VG Würzburg, Urteil vom 04.08.2008 - W 7 K 08.325
Fundstelle
openJur 2012, 94102
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 16. Januar 2008 verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG zu erteilen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

I.

Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, reiste am 17. Juli 2005 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag. Diesen lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit Bescheid vom 22. Februar 2007 als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG offensichtlich nicht vorliegen, bejahte ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 4 AufenthG, verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG und drohte dem Kläger die Abschiebung in die Türkei oder in einen anderen die Einreise gestattenden oder zur Rückübernahme verpflichteten Staat an, sollte er nicht binnen einer Woche die Bundesrepublik Deutschland verlassen haben. Mit Urteil vom 17. Juli 2007, Nr. W 5 K 07.30064, rechtskräftig seit 20. August 2007 (vgl. BayVGH, Nr. 11 ZB 07.30409) wurde das Bundesamt verpflichtet, auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf die Türkei festzustellen und die Androhung der Abschiebung in die Türkei in Ziffer 4 des Bescheides aufgehoben. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

Im Laufe dieses Verfahrens ging ein Auslieferungsersuchen der Türkei bei den deutschen Behörden ein. Ein weiteres Auslieferungsersuchen der Schweiz führte zur Überstellung des Klägers dorthin. Von dort reiste er nach Beendigung des Verfahrens wieder nach Deutschland ein und ist seit 5. April 2007 im Besitz von Duldungen. Die Auslieferung in die Türkei wurde vom OLG Bamberg als unzulässig angesehen.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 29. August 2007 ließ der Kläger eine Aufenthaltserlaubnis beantragen. Da bei ihm die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG vorlägen, sei ihm eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG zu erteilen. Hinzu komme, dass er sich in nervenärztlicher und psychotherapeutischer Behandlung befinde und diese voraussichtlich länger als ein Jahr dauern werde. Nach Anhörung des Klägers lehnte die Beklagte mitBescheid vom 16. Januar 2008diesen Antrag ab. Beim Kläger lägen die Voraussetzungen des § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vor. Er sei über Jahre hinweg Mitglied der PKK gewesen, die eine terroristische Vereinigung darstelle. Er sei als stellvertretender Befehlsinhaber einer Guerilla-Einheit mit Führungsaufgaben in der PKK betraut gewesen. Aus diesem Grund sei auch in seinem Asylverfahren das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 AufenthG bejaht und festgestellt worden, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG offensichtlich nicht vorlägen. Auch eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG komme vorliegend nicht in Betracht, da § 25 Abs. 3 AufenthG die speziellere Regelung darstelle. Es würde der Gesetzessystematik widersprechen, wenn die Versagung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG durch Rückgriff auf die allgemeinere Regelung des § 25 Abs. 5 AufenthG unterlaufen werden könnte. Selbst dann, wenn man die Anwendbarkeit von § 25 Abs. 5 AufenthG bejahen würde, wäre jedoch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aufgrund dieser Regelung ausgeschlossen, weil der Asylantrag des Klägers als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sei und ihm somit nach § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vor Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden dürfe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieses Bescheides Bezug genommen.

II.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 16. Januar 2008 ließ der Kläger Klage gegen diesen Bescheid erheben. Er habe einen Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG, denn die Gründe des § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG lägen nicht vor. Er sei zwar Mitglied der PKK gewesen, habe sich jedoch zu keinem Zeitpunkt an Gewalttaten beteiligt. Die von der PKK befürworteten oder verübten Gewalttaten dürften ihm daher nicht zugerechnet werden. Denn für die Versagung der Aufenthaltserlaubnis sei vorauszusetzen, dass zusätzlich zur Mitgliedschaft schwerwiegende Gründe für die Annahme sprächen, dass der Kläger eine unmittelbare Verantwortung für die Tat gehabt habe oder selbst aktiv beteiligt gewesen sei. Dafür seien konkrete Anzeichen erforderlich. Diese seien jedoch nicht ersichtlich. Der Kläger sei lediglich für die politische Schulung innerhalb des politischen Flügels der PKK zuständig gewesen. Dieser Flügel sei vom militärischen Flügel unabhängig. Die Schulungstätigkeit des Klägers habe so ausgesehen, dass er auf Versammlungen Vorträge über die kurdische Geschichte und Ideologie gehalten habe. In seiner Anhörung im Asylverfahren habe er angegeben, dass er 1992 „in der Gruppe der Funktionäre der örtlichen Organisation“ in D… gewesen sei. Seine angebliche Führungstätigkeit habe sich in Wahrheit nur auf eine relativ unbedeutende Tätigkeit in einer kleinen lokalen Gruppe der PKK beschränkt. Insbesondere sei er nicht stellvertretender Befehlshaber einer Guerilla-Einheit und als solcher mit Führungsaufgaben betraut gewesen. Jedenfalls reiche die bloße Mitgliedschaft bei der PKK nicht aus, um die Annahme der Voraussetzungen des § 25 Abs. 3 Sätze 2a, b und c AufenthG zu begründen. Nach Art. 25 der UN-Charta, Resolution 1373 (2001) vom 28. September 2001, Nr. 3f sei der Ausschluss vom Flüchtlingsstatus ausdrücklich auf die „Planung, Erleichterung oder Beteiligung an terroristischen Handlungen“ bezogen, setze also eine an äußere Handlungsformen anknüpfende individuelle Zurechnungskategorie voraus. Dies sei beim Kläger jedoch eindeutig nicht der Fall. Das Bundesverfassungsgericht habe entschieden, dass „Schutzversagung nach § 25 Abs. 3 AufenthG nicht erlaubt“ sei, wenn konkrete Aktivitäten zur Umsetzung der Einsicht, dass die kurdischen Provinzen mit Gewalt losgelöst werden müssten, - wie beim Kläger - nicht festgestellt werden könnten. Auch lasse die Beklagte die Tatsache unberücksichtigt, dass die Mitgliedschaft des Klägers bereits 15 Jahre zurück liege. Dies reiche nicht aus, um eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzunehmen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten lägen auch die Voraussetzungen des § 25 Abs. 5 AufenthG vor. Hierbei handele es sich um eine eigenständige Anspruchsgrundlage. Die Ausreise des Klägers sei rechtlich unmöglich, da seine Abschiebung in die Türkei verboten sei. Die Abschiebung sei auch aus tatsächlichen Gründen unmöglich, da der Kläger dauerhaft krank sei und sich in nervenärztlicher Behandlung befinde, die voraussichtlich mindestens ein Jahr dauern werde. Er befinde sich in einem speziellen Behandlungszentrum für Folteropfer und politisch Verfolgte in …. Diese Behandlung werde

voraussichtlich mehrere Jahre dauern. Wegen der weiteren Einzelheiten der Klagebegründung wird auf die Klageschrift und die Schriftsätze der Klägerbevollmächtigten vom 30. Januar und 18. Februar 2008 Bezug genommen.

Der Kläger lässt beantragen,

die Beklagte zu verpflichten, ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Januar 2008 eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, hilfsweise über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Auf die Schriftsätze vom 22. Januar und 6. Februar 2008 wird Bezug genommen.

Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 6. August 2008 wird ergänzend verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet, da der Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 2008 rechtswidrig ist und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Die Beklagte ist verpflichtet, ihm eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG zu erteilen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG soll einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn die Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG vorliegen. Die Aufenthaltserlaubnis wird nach Satz 2 nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist (Fall 1), der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt (Fall 2) oder (Fallgruppe 3) schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer (a) ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit i.S. der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, (b) eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat, (c) sich Handlungen zu Schulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und in Art. 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder (d) eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.

Beim Kläger wurde durch rechtskräftigen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. August 2007 festgestellt, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich der Türkei vorliegt. Der Kläger hat somit einen Regelanspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis, wenn die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG und kein Ausschlussgrund des § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vorliegen.

Ein solcher kommt vorliegend allenfalls nach dessen Fallgruppe 3 in Betracht.

§ 25 Abs. 3 Satz 2 Fallgruppe 3 AufenthG ist – ebenso wie § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG und § 3 Abs. 2 AsylVfG – den Ausschlussklauseln des Art. 1 F der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und des Art. 17 der Richtlinie 2004/83/ EG des Rates über Mindestnahmen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes – Qualifikationsrichtlinie – (QualRL) nachgebildet und stellt deren Umsetzung in nationales Recht dar. Danach sollen Ausländer, die des internationalen Flüchtlingsschutzes für unwürdig erachtet werden, aus der Gruppe der aufenthaltsberechtigten Flüchtlinge ausgeschlossen werden. Dabei hat der Gesetzgeber die Ausschlussgründe a) und c) wörtlich und den Ausschlussgrund b) des § 25 Abs. 3 Satz 2 Fallgruppe 3 AufenthG ohne Beschränkung auf eine Auslandsstraftat aus Art. 1 F GFK übernommen. Diese Tatbestände sind daher völkerrechtskonform auszulegen. Dabei sind die Empfehlungen des UNHCR im Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft (Genf, September 1979, Neuauflage UNHCR Österreich, Dezember 2003) und die „Richtlinien zum internationalen Schutz: Anwendung der Ausschlussklauseln: Artikel 1 F des Abkommens von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge“ vom 4. September 2003, HCR/GIP/03/05, als maßgebliche Auslegungshilfe heranzuziehen. Zwar entfalten diese keine rechtliche Bindung, sie stellen aber regelmäßig eine beachtliche Rechtsauffassung zur Auslegung der GFK dar (vgl. BVerfG v. 12.3.2008, 2 BvR 378/05, InfAuslR 2008, 263). Zu den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus der Genfer Flüchtlingskonvention gehört nach Art. 35 GFK auch die Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit dem UNHCR (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen v. 27.3.2007, 8 A 4728/05.A –juris-). Unter Beachtung dieser Auslegungskriterien gilt Folgendes:

Der Ausschlussgrund des § 25 Abs. 3 Satz 2a AufenthG liegt nicht vor. Voraussetzung hierfür wäre, dass schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigten, dass der Kläger ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit i.S. der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen. Dieser Ausschlussgrund entspricht wörtlich Art. 1 F a GFK und Art. 17 Abs. 1a QualRL. Solche Verbrechen sind etwa in der Charta des Internationalen Militärtribunals (abgedruckt als Anhang V des UNHCR-Handbuchs über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft) zusammengestellt. Ferner fallen hierunter Taten, die nach dem Völkerstrafgesetzbuch – VStGB – vom 26. Juni 2002, BGBl. I 2002, 2254, strafbar sind. Straftaten gegen das Völkerrecht sind Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Die dem Kläger vorgeworfenen Straftaten fallen hierunter nicht. Voraussetzung für den Vorwurf des Völkermords ist die Absicht, eine nationale, rassische, religiöse oder ethnische Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören. Als Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7 Abs. 1 VStGB werden Taten bezeichnet, die im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung stattfinden. Die Mitgliedschaft des Klägers im politischen Flügel der PKK zählt hier jedoch ebenso wenig wie die der Verurteilung des Klägers in der Türkei zugrunde liegende Tat.

Aus den gleichen Gründen scheidet auch der Ausschlussgrund c) aus, der Handlungen voraussetzt, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel unter den Art. 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen. Dieser Ausschlussgrund betrifft Verbrechen, die den Weltfrieden, die internationale Sicherheit und die friedlichen Beziehungen zwischen den Staaten erschüttern können sowie schwere und anhaltende Menschenrechtsverletzungen. Nach Sinn und Zweck der Charta der Vereinten Nationen ist die Vorschrift nur auf Personen anwendbar, die friedensgefährdend agieren und eine entsprechende Machtposition besitzen. Dafür kommen z.B. Regierungsmitglieder, hochrangige Militärangehörige oder Guerillaführer in Betracht (vgl. UNHCR-Richtlinien zum internationalen Schutz, Nr. 17; Hinweise des Bayerischen Staatsministeriums des Innern zum AufenthG, RdNr. 143). Eine derart hochrangige Position hatte der Kläger jedoch nicht inne.

In Betracht kommt allenfalls der Ausschlussgrund des § 25 Abs. 3 Satz 2b AufenthG. Denn vorliegend rechtfertigen wohl schwerwiegende Gründe die Annahme, dass der Kläger eine Straftat von erheblicher Bedeutung i.S. von § 25 Abs. 3 Satz 2b AufenthG begangen hat. Dazu gehören auch im Ausland begangene Straftaten (hierzu ausführlich VG Münster vom 24.06.2008 – 8 K 137/06 - juris –). Dabei ist jedoch nicht auf den der Verurteilung des Klägers in der Türkei zugrunde gelegten Sachverhalt abzustellen, da diese Urteile nicht in einem fairen, dem Art. 6 EMRK genügenden Verfahren zustande gekommen sind. Dem Geständnis des Klägers, das u.a. diesen Entscheidungen zugrunde gelegt wurde, gingen über einen längeren Zeitraum durchgeführte Folterungen voraus, ferner war an den Prozessen ein Militärrichter beteiligt.

Der Kläger hat jedoch stets eingeräumt, dass er Mitglied des politischen Flügels der PKK, also einer Terrororganisation war und in diesem Rahmen für die politische (ideologische) Schulung und Propaganda zuständig gewesen ist. Bereits diese Tätigkeit stellt eine Straftat von erheblicher Bedeutung i.S. von § 25 Abs. 3 Satz 2b AufenthG dar. Für die Annahme einer Straftat von erheblicher Bedeutung genügt es nämlich bereits, dass im Falle einer Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation den Mitgliedern bewusst ist, dass es bei der Verfolgung der Pläne ihrer Vereinigung zur Begehung schwerer Verbrechen kommen kann und sie dies auch wollen. Das Tatbestandsmerkmal der mitgliedschaftlichen Beteiligung ist erfüllt, wenn sich der Betreffende unter Eingliederung in die Organisation deren Willen unterordnet und eine Tätigkeit zur Förderung der kriminellen Ziele der Vereinigung entfaltet. Jede Tätigkeit ist als Unterstützung anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der terroristischen Vereinigung auswirkt und damit ihr Gefährdungspotential stärkt (vgl. BVerwG v. 15.03.2005 – 1 C 26/03). Die PKK ist eine terroristische Organisation. Seine Mitgliedschaft in deren politischen Flügel und die Wahrnehmung von Aufgaben der ideologischen Schulung der anderen Mitglieder zeigen, dass der Kläger sich die Ziele der PKK zu Eigen gemacht hat. Dabei war dem Kläger bewusst, dass die PKK Misshandlungen, Folterungen und Tötungen als Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele einsetzt. Durch seine Schulungstätigkeit hat er die anderen Mitglieder nicht nur mit den Zielen, sondern auch mit den Methoden zu deren Erreichung vertraut gemacht. Der Kläger muss sich daher solche Handlungen der PKK zurechnen lassen, selbst wenn er persönlich nicht Täter von Gewalttaten gewesen sein sollte. Problematisch könnte jedoch sein, dass die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland erst 2002 in Deutschland unter Strafe gestellt wurde, so dass zweifelhaft ist, ob diese Wertung ohne Weiteres auf das Verhalten des Klägers vor diesem Zeitpunkt übertragen werden kann. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen. Denn allein, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung in der Vergangenheit begangen worden ist, rechtfertigt im Fall des Klägers noch nicht den Ausschluss von der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Satz 2b AufenthG.

§ 25 Abs. 3 AufenthG ist nämlich als Umsetzung völkerrechtlicher und europarechtlicher Vorschriften in nationales Recht entsprechend auszulegen. Nach den Auslegungskriterien des UNHCR (Handbuch Nr. 151), die auch bei der Ausschlussklausel des § 25 Abs. 3 Satz 2 Fallgruppe 3 AufenthG heranzuziehen sind, ist Ziel und Zweck von Art. 1 F GFK, die Bevölkerung des Aufnahmelandes vor der Gefahr zu schützen, die mit der Aufnahme eines Flüchtlings, der ein schweres nicht politisches Verbrechen begangen hat, entstehen könnte. Daraus folgt aber, dass von dem Ausländer nach wie vor eine entsprechende Gefahr ausgehen müsste. Dies ist beim Kläger jedoch nicht der Fall: Zum einen hat er sich nach seinen Angaben bereits 1999 von der PKK gelöst. Gegenteiliges wurde von den Behörden nicht vorgetragen, vielmehr wurden nur Vermutungen geäußert, dies sei nicht glaubhaft. Auch ein Anruf aus dem Bayerischen Staatsministerium des Innern bei der Beklagten, der Kläger sei „sehr gefährlich“ (vgl. Bl. 144 der Behördenakten), wird nicht begründet. Auch aus Art. 24 Abs. 2 QualRL folgt nichts anderes. Danach stellen die Mitgliedsstaaten Personen, denen wie dem Kläger der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens ein Jahr gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dem entgegen stehen. Dies setzt aber ebenfalls eine andauernde Gefährlichkeit voraus.

Der Kläger stellt jedoch insbesondere aufgrund seiner Erkrankungen derzeit keine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland dar. Wie sich aus der psychologischen Stellungnahme des D… K… vom Verein Xenion – psychosoziale Hilfen für politisch Verfolgte – vom 31. Juli 2008 ergibt, leidet der Kläger unter einer chronifizierten posttraumatischen Belastungsstörung und einer schweren depressiven Episode mit starken suizidalen Neigungen, die voraussichtlich zeitlebens Beeinträchtigungen seiner Gesundheit bedingen. Der Kläger werde mindestens noch ein Jahr psychotherapeutisch behandelt werden müssen. Er werde Beeinträchtigungen seiner allgemeinen Leistungs- und Belastungsfähigkeit zurückbehalten, da die Störung bereits chronifiziert sei.

Diese fehlende Gefährlichkeit schließt aufgrund der erforderlichen völkerrechtskonformen Auslegung des § 25 Abs. 3 Satz 2 Fallgruppe 3 AufenthG die Anwendung des Ausschlusstatbestandes b aus. Daher kommt auch Buchstabe d des § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG nicht in Betracht, wonach durch den Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland vorliegen muss.

Die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen liegen vor. Gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist in den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels u.a. nach § 25 Abs. 3 von der Anwendung der Abs. 1 und 2 abzusehen. Gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ist jedoch die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu versagen, wenn einer der Ausweisungsgründe nach § 54 Nr. 5 oder 5a vorliegt. Nach § 54 Nr. 5 AufenthG wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat; auf zurückliegende Mitgliedschaften oder Unterstützungshandlungen kann die Ausweisung nur gestützt werden, soweit diese eine gegenwärtige Gefährlichkeit begründen. Wie oben dargelegt, geht derzeit jedoch keine Gefahr vom Kläger aus.

Auch der Ausweisungsgrund des § 54 Nr. 5a AufenthG liegt ersichtlich nicht vor, da der Kläger weder die freiheitlich demokratische Grundordnung noch die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet noch sich bei der Verfolgung politischer Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft oder damit droht. § 54 Nr. 5a AufenthG stellt ausschließlich auf gegenwärtige Gefährdungshandlungen ab.

§ 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG steht der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ebenfalls nicht entgegen, da der Kläger die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG erfüllt.

Die Ausländerbehörde hat das Beteiligungserfordernis des § 72 Abs. 2 Fallgruppe 2 AufenthG gewahrt. Eine Bindungswirkung tritt durch die Auffassung des Bundesamtes, das Bejahen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 AufenthG schließe stets die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus, nicht ein. Gemäß § 42 Satz 1 AsylVfG ist die Ausländerbehörde an die Entscheidung des Bundesamtes oder des Verwaltungsgerichts über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 5 oder Abs. 7 (nicht aber des § 60 Abs. 8!) AufenthG gebunden. Die Ausländerbehörde hat somit die Voraussetzungen der Fallgruppe 3 des § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eigenständig - allerdings unter Beteiligung des Bundesamtes - zu prüfen. § 60 Abs. 8 AufenthG schließt ausschließlich die Anerkennung als Asylberechtigter und Konventionsflüchtling aus und damit die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 1 und 2 AufenthG, nicht jedoch Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG. Wäre dies der Fall, wäre die Ausschlussklausel des § 25 Abs. 3 Satz 2 Fallgruppe 3 überflüssig. Insbesondere die Zusammenschau der Vorschriften des § 25 Abs. 3 Satz 2 Buchstaben a) bis d), des § 60 Abs. 8 AufenthG und des § 3 Abs. 2 AsylVfG und der Umstand, dass diese die Umsetzung von Art. 1 GFK und Art. 17 und 24 QualRL in nationales Recht darstellen, legen diese Auslegung nahe. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Aufenthalt des Klägers ohnehin nicht beendet werden kann, solange ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG besteht. Kettenduldungen sollen aber gerade durch die Regelungen des § 25 AufenthG vermieden werden.

Zweifeln, ob der Kläger dauerhaft keine Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland darstellt, kann dadurch Rechnung getragen werden, dass ihm gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 AufenthG die Aufenthaltserlaubnis zunächst nur für ein Jahr erteilt wird und dann die Voraussetzungen erneut überprüft werden. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung hat der Kläger jedenfalls einen Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit dieser Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

Beschluss

Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG).