VG Ansbach, Urteil vom 07.08.2008 - AN 1 K 07.30448
Fundstelle
openJur 2012, 93911
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

I.

Der ... geborene, verheiratete Kläger ist türkischer Staatsangehöriger kurdischen Volkstums und ehemals alevitischer Glaubenszugehörigkeit. Eigenen Angaben zufolge verließ der Kläger sein Heimatland zusammen mit seiner im ... geborenen Ehefrau sowie den im ... bzw. ... geborenen Söhnen. Er beantragte für sich und seine Familienangehörigen im ... 2002 erstmals seine Asylanerkennung.

Zur Begründung seines Begehrens trug der Kläger u.a. vor, er sei wegen seines Cousins, der Aktivist bei der in der Türkei verbotenen DHKP-C gewesen sei, mit der er selbst ebenfalls sympathisiert habe, unterdrückt, wiederholt vorübergehend festgenommen und dabei auch geschlagen worden. Nachdem Anfang Juli 2002 einer seiner Freunde festgenommen worden sei, habe er von anderen Freunden erfahren, dass dieser angegeben habe, er habe seinem Cousin einen gefälschten Ausweis besorgt. Seine Freunde hätten ihm geraten zu fliehen.

Mit Bescheid vom 21. November 2002 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylantrag des Klägers und seiner Familienangehörigen ab. Die hiergegen gerichtete Klage wurde durch Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 3. Juni 2003 (AN 1 K 02.32644) abgewiesen. Das Urteil erlangte am 16. Juli 2003 Rechtskraft.

Am 21. Januar 2004 beantragte der Kläger eine erneute Prüfung seines Sachvortrags. Er sei sich sicher, dass er sofort verhaftet werden würde, wenn er in die Türkei zurückgeschickt werden sollte. Außerdem würden seine Familie und seine Eltern große Probleme bekommen. Durch seinen früheren Bevollmächtigten, Rechtsanwalt ...-…, ..., ließ der Kläger vortragen, dass er wegen Unterstützung einer geheimen politischen Organisation in seiner Heimat mit Haftbefehl gesucht werde. Ein von ihm in Istanbul beauftragter Rechtsanwalt, ..., habe ihm am Anfang dieses Monats das als Anlage nebst Übersetzung beigefügte Dokument übermittelt. Selbst wenn sich nach einer Festnahme des Klägers herausstellen sollte, dass sich die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als unrichtig erwiesen hätten, hätte er wegen der mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmenden Gefahr, im Zuge der polizeilichen Ermittlungen zunächst menschenrechtswidrigen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, mit auch politisch motivierter Verfolgung zu rechnen.

Mit Bescheid vom 24. Februar 2004 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Antrag des Klägers auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und auf Abänderung des Bescheides vom 21. November 2002 bezüglich der Feststellung zu § 51 AuslG ab. Die gebotene Änderung der Beweislage sie vorliegend nicht gegeben. Bei dem vom Kläger vorgelegten Haftbefehl handelt es sich um eine Fälschung. Auch die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen zu § 53 AuslG lägen nicht vor. Dieser Bescheid des Bundesamtes erlangte infolge Nichtanfechtung Bestandskraft am 16. März 2004.

Mit Schriftsatz seiner früheren Bevollmächtigten vom 7. April 2004 ließ der Kläger erneut für sich und seine Ehefrau Asylfolgeantrag stellen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass sich die Antragsteller nunmehr auf Beweismittel stützen könnten, über die sie während des ersten bzw. ersten Asylfolgeverfahrens noch nicht verfügt hätten und die auch geeignet seien, zu einer anderen, nämlich für sie günstigeren Entscheidung zu führen. Soweit der mit Schriftsatz vom 16. Januar 2004 vorgelegte Haftbefehl vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge bei Überprüfung durch das Auswärtige Amt als Fälschung eingestuft worden sei, sei darauf hinzuweisen, dass der bereits im vorangegangenen Asylfolgeantragsverfahren genannte Rechtsanwalt ... in einem nunmehr vorliegenden Schriftsatz vom 15. März 2004 die gegen den Kläger erhobenen Strafvorwürfe bekräftigt und damit auch zum Ausdruck gebracht habe, dass das vorgelegte Dokument als echt einzustufen sei.

Mit Bescheid vom 20. April 2004 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens für den Kläger und seine Ehefrau ab. Auch die Anträge auf Abänderung des Bescheids vom 21. November 2002 bezüglich der Feststellung zu § 53 AuslG wurden abgelehnt. Eine Änderung der Sachlage sei vom Kläger nicht vorgetragen worden. Soweit es sich nunmehr zum Beweis der Tatsache, dass er in der Türkei von der Polizei gesucht werde auf ein Schreiben eines in Istanbul ansässigen Rechtsanwalt namens ... berufe, könne auch dies den gestellten Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht begründen. Auch der nunmehr vorgelegte Haftbefehl stelle sich als schlichte Fälschung dar. Dieser Bescheid erlangte infolge Nichtanfechtung am 11. Mai 2004 Bestandskraft.

II.

Mit Schreiben seiner früheren Bevollmächtigten, Rechtsanwälte ... und ..., ..., vom 26. Februar 2007 und einem persönlichen Schreiben vom 27. Februar 2007 beantragte der Kläger erneut die Anerkennung als Asylberechtigter, zumindest aber die Feststellung, dass in seiner Person die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 bis 7 AufenthG gegeben seien. Zur Begründung führte der Kläger u.a. aus, er sei zusammen mit seiner Familie am 20. Juli 2004 zum christlichen Glauben übergetreten. Zum Beleg verwies der Kläger auf ein Taufzeugnis der ... vom 20. Juli 2004. Des Weiteren führte der Kläger aus, er habe sich intensiv mit dem christlichen Glauben auseinandergesetzt und sei nach gewissenhafter Beschäftigung mit dem alten und neuen Testament überzeugter Christ geworden. Seinen christlichen Auftrag sehe er insbesondere nunmehr in der Missionierung seiner türkischen Landsleute. Er habe in der Bundesrepublik Deutschland bereits türkische Landsleute zum christlichen Glauben bekehrt und sich damit dem in der Türkei herrschenden „ungeschriebenen“ Gesetzen des Islams auf Schärfste widersetzt. In den Augen der Islamisten sei er zum Feind geworden. Zwar gelte in der Türkei normal die Religionsfreiheit, der türkische Staat sei jedoch in keiner Weise willens oder auch nur in der Lage, dies zu garantieren. Christen seien in der Türkei einer vielfältigen Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt, besonders dann, wenn sie für ihren Glauben aktiv nach außen hin aufträten. Es sei eine zunehmende Radikalisierung des Islams gegenüber Christen festzustellen. Aus diesem Grunde sei er bei Rückkehr auf höchste gefährdet, Opfer von islamischen Gewaltübergriffen zu werden.

MitBescheid vom 10. Mai 2007lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antrag des Klägers auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens sowie auf Abänderung der Bescheide vom 21. November 2002 und vom 20. April 2004 bezüglich der Feststellung zu § 53 Abs. 1 bis 6 AuslG in der jetzt geltenden Fassung des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG ab. Wiederaufgreifensgründe im gesetzlichen Sinne habe der Kläger nicht dargetan. Soweit er sich darauf berufe, auf Grund seines in der Bundesrepublik Deutschland erfolgten Glaubensübertritts und seiner Missionstätigkeit sei eine Änderung der Sachlage eingetreten, könne dies nicht zu einer günstigeren Entscheidung führen. Zwar erweitere die Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 mit Blick auf § 60 Abs. 1 AufenthG den religiösen Schutzbereich über den bisher - für Art. 16 a GG auch weiterhin nur - geschützten Bereich des sogenannten „Forum internum“ für unverfolgt Ausgereiste hinaus. Allerdings sei die bloße Unterbindung von Glaubensmanifestationen, wozu auch die religiöse Betätigung im öffentlichen Bereich gehöre, dafür regelmäßig nicht ausreichend. Die Richtlinie wolle nicht jegliche Handlung mit Religionsbezug schützen, sondern die mit der Menschenwürde untrennbar verknüpften Glaubensüberzeugungen. Somit bemesse sich die Relevanz danach, ob ein hinreichend schwerwiegender Eingriff in das sog. „religiöse Existenzminimum“ im Sinne von Art. 9 der Richtlinie im Heimatland drohe. Dies sei dann zu bejahen, wenn die Religionsausübung gänzlich unterbunden wird oder wenn sie zu einer Beeinträchtigung des unabdingbaren Kernbereichs einer Religion führten, auf den zu verzichten einem Gläubigen nicht zugemutet werden könne. Darüber hinaus sei unter Beachtung von Art. 5 Abs. 1 und 2 der Richtlinie die Prüfung der Verfolgungswahrscheinlichkeit erforderlich, d.h. ob der Antragsteller mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Handlungen ausgesetzt sein könnte, die als Verfolgung im Sinne von Art. 9 und 10 der Richtlinie zu bewerten seien. Anhaltspunkte für eine derartige Annahme bestünden jedoch für vorliegende Fallgestaltung weder nach der allgemeinen Auskunftslage noch nach dem individuellen Sachvortrag. Nach Einschätzung des Bundesamtes seien Christen in der Türkei grundsätzlich weder durch den Staat noch durch Dritte wegen ihrer Religionszugehörigkeit und auch wegen ihrer Religionsausübung einer politischen Verfolgung ausgesetzt. Dies gelte namentlich für christliche Gruppen einschließlich Konvertierten in …. Eine hiervon abweichende Betrachtungsweise geböten auch die Ereignisse vom 18. April 2007 in ... nicht, als ein in einem Bibelverlagshaus tätige Christen von islamischen Fanatikern ermordet worden seien. Sowohl die unmittelbare Reaktion staatlicher Verfolgungsbehörden als auch die Verurteilung dieser Tat in der türkischen Öffentlichkeit belegten, dass dies als die Tat einzelner islamischer Fanatiker einzustufen sei und auf keinen Fall den Rückschluss allgemein einsetzender Verfolgung von Christen in der Türkei zuließe. Neben dieser generell zu beurteilenden Lage ließe sich auch keine individuelle Gefährdungssituation des Antragstellers mit entsprechender Verfolgungswahrscheinlichkeit feststellen. Der Antragsteller habe seinen Lebensmittelpunkt in ... gehabt. Gerade für christliche Gruppen in ... ließen jedoch verfolgungserhebliche Maßnahmen ausschließen. So verteilen seit mehreren Jahren junge türkische Christen an hohen christlichen Feiertagen in ... bekanntester Fußgängerzone Bibeln. Der Spielraum missionarischer Tätigkeiten in der Türkei scheint in den letzten Jahren größer geworden. Es lägen weder Anhaltspunkte für die Feststellung einer physischen Gefährdung des Klägers noch einer relevanten Beeinträchtigung tragender Inhalte seiner Glaubensüberzeugung vor, die einen hinreichend schwerwiegenden Eingriff in das sogenannte religiöse Existenzminimum im Sinne des Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 begründeten. Hinzu komme, dass § 28 Abs. 2 AsylVfG in Übereinstimmung mit Art. 5 Abs. 3 dieser Richtlinie zur Anwendung komme. Danach könnten Umstände, die nach Verlassen des Herkunftsstaates aus eigenem Entschluss geschaffen worden seien, in der Regel die Feststellung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG nicht begründen, es sei denn, dass dieser Beschluss einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung entspräche. Eine derartige im Herkunftsland erkennbar betätigte Überzeugung ließe sich vorliegend aber gerade nicht feststellen. Ebenso wenig ließen sich sonstige Anhaltspunkte für eine über die Regelannahme des § 28 Abs. 2 AsylVfG hinausgehenden Ausnahmefallgestaltung feststellen. Auch die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG seien vorliegend nicht gegeben. Dieser Bescheid wurde am 14. Mai 2007 als Übergabeeinschreiben an die Bevollmächtigten der Kläger zur Post gegeben.

III.

Mit einem am 30. Mai 2007 per Telefax bei Gericht eingegangenen Schriftsatz haben die früheren Bevollmächtigten des Klägers hiergegen Klage erhoben mit dem Antrag,

das Bundesamt unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 10. Mai 2007 zu verpflichten festzustellen, dass beim Kläger Abschiebehindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorlägen.

Das Bundesamt beantragte,

die Klage abzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 3. April 2008 zeigte der nunmehrige Bevollmächtigte seine Vertretung an.

Mit Beschluss vom 9. Juni 2008 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Mit Schriftsatz vom 4. August 2008 übermittelte der Klägervertreter zur Situation der Christen in der Türkei verschiedene Unterlagen. Er führte unter Bezugnahme auf beigefügte Erklärungen des Herrn ... und der Frau ... aus, der Kläger sei bekennender und aktiver Christ. Bei jeder öffentlichen Religionsausübung wäre er (in der Türkei) unmittelbar jedenfalls von Dritten bedroht und vom Staat nicht geschützt. Eine Missionierungstätigkeit würde ihm umgehend ein Strafverfahren wegen Verunglimpfung des Islam (§ 216 tStGB) und Beleidigung des Türkentums (§ 301 tStGB) einbringen. Es könne nicht einmal davon gesprochen werden, dass das religiöse Existenzminimum geschützt wäre. Im Hinblick auf das derzeit in der Türkei stattfindende Strafverfahren gegen die Attentäter von ..., das als Testfall für die Reformen zur Annäherung an die EU angesehen werde, werde beantragt, das vorliegende Verfahren bis zum Vorliegen des Berichts von amnesty international über dieses Gerichtsverfahren über die Christenermordung in ... auszusetzen. Weiter werde beantragt, zu der Behauptung, dass die vom Kläger gezeigte Religionsausübung in Deutschland bei einer Rückkehr in die Türkei zu einer Gefahr für sein Leib und Leben führen würde, unter Vorlage der Verfahrensakte des Klägers ein Gutachten der Frau Dr. ... vom Osteuropäischen Institut der Freien Universität ... einzuholen.

In der mündlichen Verhandlung wurde die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 3. Mai 2007 zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Der Klägervertreter übergab dem Gericht neben dem vorgenannten Schriftsatz unter Hinweis auf die diesem beigefügte Unterschriftenliste von Mitgliedern des deutsch-türkischen Hauskreises die von der Hanns-Seidel-Stiftung - Akademie für Politik und Zeitgeschehen (…) - herausgegebene Broschüre mit dem Titel „„Sie werden Euch hassen…“ - Christenverfolgung weltweit“, ferner eine Einladung der Freien evangelischen Gemeinde ... zu einem Deutsch-Türkischen Begegnungsabend“ sowie ein Bild, das den Kläger mit weiteren Mitgliedern des deutsch-türkischen Hauskreises zeigt. Bei seiner Anhörung gab der Kläger auf Fragen u.a. an, er habe seinen Übertritt zum christlichen Glauben deshalb nicht bereits in seinem früheren Asylfolgeverfahren geltend gemacht, weil er sich seinerzeit noch nicht für ausreichend bibelfest erachtet habe. Auf Vorhalt, ob er dies nicht spätestens mit seiner im Juli 2004 erfolgten Taufe, mit der sich zum Christentum bekannt habe, hätte geltend machen müssen, erklärte der Kläger, dass er sich letztlich wegen der Ereignisse in ... im Jahre 2007 dazu entschlossen habe. Dem weiteren richterlichen Vorhalt, dass sich diese erst im April 2007 zugetragen hätten, er jedoch bereits mit einem Schriftsatz seiner früheren Bevollmächtigten vom 26. Februar 2007 unter Bezugnahme hierauf Asylfolgeantrag habe stellen lassen, wusste der Kläger nichts mehr entgegenzusetzen. Auf Frage des Klägervertreters, ob er sich vielleicht an weitere ähnliche Ereignisse in der Türkei zurückerinnere, verwies der Kläger auf die zeitlich danach liegende Ermordung eines Journalisten in Istanbul, ferner auf die Ermordung eines Pfarrers in Trabzon, die sich - so der Kläger auf entsprechende richterliche Nachfrage - seiner Erinnerung nach bereits vor dem Attentat von Malatya ereignet habe. Auf Frage des Klägervertreters, wie sich seine Religionsausübung in praxi darstelle, verwies der Kläger darauf, dass er den Gottesdienst besuche und bete. Auch habe er zwei Freunde (für die Kirche) gewonnen. Er gehe in den türkischen und in den deutsch-türkischen Hauskreis, die sich beide in ... etabliert hätten. Auf richterliche Nachfrage räumte der Kläger ein, die deutsche Sprache nicht zu verstehen; mit Hilfe der in die Kirche mitgeführten türkischsprachigen Bibel sei es ihm jedoch möglich, dem Gottesdienst zu folgen. Gelegentlich besuche er die Kirche auch gemeinsam mit einem Dolmetscher. Außer den bereits angesprochenen zwei Freunden stehe er noch mit zwei weiteren Personen in Kontakt. In der Türkei wäre es ihm nicht möglich, seinen Glauben gleichermaßen zu praktizieren. Er müsste befürchten, wie die drei Personen in Malatya zu enden.

Die Anträge des Klägervertreters, das Verfahren auszusetzen, wenigstens aber - wie schriftsätzlich im Einzelnen dargelegt - ein Sachverständigengutachten zu der Frage der Gefahr von dem Kläger wegen seiner Glaubensausübung drohenden Verfolgungsmaßnahmen einzuholen, lehnte das Gericht ab.

Der Klägervertreter beantragte, das Bundesamt unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise festzustellen, dass in seiner Person die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gegeben seien. Der Beklagtenvertreter beantragte, die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten und der zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Stellungnahmen und Auskünfte wird auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakten, der in diesem Verfahren gewechselten Schriftsätze und der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Gründe

Das Gericht sah sich trotz des gestellten Aussetzungsantrags des Klägervertreters nicht gehindert, in der Sache zu entscheiden. Für eine Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf den derzeit stattfindenden Strafprozess gegen die mutmaßlichen Täter von Malatya besteht kein Anlass, weil ein Zusammenhang zwischen diesem Strafprozess und den vom Kläger geltend gemachten Gründen für seinen Asylfolgeantrag nicht gegeben ist. Soweit der Klägervertreter meint, von einem Urteil, mit dem die Täter straflos blieben, würde eine Signalwirkung ausgehen, handelt es sich um eine unzulässige Unterstellung, von der im Übrigen nach der Überzeugung des Gerichts auch nicht ernsthaft ausgegangen werden kann, zumal der Prozess unter offizieller Beobachtung steht.

Der Kläger begehrt, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 10. Mai 2007 zu verpflichten, ihm gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise festzustellen, dass in seiner Person Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gegeben seien.

Diese mit einer Anfechtungsklage verbundene Verpflichtungsklage, bei deren rechtlicher Würdigung es auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ankommt (§ 77 Abs. 1 AsylVfG), ist unzulässig, soweit der Kläger - erstmals zudem in der mündlichen Verhandlung - die Verpflichtung des Bundesamts begehrt, ihm (auch) gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Der Asylfolgeantrag der früheren Bevollmächtigten des Klägers vom 26. Februar 2007 war zwar ausdrücklich auch auf die Feststellung gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG gerichtet, indes wurde darüber im vorliegenden streitgegenständlichen Bescheid nicht entschieden, in Ziffer 2) des Bescheides lediglich die begehrte Feststellung zu § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (früher § 53 Abs. 1 bis 6 AuslG) abgelehnt. Wegen der unterbliebenen Entscheidung zu § 60 Abs. 1 AufenthG wurde eine Untätigkeitsklage nicht erhoben. Die gegen den streitgegenständlichen Bescheid gerichtete Klage beschränkte sich ausdrücklich auf die Verpflichtung des Bundesamts, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG festzustellen.

Soweit die Klage zulässig ist, ist sie sachlich nicht begründet. Der Sachvortrag des Klägers ist nicht geeignet, den geltend gemachten Anspruch auf Feststellung eines Abschiebeverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG zu rechtfertigen. Dies würde im Übrigen auch hinsichtlich § 60 Abs. 1 AufenthG gelten, da insoweit bereits die Vorschrift des § 28 Abs. 2 AsylVfG entgegensteht.

Die Konversion des Klägers, die erst nach Abschluss des vorherigen Asylverfahrens erfolgt ist, stellt einen subjektiven Nachfluchtgrund dar, welcher nach § 28 Abs. 2 AsylVfG die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG ausschließt. Mit der zum 1. Januar 2005 in das Asylverfahrensgesetz eingefügten Regelung des § 28 Abs. 2 soll die Zuerkennung des sogenannten „Kleinen Asyls“ ausgeschlossen werden, wenn - wie vorliegend - nach unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrages ein Folgeverfahren auf selbst geschaffene Nachfluchtgründe gestützt wird. Damit soll der bisher bestehende Anreiz genommen werden, nach unverfolgter Ausreise und abgeschlossenen Asylverfahren aufgrund neu geschaffener Nachfluchtgründe ein Asylverfahren zu betreiben, um damit zu einem dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet zu gelangen (vgl. BT-Drucksache 15/420, Seite 109 f.).

Diese Regelung steht aufgrund der in Art. 5 Abs. 3 RL 2004/83/EG enthaltenen Öffnungsklausel im Einklang mit der Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung von Flüchtlingen (sogenannte Qualifikationsrichtlinie; vgl. VG Augsburg, Urteil vom 30.1.2007, Au 7 K 06.30338; so auch: VG Darmstadt, Urteil vom 20.10.2006, 5 E 689/05.A; anderer Ansicht z.B. VG Lüneburg, Urteil vom 29.11.2006, 1 A 165/04).

Da somit der Anwendungsbereich des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht eröffnet ist, kann sich der Kläger auch auf nicht auf die Gewährung internationalen Schutzes nach Art. 4 RL/2004/83/EG berufen (Art. 5 Abs. 3 RL/2004/83/EG). Damit bedarf es keiner Entscheidung, ob unter dem Geltungsbereich der Qualifikationsrichtlinie weiterhin eine asylrechtlich relevante Verfolgungshandlung im Bereich der Religionsausübung einen Eingriff in den Kernbereich (sogenannte „forum internum“, vgl. BVerwG, Urteil vom 20.1.2004, 1 C 9/03, NVwZ 2004, 1000) voraussetzt (so VG München, Urteil vom 22.1.2007, M 9 K 06.51034, Asylmagazin 2007/4, 35 und VG Düsseldorf, Urteil vom 20.11.2006, 14 K 4553/06.A, Asylmagazin 2007/4, 37), oder ob in Folge der Regelung des Art. 10 Abs. 1 b) RL 2004/83/EG auch Eingriffe in den öffentlichen Bereich der Religionsausübung ausreichen können (vgl. VG Karlsruhe, Urteil vom 19.10.2006, A 6 K 10335/04, Asylmagazin 2006/11, 23; VG Lüneburg, Urteil vom 15.1.2007, 1 A 115/04).

Nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags ist ein weiteres Asylverfahren gemäß 71 Abs. 1 AsylVfG nur dann durchzuführen, wenn ein Wiederaufgreifensgrund im Sinne des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG gegeben ist. Der im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht verankerte Anspruch des Betroffenen auf fehlerfreie Ermessensentscheidung über das Wiederaufgreifen des Verfahrens über die in § 51 VwVfG genannten Voraussetzungen hinaus wird durch die Regelung des § 71 Abs. 1 AsylVfG für das Asylverfahrensrecht ausdrücklich ausgeschlossen (so schon zur alten Rechtslage BVerfG, Beschluss vom 23.6.1988, 2 BvR 260/88, InfAuslR 1989, 65 f.; BVerwG, Urteil vom 15.12.1987, 9 C 285/86, InfAuslR 1988, 120, 122 f.). Demnach kommt die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nur dann in Betracht, wenn sich die dem früheren Bundesamtsbescheid zu Grunde liegende Sachlage nachträglich zu Gunsten des Betroffenen geändert hat oder wenn neue Beweismittel vorliegen, die eine ihm günstigere Entscheidung herbeigeführt hätten, oder wenn Wiederaufnahmegründe gemäß § 580 ZPO gegeben sind.

Im Falle einer nachträglichen Änderung der Sachlage (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG) genügt es dabei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht, dass der Asylbewerber eine solche Änderung der Sachlage lediglich behauptet. Erforderlich ist vielmehr, dass der Asylbewerber eine solche Änderung im Verhältnis zu der der früheren Asylentscheidung zu Grunde gelegten Sachlage glaubhaft und substantiiert, d.h. in sich widerspruchsfrei vorträgt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.6.1987, 9 C 251.86, DVBl 1987, 1120 ff.). Dabei müssen durch nachprüfbare Einzelschilderungen neue Umstände dargelegt werden, aus denen sich die Möglichkeit einer positiven Einschätzung des Asylbegehrens ergibt; die Eignung, eine günstigere Entscheidung herbeizuführen, ist mithin schlüssig darzutun (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.6.1991, 9 C 33.90, DVBl 1991, 1102). Diese Voraussetzung ist jedoch dann nicht erfüllt, wenn das Vorbringen von vornherein nach jeder vertretbaren Betrachtungsweise ungeeignet ist, zur Asylberechtigung zu verhelfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.6.1991, a.a.O.; BVerfG, Beschluss vom 11.5.1993, 2 BvR 2245/92, InfAuslR 1993, 304 m.w.N.). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die negative asylrechtliche Würdigung des neuen Tatsachenvortrags auf einer gefestigten, höchstrichterlich bestätigten Rechtsprechung beruht.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die unter Hinweis auf die vorgelegten Bestätigungen u.a. der christlichen Taufe belegte Konversion des Klägers ist nicht geeignet, eine für ihn günstigere Sachentscheidung hinsichtlich der Feststellung von Abschiebungshindernissen im Sinne des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG herbeizuführen. Insoweit bestehen bereits erhebliche Zweifel, ob der Kläger die Drei-Monats-Frist gewahrt hat, jedenfalls hat das Bundesamt zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG verneint.

Voraussetzung für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ist, dass dies gemäß § 51 Abs. 3 VwVfG innerhalb einer Drei-Monatsfrist, beginnend mit dem Tag der Kenntnisnahme vom Wiederaufgreifensgrund, beantragt wird und dass die Gründe für den Folgeantrag ohne grobes Verschulden nicht bereits im früheren Verfahren geltend gemacht werden konnten (§ 51 Abs. 2 VwVfG). Vorliegend spricht Vieles dafür, dass der Kläger die Drei-Monats-Frist versäumt hat, da er bereits durch die am 20. Juli 2004 erfolgte Taufe zum christlichen Glauben übergetreten ist, die Konversion aber erst mit seiner Asylfolgeantragstellung im Februar 2007 geltend gemacht hat. Soweit der Kläger sinngemäß geltend macht, sich einer Verfolgungsgefahr erst auf Grund des Mordanschlags auf drei Mitarbeiter eines christlichen Verlags in Malatya, unter denen sich zwei türkische Konvertiten befanden, bewusst geworden zu sein, vermag dies schon allein deshalb nicht zu überzeugen, weil sich der Mordanschlag ca. zwei Monate nach der Asylfolgeantragstellung des Klägers zutrug. Sein späterer Hinweis auf die Ermordung eines in Trabzon tätigen (katholischen) Priesters (…) ist ebenfalls unbehelflich, da dies bereits im Februar 2006 geschah, mithin ein Jahr vor der Antragstellung des Klägers. Dass die Ermordung eines türkischen Journalisten, die der Kläger auf entsprechende Nachfrage seines Bevollmächtigten nach weiteren Ereignissen des Jahres 2007 erwähnt hat, für ihn ausschlaggebend gewesen sein soll, behauptet der Kläger letztlich selbst nicht, wäre im Übrigen auf Grund der Lebensumstände des Ermordeten, eines armenischstämmigen türkischen (der armenisch-apostolischen Kirche angehörenden) Journalisten und Verlegers (…), die mit seiner persönlichen Situation kaum vergleichbar sind, auch nicht glaubhaft, da doch eher unwahrscheinlich, zumal der Kläger nicht in der Lage war, dieses Ereignis konkreter zeitlich festzulegen als „vor Malatya“.

Dessen ungeachtet ist die Konversion des Klägers vom Islam zum Christentum nicht geeignet, eine für ihn günstigere Sachentscheidung hinsichtlich der Feststellung von Abschiebungshindernissen im Sinne des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG herbeizuführen. Insoweit kann letztlich dahinstehen, ob die Konversion des Klägers glaubhaft und aus innerer Überzeugung erfolgt oder nur (zweckgerichtet) vorgeschoben ist.

Die Konversion des Klägers ist insbesondere nicht geeignet, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG zu begründen; Anhaltspunkte für ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 2 bis 6 AufenthG sind nicht ersichtlich.

Voraussetzung für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG wäre, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in die Türkei in Folge seines Glaubenswechsels eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit drohte. Das Element der Konkretheit der Gefahr kennzeichnet das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten und erheblichen Gefährdungssituation (vgl. zu § 53 Abs. 6 AuslG a.F.: BVerwG, Beschluss vom 18.7.2001, 1 B 71/01, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 46).

Einer derartigen, erheblichen Gefährdungssituation wird der Kläger zur Überzeugung des Gerichts bei einer Rückkehr in die Türkei nicht ausgesetzt sein. Insoweit durfte auch der vom Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung für den Fall der Erfolglosigkeit seines vorrangig gestellten Aussetzungsantrags gestellte Beweisantrag, unter Vorlage der Verfahrensakte des Klägers ein Gutachten der Frau Dr. ..., Osteuropainstitut der Freien Universität ..., zu der Behauptung einzuholen, dass die vom Kläger gezeigte Religionsausübung in Deutschland bei einer Rückkehr in die Türkei zu einer Gefahr für sein Leib und Leben führen würde, abgelehnt werden, da die benannte Sachverständige weder dazu berufen noch auch in der Lage ist, zu dem individuellen Verfolgungsrisiko des Klägers eine Aussage zu treffen. Die Beurteilung des individuellen Verfolgungsrisikos des Klägers ist allein Aufgabe des Gerichts, das sich hierbei, soweit erforderlich, der besonderen Sachkunde von Sachverständigen bedienen kann. Im Übrigen ist die Frage der (landesweiten) Verfolgungswahrscheinlichkeit von Christen, auch zum Christentum konvertierter Muslime, in der Türkei durch die in das Verfahren eingeführten Lageberichte, Auskünfte und Stellungnahmen hinreichend geklärt. Insoweit darf auf den in der Rechtsprechung anerkannten Beweiswert von Auskünften des Auswärtigen Amtes (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8.11.1991, 2 BvR 1351/91, InfAuslR 1992, 72 ff.; Entscheidung vom 23.2.1983, 1 BvR 990/82, BVerfGE 63, 197, 213 f. = NJW 1983, 1723 ff.; BVerwG, Urteil vom 13.2.1984, 9 B 15.84; Urteil vom 22.1.1985, 9 C 52.83, DVBl 1985, 577 f.; BayVGH, Beschluss vom 9.8.1995, 2 BA 95.32963, BayVBl 1996, 671) - selbst im Falle einer möglichen Mitwirkung von zu Botschaften abgeordneter Mitarbeiter des Bundesamtes (vgl. BayVGH, Beschluss vom 4.5.1999, 20 ZB 99.30941, m.w.N.) - verwiesen werden, zumal das Auswärtige Amt in seinen jeweiligen Lageberichten grundsätzlich anmerkt, seine Erkenntnisse u.a. auch aus der Verwertung der Berichte von amnesty international und der Jahresberichte des Türkischen Menschenrechtsvereins IHD zu beziehen. Das Auswärtige Amt stellt in seinem Lagebericht vom 25. Oktober 2007 fest, dass besonders in den Städten im Westen der Türkei Fälle von Muslimen, die zum Christentum konvertiert sind, bekannt seien. Rechtliche Hindernisse beim Konvertieren bestünden nicht. Das Missionieren sei strafrechtlich nicht sanktioniert. Freilich gebe es Kreise, die Formen des Praktizierens des Christentums als christliche Missionierung und „religiöse Propaganda“ mit großem Misstrauen betrachteten. Auch erschienen immer wieder tendenziöse Berichte in der Presse, die der Öffentlichkeit eine vermeintliche Bedrohung suggerierten, die in keinem Verhältnis zu der geringen Zahl der insgesamt ca. 110.000 Christen und den tatsächlich vorkommenden missionarischen Aktivitäten stünden. Tatsächlich seien im November 2006 zwei zum Christentum konvertierte türkische Staatsangehörige, die an verschiedenen Schulen in der westlich von Istanbul gelegenen Kleinstadt Silivri über die christliche Religion gesprochen und über eine Internetseite missioniert haben sollen, vor dem erstinstanzlichen Gericht in Silivri nach Art. 135 (Sammeln von persönlichen Daten), Art. 216 (Verunglimpfung des Islam) und Art. 301 tStGB (Beleidigung des Türkentums) angeklagt worden, das Verfahren sei aber noch nicht abgeschlossen. Aus diesem Einzelfall kann und darf indes nicht auf eine allgemeine Bedrohung missionierender Christen oder gar auf eine generelle Bedrohung von Christen in der Türkei geschlossen werden. Jedenfalls steht dem Kläger eine inländische Fluchtalternative im Westen der Türkei, insbesondere in ..., offen, zumal er bereits früher - bis einen Monat vor seiner Ausreise (vgl. Anhörungsniederschrift vom 9.9.2002, BA-Akte, 2 779 327 - 163, Blatt 28 ff., 29) in ... mit seiner Familie gelebt und nur wegen seiner in seinem ersten Asylverfahren (ohne Erfolg) vorgetragenen angeblichen Probleme wegen der DHKP-C, mit der er sympathisiert habe, verlassen hatte. Vernünftigerweise kann von ihm erwartet werden, dass er in ... oder in einer der größeren Städte im Westen der Türkei leben könnte (vgl. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG vom 29.4.2004). Die in Art. 8 der Richtlinie 2004/ 83/EG verwendete Formulierung „ vernünftigerweise erwartet werden kann“ verbindet objektive, vernunftbezogene Aspekte mit dem subjektiv angeführten Kriterium der Erwartung, das auch die individuellen Fähigkeiten und Gegebenheiten des Flüchtlings umfasst (vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 22.10.2007, A 11 K 340/07, unter Hinweis auf Lehmann NVwZ 2007, 508).

Der zwischenzeitlich ...-jährige Kläger, der eigenen Angaben zufolge (vgl. Anhörungsniederschrift vom 9.9.2002, BA-Akte, 2 779 327 - 163, Blatt 28 ff., 30) seinen Wehrdienst zudem bereits in den Jahren 1989/90 (in ...) abgeleistet hat, muss auch nicht mehr mit einer Einziehung zum Wehrdienst rechnen. Im Übrigen hat das Auswärtige Amt in seiner in des Verfahren eingeführten Auskunft vom 3. Mai 2007 mitgeteilt, dass ihm weder Tatsachen bekannt geworden seien, dass christliche Wehrpflichtige während des Militärdienstes wegen ihres Glaubens Repressalien durch das Militär ausgesetzt wären noch das es allein wegen der Glaubenszugehörigkeit zu Inhaftierungen und Strafverfahren gekommen sei. Nachforschungen des Auswärtigen Amtes bei den Menschenrechtsorganisationen TIHV und IHD hätten keine anderslautenden Erkenntnisse ergeben.

Auch die von dem Kläger herangezogenen Erkenntnisquellen rechtfertigen keine andere Beurteilung. Zwar ist es demnach zu Übergriffen auf Christen, zuletzt sogar mit Todesfolge gekommen. Diese Übergriffe sind jedoch vereinzelt geblieben und deshalb in Anbetracht der Zahl von ca. 110.000 in der Türkei lebenden Christen nicht geeignet, eine erhebliche Gefährdungssituation des Klägers zu belegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO.

Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben.

Beschluss

Der Gegenstandswert beträgt 1.500,00 EUR (§ 30 RVG).

Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.

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