VG München, Beschluss vom 06.08.2008 - M 6a E 08.3022
Fundstelle
openJur 2012, 93974
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf € 42,92 festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin meldete sich 1999 bei der GEZ als Rundfunkteilnehmerin mit einem Hörfunk- und einem Fernsehgerät an.

2003 meldete der damalige Lebensgefährte ... der Antragstellerin einen Fernseher bei der GEZ ab, da er mit der Antragstellerin „in einem eheähnlichen Verhältnis lebe und nicht doppelt zahle“; im Übrigen besitze er keinen eigenen Fernseher.

Laut Auskunft des Einwohnermeldeamts zog die Antragstellerin am ... Januar 2005 in die ...str. ... in A. ... um.

An diese Anschrift sandte die GEZ am 1. Juli 2007 eine Zahlungserinnerung.

Mit Gebührenbescheid / Leistungsbescheid vom 2. September 2007 setzte der Antragsgegner rückständige Rundfunkgebühren (€ 51,09) sowie einen Säumniszuschlag (€ 5,11) und Rücklastschriftkosten (€ 3,10) für den Zeitraum April 2007 bis Juni 2007 in Höhe von insgesamt € 59,30 fest. Mit Gebührenbescheid vom 2. Oktober 2007 wurden rückständige Rundfunkgebühren sowie ein Säumniszuschlag für den Zeitraum Juli 2007 bis September 2007 in Höhe von insgesamt € 56,20 festgesetzt. Auch für den Zeitraum Oktober 2007 bis Dezember 2007 wurden rückständige Rundfunkgebühren sowie ein Säumniszuschlag mit Gebührenbescheid / Leistungsbescheid vom 4. Januar 2008 festgesetzt. Alle drei Bescheide waren an die o.g. Anschrift der Antragstellerin adressiert.

Mit Schreiben vom 1. März 2008 wurde die Antragstellerin unter o.g. Anschrift „wegen rückständiger Rundfunkgebühren“ gemahnt.

Mit Schreiben vom 4. April 2008 kündigte der Antragsgegner der Antragstellerin wiederum unter o.g. Anschrift die Zwangsvollstreckung wegen rückständiger Rundfunkgebühren an. Gleichzeitig wurden mit einem weiteren Gebührenbescheid an o.g. Anschrift die rückständigen Rundfunkgebühren für den Zeitraum Januar 2008 bis März 2008 sowie ein Säumniszuschlag festgesetzt.

Schließlich wandte sich der Antragsgegner mit Vollstreckungsersuchen vom 1. Mai 2008 an das Amtsgericht …

Mit Schreiben vom ... Juni 2008 wandte sich die Antragstellerin an die GEZ und teilte mit, sie wohne in der ...str. ... …. Sie forderte die Einstellung der Vollstreckungsmaßnahmen, da ihr kein Bescheid vorliege, aus dem vollstreckt werden könne. Abgesehen davon behauptete die Antragstellerin, es sei der GEZ „bereits im Dezember 2006 nachweislich mitgeteilt worden“, dass die Antragstellerin „keine Rundfunkgeräte mehr besitze“. Die in ihrem Haushalt befindlichen Geräte würden ihrem Untermieter ... gehören, der im September 2007 mitsamt seinen Rundfunkgeräten in die ...str. ... eingezogen sei.

Mit Schreiben vom 25. Juni 2008 wandte sich die Antragstellerin an das Verwaltungsgericht München und beantragte,

die Aussetzung der Vollziehung des nicht zugegangenen Gebührenbescheids sowie

die umgehende Einstellung der Vollstreckungsmaßnahmen.

Die Vollstreckung sei unzulässig, weil ihr kein Bescheid vorausgegangen sei. Abgesehen davon habe die Antragstellerin zum ... Januar 2007 einen Antrag auf Befreiung wegen Behinderung ihres 2000 geborenen Sohnes gestellt.

Mit Schreiben vom 9. Juli 2008 beantragte der Antragsgegner,

den Antrag abzulehnen.

Die Antragstellerin habe keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Es liege dem Antragsgegner bzw. der GEZ kein Schreiben der Antragstellerin vom Dezember 2006 mit der Mitteilung vor, sie besitze keine Rundfunkempfangsgeräte mehr. Die streitgegenständlichen Bescheide seien der Antragstellerin ordnungsgemäß zugestellt worden; die Vollstreckungsvoraussetzungen würden damit vorliegen.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte verwiesen.

II.

Der Antrag war gem. § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass im Eilverfahren die Einstellung der Zwangsvollstreckung gegen die Antragstellerin aus den Gebührenbescheiden vom 2. September 2007, 2. Oktober 2007 und 4. Januar 2008, die der Antragstellerin nach ihren Angaben nicht zugegangen sein sollen, angeordnet werden soll.

Dieser Antrag nach § 123 VwGO ist zulässig, aber unbegründet, weil jedenfalls kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht wurde.

Verwaltungsakte, mit denen eine öffentlich-rechtliche Geldleistung gefordert wird, können vollstreckt werden, wenn der zu vollstreckende Verwaltungsakt dem Leistungspflichtigen zugestellt worden ist (Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG), die Forderung fällig ist (Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG) und der Leistungspflichtige nach Eintritt der Fälligkeit durch verschlossenen Brief, durch Nachnahme oder durch ortsübliche Bekanntmachung ergebnislos aufgefordert worden ist, innerhalb einer bestimmten Frist von mindestens einer Woche zu leisten (Mahnung) (Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG). Die Rechtmäßigkeit des der Vollstreckung zu Grunde liegenden Verwaltungsaktes wird damit im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich nicht mehr geprüft. Nur im Rahmen von Art. 21 VwZVG verbleibt im Vollstreckungsverfahren die Möglichkeit, materielle Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch geltend zu machen. Grundsätzlich kann ein Betroffener im Rahmen des Art. 21 VwZVG auch vorläufigen Rechtsschutz nach § 123 VwGO erlangen. Allerdings sind nach Art. 21 Satz 2 VwZVG Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch nur dann zu berücksichtigen, wenn sie nach Erlass des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes entstanden sind (z.B. Erfüllung, Verzicht bzw. Erlass oder Stundung der Forderung). Materielle Einwendungen, die bereits bei Erlass des Bescheids bestehen, sind mit Widerspruch und Anfechtungsklage bzw. im einstweiligen Rechtsschutz über § 80 Abs. 5 VwGO geltend zu machen.

Nach diesen Vorschriften ist der Antragsgegner berechtigt, die Gebührenbescheide vom 2. September 2007, 2. Oktober 2007 und 4. Januar 2008 zu vollstrecken. Es liegen nämlich im vorliegenden Fall sämtliche Vollstreckungsvoraussetzungen vor. Insbesondere sind die Gebührenbescheide vom 2. September 2007, 2. Oktober 2007 und 4. Januar 2008 wirksam bekannt gegeben worden und bestandskräftig. Zwar sind diese Bescheide mangels Aufgabevermerken (Art. 17 Abs. 4 Satz 1 VwZVG) oder Eintragung in eine Sammelliste (Art. 17 Abs. 4 Satz 2 VwZVG) nicht formgerecht in der speziell für Abgabenbescheide vorgesehenen Weise nach Art. 17 VwZVG durch einfachen Brief zugestellt worden. Es greift jedoch im vorliegenden Fall die Zustellfiktion des Art. 9 VwZVG ein, da nach den Grundsätzen über den Beweis des ersten Anscheins aus den gegebenen Umständen nach allgemeiner Lebenserfahrung darauf geschlossen werden kann, dass die Antragstellerin die Bescheide tatsächlich erhalten hat (vgl. BayVGH vom 6.7.2007, Az. 7 CE 07.1151 m.w.N.). Nach dem Vorbringen der Antragstellerin sollen ihr im Zeitraum Juli 2007 bis April 2008 insgesamt 7 Schreiben des Antragsgegners (4 Bescheide, 1 Zahlungserinnerung, 1 Mahnung und 1 Ankündigung der Zwangsvollstreckung) nicht zugegangen sein, ohne dass auch nur ein einziges Schreiben als unzustellbar an den Antragsgegner zurückgegangen wäre. Diese außergewöhnliche Häufung angeblich abhanden gekommener Postsendungen, für die sich keine plausible Erklärung finden lässt, rechtfertigt aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung die Annahme, dass die Adressatin die Gebührenbescheide tatsächlich erhalten hat (so BayVGH vom 24.10.2007, Az. 7 CE 07.2317 zur Behauptung, 5 Gebührenbescheide seien über einen Zeitraum von 15 Monaten nicht zugegangen). Es erscheint nämlich schon angesichts der Vielzahl der Schreiben absolut lebensfremd, dass sämtliche Sendungen im Postbetrieb verlorengegangen sein könnten. Der gegenteiligen Behauptung der Antragstellerin vermag das Gericht keinen Glauben zu schenken, zumal bereits die sonstigen Angaben der Antragstellerin zu den in ihrem Haushalt in der Vergangenheit bereitgehaltenen Geräten nicht frei von Widersprüchen sind. So wurden 1999 von der Antragstellerin 1 Radiogerät und 1 Fernseher angemeldet. 2003 meldete ihr damaliger Lebenspartner ... das einzige auf seinen Namen geführte Fernsehgerät ab, da er keinen eigenen Fernseher besitze. Mit Schreiben vom ... Juli 2008 ließ die Antragstellerin dann wieder vortragen, dass Herr ... ihr während ihres Zusammenlebens 2 anmeldepflichtige Geräte zur Verfügung gestellt habe, die er bei seinem Auszug aus der Wohnung im Jahr 2007 wieder mitgenommen habe. Auch nach dem Auszug von Herrn ... bleibt der weitere Vortrag der Antragstellerin zu den vorhandenen Rundfunkempfangsgeräten widersprüchlich. Die Antragstellerin will danach kein eigenes Gerät mehr gehabt haben, obwohl nach ihrem weiteren Vorbringen ihr Untermieter ... ein Gerät zur Verfügung gestellt habe, das auch bei der GEZ angemeldet worden sei. Einen Monat vorher aber hatte die Antragstellerin noch gegenüber der GEZ angegeben, Herr ... sei mitsamt den hier im Hauhalt befindliche n Rundfunkgeräte n [also mit mehreren Geräten] eingezogen . Im Schreiben vom ... August 2008 wird dann jedoch wieder nur von einem Gerät gesprochen, das Herr ... zur Verfügung stelle.

Es war deshalb von einer wirksamen Bekanntgabe der Gebührenbescheide auszugehen. Da diese infolgedessen nicht nur als rechtswirksam, sondern aufgrund des Zeitablaufs mittlerweile auch bereits als bestandskräftig gelten müssen (so BayVGH a.a.O. in einem ähnlich gelagerten Fall) könnten gegen ihre Vollstreckung selbst dann keine durchgreifenden rechtlichen Einwände mehr erhoben werden, wenn die von der Antragsgegnerin behauptete frühere Abmeldung der Empfangsgeräte dem Antragsgegner tatsächlich zugegangen wäre, wofür es aber laut Aktenlage und mangels Belegen der Antragstellerin keinerlei Anhaltspunkte gibt.

Gleiches gilt in Bezug auf den von der Antragstellerin für ihren Sohn gestellten Befreiungsantrag, zumal insoweit die Voraussetzungen für eine Gebührenbefreiung innerhalb einer Hausgemeinschaft ohnehin nicht vorliegen (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 RGebStV).

Da auch die übrigen Vollstreckungsvoraussetzungen wie Fälligkeit der Forderung und Mahnung gegeben sind und Einwendungen, die erst nach Erlass der Gebührenbescheide entstanden sind, weder glaubhaft gemacht noch sonst für das Gericht ersichtlich sind, war der Antrag somit abzulehnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Streitwert ergibt sich aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.6.1 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 7./8. Juli 2004 in Leipzig beschlossenen Änderungen (vgl. NVwZ 2004, 1327).