VG Würzburg, Beschluss vom 13.08.2008 - W 2 E 08.1768
Fundstelle
openJur 2012, 93993
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Die Antragsteller haben gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller sind die Eltern ihrer am ... 2003 geborenen Tochter …. Die Parteien streiten um deren Schulpflicht für das Schuljahr 2008/2009.

Im Rahmen der allgemeinen Schuleinschreibung beantragten die Antragsteller am 23. April 2008 bei der Grundschule Frickenhausen die vorzeitige Einschulung ihrer Tochter ... zum Schuljahr 2008/2009. Dies begründeten sie mit Schreiben vom 26. Juni 2008 damit, ihre Tochter verfüge über im Einzelnen aufgeführte körperliche, soziale und geistige Fähigkeiten, um mit Erfolg am Unterricht teilnehmen zu können.

Das daraufhin eingeholte schulpsychologische Gutachten der Schulpsychologin W. der Staatlichen Schulämter in Stadt und Landkreis Würzburg vom 5. Juli 2008 konnte aus schulpsychologischer Sicht eine Einschulung der Tochter der Antragsteller zum Schuljahr 2008/2009 nicht befürworten.

Mit Bescheid vom 15. Juli 2008 lehnte die Schulleiterin der Volksschule Frickenhausen den Antrag der Antragsteller auf Aufnahme ihrer Tochter in die Volksschule ab. Dies wurde damit begründet, es seien viele Faktoren, die für einen längerfristig erfolgreichen Schulbesuch unter Beibehaltung des seelischen Wohlbefindens nötig seien, noch nicht genügend ausgebildet. Gerade bei frühzeitig einzuschulenden Kindern müssten Schulfähigkeit und Schulbereitschaft in besonderem Maße vorhanden sein.

Am 28. Juli 2008 erhoben die Antragsteller im Verfahren Az. W 2 K 08.1767 Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg mit dem Ziel, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Juli 2008 zu verpflichten, dem Antrag auf vorzeitige Aufnahme ihrer Tochter in die Volksschule Frickenhausen stattzugeben.

Zugleich beantragten sie im vorliegenden Verfahren gemäß § 123 VwGO,

den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, ihre Tochter ... in die Volksschule Frickenhausen am Main aufzunehmen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, ihre am ... 2003 geborene Tochter besuche seit drei Jahren den Kindergarten. Sie wolle mit ihren Freundinnen zusammen ab September die Volksschule besuchen. Im Vergleich zu den anderen Vorschulkindern stehe sie auf einem durchschnittlichen Leistungsniveau. Sie habe das komplette Vorschulprogramm im Kindergarten mit Erfolg absolviert. Diesbezügliche Mängel seien bis Mai 2008 behoben worden. Die Tochter nehme an der Sprachtherapie einer Logopädin mit Erfolg teil. Der Kinderarzt habe mitgeteilt, dass die motorischen Fähigkeiten des Kindes beim Zeichnen von Formen und Figuren im Vergleich zu älteren Kindern besser seien. Auch Frau Dr. med. W. habe keinerlei Bedenken gegen eine vorzeitige Einschulung. Die Englisch-Lehrerin Frau B. habe auf außergewöhnliches Engagement des Kindes im Unterricht hingewiesen. Die Tochter der Antragsteller sei begeistert vom Turnunterricht und könne sich in die große Turngruppe einfügen. Ein am 7. Juli 2008 durchgeführter Test zur kognitiven Schulfähigkeit habe ergeben, dass sich die Tochter der Antragsteller völlig im Mittelfeld der anderen Vorschulkinder bewege. Die für das Kind zuständige Tagesmutter beurteile deren körperliche, kognitive und soziale Fähigkeiten als auf einem durchschnittlichen Niveau im Vergleich zu anderen Vorschulkindern liegend. Die Antragsteller erzögen ihre Tochter zweisprachig (Deutsch/Englisch).

Die Schulpsychologin habe im Verlauf des einstündigen Testes keinen richtigen Zugang zum Kind finden können. ... sei insgesamt nur zwei Monate jünger als ein normal schulpflichtiges Kind. Der Gesetzgeber habe eine weitere Senkung des Alters für den Beginn der Schulpflicht bis zum 31. Dezember eines jeden Jahres vorgesehen.

Im Übrigen nahmen die Antragsteller detailliert Stellung zu einzelnen Begründungen des angegriffenen Bescheides und zu den Aussagen des schulpsychologischen Gutachtens vom 5. Juli 2008.

Der Antragsgegner beantragte,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung wurde auf den angegriffenen Bescheid Bezug genommen. Darüber hinaus wurden weitere Beobachtungsergebnisse im Rahmen der Schuleinschreibung am 23. April 2008 und ihm Rahmen des Unterrichtsbesuchs der Vorschüler am 8. Juli 2008 geschildert.

Im Übrigen wird auf das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Parteien sowie auf den Inhalt der einschlägigen Verwaltungsakten des Antragsgegners sowie die Gerichtsakte W 2 K 08.1767, welche Gegenstand des Verfahrens waren, Bezug genommen.

II.

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist das Begehren der Antragsteller, den Antragsgegner im Rahmen des § 123 VwGO vorläufig zu verpflichten, ihre Tochter ... in die Volksschule Frickenhausen am Main aufzunehmen.

Dieser Antrag kann keinen Erfolg haben.

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern, aus anderen Gründen nötig erscheint (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Wegen der Eilbedürftigkeit des Anordnungsverfahrens sind die Anforderungen an das Beweismaß und somit auch an den Umfang der Ermittlung von Sach- und Rechtslage geringer als im Hauptsacheverfahren. Es genügt eine nur summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage (Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 123 RdNr. 87 m.w.N.).

Welche Mittel der Glaubhaftmachung herangezogen werden, entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung von Erkenntniswert und Erreichbarkeit der Mittel sowie der Eilbedürftigkeit der Entscheidung. Je mehr dem Antragsteller schwere, nicht wieder gut zu machende Nachteile drohen, umso eingehender muss die Sach- und Rechtslage geprüft werden (Puttler, a.a.O., RdNrn. 93 und 94). Nur dann, wenn das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft sind, kann eine einstweilige Anordnung erlassen werden. In dieser Hinsicht besteht für eine Interessenabwägung kein Raum (Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 123 RdNr. 23).

Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob die Tochter der Antragsteller zum Schuljahr 2008/2009 schulpflichtig wird und in die Volksschule Frickenhausen am Main aufgenommen werden kann. Da der Unterricht in diesem Schuljahr am Dienstag, 16. September 2008, beginnt, ist der erforderliche Anordnungsgrund, nämlich die Eilbedürftigkeit einer Entscheidung, glaubhaft. Denn wenn den Antragstellern tatsächlich ein Anspruch auf Aufnahme ihrer Tochter in die Volksschule Frickenhausen zustünde, wäre ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung unzumutbar, denn das Schuljahr 2008/2009 wäre in diesem Fall schon so weit fortgeschritten, dass eine Aufnahme in die 1. Jahrgangsstufe in diesem Schuljahr sinnlos geworden wäre.

Allerdings ist für das Gericht auf der Grundlage des Vorbringens der Antragsteller und der vorgelegten Behördenunterlagen kein Anordnungsanspruch glaubhaft, nämlich das tatsächliche Vorliegen eines Anspruches darauf, der Tochter der Antragsteller auf deren Antrag hin die Schulpflichtigkeit zuzuerkennen und sie zum Schuljahr 2008/2009 in die Volksschule Frickenhausen aufzunehmen.

Dies ergibt sich aus Folgendem:

Gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen i.d.F. der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl. S. 414, berichtigt S. 632), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. Juli 2006 (GVBl. S. 397) – BayEUG – werden mit Beginn des Schuljahres 2008/2009 u.a. alle Kinder schulpflichtig, die bis zum 31. Oktober 2008 sechs Jahre alt werden. Nach Art. 37 Abs. 1 Satz 2 BayEUG wird ferner auf Antrag der Erziehungsberechtigten ein Kind schulpflichtig, wenn aufgrund der körperlichen, sozialen und geistigen Entwicklung zu erwarten ist, dass das Kind mit Erfolg am Unterricht teilnehmen wird. Ein schulpsychologisches Gutachten ist erforderlich, wenn das Kind nach dem 31. Dezember 2008 sechs Jahre alt wird.

Auf der Grundlage dieser rechtlichen Vorschriften ist der Bescheid des Antragsgegners vom 15. Juli 2008 nicht zu beanstanden. Es ist nicht glaubhaft, dass den Antragstellern ein Anspruch im Rahmen des Art. 37 Abs. 1 Satz 2 BayEUG zusteht.

Voraussetzung für die vorzeitige Einschulung gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 2 BayEUG ist neben dem entsprechenden Antrag der Erziehungsberechtigten die Erwartung, dass das Kind aufgrund seiner körperlichen, sozialen und geistigen Entwicklung mit Erfolg am Unterricht teilnehmen wird. Diese Erwartung muss durch ein schulpsychologisches Gutachten untermauert werden (vgl. Amberg/Falckenberg/Stahl, Das Schulwesen in Bayern, Kommentar, Stand: 01.05.2008, Ziffer 11.37, zu § 37 BayEUG, RdNr. 2). Die Entscheidung über die Aufnahme in die öffentliche Volksschule trifft die Schulleitung (§ 2 Abs. 4 Satz 1 der Schulordnung für die Volksschulen in Bayern vom 23.07.1998 [GVBl. S. 516, berichtigt S. 917], zuletzt geändert durch VO vom 01.09.2005 [GVBl. S. 479], – Volksschulordnung [VSO] –).

Die Entscheidung über die Schulreife eines Kindes darf aber nicht ausschließlich von dem Ergebnis des schulpsychologischen Gutachtens abhängig gemacht werden. Vielmehr hat der Schulleiter die Pflicht, sich gegebenenfalls selbst ein Bild von dem betreffenden Kind zu machen (Niehues/Rux, Schul- und Prüfungsrecht, Bd. 1, Schulrecht, 4. Aufl., RdNrn. 197 bis 199). Dabei darf sich der Schulleiter auch anderer Lehrer der Schule als Hilfskräfte bedienen. Kommt der Schulleiter danach zu dem Ergebnis, dass einem Kind die für den Schulbesuch nötige Reife fehlt, so kann und muss er den Antrag auf vorzeitige Einschulung abweisen.

Bei dieser Entscheidung kommt dem Schulleiter ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Ein solcher Beurteilungsspielraum ist dann anzunehmen, wenn nach dem Zusammenhang oder dem offensichtlichen Sinn und Zweck einer Regelung die Zuordnung des Einzelfalls zu einem unbestimmten Rechtsbegriff erforderlich ist und das Gesetz diese Zuordnung der Behörde überträgt (Kopp/Schenke, VwGO, Komm., 15. Aufl., § 114 RdNr. 24). Ob ein derartiger unbestimmter Rechtsbegriff gegeben ist, ist im Einzelfall durch Auslegung, insbesondere auch aus dem Sinn und Zweck der anwendbaren materiellen Vorschriften zu ermitteln. Anhaltspunkt für das Vorliegen unbestimmter Rechtsbegriffe und damit für einen Beurteilungsspielraum ist z.B. die besondere Qualifikation der mit der Beurteilung beauftragten Amtsträger oder die Maßgeblichkeit von persönlichen Erfahrungen und Eindrücken (Kopp/Schenke, a.a.O., RdNr. 24a).

Besteht ein derartiger Beurteilungsspielraum, darf das Gericht seine eigene Beurteilung nicht an die Stelle der Beurteilung der Behörde setzen. Vielmehr darf das Gericht nur prüfen, ob die Verwaltung die gesetzlichen Grenzen eingehalten und von ihrer Ermächtigung deren Zweck entsprechenden Gebrauch gemacht hat (Kopp/Schenke, a.a.O., RdNr. 23). Dies bedeutet, dass das Gericht nur überprüfen darf, ob die Behörde das Recht des Bürgers auf sorgfältige Ermittlung, Berücksichtigung und gerechte Abwägung aller nach dem Zweck der Ermächtigung für den Verwaltungsakt relevanten Gesichtspunkte beachtet hat (Kopp/Schenke, a.a.O., § 42 RdNr. 91 m.w.N.).

Im vorliegenden Fall besteht für den zur Entscheidung berufenen Schulleiter ein derartiger gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum. Bei der Beantwortung der Frage, ob ein Kind aufgrund seiner körperlichen, sozialen und geistigen Entwicklung mit Erfolg am Unterricht teilnehmen wird, kommt es auf besondere Sachkenntnisse des Schulleiters an. Hinzu tritt das Erfordernis, das Kind und seine Fähigkeiten persönlich oder mittels Hilfskräften einzuschätzen. Vor allem schreibt Art. 37 Abs. 1 Satz 2 BayEUG aber ein schulpsychologisches Gutachten vor. All dies macht deutlich, dass das Gesetz dem Entscheidungsträger einen Beurteilungsspielraum zuweist.

Diesen Beurteilungsspielraum hat die Leiterin der Volksschule Frickenhausen am Main sachgerecht ausgefüllt. Sie hat alle für die Entscheidung relevanten Gesichtspunkte ermittelt, sie sachgerecht gewichtet und ordnungsgemäß abgewogen. Dies ergibt sich aus der Begründung des angegriffenen Bescheides vom 15. Juli 2008.

Der Entscheidung lagen verschiedene fachliche Gutachten und Stellungnahmen zugrunde. Darüber hinaus hat die Schulleiterin die Beobachtungen zweier Lehrkräfte anlässlich der Schulanmeldung und des Unterrichtsbesuches der Vorschüler herangezogen. Es ist nicht erkennbar, dass weitere der Schulleiterin zur Verfügung stehende Erkenntnisquellen außer Acht gelassen oder nicht verwendbare Unterlagen fehlerhaft herangezogen worden wären. Fehler hinsichtlich der erforderlich sachgerechten Gewichtung der herangezogenen Entscheidungsgrundlagen sind nicht erkennbar.

Diese Erkenntnis gilt zunächst und vor allem für das von Art. 37 Abs. 1 Satz 2 BayEUG vorgeschriebene schulpsychologische Gutachten vom 5. Juli 2008. Die Schulleiterin durfte und musste es für ihre Entscheidung heranziehen, da es sich als verwendungsfähig erweist. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Schulpsychologin zur Überprüfung der Schulfähigkeit und Schulbereitschaft die Kaufmann-Assessment-Battery Skale for Children (K-ABC) herangezogen hat. Hierbei handelt es sich entgegen dem Vortrag der Antragsteller nicht um einen Hochbegabten-Test. Auch die Verwendung des Bielefelder Screenings zur Früherkennung von Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten (BISC) ist nicht verfehlt. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass dieses Testverfahren nicht zu Ende durchgeführt worden ist; denn es erscheint sachgerecht, in einem einzigen Test-Termin auch die Fähigkeit, dauerhaften Belastungen standzuhalten, zu überprüfen. Darüber hinaus hat die Gutachterin den Untertest PWN durchgeführt, was ebenfalls nicht verfehlt erscheint. Hinzu kommen verschiedene Verhaltensbeobachtungen der Gutachterin während der Durchführung des Tests, die diese ausführlich dargestellt hat. Es ist weiterhin nicht verfehlt, dass die Gutachterin ihr Gutachten erstellt hat, ohne zuvor persönlich Kontakt zu den Mitarbeitern des von ... besuchten Kindergartens aufzunehmen. Es ist nachvollziehbar, dass ein derartiger Kontakt nur dann sinnvoll ist, wenn er nicht im Beisein der Antragsteller stattfindet. Dies wurde jedoch nach Angaben der Gutachterin seitens der Antragsteller nicht zugelassen. Demgegenüber hat die Gutachterin schriftliche Berichte des Kindergartens und der Logopädin sowie das Ergebnis eines Telefonats mit ... Tagesmutter berücksichtigt. Das Gutachten ist nachvollziehbar und in sich schlüssig. Zu Recht hat die Schulleiterin dem Gutachten ein maßgebliches Gewicht bei ihrer Entscheidung gegeben.

Weiterhin hat die Schulleiterin den testpsychologischen Befund der Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. H. vom 2. Mai 2008 (Durchführung des Tests am 18. April 2008) herangezogen. Auch hier wurde die K-ABC verwendet sowie Verhaltensbeobachtungen berücksichtigt. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Schulleiterin dieses schlüssige und in sich nachvollziehbare Gutachten verwendet und ihm ein Einfluss nehmendes Gewicht gegeben hat.

Darüber hinaus hat die Schulleiterin zu Recht einen schriftlichen Bericht der Erzieherinnen des Kindergartens Frickenhausen vom Mai 2008 berücksichtigt, der eine kurze Beschreibung hinsichtlich ... Entwicklungsstandes abgibt. Auch hier gibt die Schulleiterin dem Bericht zu Recht ein Gewicht, das die Entscheidung mit beeinflusst.

Hinzu kommt ein ärztliches Attest der Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin Dr. B. vom 17. Juni 2008. Ohne darzustellen, aufgrund welcher Testverfahren die Ärztin zu ihrem Ergebnis gelangt und ohne ihre Sachkunde auf pädagogischem Gebiet zu belegen, stellt die Ärztin die körperliche Entwicklung des Kindes dar. Ihre Wertung, dass keine Bedenken gegen eine frühzeitige Einschulung bestünden, muss unter diesem Gesichtspunkt beurteilt werden. Eine insoweit fehlerhafte Berücksichtigung dieses Attestes durch die Schulleiterin ist nicht erkennbar. Zu Recht zieht sie dieses Attest jedoch hinsichtlich der wesentlichen Faktoren soziale und geistige Entwicklung nicht maßgeblich heran.

Die Darstellung der im Kindergarten Frickenhausen Englisch Unterrichtenden, Frau B., belegt zunächst nicht einmal ansatzweise deren Qualifikation für die Beurteilung der Schulreife eines Kindes. Ein entsprechender Test wurde offensichtlich nicht durchgeführt, vielmehr beschreibt Frau B. ihre Erfahrungen mit ... anlässlich des Englisch-Unterrichts in Kindergarten. Diese sind jedoch bereichsweise stark subjektiv geprägt. Ein nachvollziehbarer Vergleich mit schulpflichtigen Kindern ist der Stellungnahme nicht zu entnehmen. Es ist nicht fehlerhaft, dass die Schulleiterin diesen Bericht in ihrer Entscheidung erwähnt hat; zu Recht hat sie ihm jedoch kein maßgebliches Gewicht gegeben. Dies führt die Schulleiterin in ihrer Stellungnahme vom 5. August 2008 nochmals dahingehend aus, sie habe den Bericht nicht in ihre Überlegungen mit einbeziehen können, da er nicht objektiv und sachlich, sondern emotional, subjektiv und poetisch verfasst worden sei. Dies ist nicht zu beanstanden.

Darüber hinaus hat die Schulleiterin die Beobachtungen der schulischen Lehrkräfte im Rahmen des „Unterrichtsspiels“ und des Unterrichtsbesuchs der Vorschüler nicht nur zu Recht berücksichtigt, sondern ihnen auch ein maßgebliches Gewicht für ihre Entscheidung beigemessen.

Auf der Basis dieser Unterlagen ist es nicht zu beanstanden, dass die Schulleiterin insgesamt acht Gesichtspunkte ermittelt und herangezogen hat, die für ihre Entscheidung maßgeblich sind. Es ist nicht erkennbar, dass weitere sich aufdrängende Gesichtspunkte vernachlässigt worden wären. Auf dieser Grundlage ergibt die Abwägung der Schulleiterin, dass viele für einen erfolgreichen Schulbesuch erforderliche Faktoren bei ... noch nicht genügend ausgebildet sind. Dies bezieht sie speziell auf deren soziale und geistige Entwicklung. Die gesamte Abwägung ist somit vollständig, nachvollziehbar und in sich schlüssig. Die Schulleiterin hat ihren Abwägungsspielraum nicht rechtsfehlerhaft überschritten.

Auch die Einwendungen der Antragsteller können zu keinem anderen Ergebnis führen. Zunächst ist festzuhalten, dass eine eigene Sachkunde der Antragsteller zur Beurteilung der körperlichen, sozialen und geistigen Entwicklung ihrer Tochter i.S. des Art. 37 Abs. 1 Satz 2 BayEUG nicht ersichtlich ist. Vielmehr spricht aus ihren Schriftsätzen der dringende Wunsch, ihrer Tochter möglichst frühzeitig eine möglichst umfassende Bildung zukommen zu lassen und ihrem Kind auf dieser Basis nicht nur eine allumfassende Förderung zuteil werden zu lassen, sondern es in dieser Hinsicht auch stark zu fordern. Erkennbar wird dies beispielsweise daran, dass das Kind offensichtlich für den Besuch bei der Schulpsychologin W. extra vorbereitet wurde mit der Maßgabe, bestimmte Dinge auswendig zu lernen und zu präsentieren. Hierzu gehört auch die Direktive, ... müsse sich beim Schulbesuch der Vorschüler besonders anstrengen. Ob diese Maßgaben der Eltern kindgerecht sind, ist für das Gericht nicht erheblich; jedoch ist es sachgerecht, wenn die Schulleiterin sie auf der Basis der Beobachtungen der Lehrerinnen und der Psychologin zur Kenntnis nimmt und entsprechend berücksichtigt. Zu Recht unberücksichtigt gelassen hat die Schulleiterin jedoch die von den Antragstellern dargestellten Äußerungen ... ihnen gegenüber hinsichtlich ihrer Einstellung zur Schule. Denn es ist für Außenstehende nicht erkennbar, inwieweit das Kind derartige Äußerungen aus freien Stücken oder unter dem Eindruck des elterlichen Förderns und Forderns nur ihnen zuliebe getätigt hat.

Die Berichte der Antragsteller von den Fähigkeiten ihrer Tochter müssen unter dem Aspekt der natürlichen elterlichen Subjektivität und der fehlenden fachlichen Qualifikation gesehen werden. Ihre Beurteilung der körperlichen, sozialen und geistigen Entwicklung ihrer Tochter kann diejenige der Schulleiterin somit nicht substantiiert in Frage stellen.

Soweit die Antragsteller darauf abstellen, dass ihre Tochter den Stichtag, zu dem die Einholung eines schulpsychologischen Gutachtens erforderlich wird, lediglich um drei Tage „verfehlt“ hat, müssen sie sich darauf verweisen lassen, dass jeder Stichtagsregelung gewisse starre Momente innewohnen, die zu (subjektiv) ungerecht empfundenen Ergebnissen führen können. Demgegenüber ist jedoch festzuhalten, dass gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 1. Halbsatz, Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 BayEUG im Schuljahr 2008/2009 für Kinder, die zwischen dem 1. November 2008 und dem 31. Dezember 2008 sechs Jahre alt werden, dennoch Voraussetzung der Schulpflichtigkeit auf Antrag ist, dass aufgrund ihrer körperlichen, sozialen und geistigen Entwicklung zu erwarten ist, dass sie mit Erfolg am Unterricht teilnehmen werden. Hier ist eine Einzelfallentscheidung des Schulleiters, allerdings ohne die zwingende Einholung eines schulpsychologischen Gutachtens, erforderlich. Ein einfacher Antrag ist für die Begründung der Schulpflicht auch für diese Kinder nicht hinreichend.

Soweit die Antragsteller die – nicht nachvollziehbar begründete – Befürchtung äußern, ihre Tochter könnte zwar noch ein Jahr unbeschadet den Kindergarten besuchen, jedoch bei einer Einschulung zum Schuljahr 2009/2010 aufgrund einer möglichen Unterforderung Schaden nehmen, ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 7 Abs. 4 Satz 2 BayEUG die Grundschule in den Jahren der kindlichen Entwicklung Hilfen für die persönliche Entfaltung zu geben hat. Dies betrifft auch die Frage nach der erforderlichen Differenzierung zwischen unterschiedlich leistungsstarken Schülerinnen und Schülern.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 10 Abs. 1 des Bayerischen Gesetzes zur Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern in Kindergärten, anderen Kindertageseinrichtungen und in Tagespflege (Bayerisches Kinderbildungs- und Betreuungsgesetz [BayKiBiG]) vom 8. Juli 2005 (GVBl. S. 236), geändert durch Art. 117 Gesetz zur Ausführung der Sozialgesetze vom 8. Dezember 2006 (GVBl. S. 942) auch der Kindergarten ... vielfältige und entwicklungsangemessene Bildungs- und Erfahrungsmöglichkeiten bieten muss, um beste Bildungs- und Entwicklungschancen zu gewährleisten. Gerade unter diesem Aspekt ist die Aussage der Antragsteller im Antragsbegründungsschriftsatz, ... wolle im kommenden Schuljahr auf keinen Fall mehr in den Kindergarten gehen, unverständlich. In dieser Hinsicht lassen sich Kinder dieses Alters in der Regel stark von ihren Eltern steuern.

Soweit die Antragsteller den Bescheid vom 15. Juli 2008 mit dem Argument in Frage stellen, die zweisprachige Erziehung ihrer Tochter sei nicht hinreichend berücksichtigt worden, hat die Schulleiterin in ihrer Stellungnahme vom 5. August 2008 zu Recht darauf hingewiesen, dass Englisch-Kenntnisse in den ersten beiden Schuljahren keine Rolle spielen. Dass das Kind aufgrund seiner Englisch-Kenntnisse Besonderheiten in seiner körperlichen, sozialen oder geistigen Entwicklung aufwiese, die nicht hinreichend berücksichtigt worden wären, ist nicht erkennbar.

Die Darstellung der Antragsteller, der Schulbesuch der Vorschüler sei für ihre Tochter Stress gewesen, belegt, dass die Entscheidung der Schulleiterin richtig ist. Es ist nachvollziehbar, dass ein Kind, für welches – aus welchen Gründen auch immer – ein derartiger kurzer Schulbesuch Stress bedeutet, noch nicht auf Dauer mit Erfolg am Unterricht teilnehmen kann.

Weiterhin haben die Antragsteller dem Gericht einen „Beobachtungsbogen zur kognitiven Schulfähigkeit“ vorgelegt, den Frau Sch. und Frau Z. – nach Angaben der Antragsteller Mitarbeiterinnen des Kindergartens Frickenhausen – am 7. Juli 2008 mit ... durchgeführt haben. Es ist gerichtsbekannt, dass in Kindertagesstätteneinrichtungen Erzieher, Kinderpfleger, Vorpraktikanten und Berufspraktikanten arbeiten können. Welche Qualifikation diese beiden Damen im Allgemeinen und besonders hinsichtlich der Durchführung derartiger Tests besitzen, ist für das Gericht nicht erkennbar. Entscheidend ist allerdings, dass die Antragsteller diese Unterlage der Schulleiterin der Volksschule Frickenhausen nicht vorgelegt haben, so dass diese sie auch nicht zur Kenntnis nehmen und entscheiden konnte, inwieweit sie im Rahmen des Bescheides vom 15. Juli 2008 Berücksichtigung finden kann und muss. Darüber hinaus beschäftigt sich diese Unterlage allein mit dem kognitiven Aspekt der Schulfähigkeit, also mit dem Bereich der in Art. 37 Abs. 1 Satz 2 BayEUG erwähnten geistigen Entwicklung. Dieser Teilaspekt ist jedoch nicht der allein Entscheidende; im Bescheid vom 15. Juli 2008 spielt auch der Aspekt der sozialen Entwicklung eine starke Rolle. Demgegenüber decken sich – soweit das Gericht dies überhaupt beurteilen kann – die Feststellung der Schulleiterin, ... intellektuelle Fähigkeiten in allen Bereichen erzielten einen Gesamtwert im mittleren Durchschnitt, mit den Ergebnissen des Beobachtungsbogens; während hier bestimmte Aufgaben offensichtlich fehlerfrei erledigt wurden, haben sich bei anderen Aufgaben verschiedene Defizite ergeben (z.B. Ziffern 1.3, 1.4, 3.5, 4.2). Im Ergebnis kann dieser Test die Richtigkeit des Bescheides vom 15. Juli 2008 nicht in Frage stellen.

Aufgrund dieser Erwägungen ist für das Gericht ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft. Ein Anspruch der Antragsteller, ihrer Tochter die Schulpflichtigkeit zuzuerkennen und sie zum Schuljahr 2008/2009 in die Volksschule Frickenhausen aufzunehmen, ist nicht erkennbar. Vielmehr ist die Entscheidung der Schulleiterin nicht zu beanstanden. Es besteht kein Anlass dafür, der Frage nach der Schulfähigkeit der Tochter der Antragsteller noch weiter nachzugehen. Im Rahmen des Verfahrens nach § 123 VwGO wäre für die Einholung weiterer Gutachten im Übrigen auch kein Raum. Die Frage nach der Zulässigkeit der Vorwegnahme der Hauptsache stellt sich somit nicht weiter.

Der Antrag war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO abzulehnen. Die Höhe des Streitwerts ergibt sich aus Ziffer 38.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. der am 7./8. Juli 2004 in Leipzig beschlossenen Änderungen. Gemäß Ziffer 1.5 dieses Streitwertkataloges beträgt zwar in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der Streitwert in der Regel ½; in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die die Entscheidung in der Sache ganz oder zum Teil vorwegnehmen, kann der Streitwert bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwertes angehoben werden. Von letzterer Regelung hat das Gericht im vorliegenden Fall Gebrauch gemacht.