kunden verschaffen wollen, durch bloßen Abdruck eines Betrages in ihren Rechnungen ohne nachgewiesenen Vertragsabschluß und nachgewiesener Vertragserfüllung. Jedenfalls braucht ein Kunde eines Teilnehmernetzbetreibers mit derartigen Bestimmungen in AGB nicht zu rechnen, wären für ihn nicht klar und verständlich und würden ihn unangemessen benachteiligen. Aus Sicht des Verbrauchers handelt es sich bei Beträgen, die das Monatsgehalt eines durchschnittlichen Verbrauchers weit übersteigen können, auch nicht um Forderungen aus Massengeschäften, bei denen im Interesse der "Marktgängigkeit von Sprachkommunikationsdienstleistungen" eine geringfügige Verschlechterung seiner Rechtspositionen hingenommen werden kann. Vielmehr kann es sich um existenzvernichtende Forderungen handeln, aus Geschäften, deren Abschluß und deren Erfüllung nicht nachgewiesen sind und nicht einmal erkennbar ist, welchen Wert die angeblich erbrachten Leistungen überhaupt haben sollen.

Der Beklagte hat den Zahlungsbetrag auch nicht anerkannt. Die Frage, ob eine Ratenzahlung möglich ist, führt schon deshalb nicht zu einem wirksamen Schuldanerkenntnis, weil die Schriftform des § 781 BGB nicht eingehalten ist. Zu einem Vergleich gem. § 779 BGB ist es nicht gekommen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.

Streitwert: EUR 6.024,23

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