Bayerischer VGH, Beschluss vom 27.08.2008 - 15 ZB 08.758
Fundstelle
openJur 2012, 93938
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III. Der Streitwert wird unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 11. Februar 2008 für das Verfahren erster Instanz und für das Zulassungsverfahren auf 90.555 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Nutzung eines Teils des Gebäudekomplexes auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung G., in dem derzeit zwei Spielhallen betrieben werden. Grundlage der gegenwärtigen Nutzung ist eine Genehmigung des Beklagten mit Bescheid vom 9. Mai 2000. Die Genehmigung zum "Einbau einer Vergnügungsstätte" (zwei Spielhallen) wurde Herrn P. E. befristet für die Laufzeit und Gültigkeit des Mietvertrages vom 23. Dezember 1992 zwischen Herrn S. S. und der Firma S.-T.-G. ... in der Form der Änderung vom 17. November 1997 (H. M. P. E./S. S.) erteilt. Das Grundstück Fl.Nr. ... liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. J 1 der Beigeladenen vom 1. Dezember 1978, der ein Gewerbegebiet ausweist.

Am 25. Mai 2005 beantragte die Klägerin für den fraglichen Gebäudeteil einen Vorbescheid über die Errichtung von zwei kerngebietstypischen Spielstätten. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 23. Januar 2006 unter Hinweis auf die planungsrechtliche Unzulässigkeit solcher Spielstätten im Gewerbegebiet sowie einen fehlenden Stellplatznachweis ab. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, in dem sie darauf hinwies, dass sich der Vorbescheid ausschließlich auf die mit Bescheid vom 9. Mai 2000 bauaufsichtlich genehmigten Spielhallen beziehe, die nach Ablauf des Mietvertrages des bisherigen Betreibers unverändert fortgeführt werden sollten. Der Vorbescheid werde nur vorsorglich beantragt, da die bisherige Baugenehmigung an die Person des Betreibers sowie den Fortbestand des von ihm abgeschlossenen Mietvertrages geknüpft sei.

Nach Zurückweisung des Widerspruchs erhob die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht und beantragte, den Beklagten unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide zu verpflichten, den Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheids hinsichtlich der planungsrechtlichen Zulässigkeit des Betriebs von zwei Spielhallen auf dem Grundstück mit der FlNr. ... der Gemarkung G. positiv zu verbescheiden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht beantragte sie am 29. November 2007 darüber hinaus festzustellen, dass die Herrn P. E. am 9. Mai 2000 erteilte Baugenehmigung auch nach Ablauf des Mietvertrages zwischen Herrn S. S. und der Firma S.-T. G. ... fortgilt.

Mit Schreiben vom 10. Dezember 2007 teilte der Beklagte mit, dass der Mietvertrag vom 23. Dezember 1992 inzwischen bis zum 30. November 2012 verlängert wurde.

Das Verwaltungsgericht wies die Klagen mit Urteil vom 11. Februar 2008 ab. Hiergegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung der Klägerin mit Schreiben vom 13. März 2008.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Die Klägerin macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was sie innerhalb offener Frist zur Begründung ihres Antrags hat darlegen lassen (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

a) Die Klägerin trägt vor, die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Frage der Fortgeltung der mit Bescheid vom 9. Mai 2000 erteilten Baugenehmigung nicht Gegenstand eines Vorbescheides sein könne, weil ein Vorbescheid dieses Inhaltes ein nachfolgendes Baugenehmigungsverfahren entbehrlich mache, sei unrichtig. Es könnten alle sich zu einem Bauvorhaben stellenden Fragen zulässigerweise zum Gegenstand einer Bauvoranfrage gemacht werden, da auch dann der Regelungsgehalt des Vorbescheides mangels Baufreigabe hinter dem der Baugenehmigung zurückbleibe. Im Übrigen hätte das Verwaltungsgericht erkennen müssen, dass es der Klägerin darum gehe, die zwischen den Parteien streitige Frage zu klären, ob die erteilte Baugenehmigung für den Betrieb von zwei Spielhallen unabhängig von der Person des Bauherrn Bestand habe. Wenn dies nach Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht in Form eines Vorbescheids, sondern in anderer Form, z.B. der einer verbindlichen Auskunft oder Zusicherung der zuständigen Behörde geklärt werden könne, hätte der Antrag der Klägerin entsprechend ausgelegt werden müssen. Der Klägerin sei gleichgültig, in welcher Form diese Klärung erfolgen könne.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die erneut im Zulassungsantrag von der Klägerin formulierte Frage, ob die seinerzeit am 9. Mai 2000 erteilte Baugenehmigung für den Betrieb von zwei Spielhallen unabhängig von der Person des Adressaten dieser Genehmigung Fortbestand hat, nicht im Wege eines Vorbescheids geklärt werden kann. Zulässiger Inhalt eines Vorbescheides nach Art. 71 BayBO kann nur die Klärung einzelner Fragen eines Bauvorhabens im Vorgriff auf die Erteilung einer Baugenehmigung sein. Eine Unsicherheit über den Fortbestand einer bereits erteilten Baugenehmigung wird nicht im Rahmen eines Baugenehmigungsverfahrens geklärt. Diese Fragestellung kann daher auch nicht als Einzelfrage vorab Gegenstand eines Vorbescheidverfahrens sein.

Inwieweit das Verwaltungsgericht die Frage des Fortbestands der erteilten Baugenehmigung jenseits des gestellten Antrags auf Erteilung eines Vorbescheids in einer "anderen Form" als einem Vorbescheid hätte klären sollen und können, erschließt sich aus dem Vortrag der Klägerin nicht. Die Klägerin begehrte sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausdrücklich die Verpflichtung zur Erteilung eines Vorbescheids. Eine Auslegung des tatsächlichen Willens der Klägerin durch das Erstgericht dahingehend, dass hier möglicherweise doch kein Vorbescheid, sondern eine andere, für die Klärung der aufgeworfenen Problematik eher zielführende behördliche Entscheidung begehrt wird, war bei der anwaltlich vertretenen Klägerin weder veranlasst noch wegen der Bindung des Verwaltungsgerichts an den ausdrücklichen Antrag der Klägerin gemäß § 88 VwGO rechtlich möglich.

b) Die Klägerin beanstandet, das Verwaltungsgericht habe auch insoweit unzutreffend entschieden, als es davon ausgegangen sei, dass die Klägerin keinen Anspruch auf eine Feststellung der planungsrechtlichen Zulässigkeit der zwei Spielhallen ohne die im Bescheid vom 9. Mai 2000 vorgenommene Einschränkung durch eine auflösende Bedingung habe. Das Verwaltungsgericht habe sich unzureichend mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass der Beklagte in der Vergangenheit bereits mehrere kerngebietstypische Spielhallen genehmigt habe und der Antrag auf Erteilung eines Vorbescheides auf die Fortführung einer bereits genehmigten Nutzung gerichtet sei. Weiter habe das Verwaltungsgericht verkannt, dass der entgegenstehende Bebauungsplan hier für das fragliche Einzelgrundstück funktionslos geworden sei.

Die Festsetzung der Gebietsart als Gewerbegebiet gemäß § 8 BauNVO 1977 im Bebauungsplan Nr. J 1 der Beigeladenen vom 1. Dezember 1978 schließt planungsrechtlich die Erteilung eines positiven Vorbescheids für zwei Spielhallen aus. Insoweit wird auf die umfassenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 11. Februar 2008 (S. 14 ff.) verwiesen. Fragen eines Vertrauensschutzes aus der bisherigen Genehmigungserteilung stellen sich dabei nicht. Die Prüfung der planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Genehmigung zweier Spielhallen ist nicht davon abhängig, was in der Vergangenheit - gegebenenfalls auch rechtswidrig – an gleicher Stelle genehmigt wurde. Maßgeblich kommt es alleine darauf an, dass das Vorhaben zum Zeitpunkt seiner Genehmigung, zumindest aber der gerichtlichen Entscheidung, den materiellen Anforderungen des Bauplanungsrechts entspricht.

Für die Frage der zulässigen Nutzungsart gibt der gültige Bebauungsplan Nr. J 1 ein Gewerbegebiet vor. Die behauptete Funktionslosigkeit dieser Festsetzung der Gebietsart für das streitige Baugrundstück besteht nicht. Eine bauplanerische Festsetzung wird dann funktionslos, wenn und so weit die tatsächlichen Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, ihre Verwirklichung auf unabsehbare Zeit ausschließen und diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein in ihre (Fort-)Geltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient. Dabei kommt es nicht auf die Verhältnisse auf einzelnen Grundstücken an. Entscheidend ist vielmehr, ob die jeweilige Festsetzung geeignet ist, zur städtebaulichen Ordnung i.S.d. § 1 Abs. 3 BauGB im Geltungsbereich des Bebauungsplans (weiterhin) einen wirksamen Beitrag zu leisten. Erst wenn die tatsächlichen Verhältnisse vom Planinhalt so massiv und offenkundig abweichen, dass der Bebauungsplan insoweit eine städtebauliche Gestaltungsfunktion unmöglich zu erfüllen vermag, kann daraus eine Funktionslosigkeit abgeleitet werden. Das setzt voraus, dass die Festsetzung unabhängig davon, ob sie punktuell durchsetzbar ist, bei einer auf den gesamten Geltungsbereich des Bebauungsplans bezogenen Betrachtung die Fähigkeit verloren hat, die städtebauliche Entwicklung noch in eine bestimmte Richtung zu steuern (BVerwG vom 17.2.1997 NVwZ-RR 1997, 512). Nach diesen Maßstäben kann hier von einer Funktionslosigkeit des Bebauungsplans keine Rede sein. Die Festsetzung der Gebietsart als Gewerbegebiet wird auch durch die bisherigen Genehmigungen auf dem hier streitigen Grundstück nicht in einer Weise unterlaufen, dass die Steuerungsfunktion des Bebauungsplans insgesamt aufgehoben oder auch nur wesentlich beeinträchtigt wäre. Die Steuerungsfunktion des Bebauungsplans kann dabei - wie ausgeführt - nicht isoliert nur für das Baugrundstück betrachtet werden. Maßgeblich kommt es für die weitere Umsetzung der Festsetzung der Gebietsart darauf an, ob diese im Gesamtbereich des Bebauungsplangebietes oder zumindest in einem abgrenzbaren Teilbereich, der deutlich über das Einzelgrundstück hinausgeht, noch möglich ist. Daran besteht nach den Überlegungen des Verwaltungsgerichts kein Zweifel. So ist die derzeit genehmigte Spielhallenfläche von insgesamt 604,24 m² auf dem Grundstück FlNr. ... in Relation zur Gesamtfläche des Bebauungsplangebietes mit insgesamt 13 ha, auf der keine weiteren Spielhallen betrieben werden, zu betrachten. Gerade die für den streitgegenständlichen Teil des Gebäudes erteilte Genehmigung vom 9. Mai 2000 wurde auflösend bedingt erteilt, mit dem Ziel, keine unabänderlichen Verhältnisse zu schaffen. Der Beklagte hat nach dem Jahr 2000 in seiner Genehmigungspraxis konsequent und gerade auch gegenüber der Klägerin deutlich gemacht, dass eine weitere Genehmigung von Spielhallen vor dem Hintergrund der bereits vorhandenen Nutzung innerhalb des Gewerbegebiets rechtlich nicht mehr möglich ist.

c) Weiter trägt die Klägerin vor, das Verwaltungsgericht habe die ergänzend erhobene Feststellungsklage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts beständen sowohl ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis wie auch ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Fortgeltung der am 9. Mai 2008 erteilten Baugenehmigung. Die Baugenehmigung sei eine sachbezogene Erlaubnis, die ihre feststellende Wirkung bezüglich des genehmigten Vorhabens gleichermaßen für den Bauherrn wie für jeden anderen, der ein Grundstück befugtermaßen nutzt, entfalte. Die Klägerin sei als Mieterin betroffen.

Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Klage auf Feststellung, dass die am 9. Mai 2000 erteilte Baugenehmigung zur Nutzungsänderung von zwei Spielhallen auch nach Ablauf des Mietvertrages vom 23. Dezember zwischen den Mietvertragsparteien fortgilt, unzulässig ist. Die Klage scheitert dabei nicht daran, dass die Klägerin nicht selbst Adressantin des Baugenehmigungsbescheids oder Eigentümerin des Grundstücks ist. Es kann im Klageweg im Grundsatz auch die Feststellung verlangt werden, dass zwischen dem Beklagten und einem Dritten ein Rechtsverhältnis besteht oder nicht besteht (BVerwG vom 27.6.1997 NJW 1997, 3257). Voraussetzung ist insoweit allerdings, dass von dem festzustellenden Rechtsverhältnis auch eigene Rechte des Klägers i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO abhängen (Happ in Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, Rd.Nr. 22 f. zu § 43). Eine solche eigene rechtliche Betroffenheit i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO hat die Klägerin weder geltend gemacht noch ist sie ersichtlich.

2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Die Klägerin hat hierzu nichts über das zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO Dargelegte vorgebracht. Besondere Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht haben sich daraus nicht ergeben.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO.

4. Der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht und das Zulassungsverfahren war unter Abänderung des Beschlusses vom 11. Februar 2008 gemäß § 63 Abs. 3 GKG auf 90.555 Euro abzuändern. Für den Streitwert war lediglich die Höhe des Verpflichtungsantrags anzusetzen, wie er vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegt wurde (§ 52 Abs. 1, § 47 GKG). Eine Erhöhung durch den zusätzlich gestellten Feststellungsantrag war nicht veranlasst. Mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche werden nach § 173 VwGO i.V.m. § 5 ZPO für die Wertberechnung nur dann zusammengezählt, wenn sie bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht auf dasselbe Ziel gerichtet sind. Wirtschaftlich betrachtet verfolgt die Klägerin mit ihrem Antrag auf Erteilung eines Vorbescheids über die planungsrechtliche Zulässigkeit des Betriebs von zwei Spielhallen kein weitergehendes oder andersartiges Interesse als mit der Feststellungsklage auf Fortgeltung der Baugenehmigung vom 9. Mai 2000 für zwei Spielhallen in demselben Gebäude. Da somit eine Wertaddition zu unterbleiben hatte, war auf den Anspruch mit dem höchsten Wert abzustellen (vgl. BayVGH vom 13.6.2003 BayVBl 2003, 762).