LG München I, Urteil vom 24.07.2008 - 16 HK O 22814/05
Fundstelle
openJur 2012, 93717
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ... Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem ... zu zahlen.

II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

V. Der Streitwert wird auf ... Euro festgesetzt.

Tatbestand

Aufgrund der Vereinbarung vom ... hatte die Beklagte 3 Darlehen an die Klägerin herausgereicht (vgl. Anlage B 1). Auf Wunsch der Klägerin wurden die Darlehen vor Fälligkeit zurückgeführt. Der noch offene Darlehensbetrag betrug hierbei insgesamt ... Euro. Die Klägerin hat der Beklagten auf deren Verlangen eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von ... Euro bezahlt.

Am ... schloss die Klägerin mit der ... eine notarielle Vereinbarung über ein Verkaufsangebot über diejenigen Grundstücke, welche mit einer Grundschuld für die Beklagte zur Absicherung des oben genannten Darlehens belastet waren (Anlage K 3).

Darin heißt es in Teil I. Abschnitt XIV Ziffer 2.:

"Der Erwerber erklärt sich bereits jetzt bereit, die bestehende Finanzierung des Veräußerers mit Ausnahme jedoch der mit der ... bestehenden Darlehensverträge (ca. ... DM und ... DM) mit einer insgesamt valutierten Darlehenssumme in Höhe von etwa ... DM zu übernehmen bzw. abzulösen, soweit nicht der Veräußerer bis zum Tage der Annahme des Angebots, spätestens zum ... dem Notar und dem Erwerber per Einschreiben/Rückschein mitgeteilt hat, dass der Veräußerer eine gesonderte Vereinbarung mit dem jeweiligen Darlehensgeber über eine vorzeitige Rückführung des jeweiligen Darlehens getroffen hat."

Die Käuferin hat den Kaufpreis in Höhe von ... Euro mit Hilfe eines Bankenkonsortiums, bestehend aus der Beklagten, der ... sowie der ... finanziert. Hierbei übernahm die Beklagte einen Finanzierungsanteil in Höhe von ... EUR. Die Käuferin war bereits vorher Kundin der Beklagten gewesen und stand mit dieser auch in darlehensmäßiger Geschäftsbeziehung.

Die Klägerin behauptet, der Mitarbeiter der Beklagten, Herr ..., habe ihr verbindlich zugesagt, dass eine Vorfälligkeitsentschädigung nicht anfallen würde. Des Weiteren sei der Beklagten mit der Firma ... ein zumutbarer Ersatzkreditnehmer angeboten worden, welchen diese jedoch nicht akzeptiert hat. Schließlich sei die Vorfälligkeitsentschädigung fehlerhaft berechnet.

Die Klägerin beantragt daher:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ... Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basissatz seit dem ... zu zahlen.

DieBeklagtebeantragt

Klageabweisung.

Sie bestreitet insbesondere die behauptete Zusage seitens des Herrn ..., wobei dieser auch keinesfalls allein entscheidungsbefugt gewesen sei. Hinsichtlich des Gesichtspunktes der Stellung eines Ersatzkreditnehmers weist die Beklagte insbesondere darauf hin, dass ein höherer Betrag zu finanzieren gewesen sei, als der noch offene Darlehensbetrag. Zudem habe die Beklagte lediglich ... Euro davon finanziert. Außerdem hätte nicht nur die ... GmbH, sondern daneben die ... GmbH im Rahmen eines Gesamtschuldverhältnisses ein Kreditverhältnis mit der Beklagten zum Zwecke des Erwerbes eingegangen. Jedenfalls aber müsste sich die Klägerin als Vorteilsausgleich ... Euro anrechnen lassen im Hinblick auf Teil I Abschnitt XIV Nr. 1 b) hh) der oben genannten Vereinbarung.

Darin heißt es:

"Der Veräußerer wird dem Erwerber die Differenz zwischen dem für die übernommenen Darlehen anfallenden Zinsaufwand einerseits und dem rechnerischen Zinsaufwand zum Zeitpunkt der Kaufpreisfälligkeit, der sich ergibt aus der Multiplikation der noch valutierten Darlehensrestbeträge mit den um 1 Prozentpunkt erhöhten Zinssatz für Bundesanleihen mit einer Laufzeit von drei Jahren andererseits, maximal jedoch um Euro ... erstatten. Der Erstattungsbetrag ist zur Zahlung fällig mit der Fälligkeit des Kaufpreises. Der Erstattungsbetrag berechnet sich wie folgt: Dieser Differenzbetrag ist zu multiplizieren mit der Restlaufzeit des Darlehens im Monaten dividiert durch 12 = Erstattungsbetrag. der Erstattungsbetrag ist auf den Stichtag entsprechend den Darlehnsbedingungen nach der Rentenbarwertformel mit dem o. a. Zinssatz (Bundesanleihe mit Laufzeit von drei Jahren um einen Prozentpunkt erhöht) abzuzinsen. Das rechnerische Ergebnis stellt bis zum Höchstbetrag i. H. von ... Euro die Kaufpreisminderung dar. Der Erwerber hat dem Notar seine Berechnung mit dem Berechnungsgrundlagen vorzulegen".

Aufgrund Beweisbeschluss vom 30.8.2006 wurde Beweis erhoben durch Erholung eines Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf das Gutachten der ... GmbH Bezug genommen (Bl. 129/183, 208/222 d. A.).

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll.

Ein Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung aufgrund des nicht nachgelassenen Schriftsatzes vom 22.7.2008 war nicht veranlasst (§ 156 ZPO).

Die Parteien haben ihr Einverständnis mit Entscheidung durch den Vorsitzenden anstelle der Kammer erklärt (§ 349 Abs. 3 ZPO).

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von ... Euro gemäß § 812 BGB.

Die Beklagte hat keinen Anspruch auf die erhaltene Vorfälligkeitsentschädigung. Dies ergibt sich daraus, dass der Beklagten ein geeigneter Ersatzkreditnehmer angeboten wurde (§§ 242, 254 BGB i. V. m. der Rechtsprechung des BGH – vgl. insbes. BGH NJW-RR 1990, 432).

Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es nicht darauf an, dass es sich bei dieser Entscheidung um einen bestimmten Einzelfall gehandelt hat. Denn der BGH macht in dieser Entscheidung auch allgemeine Ausführungen zur hier einschlägigen Problematik. Danach hat eine einzelfallbezogene Abwägung der beteiligten Interessen und Risiken stattzufinden, wobei es insbesondere auch auf die Zumutbarkeit eines Ersatzgeschäftes für das Kreditinstitut ankommt. Danach sei insbesondere zu prüfen, ob der Kreditnehmer ein berechtigtes Interesse daran hatte, sich von dem Vertrag zu lösen und ob und gegebenenfalls welches Interesse seitens des Kreditinstituts, an dem Vertrag festzuhalten, dagegen steht.

Das Interesse der Klägerin, sich von dem Darlehen zu lösen, ergibt sich aus der Tatsache der Veräußerung des als Sicherheit dienenden Objektes. Dies entspricht bisheriger Rechtsprechung des BGH und ist nunmehr auch in § 490 Abs. 2 BGB normiert. Der Beklagten war es auch zumutbar gewesen, das Darlehen mit dem hier unstreitig präsentierten Ersatzkreditnehmer, der Firma ... fortzuführen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Beklagte gerade mit diesem Unternehmen einen neuen Darlehensvertrag in Höhe von ... Euro abgeschlossen hat, wobei die Bonität dieses Unternehmens nicht bestritten wird. Unerheblich ist hierbei, dass der offene Darlehensbetrag noch ca. ... Euro betrug. Denn es ist nicht ersichtlich, dass und aus welchen Gründen die Beklagte nicht auch einen Darlehensvertrag in Höhe von ca. ... Euro hätte abschließen können, da immerhin ca. ... Euro zu finanzieren gewesen waren.

Aufgrund der – wie bereits erwähnt – nicht bestrittenen ausreichenden Bonität der Firma ... ist es auch unerheblich, dass bei dem Kreditvertrag über ... Euro noch eine weitere Gesellschaft gesamtschuldnerisch beteiligt ist.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, dass der andere Darlehensvertrag unter Umständen zu höheren Bedingungen abgeschlossen wurde. So hat diesbezüglich lediglich die Klägerin vorgetragen, die Beklagte hingegen nicht. Offensichtlich spielte dieser Gesichtspunkt bei der Entscheidung keine Rolle. Es ist außerdem nicht ersichtlich, dass der Ersatzkreditnehmer nicht auch dazu bereit gewesen wäre, die Darlehen unter den veränderten Bedingungen des neuen Darlehensvertrages zu übernehmen. Abgesehen davon würde dies auch deshalb keine Rolle spielen, da es letztlich darum geht, dass der Beklagten dann keine Vorfälligkeitsentschädigung als Schadensersatz zusteht, wenn sie es unterlassen hat, den Schaden dadurch abzuwenden, indem sie einen zumutbaren Ersatzkreditnehmer akzeptiert. Die Beklagte kann letztlich nur so gestellt werden, wie sie bei Durchführung des ursprünglichen Kredites gestanden wäre. Aus diesem bzw. dessen Durchführung steht ihr jedoch keinesfalls ein Anspruch auf etwaigen, über den ursprünglich vereinbarten Zins hinausgehenden Gewinn zu.

Hinzu kommt noch, dass die Beklagte aufgrund der nicht erfolgten Kreditübernahme die (etwaige) Chance eines höheren Gewinnes erlangt und auch möglicherweise realisiert hat. Dann aber ist ihr kein Schaden entstanden, so dass ihr auch kein Anspruch auf die Vorfälligkeitsentschädigung zusteht. Dass die Beklagte die Chance eines höheren Gewinnes letztlich nur in Bezug auf ein Kreditvolumen von ... Euro realisiert hat, ist allein ihre Angelegenheit, worauf die Klägerin keinen Einfluss gehabt hat.

Bei alledem geht es, worauf die Klägerin zutreffend hinweist, nicht darum, dass die Beklagte letztlich verpflichtet wäre, einen Vertrag mit dem Ersatzkreditnehmer zu schließen. Es geht vielmehr allein darum, ob die Beklagte Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung hat oder nicht. Die Beklagte war in der Entscheidung, ob sie den Ersatzkreditnehmer akzeptiert oder nicht völlig frei. Entscheidet sich die Bank – bei gleicher Bonität des Ersatzkreditnehmers – dagegen, so mag sie hierfür ihre Gründe haben. Entsteht ihr dadurch ein Gewinn, so fehlt es – wie bereits erwähnt – an einem Schaden; entsteht ihr dadurch hingegen ein Verlust, so hätte sie diesen bewusst in Kauf genommen, was nicht dem Kreditnehmer angelastet werden kann. Im Übrigen erlangt die Bank bei Ablehnung der Kreditübernahme auch generell einen Vorteil, nämlich die Möglichkeit, einen neuen Vertrag mit veränderten – für sie günstigeren – Konditionen abzuschließen, was vorliegend auch erfolgt ist. Es wird damit keinesfalls nur der Kreditnehmer einseitig bevorzugt.

Die Klägerin muss sich auch nicht ... Euro aus dem Gedanken der Vorteilsangleichung anrechnen lassen. Diese von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsfigur passt nicht auf den vorliegenden Fall (vgl. Palandt, 67. Aufl., Vor § 249, Rn. 119 ff., 124).

So handelt es sich hier schon nicht um einen Schadensersatz. Des Weiteren beruht die Tatsache, dass die Klägerin aufgrund der Nichtübernahme des Darlehens davon befreit war, an den Erwerber eine bestimmte Summe, maximal ... Euro zu zahlen, den individuellen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und dem Erwerber. Den Vorteil hat die Klägerin somit nicht seitens der Beklagten, sondern von Seiten eines Dritten erlangt. Es ist auch sachgerecht, wenn dieser Betrag unberücksichtigt bleibt. Denn vorliegend geht es darum, dass die Beklagte um die gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung bereichert ist und das Rechtsverhältnis insoweit lediglich rückabgewickelt wird. Es geht damit nur um die Herstellung des ursprünglichen Zustandes. Würde man hingegen ... Euro als Vorteilsausgleich mit berücksichtigen, so wäre die Beklagte am Ende um diesen Betrag ungerechtfertigt bereichert. Denn es sind keine Rechtsgründe dafür ersichtlich, dass der Beklagten dieser Betrag zusteht. Allein die individuelle Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Käuferin kann keinen Anspruch der Beklagten auf diesen Betrag begründen. Vielmehr wäre die Beklagte doppelt bevorzugt – Darlehensauflösung zusätzlich ... Euro. Keinesfalls besteht zwischen Nach- und Vorteil auch ein solcher innerer Zusammenhang, dass beide bei wertender Betrachtung gleichsam zu einer Rechnungseinheit verbunden sind (vgl. Palandt, a. a. O., Rn. 122). So ist der Anspruch auf Ausgleich einer ungerechtfertigten Bereicherung zu trennen von den individuell vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und dem Erwerber. Abgesehen davon hat die Beklagte nichts dazu vorgetragen, dass der Maximalbetrag von ... Euro – nach der im Vertrag festgelegten differenzierten Berechnungsmethode – auch erreicht ist.

Auf die weiteren streitigen Punkte kommt es daher nicht mehr an. Von daher muss auch auf das Ergebnis des Gutachtens nicht eingegangen werden.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzuges i. V. m. § 288 Abs. 1 BGB. Da es sich bei dem Anspruch aus § 812 BGB nicht um eine Entgeltforderung aus einem Rechtsgeschäft handelt, kommt § 288 Abs. 2 BGB nicht zur Anwendung.

Die Klage war daher insoweit abzuweisen. Dabei ist Verzug gem. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB eingetreten mit Schreiben der Beklagten vom 11.3.2003 (Anlage K 7).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 3, 4 ZPO.