OLG München, Urteil vom 19.08.2008 - 25 U 5752/07
Fundstelle
openJur 2012, 94342
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten zu 1 wird das Urteil des Landgerichts München I vom 29.11.2007 dahingehend abgeändert, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.

II. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 29.11.2007 wird zurückgewiesen.

III. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

[Die Urteilsgründe werden gemäß § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO durch Aufnahme der Darlegungen zu Protokoll begründet. Die Darlegungen werden dem Protokoll als Anlage beigefügt und sind dessen wesentlicher Bestandteil.]

Gründe

Das soeben verkündete Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO begründet wie folgt:

I.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen. Hinsichtlich der gestellten Anträge wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten zu 1) ist begründet. Sie führt zur Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 29.11.2007 dahingehend, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.

1. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass in erster Linie ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 1) aus der Prospekthaftung im engeren Sinne inmitten steht.

a. Der Senat folgt dem Landgericht auch darin, dass dieser Anspruch nicht bereits verjährt ist, da die Hemmungswirkung gemäß § 167 ZPO bereits mit Eingang des Mahnbescheidsantrags am 3.6.2005 beim Amtsgericht Borna eingetreten ist, weil die Zustellung noch "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO erfolgt ist (Ziffer I 6 des landgerichtlichen Urteils, Bl. 226/227 d.A.). Durch diese Regelung soll die Partei nach Einführung der Amtszustellung auch in Anwaltsprozessen vor Nachteilen durch Zustellungsverzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebes bewahrt werden, weil derartige Verzögerungen außerhalb ihres Einflussbereichs liegen. Hingegen sind der Partei Verzögerungen zuzurechnen, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter bei gewissenhafter Prozessführung hätten vermeiden können. Nach feststehender Rechtsprechung ist daher eine Klage "demnächst" zugestellt, wenn die Partei und ihr Prozessbevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtumstände alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan haben (vgl. nur BGH NJW-RR 1995, 254 unter II 2 a zu § 270 Abs. 3 ZPO a.F.). Dies ist vorliegend der Fall, da die Zustellung letztlich unter der Adresse erfolgreich war, die der Kläger von Anfang an genannt hatte. Ein nachlässiges, wenn auch nur leicht fahrlässiges Verhalten des Klägers oder seines Prozessbevollmächtigten ist nicht ersichtlich. Der Auffassung des Beklagten zu 1), die Verzögerung von sechs Wochen sei ihm nicht mehr zuzumuten (Schriftsatz vom 2.4.2008 unter Ziffer 9, Bl. 297 d.A.), ist nicht zuzustimmen, da die Rechtsprechung unter Berücksichtigung der in § 691 Abs. 2 ZPO getroffenen Wertung eine derartige Verzögerung bei vorausgegangenem Mahnbescheidsantrag selbst dann noch als bloß geringfügig ansieht, wenn sie vom Zustellungsbetreiber verursacht worden ist (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 26. Auflage, § 167 Rn 11).

b. Zu Recht hat das Landgericht den Beklagten zu 1) als haftpflichtig angesehen (Ziffer I 2 des landgerichtlichen Urteils, Bl. 223/224 d.A.).

aa. Nach gefestigter Rechtsprechung haften neben den Gründern, Initiatoren und Gestaltern der Gesellschaft - soweit sie das Management bilden oder beherrschen - als sogenannte Hintermänner ebenso alle Personen, die hinter der Gesellschaft stehen und auf ihr Geschäftsgebaren oder die Gestaltung des konkreten Modells besonderen Einfluss ausüben und deshalb Mitverantwortung tragen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie in dieser Einflussnahme nach außen in Erscheinung getreten sind oder nicht. Anknüpfungspunkt für die Haftung ist, da vertragliche oder persönliche vorvertragliche Beziehungen zur Anbahnung eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Anleger und diesem Personenkreis nicht zustande kommen, dessen Einfluss auf die Gesellschaft bei der Initiierung des in Frage stehenden Projekts. Nicht entscheidend ist, ob eine Mitwirkung unmittelbar bei der Gestaltung des Prospektes gegeben ist. Ausschlaggebend dagegen ist, ob der Prospekt mit Kenntnis des Verantwortlichen in den Verkehr gebracht worden ist. Als in diesem Sinn Verantwortliche kommen in erster Linie Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter in Betracht, weil diese die Geschicke der Initiatorengesellschaft bestimmen. In der Rechtsprechung sind auch schon mit ähnlichem Einfluss versehene Personen, etwa ein Generalbevollmächtigter und der Leiter einer für die Baubetreuung zuständigen "Planungsgemeinschaft", der Prospekthaftung unterworfen worden. Die gesellschaftsrechtliche Ausgestaltung der wahrgenommenen Funktion ist nicht ausschlaggebend, sondern der "Leitungsgruppe" können alle Personen zugerechnet werden, denen ähnliche Schlüsselfunktionen zukommen (so BGH VersR 2007, 1666 unter III 2 a; BGH NJW-RR 2006, 610).

bb. Nach den Feststellungen des Landgerichts ist die A. ProMedia GmbH & Co. 1. Filmproduktion KG, die Beteiligungsgesellschaft, im Emissionsprospekt als Prospektherausgeberin benannt. Komplementärin der Beteiligungsgesellschaft ist die A. Media Nova GmbH. Der Beklagte zu 1) war bis zum Sommer 2004 Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft. Gesellschafterin der Komplementärgesellschaft war zu 100 % die Beklagte zu 2), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 1) war und deren Anteile der Beklagte zu 1) zu 20,01 % hielt. Im Rahmen ihrer Geschäftsführertätigkeit ist die A. Media Nova GmbH für das organisatorische und künstlerische Management der Beteiligungsgesellschaft verantwortlich. Die Beklagte zu 2) ist für die Grundkonzeption der Beteiligungsgesellschaft und die Projektbegleitung verantwortlich. Die Geschäftsführertätigkeit des Beklagten zu 1) bei der Komplementärin der Beteiligungsgesellschaft und bei der Beklagten zu 2) lassen in der Gesamtschau mit der Gesellschafterstellung des Beklagten zu 1) bei der Beklagten zu 2) keine andere Beurteilung zu als die, dass der streitgegenständliche Prospekt mit Kenntnis des Beklagten zu 1) in den Verkehr gebracht worden ist. Dabei ist es unerheblich, ob der Beklagte zu 1) über Einzelheiten Bescheid wusste; es genügt die Kenntnis des Gesamtkonzeptes sowie der Ausgabe des Prospektes (vgl. BGH NJW-RR 2006, 610 unter II 2 b). An beidem kann – wie dargelegt – vorliegend kein vernünftiger Zweifel bestehen.

c. Der Senat teilt jedoch nicht die Auffassung des Landgerichts, dass der Prospekt fehlerhaft sei.

aa. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Prospekthaftungsgrundsätzen hat der Prospekt über ein Beteiligungsangebot, der für einen Beitrittsinteressenten im Allgemeinen die einzige Unterrichtungsmöglichkeit darstellt, den Anleger über alle Umstände, die für seine Entschließung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich richtig und vollständig zu unterrichten. Dazu gehört eine Aufklärung über Umstände, die den Vertragszweck vereiteln können. Ob ein Prospekt unrichtig oder unvollständig ist, ist daher nicht allein anhand der wiedergegebenen Einzeltatsachen, sondern nach dem Gesamtbild zu beurteilen, das er von den Verhältnissen des Unternehmens vermittelt. Dabei dürfen die Prospektverantwortlichen allerdings eine sorgfältige und eingehende Lektüre des Prospekts bei den Anlegern voraussetzen (vgl. nur BGH VersR 2007, 1666 unter II 1 m.w.N.).

bb. Gemessen an diesem Maßstab erweist sich der streitgegenständliche Prospekt nicht als unrichtig oder unvollständig. Der Prospekt weist bereits auf S. 6 unter "Chancen und Risiken", vor allem aber auf den Seiten 28/31 unter "Weitere Risiken der Beteiligung" umfassend auf sämtliche Risiken hin, die mit der streitgegenständlichen Kapitalanlage verbunden sind.

12cc. Dieses Gesamtbild des Prospekts wird nicht beeinflusst durch die vom Landgericht beanstandete Darstellung des Verlaufs und des Erfolgs der Vorgängerfonds A. Media 3. und 4. KG. Den Senat überzeugt die Argumentation nicht, dass ein relevanter Prospektfehler unter dem Gesichtspunkt vorliegen solle, dass der Anleger gerade bei einem sogenannten "Blind-Pool-Konzept" den Fondsbetreibern und deren Vermögen, den Fonds zum Erfolg zu führen, ein besonderes Vertrauen entgegenbringen müsse:

13Der Senat teilt bereits die Auffassung des Landgerichts nicht, dass es sich bei der fraglichen Darstellung um eine für den Anleger wichtige Angabe handelt. Es kommt ihr vielmehr der Charakter einer werbenden Anpreisung zu. Dem Landgericht ist zwar dahingehend Recht zu geben, dass die Darstellung des Erfolgs von Vorgängerfonds im Sinne einer Leistungsbilanz des Fondsbetreibers grundsätzlich für einen potentiellen Anleger ein wichtiger Gesichtspunkt für seine Anlageentscheidung sein kann. Der Prospekt stellt jedoch in seinem einleitenden Kurzhinweis auf die vorangegangenen Emissionen gerade nicht auf die handelnden Fondsbetreiber ab, sondern auf die "Chorus-Gruppe", deren Schwerpunktstätigkeit nach S. 58 des Prospekts im Vertrieb zu sehen ist. Darüber hinaus weist der Prospekt hinsichtlich der bisherigen A. Media Beteiligungsgesellschaften auf der Rückseite des Deckblattes ausdrücklich auf die teilweise unterschiedliche Konzeption der vorliegenden Filmbeteiligung hin. Gerade dieser Hinweis muss einen verständigen Anleger die Annahme oder Hoffnung verbieten, dass die im Übrigen (s.o.) zutreffend dargestellten Risiken nicht zum Tragen kommen würden, zumal der Prospekt ausdrücklich auf die konjunkturellen Einbrüche auch in der Medienbranche infolge der Terroranschläge vom 11.09.2001 hinweist (S. 3 des Prospekts).

Zu Recht weisen die Beklagten auch darauf hin, dass für eine Anlageentscheidung ca. neun Monate nach Erscheinen des Prospekts wohl kaum ein Bericht über einen positiven wirtschaftlichen Zwischenstand anderer Fonds ausschlaggebend gewesen sein kann, da auch der Kläger gerade im Hinblick auf die wirtschaftlichen Turbulenzen der Jahre 2001 und 2002 nicht von einer aktuellen Zwischenbilanz ausgehen konnte.

dd. Des Weiteren vermag sich der Senat nicht der Auffassung des Landgerichts anzuschließen, die streitgegenständliche Formulierung müsse dahingehend ausgelegt werden, dass die Behauptung aufgestellt werde, die wirtschaftliche Situation der Fondsgesellschaften A. Media 3. KG und A. Media 4. KG sei am 26.11.2001 wirtschaftlich besser gewesen als dies in den jeweiligen Emissionsprospekten als "Plan" vorgesehen gewesen sei, wobei den dargestellten "Planerlösen" die erwirtschafteten Umsatzerlöse gegenüberzustellen seien, wie sie sich aus den Jahresabschlüssen ergeben.

Aus den Emissionsprospekten der A. Media 3. und 4. KG, dort jeweils auf S. 20, ergibt sich zunächst eindeutig, dass der wirtschaftliche Erfolg der Beteiligung stets vom tatsächlich eingetretenen Einspielergebnis bzw. Verwertungserlös der ausgewählten Filmprojekte abhängt. Sodann wird deutlich herausgearbeitet, dass sich die geplanten Verwertungserlöse auf das erste, zweite und dritte auf die Produktion folgende Jahr beziehen. Dies wird auf S. 22 nochmals bestätigt. Nach Auffassung des Senats verbietet sich bei diesem Konzept für die Frage, ob eine Beteiligungsgesellschaft und damit ihre Erlöse im Plan liegen, eine exakte Zuordnung zu Kalenderjahren.

ee. Der Prospekt ist auch nicht anderweitig fehlerhaft.

Entgegen der Auffassung des Klägers war der Prospekt nicht bereits deshalb fehlerhaft, da nicht dargestellt worden sei, dass der Film "Death Watch" bereits in der Vorgängergesellschaft, der A. Media 5. KG als Koproduzentin produziert worden sei. Der Prospektfehler liegt diesbezüglich nach Auffassung des Senats bereits deshalb nicht vor, weil der Prospekt auf S. 11 darauf hinweist, dass die zur Produktion vorgesehenen Filmprojekte in der Regel zum Zeitpunkt der Beteiligung nicht fest und verbindlich vereinbart seien und es sich insofern formal um ein sogenanntes Blind-Pool-Konzept handele. Die Formulierung "in der Regel" schließt es eben gerade nicht aus, dass im Einzelfall ein Filmprojekt bereits feststeht und verbindliche Verträge geschlossen sind.

Im Übrigen ist es dem Senat nicht ersichtlich, worin die Kausalität des behaupteten Prospektfehlers für die Anlageentscheidung liegen sollte. Der Kläger hat sich an einem "Blind-Pool" beteiligt. Da er nach diesem Konzept in ihm unbekannte Filme investieren wollte, kam es ihm nicht darauf an, ob und inwieweit ein einzelnes Filmprojekt bereits vertraglich fixiert war.

Wie bereits ausgeführt wurde auch die Marktlage wurde auf S. 3 des Prospekts nicht "nachhaltig falsch beschrieben", wie sich bereits aus dem einleitenden Satz ergibt, dass auch die Medienbranche nicht von konjunkturellen Einbrüchen, insbesondere infolge der Terroranschläge vom 11.9.2001, unberührt geblieben ist.

2. Ansprüche aus der Prospekthaftung im weiteren Sinne sind bereits deshalb nicht gegeben, weil ein vom Kläger dem Beklagten zu 1 als seinem Verhandlungspartner persönlich entgegengebrachtes Vertrauen (vgl. BGHZ 83, 222 unter II 1) vorliegend nicht inmitten steht.

III.

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet und war deshalb zurückzuweisen.

1. Abgesehen davon, dass überhaupt kein Prospektfehler ersichtlich ist (vgl. oben unter II 1), wären etwaige Ansprüche des Klägers gegen die Beklagten zu 2) und 3) aus der Prospekthaftung im engeren Sinne bereits verjährt. Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in Ziffer III 1) seines Urteils (Bl. 228/229 d.A.) Bezug. Der Vortrag des Klägers in Ziffer 1) seiner Berufungsbegründung vom 6.3.2008 (Bl. 268 d.A.) führt zu keiner abweichenden Beurteilung: Zwischen den Beklagten liegt keine notwendige Streitgenossenschaft im Sinne des § 62 ZPO vor, da weder die Sachentscheidung notwendig einheitlich ergehen muss (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl., § 62 Rn 7 ff) noch der Fall einer notwendig gemeinschaftlichen Klage (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl., § 62 Rn 14) vorliegt.

2. Ansprüche aus der Prospekthaftung im weiteren Sinne scheiden aus den oben unter II 2) genannten Gründen aus.

3. Behauptete Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 264 a StGB scheitern zusätzlich am fehlenden Nachweis des Vorsatzes; der Kläger verkennt seine Darlegungs- und Beweislast (vgl. hierzu BVerfG NJW 2008, 1726).

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs.1 ZPO und der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1, 2 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO besteht. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, da keine klärungsbedürftige Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung, die höchstrichterlich noch nicht entschieden wurde, vorliegt, noch durch die Entscheidung Rechtsfragen angesprochen werden, die der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dienen.

V.

Die vom Kläger beantragte Schriftsatzfrist war nicht zu gewähren, da der Schriftsatz vom 07.08.2008 keine neuen entscheidungserheblichen Ausführungen enthält.