LG München I, Urteil vom 16.07.2008 - 21 O 15035/07
Fundstelle
openJur 2012, 93641
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu einer Höhe von 250.000,00 € – ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten zu 1) an ihrem Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu Wettbewerbszwecken die Teilnahme an Lotterieveranstaltungen zu bewerben und/oder zu vermitteln, ohne jedem Spieler unverzüglich nach Vermittlung des Spielauftrages den Veranstalter mitzuteilen.

II. Die Beklagten werden verurteilt, dem Kläger schriftlich Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über Art, Umfang und Häufigkeit der unter Ziffer I. genannten Rechtsverletzungen, insbesondere unter Angabe der Werbehäufigkeit, des Umsatzes mit dem Vertrieb und der Dauer des Vertriebs.

III. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger jeglichen Schaden zu ersetzen, der diesem infolge von Verletzungshandlungen gemäß Ziffer I. entstanden ist und zukünftig noch entstehen wird.

IV. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, einen Betrag in Höhe von € 225,03 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.06.2007 an den Kläger zu zahlen.

V. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, einen weiteren Betrag in Höhe von € 568,80 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 31.07.2007 an den Kläger zu zahlen.

VI. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

VII. Die Beklagten tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Rechtsstreits.

VIII. Das Urteil ist jeweils gegen die Beklagten zu 1) und 2) in Ziffer I. gegen Sicherheitsleistung i.H.v. € 4.500,00 und in Ziffer II. gegen Sicherheitsleistung i.H.v. € 500,00 vorläufig vollstreckbar.

In den Ziffern IV., V. und VII. ist das Urteil jeweils gegen die Beklagten zu 1) und 2) ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten zu 1) und 2) dürfen jeweils die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagten wegen wettbewerbswidriger Vermittlung von Lotteriespielen in Anspruch.

Der Kläger ist eine Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts und organisiert und veranstaltet in Absprache mit den übrigen Gesellschaften des Deutschen Lotto- und Totoblocks (DLTB) auf dem Gebiet des Freistaats Bayern durch die Staatliche Lotterieverwaltung in Bayern mit behördlicher Erlaubnis die Ziehungslotterie „Lotto 6 aus 49“. Die Beklagte zu 1) ist eine juristische Person mit Sitz in O. und bietet die Vermittlung von Spielverträgen im Namen von Wettgemeinschaften auf dem Gebiet des Lotteriewesens an. Dabei vertreibt sie ihr Spielvermittlungsangebot einerseits über die von ihr betriebene Internetpräsenz „m…de“, andererseits im Wege des terrestrischen Vertriebs über den Einzelhandel. Der Beklagte zu 2) ist Geschäftsführer der Beklagten zu 1).

Eine Bezirksannahmestellenleiterin des Klägers, Frau A. R., nahm probehalber in zwei von der Beklagten zu 1) beauftragten Einzelhandelsgeschäften am Vermittlungsangebot der Beklagten zu 1) teil, indem sie einen Spielschein an einer „H. Verkaufssäule“ (Computer, die mit Touch Screen versehen sind) der Beklagten zu 1) ausfüllte. Hierbei registrierte sich Frau R. zunächst über die Verkaufssäule als Kundin und gab nach der Registrierung ihren Spiel-Tipp ab. Sie spielte am 08.05.2007 einen Normalschein mit zwei Kästchen und „Spiel 77“ ohne „Super 6“ und am 23.05.2007 einen Normalschein mit drei Kästchen ohne „Spiel 77“ und ohne „Super 6“. Die Bezahlung der Spielteilnahme erfolgte durch Lastschriftverfahren. Nach der Abgabe der Tipps wurden die entsprechenden Spielquittungen vom 23.05.2007 und 08.05.2007 (vgl. Anlage CBH 4) ausgedruckt. Dabei wurde Frau R. weder im Rahmen der Spielteilnahme am 08.05.2007 noch am 23.05.2007 schriftlich oder mündlich der Lotterieveranstalter mitgeteilt, an den der von ihr abgegebene Spielauftrag weitergeleitet wurde. Den Spielquittungen sind entsprechende Angaben zum Lotterieveranstalter nicht zu entnehmen; ferner war der Lotterieveranstalter anhand des Verkaufssäulen-Bildschirms nicht erkennbar. Auch im übrigen erhielt Frau R. keine Informationen darüber, ob bzw. ggf. auf welche Weise sie erfahren konnte, an welche Lotteriegesellschaft ihr Spielauftrag weitergeleitet wurde.

In § 1 Abs. 1 der Allgemeinen Teilnahmebedingungen der Beklagten zu 1) (vgl. Anlage CBH 5), die bei den Spielteilnahmen von Frau R. nicht vorlagen, heißt es:

  § 1 Organisation          1. Die H. GmbH B. 12, 8…. O. (im Folgenden „H.“ genannt) vermittelt über ihre Lottoservice Angebote Spielaufträge im Auftrag der Spielteilnehmer an eine Lottogesellschaft die Mitglied des Deutschen Lottoblocks ist.Mit Schreiben vom 25.05.2007 (Anlage CBH 6) mahnten die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Beklagten wegen des vorbezeichneten Verhaltens sowie wegen drei weiterer Verhaltensweisen (Markenrechtsverletzung; fehlende Beauftragung eines geeigneten Treuhänders i.S.d. § 14 Abs. 2 Nr. 5 Satz 1 Lotteriestaatsvertrag (LStV); übermäßiger Spielanreiz durch Werbung mit € 5,00-Gutscheinen i.S.d. §§ 14 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, 1 Nr. 2 LStV) ab und forderten sie unter Fristsetzung bis zum 31.05.2007 auf, eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben sowie die dem Kläger für die Rechtsverfolgung entstandenen Kosten zu erstatten; als Gegenstandswert wurden € 100.000,00 angesetzt. Die Beklagten kamen der Aufforderung nicht nach (vgl. Schreiben vom 31.05.2007, Anlage CBH 7).

Daraufhin erwirkte der Kläger mit Beschluss des angerufenen Gerichts vom 06.06.2007, Az. 21 O 10486/07 (vgl. Anlage CBH 8), eine einstweilige Verfügung gegen die Beklagten in dieser Angelegenheit. Der Streitwert wurde auf € 50.000,00 festgesetzt.

Im Rahmen einer am 04.07.2007 unmittelbar erhobenen Hauptsacheklage (Az. 33 O 12503/07) verfolgt der Kläger zwei weitere, von ihm in der Abmahnung vom 25.05.2007 angegriffene Verhaltensweisen der Beklagten (Markenrechtsverletzung; fehlende Beauftragung eines geeigneten Treuhänders i.S.d. § 14 Abs. 2 Nr. 5 Satz 1 LStV), wobei der vorläufige Streitwert vom Kläger mit € 250.000,00 angegeben wurde. Im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens mit dem Az. 33 O 156637/07 (einstweilige Verfügung vom 22.08.2007, Anlage CBH 13) verfolgte der Kläger darüber hinaus die unzutreffende Benennung des Veranstalters durch die Beklagten bei einer Spielvermittlung Mitte Juli 2007.

Nachdem dieser Beschluss den Beklagten am 15.06.2007 und ihrem Prozessbevollmächtigten am 11.06.2007 zugestellt worden war, forderten die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 11.07.2007 an die Beklagten (Anlage CBH 11) und an deren Prozessbevollmächtigten (Anlage CBH 12) die Beklagten unter Fristsetzung zum 30.07.2007 auf, die erlassene einstweilige Verfügung durch Abgabe einer Abschlusserklärung als endgültige, rechtsverbindliche Regelung anzuerkennen. Gleichzeitig erging die Aufforderung, die dem Kläger durch die Einschaltung seiner Prozessbevollmächtigten entstandenen Kosten für das Abmahnverfahren zzgl. der bis dahin angefallenen Zinsen sowie für die Aufforderung zur Abgabe der Abschlusserklärung bis zum 30.07.2007 zu erstatten; für letztere wurde ebenfalls ein Streitwert i.H.v. € 100.000,00 angesetzt. Die Beklagten kamen diesen Aufforderungen nicht nach.

Der Kläger ist der Ansicht, dass das Spielvermittlungsangebot der Beklagten zu 1) gegen die Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 Alt. 2 LStV – die dem Verbraucherschutz diene und bei der es sich daher um eine Marktverhaltensregel handele – verstoße und damit i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG wettbewerbswidrig sei, so dass ihm ein Unterlassungsanspruch gem. § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG, ein Schadensersatzanspruch gem. § 9 UWG sowie entsprechende Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche als Hilfsansprüche zustünden. Nach der genannten Vorschrift des LStV sei der gewerbliche Spielvermittler verpflichtet, den Spielern unverzüglich nach der Vermittlung des Spielauftrags den Veranstalter mitzuteilen; vor dem Hintergrund, dass die Mitteilungspflicht dem Interesse des Spielers diene, seinen Gewinnanspruch gegenüber dem Veranstalter geltend machen zu können, genüge die allgemeine Bestimmung des § 1 der AGB der Beklagten zu 1), wonach die Spielaufträge an eine Lottogesellschaft des Deutschen Lottoblocks vermittelt wird, den Anforderungen der LStV-Vorschrift nicht, da sie es dem Spielteilnehmer nicht ermögliche, etwaige Gewinnansprüche durchzusetzen, weil Vertragspartner und damit „Veranstalter“ im Sinne der vorgenannten Vorschrift nicht der DLTB, sondern die einzelne Landeslotteriegesellschaft sei.

Der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der dem Kläger außergerichtlich wegen der Verfolgung seiner Rechte entstandenen Kosten folge, da die Abmahnung sowie die Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung berechtigt gewesen seien, aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG (analog) bzw. aus den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag. Als Streitwert für die Hauptsache in Antrag Ziff. 1. sei ein Betrag i.H.v. € 75.000,00 sowie in den Anträgen Ziff. 2. und 3. ein Betrag i.H.v. jeweils € 12.500,--, mithin insgesamt € 100.000,00 zugrunde zu legen. Der Kläger macht auf Basis dieses Streitwerts für die Abmahnung 0,65 einer Geschäftsgebühr zzgl. Auslagenpauschale, insgesamt € 900,10 geltend. Für die Aufforderung zur Abgabe der Abschlusserklärung verlangt der Kläger auf Basis eines Streitwerts von € 100.000,00 eine 0,8 Verfahrensgebühr zzgl. Auslagenpauschale, insgesamt also € 1.103,20.

Der Kläger b e a n t r a g t,

1. die Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu einer Höhe von 250.000,00 € – ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten zu 1) an ihrem Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu Wettbewerbszwecken die Teilnahme an Lotterieveranstaltungen zu bewerben und/oder zu vermitteln, ohne jedem Spieler unverzüglich nach Vermittlung des Spielauftrages den Veranstalter mitzuteilen;

2. die Beklagten zu verurteilen, dem Kläger schriftlich Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen über Art, Umfang und Häufigkeit der unter Ziff. 1 genannten Rechtsverletzungen, insbesondere unter Angabe der Werbehäufigkeit, des Umsatzes mit und der Dauer des Vertriebs;

3. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger jeglichen Schaden zu ersetzen, der diesem infolge von Verletzungshandlungen gemäß Ziff. 1 entstanden ist und zukünftig noch entstehen wird;

4. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von € 900,10 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 01.06.2007 an den Kläger zu zahlen;

5. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, einen weiteren Betrag in Höhe von € 1.103,20 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 31.07.2007 an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagten b e a n t r a g e n

Klageabweisung.

Die Beklagten sind der Auffassung, dass die Klage bereits unzulässig sei, weil der Kläger die zunächst im Rahmen einer einheitlichen Abmahnung geltend gemachten Ansprüche künstlich in zwei getrennte Verfügungs- und Hauptsacheverfahren aufgespaltet habe, ohne dass hierfür ein rechtfertigender Grund ersichtlich sei; diese Vorgehensweise sei rechtsmissbräuchlich i.S.v. § 8 Abs. 4 UWG, weil sie ersichtlich darauf abziele, die Kosten des Streits künstlich in die Höhe zu treiben und bei den Beklagten eine erheblich größere Gebührenbelastung bzw. ein erheblich größeres Gebührenrisiko zu bewirken. Zudem werde die in den Gebührentabellen verankerte Gebührendegression bei steigenden Streitwerten bewusst unterlaufen. Angesichts der eigenen Streitwertfestlegung des Klägers in seiner Abmahnung vom 25.05.2007 auf € 100.000,00 für vier verschiedene angegriffene Verhaltensweisen sei außerdem die jetzige, identische Streitwertangabe des Klägers nur für eine angegriffene Verhaltensweise zu hoch.

Darüber hinaus sei der geltend gemachte Anspruch auch unbegründet, weil es vorliegend um die Durchführung eines Vertragsverhältnisses bzw. um eine Verletzung nachvertraglicher Pflichten ginge und es daher mangels Marktbezugs an einer Wettbewerbshandlung im Sinne des UWG fehle; mit Abschluss des Vermittlungsauftrags sei der Wettbewerb zwischen den Parteien um den Kunden beendet. Selbst wenn man die Regelung in § 14 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 Alt. 2 LStV als Marktverhaltensvorschrift ansehe, liege kein Verstoß vor, weil die Mitteilung des Deutschen Lotto- und Totoblocks als Veranstalter der Lotterie ausreichend sei; eine Nennung der jeweiligen Landeslotterieanstalt werde von der genannten Vorschrift gerade nicht gefordert. Nach der gesetzgeberischen Konzeption solle der Gewinnanspruch außerdem nicht vom Kunden, sondern allein durch einen Treuhänder bei dem jeweiligen Veranstalter geltend gemacht werden, so dass die Informationspflicht nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 Alt. 2 LStV nicht dazu dienen könne, dem Spieler die Geltendmachung der Gewinne gegenüber dem Veranstalter zu erleichtern. Zur Sicherung seines Gewinnanspruchs sei der Kunde daher allein auf Angaben zum Treuhänder angewiesen; diese Angaben würden aber ausweislich der AGB der Beklagten gemacht. Im übrigen bestünden erhebliche kartellrechtliche Bedenken an der Wirksamkeit der die gewerblichen Spielvermittler einschränkenden Bestimmungen des LStV; die Pflicht zur Mitteilung des Veranstalters, an den der gewerbliche Spielvermittler seine Kunden vermittelt, diene nämlich nicht dem Interesse des Kunden, sondern allein den Interessen des monopolisierenden Staates, der diese Informationen dazu nutze, die Vertriebswege der Spielvermittler und damit auch der Beklagten lahm zu legen und sich so der unliebsamen Konkurrenz zu entledigen.

Der Kläger entgegnet, dass ein Rechtsmissbrauch i.S.v. § 8 Abs. 4 UWG nicht gegeben sei, da das beherrschende Motiv bei der Geltendmachung der Unterlassungsansprüche gerade nicht sachfremde Ziele gewesen seien. Vorliegend habe es sich nicht um identische, sondern um voneinander unabhängige Wettbewerbsverstöße gehandelt, die keinen Zusammenhang aufweisen würden. Da sie also auf tatsächlich und rechtlich gänzlich unterschiedlichen Erwägungen zurückzuführen seien und damit ggf. ein unterschiedliches Prozessrisiko aufweisen würden, müsse der Inhaber wettbewerbsrechtlicher Ansprüche die Möglichkeit haben, die ihm zustehenden Ansprüche effektiv und entsprechend ihrer wettbewerbspolitischen Bedeutung gerichtlich durchzusetzen. Aus diesem Grund habe sich der Kläger dazu entschieden, einen der beanstandeten Rechtsverstöße im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens durchzusetzen, während er die anderen beiden Rechtsverletzungen ausschließlich im Klagewege verfolge. Das Risiko der Erhebung einer mangels Einwilligung der Beklagten und mangels Bejahung der Sachdienlichkeit durch das Gericht ggf. unzulässigen nachträglichen Klageerweiterung und damit -häufung i.S.d. §§ 260, 263 ZPO um den hiesigen Streitgegenstand im Rahmen des Verfahrens 33 O 12503/07 sei dem Kläger nicht zuzumuten. Daneben könne nicht von einem rechtsmissbräuchlichen Gebühreninteresse des Klägers ausgegangen werden, wenn wie hier ein nennenswertes wirtschaftliches oder wettbewerbspolitisches Interesse an der Rechtsverfolgung bestünde.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2008 (Bl. 38/39 d. A.).

Gründe

Die zulässige Klage ist zum großen Teil begründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Der Kläger ist insbesondere prozessführungsbefugt und hat hinsichtlich des Feststellungsantrags ein Feststellungsinteresse i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO. Außerdem fehlt dem Kläger nicht das Rechtsschutzbedürfnis.

1. Die Klage ist nicht gem. § 8 Abs. 4 UWG rechtsmissbräuchlich, so dass dem Kläger nicht die Prozessführungsbefugnis fehlt (vgl. zur Rechtsnatur des Missbrauchseinwands BGH GRUR 2002, 357, 359 – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung ; GRUR 2006, 243 Tz. 22 – MEGA SALE ; a.A. Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Aufl., § 8 Rn. 4.4).

a. Ob ein Missbrauch i.S.v. § 8 Abs. 4 UWG vorliegt, ist stets im Einzelfall unter Berücksichtigung der gesamten Umstände zu beurteilen; die höchstrichterliche und obergerichtliche Rechtsprechung hat dabei zur Frage des Missbrauchs in einigen Entscheidungen Stellung genommen.

aa. So ist ein Missbrauch grundsätzlich zu bejahen, wenn der Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen. Ein Fehlen oder vollständiges Zurücktreten legitimer wettbewerbsrechtlicher Ziele ist indessen nicht erforderlich; vielmehr ist ausreichend, dass die sachfremden Ziele überwiegen (vgl. BGH GRUR 2000, 1089, 1090 – Missbräuchliche Mehrfachverfolgungen ; GRUR 2001, 82 – Neu in Bielefeld I ; GRUR 2001, 260, 261 – Vielfachabmahner ; GRUR 2006, 243 Tz 16 – MEGA SALE ).

bb. Indiz für einen Missbrauch ist es, wenn dem Anspruchsberechtigten nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit schonendere Möglichkeiten der Anspruchsdurchsetzung zu Gebote stehen (vgl. Bornkamm , a.a.O., § 8 Rn. 4.10). Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Verhalten können sich z.B. daraus ergeben, dass ein Gläubiger bei einem einheitlichen Wettbewerbsverstoß gegen mehrere verantwortliche Unterlassungsschuldner getrennte Verfahren anstrengt und dadurch die Kostenlast erheblich erhöht, obwohl eine streitgenössische Inanspruchnahme auf der Passivseite mit keinerlei Nachteilen verbunden wäre (BGH GRUR 2006, 243 Tz 16 – MEGA SALE) .

cc. Vom in § 8 Abs. 4 UWG ausdrücklich genannten Fall des Gebührenerzielungsinteresses (also einer Anspruchgeltendmachung, die „ vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen “) ist auszugehen, wenn der Anspruchsberechtigte aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Unternehmers kein nennenswertes wirtschaftliches oder wettbewerbspolitisches Interesse an der Rechtsverfolgung haben kann (BGH GRUR 2001, 260, 261 – Vielfachabmahner ; Bornkamm , a.a.O., § 8 Rn. 4.12).

dd. Ein Missbrauch kann auch dann vorliegen, wenn es dem Anspruchsberechtigten in erster Linie darum geht, den Verletzer mit Kosten und Risiken zu belasten und seine personellen und finanziellen Kräfte zu binden (vgl. BGH GRUR 2001, 78, 79 – Falsche Herstellerpreisempfehlung ; BGH GRUR 2001, 82, 83 – Neu in Bielefeld I ). Kann z.B. der Anspruchsberechtigte mehrere, in einer Werbeaktion enthaltene Wettbewerbsverstöße mit einer Klage (oder einem Verfügungsantrag) geltend machen, so kann es einen Missbrauch darstellen, wenn er ohne sachlichen Grund eine Aufspaltung vornimmt und mehrere Klagen neben- oder nacheinander erhebt (vgl. z.B. OLG Hamburg GRUR 1984, 826 – Gewinnzahlen II : „ Ein schrittweises Vorgehen in Richtung auf ein Gesamtverbot (Salami-Taktik) führt zu einer unbilligen Schädigung des Verletzers “; OLG München NJWE-WettbR 1998, 211, 212). Dagegen kann ein vernünftiger sachlicher Grund für eine Mehrfachverfolgung darin liegen, dass nicht identische, sondern lediglich gleichartige, ähnliche Fälle verfolgt werden (vgl. OLG Köln GRUR-RR 2006, 203, 204 – „ Der beste Preis der Stadt “).

b. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze ist vorliegend ein Missbrauch im Verhalten des Klägers abzulehnen.

aa. Der Gesetzgeber hatte 1986 bei der Einführung des § 13 Abs. 5 UWG a.F. = § 8 Abs. 4 UWG n.F. vor allem diejenigen Fälle vor Augen, in denen unseriöse Gewerbetreibende und „Abmahnvereine“ sich mittels der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen eine Einnahmequelle zu erschließen suchten. Die Rechtsprechung begegnete diesem Missstand vor Einführung des gesetzlichen Missbrauchstatbestands in bestimmten Fällen mit der Verneinung der Klagebefugnis und damit auch der Abmahnbefugnis; diese „vermehrt festzustellende“ Tendenz in der Rechtsprechung sollte durch § 13 Abs. 5 UWG a.F. gefördert werden (vgl. BT-Dr. 10/5771, S. 22 sowie Bornkamm , a.a.O., § 8 Rn. 4.1).

Insofern hätte es einem typischen Abmahnmissbrauch entsprochen, wenn der Kläger die vier beanstandeten Verstöße nicht in einer Abmahnung, sondern in vier einzelnen Abmahnungen moniert und anschließend auch in vier einzelnen Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Verfügung geltend gemacht hätte; in dieser Konstellation könnte von einer missbräuchlichen „Salami-Taktik“ zwecks Kostenerzeugung ausgegangen werden.

35bb. So liegt hier der Fall aber nicht. Bereits die Abmahnung des Klägers vom 25.05.2007 fasste nämlich sämtliche vier monierte Verhaltensweisen der Beklagten zusammen. Für die anschließende Aufspaltung in ein einstweiliges Verfügungsverfahren hinsichtlich des hier streitgegenständlichen Verstoßes einerseits und ein Hauptsacheverfahren hinsichtlich zweier weiterer Verstöße andererseits kann als sachlich rechtfertigender Grund durchaus herangezogen werden, dass ein bestimmter, ggf. aus Sicht des Klägers gewichtigerer Verstoß, dessen erfolgreiche Geltendmachung außerdem dem Kläger wahrscheinlicher erscheinen kann als andere Verstöße, zeitnah im Wege der einstweiligen Verfügung unterbunden werden soll.

cc. Darüber hinaus liegt hier auch nicht ein einheitlicher Wettbewerbsverstoß vor, der künstlich aufgespalten wurde, sondern der Kläger griff auf verschiedenen Sachverhalten basierende Verhaltensweisen an, die durchaus rechtlich unterschiedlich bewertet werden können.

dd. Dem Kläger fehlt auch nicht ein nennenswertes wirtschaftliches oder wettbewerbspolitisches Interesse an der Rechtsverfolgung, da er mit der Beklagten zu 1) zumindest mittelbar im Wettbewerb steht (vgl. näher unten Ziff. II. 1. a.).

ee. Einziges Indiz für einen Rechtsmissbrauch stellt daher der Umstand dar, dass der Kläger die hier streitgegenständliche Beanstandung nicht im Wege der Klageerweiterung im Hauptsacheverfahren 33 O 12503/07 geltend gemacht, sondern ein getrenntes Hauptsacheverfahren angestrengt hat.

Dieses Indiz allein ist jedoch nicht ausreichend, um einen Rechtsmissbrauch mit der einschneidenden Konsequenz der Unzulässigkeit der Klage zu begründen:

(1) Zum einen besteht grundsätzlich gem. § 263 ZPO die Möglichkeit, dass im Hauptsacheverfahren 33 O 12503/07 die Beklagten nicht in die Klageerweiterung einwilligen und das Gericht die Sachdienlichkeit der Klageerweiterung verneint; das dahingehende Risiko einer Klageabweisung wegen Unzulässigkeit der Klageerweiterung von vornherein dem Kläger aufzubürden, erscheint zumindest problematisch.

(2) Zum anderen bewegt sich auch die konkret angestiegene Kostenbelastung unter Zugrundelegung eines Streitwerts für den Unterlassungsanspruch – entsprechend der Angaben des Klägers im Rahmen seiner Abmahnung vom 25.05.2007 – von € 25.000,00 im hiesigen Verfahren (1 Gerichtsgebühr: € 311; 1 Rechtsanwaltsgebühr: € 686) und eines Streitwerts i.H.v. € 50.000,00 für zwei Beanstandungen im Verfahren 33 O 12503/07 (1 Gerichtsgebühr: € 456; 1 Rechtsanwaltsgebühr: € 1.046) gegenüber einer potentiell einheitlichen Geltendmachung mit einem Streitwert i.H.v. € 75.000,00 (1 Gerichtsgebühr: € 656; 1 Rechtsanwaltsgebühr: € 1.200) noch nicht in einer Dimension (Mehrbelastung bei der Gerichtsgebühr: € 111; Mehrbelastung bei der Rechtsanwaltsgebühr: € 532) , bei der man – auch unter Berücksichtigung des Geschäftsumfangs bei den Beklagten – von einer unbilligen Schädigung durch eine erheblich größere Gebührenbelastung bzw. ein erheblich größeres Gebührenrisiko für die Beklagten sprechen könnte, die hierdurch in ihren personellen und finanziellen Kräften gebunden wären.

(3) Jedenfalls ist aufgrund der beiden gerade ausgeführten sowie der in Ziff. I. 1. b. cc. und dd. genannten Umstände nicht ersichtlich, dass es dem Kläger bei der Klagenaufspaltung überwiegend um die angestiegene Kostenbelastung ging bzw. dass diese die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv des Klägers gewesen ist.

2. Der Kläger verfügt ferner hinsichtlich des Antrags auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung auch über das gem. § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Insbesondere entfällt beim wettbewerbsrechtlichen Schadensersatzanspruch das Feststellungsinteresse im Regelfall nicht schon dadurch, dass der Kläger im Wege der Stufenklage auf Leistung klagen könnte (vgl. Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 12 Rn. 2.18 m.w.N.).

3. Schließlich ist auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis für den Kläger entfallen, weil mit Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags zum 01.01.2008 der Staatsvertrag zum Lotteriewesen (LStV) außer Kraft getreten ist (vgl. § 29 Abs. 2 GlüStV); an die Stelle der streitgegenständlichen Regelung in § 14 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 Alt. 2 LStV ist nämlich die inhaltsgleiche Regelung des § 19 Nr. 1 Satz 2 Alt. 2 GlüStV getreten.

II.

Die Klage ist zum großen Teil begründet: Während der geltend gemachte Unterlassungs-, Auskunfts- und Feststellungsanspruch aufgrund des wettbewerbswidrigen Verhaltens der Beklagten gegeben ist, waren die dem Grunde nach bestehenden Zahlungsansprüche wegen der Kosten der Abmahnung und der Aufforderung zur Abgabe der Abschlusserklärung höhenmäßig zu kürzen.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1) wegen Nichtmitteilung des Veranstalters unverzüglich nach Vermittlung des Spielauftrages einen Unterlassungsanspruch gem. §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 3, 4 Nr. 11 UWG.

a. Die Parteien sind Mitbewerber i.S.d. §§ 8 Abs. 3 Nr. 1, 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Zwischen ihnen besteht ein konkretes, zumindest mittelbares Wettbewerbsverhältnis, so dass der Kläger aktivlegitimiert ist.

aa. Während der Kläger auf dem Gebiet des Freistaats Bayern die Ziehungslotterie „6 aus 49“ organisiert und veranstaltet, bietet die Beklagte zu 1) die Vermittlung von Spielverträgen im Namen von Wettgemeinschaften auch für die Ziehungslotterie „Lotto 6 aus 49“ an. Ihr Verhältnis zueinander ist also ähnlich demjenigen zwischen Hersteller und Händler. Dass die Parteien somit auf verschiedenen Wirtschaftsstufen tätig sind, ist unerheblich (vgl. Köhler , a.a.O., § 2 Rn. 59).

bb. Auch ist der Freistaat Bayern hier privatrechtlich und nicht öffentlich-rechtlich im Sinn eines Über-/Unterordnungsverhältnisses tätig. Somit steht der Umstand, dass es sich bei dem Kläger um eine juristische Person des öffentlichen Rechts handelt, dem Wettbewerbsverhältnis nicht entgegen.

50b. Dadurch, dass die Beklagte zu 1) der Spielteilnehmerin Frau R. nicht unverzüglich nach Vermittlung des Spielauftrages den Veranstalter mitteilte, verstieß sie gegen die Marktverhaltensregelung des § 14 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 Alt. 2 LStV.

aa. Die Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 Alt. 2 LStV ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

(1) Wie der Kartellsenat des OLG Düsseldorf mit Urteil vom 06.06.2007 (Az. VI-U (Kart) 26/06) festgestellt hat, verstößt die in § 14 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 LStV geregelte Informationspflicht des gewerblichen Spielvermittlers nicht gegen Art. 81 Abs. 1 EG und ist auch nicht wegen Verstoßes gegen die Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EG unanwendbar. In Rn. 54 des Urteils heißt es hierzu:

„Die in § 14 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 LotStV geregelte Verpflichtung des gewerblichen Spielvermittlers, die Spieler vor Abschluss des Vertrages über den für die Spielteilnahme an den Veranstalter weiterzuleitenden Betrag zu informieren und nach Vermittlung des Spielauftrages den Veranstalter mitzuteilen, bei dem der Spielauftrag platziert worden und der damit Vertragspartner der Spielgemeinschaft geworden ist, schreibt den Spielvermittlern weder eine verbotene Kartellabsprache vor, noch erleichtert sie eine solche. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Verpflichtung zur Information über die Preisbestandteile und den Lotterieveranstalter die Auswirkungen einer möglicherweise zwischen den Ländern bzw. den ländereigenen Lotteriegesellschaften bestehenden wettbewerbsbeschränkenden Kartellabsprache verstärkt. […] Auch die Verpflichtung des gewerblichen Spielvermittlers, dem Spieler nach Vermittlung des Spielauftrages den Veranstalter des Glückspiels oder der Lotterie mitzuteilen, bei dem der vermittelte Spielauftrag platziert worden ist, hat eine von der 2/3-Regelung in § 14 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 LotStV völlig eigenständige Bedeutung und dient gleichfalls dem Schutz und den Interessen der Spieler. Wie sich insbesondere auch aus den Erläuterungen zu den einzelnen Regelungen des Staatsvertrages ergibt (vgl. Seite 42), soll hierdurch sichergestellt werden, dass der Spieler einen etwaig ihm zustehenden Gewinnauszahlungsanspruch auch durchsetzen kann, er also weiß, bei welchen Veranstalter er seinen Anspruch geltend machen kann.“

(2) Darüber hinaus ist auch ein Verstoß gegen deutsches Verfassungsrecht, insbesondere gegen das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG und gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 GG) nicht ersichtlich. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 18.12.2007, Az. Vf. 9-VII-05 (Anlage CBH 14), festgestellt, dass die Regelungen in § 14 Abs. 2 LStV nicht gegen die entsprechenden Parallelnormen der Bayerischen Verfassung verstoßen. Unter Ziff. V. A. 2. b) cc) ist hierzu näher ausgeführt:

„Die in § 14 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2, Nrn. 4 und 5 LottStV geregelten Pflichten zur Offenlegung dienen dem Schutz der Spieler vor betrügerischen Machenschaften bei Glücksspielangeboten und vor Übervorteilung durch Täuschung über Gewinnchancen. Die Einschränkungen der Berufsausübungsfreiheit sowie der durch Art. 101 BV ebenfalls geschützten Vertrags- und Wettbewerbsfreiheit sind durch die zugrundeliegenden Gemeinwohlziele gerechtfertigt. Im Einzelnen sind hierfür folgende Gesichtspunkte maßgeblich:

Die Verpflichtung gem. § 14 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 LottStV, wonach der Spielvermittler den Spieler vor Vertragsschluss auf den an den Veranstalter weiterzuleitenden Betrag hinzuweisen und dem Spieler nach Vermittlung des Auftrags den Veranstalter mitzuteilen hat, ist nicht zu beanstanden. Sie gewährleistet die umfassende Information des Spielers über die besonderen Modalitäten eines Glücksspiels, bei dem die Teilnahme durch die Einschaltung eines Dritten, des Spielvermittlers, abgewickelt wird. Auf diese Weise wird unter anderem sichergestellt, dass der Spieler seinen Gewinnanspruch gegenüber dem Veranstalter geltend machen kann (vgl. LT-Drs. 15/716 S. 14). […] Die dem Spielvermittler auferlegten Pflichten zur Offenlegung sind verhältnismäßig.“

57bb. Weiterhin liegt eine Wettbewerbshandlung als Voraussetzung für den Tatbestand des § 4 Nr. 11 UWG (vgl. Köhler , a.a.O., § 4 Rn. 11.23) vor.

(1) Nach bisherigem Recht hatten Maßnahmen, die der Durchführung, Beendigung oder Rückabwicklung eines Vertragsverhältnisses dienen, i.d.R. keinen Marktbezug, da mit Abschluss eines Vertrages an sich der Wettbewerb um diesen Kunden beendet ist (vgl. Köhler , a.a.O., § 2 Rn. 48).

(2) Jedoch hat sich diese Rechtslage auf Grund des Gebots der richtlinienkonformen Auslegung geändert. Denn die für die Auslegung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG maßgebliche UGP-Richtlinie 2005/29/EG zählt nach der Definition in Art 2 lit. d zu den Geschäftspraktiken auch solche Verhaltensweisen, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Verkauf und der Lieferung eines Produkts stehen, wobei gemäß Art 2 lit. c unter „Produkt“ auch Dienstleistungen fallen. Dementsprechend bezieht Art. 3 Abs. 1 der UGP-Richtlinie unlautere Geschäftspraktiken „ vor, während und nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts “ in den Geltungsbereich der Richtlinie ein. Nicht erforderlich ist nunmehr, dass Handlungen des Unternehmers während und nach Vertragsschluss zugleich auf eine Förderung seines Absatzes oder Bezugs gerichtet sein müssen (vgl. Köhler , a.a.O., § 2 Rn. 50).

(3) Sofern sich die Beklagten vorliegend also darauf berufen, es fehle bereits an einer Wettbewerbshandlung, weil die Informationspflicht des § 14 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 LtStV allein der Durchführung eines Vertragsverhältnisses diene, kann dem somit nicht mehr gefolgt werden. Dieser Umstand ist für die Qualifizierung als Wettbewerbshandlung unschädlich. Die in § 14 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 LtStV normierte Mitteilungspflicht stellt jedenfalls eine Geschäftspraktik nach Abschluss eines Handelsgeschäfts dar.

cc. Bei der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 Alt. 2 LStV handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG.

(1) Gemäß § 4 Nr. 11 UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Marktteilnehmer sind neben Mitbewerbern und Verbrauchern alle Personen, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig sind (§ 2 Nr. 2 UWG). Als Marktverhalten ist jede Tätigkeit auf einem Markt anzusehen, durch die ein Unternehmer auf die Marktteilnehmer einwirkt. Hierunter fällt auch die Durchführung von Verträgen (vgl. Köhler , a.a.O., § 4 Rn. 11.34).

(2) Wie sich bereits aus den Ausführungen des OLG Düsseldorf und des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs ergibt, soll durch die Mitteilungspflicht des § 14 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 LtStV im Rahmen der Vertragsdurchführung zugunsten des einzelnen Spielers sichergestellt werden, dass er aufgrund der Kenntnis vom konkreten Veranstalter einen ihm zustehenden Gewinnauszahlungsanspruch gegen diesen Veranstalter auch durchsetzen kann. Somit dient die genannte Vorschrift dem Schutz und Interesse der Spieler, die als Verbraucher Marktteilnehmer i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG sind.

dd. Dadurch, dass die Beklagte zu 1) der Spielteilnehmerin Frau R. nicht unmittelbar nach der Spielauftragsvermittlung den konkreten Veranstalter mitteilte, sondern im Rahmen ihrer AGB lediglich kund tut, dass sie Spielaufträge „ an eine Lottogesellschaft die Mitglied des Deutschen Lottoblocks ist “ vermittelt, verstieß sie gegen ihre Informationspflicht i.S.v. § 14 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 LtStV und handelte damit unlauter i.S.v. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG.

Entgegen der Auffassung der Beklagten normiert die streitgegenständliche LStV-Bestimmung nämlich nicht lediglich die Pflicht, pauschal den Deutschen Lotto- und Totoblock als Veranstalter der Lotterie zu nennen, sondern verlangt vielmehr, eine bestimmte Lottogesellschaft als konkreten Veranstalter mitzuteilen.

(1) Dies ergibt schon der Wortlaut der Bestimmung: Der Vermittler muss dem Spieler unverzüglich nach Vermittlung des Spielauftrages den Veranstalter mitteilen. Damit ist der Veranstalter gemeint, an den der Spieler vermittelt wird. Veranstalter ist aber nicht der Deutsche Lotto- und Totoblock.

(2) Für dieses Verständnis spricht auch der Zweck dieser Bestimmung. Der Spieler soll durch Nennung des Veranstalters wissen, bei welchem Veranstalter er spielt, um sich so im Fall des Ausfalls des Vermittlers bzw. des Treuhänders direkt an den Veranstalter wenden zu können. Auch ist es bei Sonderlosungen für den Spieler in besonderem Maße von Bedeutung, bei welchem Veranstalter er spielt.

Diesem Verständnis steht die von den Beklagten vorgetragene Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen Veranstalter und Vermittler einerseits und Vermittler und Spieler andererseits nicht entgegen. Denn auch wenn der Vermittler gegenüber dem Spielveranstalter mit der Verwahrung der Spielquittungen und der Geltendmachung des Gewinnanspruchs im Namen des Kunden beauftragt ist und der Gewinnanspruch somit nicht durch den Kunden selbst, sondern allein durch den Treuhänder bei dem jeweiligen Veranstalter geltend gemacht wird, gibt dies nur den störungsfreien Ablauf im Fall eines Spielgewinns wieder; nach Auffassung der Beklagten müsse der Spieler zunächst vom Treuhänder die Herausgabe des Originalspielscheins verlangen bzw. diesen auffordern, seinen Gewinn gegenüber dem Veranstalter geltend zu machen. Dieses Vorgehen kommt einer Mahnung gleich, hilft dem Spieler aber nur, wenn der Treuhänder der Aufforderung des Spielers nachkommt. Tut er dies nicht, hat der Spieler ohne die Information des § 14 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 LtStV keinerlei Möglichkeit, sich direkt an den Veranstalter zu wenden und sich seinen Gewinn zu sichern. Die effektive Durchsetzung des Gewinnauszahlungsanspruchs wäre also nicht gewährleistet; genau diesem Zweck dient aber die Informationspflicht.

(3) Der Wettbewerbsverstoß der Beklagten zu 1) ist auch geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Marktteilnehmer – vorliegend konkret zum Nachteil der an der Lotterie teilnehmenden Verbraucher – nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen, § 3 UWG.

Nicht nur unerheblich ist ein Nachteil (also die Beeinträchtigung wettbewerbsrechtlich geschützter Interessen), wenn er aus der Sicht eines verständigen Marktteilnehmers spürbar ist (vgl. Köhler , a.a.O., § 3 Rn. 56). Dies ist angesichts der potentiellen Folge, einen Gewinnauszahlungsanspruch nicht oder nur erschwert durchsetzen zu können, ohne weiteres zu bejahen.

Im übrigen ist hier durchaus eine Vergleichbarkeit mit den Fällen gegeben, in denen Informationspflichten gegenüber einem Verbraucher verletzt wurden, weil er nicht richtig und vollständig über ein etwaiges Widerrufs- oder Rückgaberecht belehrt wurde; die Erheblichkeitsschwelle ist in diesen Fällen regelmäßig überschritten (vgl. OLG Hamburg GRUR-RR 2002, 232, 234; OLG Hamburg WRP 2007, 1498, 1501).

c. Schließlich ist die für den Unterlassungsanspruch notwendige Wiederholungsgefahr gegeben.

aa. Die Wiederholungsgefahr wird durch die vorangegangene Rechtsverletzung indiziert und wurde nicht durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung durch die Beklagte zu 1) ausgeräumt.

bb. Da außerdem an die Stelle der streitgegenständlichen, zwischenzeitlich außer Kraft getretenen Regelung in § 14 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 Alt. 2 LStV die inhaltsgleiche Regelung des § 19 Nr. 1 Satz 2 Alt. 2 GlüStV getreten ist, ist die Wiederholungsgefahr für einen gleichartigen Verstoß auch nicht entfallen.

2. Aufgrund des gerade festgestellten Wettbewerbsverstoßes ist die Beklagte zu 1), die sich das diesbezüglich zumindest fahrlässige Verhalten des Beklagten zu 2) gem. § 31 BGB analog zurechnen lassen muss, gem. §§ 3, 4 Nr. 11, 9 Satz 1 UWG auch zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet. Der hierzu akzessorische Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch ergibt sich aus § 242 BGB.

3. Gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG kann der Kläger die ihm entstandenen Anwaltskosten für die den bestehenden Unterlassungsanspruch (s.o.) geltend machende und damit berechtigte Abmahnung vom 25.05.2007 von der Beklagten zu 1) ersetzt verlangen. Ein Anspruch besteht jedoch lediglich i.H.v. € 225,03 zzgl. Verzugszinsen, wobei der Verzugszinssatz nur 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz beträgt.

a. Bei der Bestimmung des Geschäftswerts der Abmahnung, der dem Gegenstandswert des Hauptsacheverfahrens entspricht (vgl. Bornkamm , a.a.O., § 12 Rn. 1.96), war zu berücksichtigen, dass der Kläger selbst für insgesamt vier abgemahnte Verstöße einen Geschäftswert von insgesamt € 100.000,00 angesetzt hat; dieser Betrag erscheint der Kammer als dem Interesse des Klägers an der geltend gemachten Unterlassung entsprechend zutreffend angesetzt. Mangels anderweitiger Gesichtspunkte ist davon auszugehen, dass sich dieser Betrag gleichmäßig auf die vier beanstandeten Verstöße verteilt und somit der Gegenstandswert für den hier streitgegenständlichen Verstoß € 25.000,00 beträgt (vgl. auch oben Ziff. I. 1. b. ee. (2)).

Zu beachten war aber ferner, dass die Abmahnung der vier beanstandeten Verstöße für den Prozessbevollmächtigten des Klägers ein Geschäft darstellte, so dass erstattungsfähig nicht eine 0,65 Gebühr aus dem Einzelwert des einzelnen Verstoßes i.H.v. € 25.000,00 ist, sondern ¼ der 0,65 Gebühr aus dem Gesamtgeschäftswert der Abmahnung i.H.v. € 100.000,00.

b. Somit sind als erstattungsfähige Abmahnkosten ¼ der mit der Klage geltend gemachten € 900,10, mithin lediglich € 225,03 anzusetzen.

c. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 BGB; mangels Vorliegen einer Entgeltforderung findet § 288 Abs. 2 BGB mit seinem höheren Verzugszinssatz keine Anwendung. Verzugsbeginn ist der Tag nach Ablauf der Fristsetzung in der Abmahnung vom 25.05.2007 zum 31.05.2007, also der 01.06.2007.

4. Von den geltend gemachten Anwaltskosten für das ebenso wie die Abmahnung berechtigte Abschlussschreiben ist lediglich ein Betrag i.H.v. € 568,80 zuzüglich Verzugszinsen von nur 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz erstattungsfähig.

a. Da das Abschlussschreiben von seiner Funktion her (Vermeidung der Kostenfolge des § 93 ZPO) der Abmahnung entspricht, ist der Anspruch auf Erstattung der Kosten dieses Abschlussschreibens § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG analog zu entnehmen (vgl. Bornkamm , a.a.O., § 12 Rn. 1.78; Köhler , a.a.O., § 12 Rn. 3.73; a.A. Retzer in Harte/Henning, UWG, § 12 Rn. 662: Geschäftsführung ohne Auftrag).

b. Anzusetzen sind richtigerweise eine 0,8 Verfahrensgebühr zuzüglich Auslagenpauschale auf Basis eines Streitwerts von € 25.000,00, insgesamt also € 548,80 + € 20 = € 568,80.

c. Der Zinsanspruch folgt ebenfalls aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 BGB, so dass der Verzugszinssatz auch hinsichtlich der Kosten des Abschlussschreibens mangels Vorliegen einer Entgeltforderung lediglich 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz beträgt. Verzugsbeginn ist der Tag nach Ablauf der Fristsetzung im Schreiben vom 11.07.2007 zum 30.07.2007, mithin der 31.07.2007.

5. Der Beklagte zu 2) ist neben der Beklagten zu 1) selbst als deren Geschäftsführer aufgrund der unter Ziff. II. 1. bis 5. genannten Vorschriften zu Unterlassung, Schadensersatz, Auskunft und Zahlung verpflichtet, weil er den Wettbewerbsverstoß (schuldhaft) veranlasst hat oder jedenfalls diesen hätte unterbinden können (vgl. zur Eigenhaftung des gesetzlichen Vertreters einer Gesellschaft BGH GRUR 1986, 248, 251 – Sporthosen ; GRUR 2005, 1061, 1064 – Telefonische Gewinnauskunft ).

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 709 Satz 1, 708 Nr. 11, 711 Satz 1 u. Satz 2, 709 Satz 2 ZPO. Die Höhe der Sicherheitsleistung orientiert sich dabei in Bezug auf den Unterlassungs- und Auskunftsanspruch an dem Sicherungsinteresse hinsichtlich etwaiger Vollstreckungsschäden i.S.v. § 717 Abs. 2 ZPO.