Bayerischer VGH, Beschluss vom 30.10.2008 - 19 ZB 08.1376
Fundstelle
openJur 2012, 95241
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III. Der Streitwert im erstinstanzlichen Verfahren wird abgeändert und in diesem sowie dem Antragsverfahren auf jeweils 30.250,00 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag, mit dem der Kläger (Kl.) sich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 12. März 2008 wendet, in welchem seine Klage gegen den die Verlängerung seines Jagdscheins ablehnenden Bescheid vom 29. Juni 2007 und die Erteilung mehrerer Waffenbesitzkarten widerrufenden weiteren Bescheid vom 26. November 2007 abgewiesen wurde, ist gemäß § 124 a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 124 a Abs. 4 VwGO).

Der Antrag erweist sich jedoch als unbegründet.

Ob die vom Kl. behaupteten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die des Weiteren behaupteten tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 a Abs. 1 Nr. 2 VwGO), eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sowie einer Abweichung von obergerichtlicher Rechtsprechung (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) vorliegen, ist anhand der innerhalb offener Frist (§ 124 a Abs. 4 Satz 3 VwGO) vorgetragenen Gründe zu beurteilen.

1. Die vom Kl. geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils liegen, soweit sie dargelegt wurden, jedenfalls nicht vor.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit liegen nach ständiger Rechtsprechung des Senats vor, wenn aufgrund der Darlegungen im Zulassungsverfahren nach summarischer Prüfung der Erfolg der Berufung wahrscheinlicher ist als der Misserfolg, ferner dann, wenn die geltend gemachten Gesichtspunkte mit hinreichendem Gewicht gegen die Richtigkeit des Urteils sprechen bzw. schon dann, wenn einzelne tragende Tatsachenfeststellungen mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00).

Derartige gewichtige Zweifel ergeben sich nach Auffassung des Senats aus dem Vorbringen des Kl. nicht. Soweit der Kl. meint, dass es sich bei der von ihm unstreitig begangenen Straftat nach § 316 StGB (Trunkenheit im Verkehr) nicht um eine „gemeingefährliche“ Tat i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 1 b WaffG handelt, ergeben sich hieraus keine Bedenken gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils. In der obergerichtlichen und höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist geklärt (BVerwG, U.v. 17.10.1989 – 1 C 36/87 -, B.v. 19.9.1991 – 1 CB 24/91 – und B.v. 13.12.1994 – 1 C 31/92; Entscheidungen des BayVGH: B.v. 17.2.2000 – 21 ZB 99.2645 -, B.v. 30.3.2001 – 21 ZB 99.1777 -, B.v. 7.10.2005 – 19 ZB 05.2148; st.Rspr. des Senats), dass zu diesen gemeingefährlichen Taten auch die Vorschriften der § 315 ff StGB gehören. Der Gesetzgeber hat nämlich die gleichlautende Formulierung des (nunmehr) 28. Abschnitts des besonderen Teils des Strafgesetzbuches aufgegriffen und damit bewusst und ausdrücklich auf die dort genannten Straftatbestände Bezug genommen. Das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) hat nach eingehender Auseinandersetzung mit Entstehungsgeschichte und Gesetzeszweck des Waffengesetzes sowie dem Regelungsgehalt des § 316 StGB dargelegt, dass Trunkenheit im Verkehr tatsächlich eine gemeingefährliche Straftat i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 1 b WaffG darstellt. Eine Fahrzeugführung in betrunkenem Zustand stellt zweifellos eine Gemeingefahr dar, der beliebig andere Menschen, insbesondere Verkehrsteilnehmer und damit die Allgemeinheit, ausgesetzt sind. Dass § 316 StGB auch eine gemeingefährliche Straftat darstellt, wird durch die Bezugnahme auf die Tatbestandsmerkmale der §§ 315 bis 315 d StGB mit der dort genannten Gefährdung von Leib und Leben anderer deutlich. Damit ist – entgegen der Auffassung des Kl. – die Frage der Zuverlässigkeit i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 1 b WaffG sehr wohl tangiert und das Verwaltungsgericht deshalb auch zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei einer Tatbegehung nach § 316 StGB um eine gemeingefährliche Tat handelt. Dass die Tat nur fahrlässig i.S.d. § 316 Abs. 2 StGB begangen wurde, ändert an der Gemeingefährlichkeit der Tat als solcher nichts.

Das Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. ... dazu, das dem Kläger vorbehaltlos eine positive Zuverlässigkeit und Geeignetheit für den Umgang mit Waffen und darüber hinaus auch eine solche für das Führen von Kraftfahrzeugen attestiert, die abgeurteilte fahrlässige Tat deshalb eine einmalige Entgleisung darstelle, lässt ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils aufkommen. Das Gesetz stellt allein auf die Verurteilung wegen einer Straftat ab. Mit der Regelung in § 5 Abs. 2 Nr. 1 b WaffG hat der Gesetzgeber eine grundsätzliche Wertung getroffen, wonach die Begehung einer fahrlässigen gemeingefährlichen Straftat ein gewichtiges Indiz dafür ist, dass es dem Waffenbesitzer an der erforderlichen Fähigkeit oder Bereitschaft fehlt, (auch) mit Waffen gewissenhaft umzugehen. Dies entspricht gefestigter Rechtsprechung des Senats (vgl. B.v. 13.10.2005 – 19 CS 05.2394; B.v. 12.2.2007 – 19 CS 06.2178). Bei der Prüfung, ob die Regelvermutung entkräftet werden könnte, sind deshalb auch nurtatbezogeneUmstände zu berücksichtigen, so sie die abgeurteilte Verfehlung ausnahmsweise in einem derart mildem Licht erscheinen lassen könnten, dass die nach Wertung des Gesetzgebers im Regelfall begründeten Zweifel an der Zuverlässigkeit im konkreten Fall nicht gerechtfertigt sind (BVerwG vom 19.9.1991, BayVBl 1992, 217; VGH Mannheim, B.v. 13.4.2007, NJW 2007, 2346; st.Rspr. des erkennenden Senats). Dies erfordert eine Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem Tatverhalten zum Ausdruck kommt. Derartige tatbezogene Umstände ergeben sich aber weder aus dem Vortrag des Kl. noch aus dem vorgelegten Gutachten. Das Gutachten vom 24. Mai 2007 (Bl. 39 bis 45 der Jagdakte des Landratsamts) macht zum einen lediglich allgemeine Angaben dazu, dass der Kl. aufgrund der schmerzlichen Gesundheitserfahrung im Zusammenhang mit dem in alkoholisiertem Zustand verursachten Unfall seit Januar 2006 den Alkoholkonsum beendet habe, sich somit insgesamt eine gute Prognose ableiten lasse. Daraus allein kann indessen die Tat mit dem im Strafbefehl festgestellten Sachverhalt, nach welcher der Kl. mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,27 ‰ und, wie im Gutachten von Dr. ... angegeben, auf schnee- und eisglatter Straße am Verkehr teilgenommen hat, keineswegs gerechtfertigt werden oder sie in einem milderen Licht erscheinen lassen. Dementsprechend hat der Senat im Beschluss vom 5. März 2008 (19 CS 07.2786) darauf abgestellt, dass sich angesichts der gesetzgeberischen Wertung, die sich aufgrund der sich aus der Regelvermutung ergebenen Unzuverlässigkeit für einen Zeitraum von fünf Jahren seit Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung ergibt, auch aus einem Vergleich von Waffen- und Straßenverkehrsrecht mit jeweils erheblichen Gefährdungspotential keine andere Beurteilung herleiten lässt. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht vielmehr darauf abgestellt, dass es sich beim Fahrerlaubnisrecht und beim Waffenrecht um unterschiedliche Ordnungsmaterien handelt.

2. Die des Weiteren behaupteten besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegen ebenfalls nicht vor.

Die hierzu gemachten Ausführungen zur Entkräftung der Regelvermutung durch das vorgelegte Gutachten führen zu keiner anderen Beurteilung als oben unter 1. bereits dargelegt. Die vom Kl. kritisierte unterschiedliche Behandlung einer Prognoseentscheidung im Straßenverkehrsrecht und im Waffenrecht resultiert aus der gesetzgeberischen Entscheidung im Waffenrecht. Danach ist im Interesse einer gesteigerten Effektivität der Gefahrenabwehr bei Vorliegen eines Unzuverlässigkeitstatbestandes jedenfalls für den gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 b WaffG hier vorliegenden Fall ein zeitlicher Rahmen von fünf Jahren anzunehmen, innerhalb dessen von der Unzuverlässigkeit auszugehen ist. Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht auch auf die Weitergeltung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Vorliegen einer Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit hingewiesen (B.v. 21.7.2008 – 3 B 12.08 -, RdL 2008, 268). In dieser Entscheidung wird hervorgehoben, dass der in der früheren Gesetzesfassung zum Ausdruck kommende unmittelbare oder mittelbare Bezug der Straftaten zum Einsatz von Waffen ausdrücklich aufgegeben wurde und die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit nicht mehr vorrangig nach der begangenen Straftat bestimmt wird, sondern allgemein auf die Rechtsfolgenseite, nämlich die Höhe verhängten Strafe, abgestellt wird. Dass die Höhe der Bestrafung mit 60 Tagessätzen dem Regeltatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 1 b WaffG entspricht, ist aber unstreitig.

3. Soweit der Kl. eine Abweichung von der Rechtsprechung des Senats (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) geltend macht, fehlt es schon an der Wiedergabe eines Rechtssatzes, mit welchem das Verwaltungsgericht von der Entscheidung des Senats vom 5. März 2008 (19 CS 07.2786) abgewichen sein sollte. Fehlt es insoweit schon an einer Darlegung i.S.d. § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO, so hat das Verwaltungsgericht erkennbar gerade die Rechtsprechung des Senats seiner Entscheidung zugrunde gelegt, ohne dass der Kl. aber selbst diese Rechtssätze heraus- und gegenübergestellt hätte. Wenn das Ergebnis der Anwendung der vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten und vom Verwaltungsgericht übernommenen Rechtssätze zu einem vom Kl. nicht gewünschten Ergebnis geführt hat, so macht er damit letztlich allenfalls eine unrichtige Rechtsanwendung geltend. Diese stellt indessen keine Divergenz dar.

4. Die schließlich noch geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hat der Kl. ebenfalls nicht dargelegt i.S.d. § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO.

Insoweit fehlt es schon an einer Herausarbeitung einer konkreten Rechtsfrage, die einer Entscheidung im Berufungsverfahren zugeführt werden sollte und die über den Einzelfall hinaus klärungsbedürftig wäre. Soweit der Kl. darlegt, dass gegen das Verbot der Doppelbestrafung verstoßen würde, weil ein wegen einer fahrlässigen Straftat verurteilter Täter eine zusätzliche verwaltungsrechtliche Strafsanktion erhält, wäre eine sich hieraus etwa ergebende Frage nicht klärungsbedürftig. Zutreffend weist die Landesanwaltschaft Bayern darauf hin, dass der Widerruf der Waffenbesitzkarte eine Maßnahme der Gefahrenabwehr ist. Wie der Senat bereits oben dargelegt hat, handelt sich beim Fahrerlaubnisrecht und dem Waffenrecht um unterschiedliche Ordnungsmaterien. Ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung (Art. 103 Abs. 2 GG) ist damit offensichtlich nicht gegeben.

Die schließlich noch im Schriftsatz vom 4. August 2008 vorgetragene grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf die Zulassung von (weiteren) Beweisangeboten zur Widerlegung der Regelvermutung stellt ein neues Vorbringen dar, das außerhalb der am 17. Juni 2008 abgelaufenen Begründungsfrist von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) liegt und damit unbeachtlich ist.

Soweit auf weiteres Vorbringen des Kl. nicht eingegangen wurde, war es für die Entscheidung des Senats ohne Bedeutung.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 3, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Streitwertkatalog Ziffer 50.2, wonach für jede der in den Waffenbesitzkarten eingetragenen Waffen (23 Waffen) hinsichtlich der Waffenbesitzkarte auf den Regelstreitwert und für jede Waffe jeweils 750,00 € anzusetzen sind. Dementsprechend war der Streitwert im verwaltungsgerichtlichen Verfahren abzuändern.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§§ 152 Abs. 1, 158 Abs. 1 VwGO; §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).