LG Würzburg, Urteil vom 21.10.2008 - 14 O 1631/08
Fundstelle
openJur 2012, 95818
  • Rkr:
Tenor

1. Die einstweilige Verfügung vom 8.8.2008 wird aufgehoben, der auf ihren Erlass gerichtete Antrag wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfügungsverfahrens trägt die Verfügungsklägerin.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Verfügungsbeklagte begehrt die Aufhebung der am 7.8.2008 erlassenen einstweiligen Verfügung.

Die Verfügungsklägerin ist Inhaberin der Internetdomain "www...", unter der ein Internet- bzw. Onlineshop eingerichtet ist, in dem Angebote für Tierbedarfsartikel eingestellt sind. Der Prozessbevollmächtigte der Verfügungsklägerin war zunächst Eigentümer der Internetdomain und übertrug diese nach Eintragung der Verfügungsklägerin im Handelsregister am 30.05.2008 auf diese.

Auf der Startseite von "www..." stand am 29.7.2008 Folgendes:

"Willkommen in unserem Shop. Die auf diesen Seiten dargestellten Produkte und Preise stellen keine Angebote dar, sondern dienen lediglich der beispielhaften Veranschaulichung der Funktionen des "ePages-Shopsystems".

Die Verfügungsbeklagte vertreibt Tierbedarfsartikel, insbesondere für Katzen. Sie vertreibt diese Artikel im Wege des Onlineversandes über die Internethandelsplattform "www...".

Die Verfügungsbeklagte belehrte in ihrer Widerrufsbelehrung über den Fristbeginn des Widerrufs wie folgt:

"Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung".

Auf Antrag der Verfügungsklägerin hat das Landgericht am 8.8.2008 eine einstweilige Verfügung erlassen, in der der Verfügungsbeklagten aufgegeben wurde, es für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs über die Internethandelsplattform "www..." Tierbedarfsartikel zu verkaufen und dabei über den Beginn der Widerrufsfrist ausschließlich wie folgt zu belehren:

"Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung".

Dagegen hat die Verfügungsbeklagte Widerspruch eingelegt.

Im Zeitraum 21.07.2008 bis 29.08.2008 versandte die Verfügungsklägerin 13 Abmahnungen mit einer Kostennote von jeweils 899,40 Euro im Bundesgebiet an verschiedene Händler.

Die Verfügungsklägerin behauptet, in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis mit der Verfügungsbeklagten zu stehen. Die Verfügungsklägerin habe einen Onlineshop mit mehr als 200 Artikeln ausgestattet und werde demnächst auch einen stationären Handel begründen. Unter den angebotenen Artikeln befinden sich auch solche, die die Verfügungsbeklagte anbiete, u. a. Artikel für Katzen. Die Verfügungsklägerin ist daher der Ansicht, dass ihr ein Anspruch gegen die Beklagte auf Unterlassung zustehe. Die Abmahntätigkeit sei auch nicht rechtsmissbräuchlich, die erfolgten anderen Abmahnungen im Bundesgebiet könnten einen solchen Missbrauch nicht belegen oder auch nur nahelegen.

DieVerfügungsklägerin beantragt,

die einstweilige Verfügung aufrechtzuerhalten.

DieVerfügungsbeklagte beantragt,

auf den Widerspruch der Verfügungsbeklagten die einstweilige Verfügung vom 8.8.2008 aufzuheben.

Sie trägt im Wesentlichen vor:

Es fehle bereits an einem konkreten Wettbewerbsverhältnis. Die Verfügungsklägerin, die erst zum 30.5.2008 eingetragen wurde, habe noch zum 21.7.2008 keinen funktionsfähigen Onlineshop gehabt oder eine andere Verkaufspräsenz. Ferner habe sie kein Absatzinteresse. Dies dokumentiere auch ihre Preisgestaltung, sie verkaufe zu "Mondpreisen", die im Wettbewerb unüblich seien.

Zudem sei die Geltendmachung der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüche rechtsmissbräuchlich, da sie massivst im Bundesgebiet abgemahnt habe, allein um das Einkommen des Prozessbevollmächtigten zu steigern.

Zum Zeitpunkt der Abmahnung vom 28.7.2008 seien in den Onlineshop der Klägerin lediglich 5 Artikel eingestellt gewesen, darunter sei kein Katzenhalsband gewesen.

Die Verfügungsklägerin hat hierauf wie folgt repliziert:

Diese letztere Behauptung werde mit Nichtwissen bestritten. Zusätzlich verweist sie auf die eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Verfügungsklägerin vom 18.10.2008.

Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die einstweilige Verfügung war auf den Widerspruch der Verfügungsbeklagten hin aufzuheben. Die Verfügungsklägerin hat keinen Anspruch auf Unterlassung gemäß den § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, weil jedenfalls die Geltendmachung des erhobenen Unterlassungsanspruches unter den vorliegenden Umständen missbräuchlich i. S. d. § 8 Abs. 4 UWG ist.

Der Anspruch scheitert zwar nicht bereits an einem fehlenden konkreten Wettbewerbsverhältnis i. S. d. §§ 1, 2 UWG, da jedenfalls zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 21.10.2008 ein Onlineshop bestand, in den über 200 Artikel eingestellt waren. Die Verfügungsklägerin hat auch durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung ihres Geschäftsführers glaubhaft gemacht, dass ein stationärer Vertrieb beabsichtigt sei. Dem ist die Verfügungsbeklagte auch nicht entgegengetreten.

Allerdings ergibt sich hier aus einer Gesamtschau der vorliegenden Indizien, dass der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch missbräuchlich geltend gemacht wurde. Diese missbräuchliche Geltendmachung liegt insbesondere dann vor, wenn sachfremde Ziele – wie das Interesse, den Gegner durch möglichst hohe Prozesskosten zu belasten – als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen (vgl. BGH vom 5.10.2000, I ZR 237/98). Aus dem unstreitigen Sachverhalt ergibt sich, dass der Verfügungskläger allein im Zeitraum vom 21.7.2008 bis 29.8.2008 13 Abmahnungen vorgenommen hat mit einer Kostennote von jeweils 899,40 Euro, insgesamt also 11.692,20 Euro. Ferner ergibt sich aus dem vorgelegten Hauptverhandlungsprotokoll vor dem Landgericht Marburg, Az. 2 O 252/08 (Bl. 29 ff. d. A.), dass bis zum Zeitpunkt der dortigen mündlichen Verhandlung am 9.9.2008 ca. 20 Abmahnungen von der Verfügungsklägerin erstellt worden sind. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Verfügungsklägerin erst zum 30.5.2008 eingetragen worden ist, ergibt sich bereits aus der Zahl der Abmahnungen, dass ihre Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zu ihren behaupteten gewerblichen Tätigkeiten gestanden hat. Insofern ergibt sich aus dem Original der vorgelegten Anlage AS 1 und dem unstreitigen Vortrag der Verfügungsbeklagten, dass am 29.7.2008 auf der Startseite von ... stand:

27"Willkommen in unserem Shop. Die auf diesen Seiten dargestellten Produkte und Preise stellen keine Angebote dar, sondern dienen lediglich der beispielhaften Veranschaulichung der Funktionen des "ePages-Shopsystems".

Die Verfügungsklägerin hat in diesem Zusammenhang lediglich darauf hingewiesen, dass die von ihr vorgelegte Anlage AS 1 schlecht lesbar sei.

Darüber hinaus hat die Verfügungsbeklagte vorgetragen, dass zum Zeitpunkt der Abmahnung vom 28.7.2008 "kein Katzenhalsband und außer 5 weiteren Artikeln nichts in den Onlineshop eingestellt gewesen sei". Dem ist die Verfügungsklägerin nicht ausreichend substantiiert entgegengetreten. Sie hat diese Behauptung lediglich mit Nichtwissen bestritten. Da es sich hierbei um Tatsachen handelt, die der Verfügungsklägerin genau bekannt sein müssen, ist ein Bestreiten mit Nichtwissen hier nicht ausreichend substantiiert. Aus diesem Grund hat das Gericht auch davon abgesehen, den präsenten Zeugen ... wie von Beklagtenseite beantragt, zu vernehmen.

30Ferner hat die Verfügungsbeklagte durch Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung im Termin vom 21.10.2008 glaubhaft gemacht, dass die Verfügungsklägerin Artikel zu weit überhöhten Preisen anbiete. Die Verfügungsbeklagte führte hier beispielsweise ein Medikament für Aquaristik auf, die Verfügungsklägerin habe hierbei 8 Tabletten zu einem üblichen Preis von sonst 100 Tabletten angeboten. Ferner habe sie einen Luftbefeuchter für ein Terrarium zu einem etwa 100 % überhöhten Preis angeboten. Ein "Anti-Bell-Halsband" sei von ihr für 199,99 Euro angeboten worden. Tatsächlich regulär sei ein Preis von 119,– Euro bzw. 99,– Euro.

Die Verfügungsbeklagte übergab hierzu Bildschirmausdrucke (Anlage B 2 und B 3), in denen die von der Verfügungsbeklagten an Eides Statt versicherten Angaben über den Luftbefeuchter und das Anti-Bell-Halsband nachvollzogen werden konnten. Letztlich hat die Verfügungsbeklagte daher ausreichend glaubhaft gemacht, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Abmahnung am 28.7.2008 lediglich in einem äußerst geringen Umfang am Markt teilgenommen hat (lediglich 5 Artikel im Onlineshop der Klägerin) und dass angebotene Artikel zu einem deutlich überhöhten Preis in dem Onlineshop eingestellt waren.

32Das Gericht wertet dies als ein weiteres Indiz für ein missbräuchliches Vorgehen der Verfügungsklägerin. Angebote in einem Onlineshop, die Artikel zu völlig überhöhten Preisen anbieten, legen den Verdacht nahe, dass möglicherweise der Verkauf der Artikel nicht ernstlich beabsichtigt ist bzw. war. Jedenfalls aber ergibt sich aus der Gesamtschau der Zahl der Abmahnungen im Zeitraum Juli/August 2008, dem Umstand, dass zum 29.7.2008 im Onlineshop offensichtlich noch keine konkreten Angebote und lediglich 5 Artikel in den Onlineshop der Klägerin eingestellt waren und dem Umstand, dass jedenfalls zum Teil Artikel mit deutlich überhöhten Preisen in den Shop eingestellt waren, dass die Abmahntätigkeit aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Gewerbetreibenden lediglich dem Gebühreninteresse des beauftragten Rechtsanwaltes dienen kann. Demzufolge ist die Geltendmachung der Unterlassungsansprüche gemäß § 8 Abs. 4 UWG missbräuchlich und somit unzulässig. Ein Anspruch auf Unterlassung nach § 8 Abs. 1 UWG besteht nicht. Demzufolge war die einstweilige Verfügung aufzuheben und der darauf gerichtete Antrag zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 6 ZPO und bezieht sich auf den Kostenerstattungsanspruch der Verfügungsbeklagten. Der Vollstreckungsschutz der Verfügungsklägerin beruht auf § 711 Satz 1, 2 ZPO.

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte