OLG München, Urteil vom 27.06.2008 - 10 U 5654/07
Fundstelle
openJur 2012, 92815
  • Rkr:
Tenor

1. Die Berufung des Klägers vom 12.12.2007 gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 20.11.2007 (Az. 26 O 4617/07) wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Der Kläger, der in A. wohnt und bei der Fa. B. beschäftigt ist, begehrt Feststellung, dass der von ihm als Versicherungsnehmer bei der Beklagten für das Fahrzeug Mitsubishi Lancer, amtl. Kennzeichen ... abgeschlossene Versicherungsvertrag, Versicherungsnummer KR ..., bestehend aus Kraftfahrzeughaftpflicht- und Vollkaskoversicherung, durch das ihm am 06.09.2006 zugegangene Schreiben der Beklagten nicht gem. § 6 I 2 VVG gekündigt wurde, sondern uneingeschränkt fortbesteht. Der Kläger macht gegen die Beklagte weiter Zahlungsansprüche betreffend einen Haftpflichtschaden in Höhe von 1.542,39 € und den Fahrzeugschaden an seinem Mitsubishi in Höhe von 15.200 € geltend. Dem Versicherungsvertrag liegen die AKB Stand 01.10.2004 mit einer Beschränkung der Leistungsfreiheit des Versicherers in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung gem. § 2 b Ziffer 2 AKB auf 5.000 € zu Grunde.

Der Kläger erlitt am Samstag, dem 24.06.2006 auf dem Weg von seiner Arbeitsstelle nach Hause gegen 15.29 Uhr auf der BAB A 94, Fahrtrichtung P. im Gemeindegebiet A. einen Verkehrsunfall; er kam mit dem Pkw ins Schleudern und über die linke Fahrspur der zweispurigen Autobahn nach rechts von der Fahrbahn ab; der Pkw schlingerte an der neben der Fahrbahn befindlichen Böschung entlang, prallte an einen Baum und kam auf der linken Fahrzeugseite zum liegen. Am Pkw entstand wirtschaftlicher Totalschaden (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert 15.200 €), durch den Unfall wurden weiter Buschwerk und mehrere Leitpfosten der Autobahn beschädigt. Zum Unfallzeitpunkt war die Fahrbahn trocken, die Sonne schien und es war wenig Verkehr.

Ein beim Kläger um 16.00 Uhr durchgeführter Alkomatentest ergab eine AAK von 0,42 mg/l. Der Kläger wurde von der Unfallstelle mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus B. verbracht, wo eine um 16.45 Uhr entnommene Blutprobe eine Blutalkoholkonzentration von 0,71 Promille ergab.

Nachdem erstmals seitens der Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 14.08.2006 (Bl 13 der Akte der Staatsanwaltschaft München II, Az. ...) Akteneinsicht gewährt wurde, kündigte die Beklagte den Versicherungsvertrag mit Schreiben vom 05.09.2006 (Anl. K 2 zur Klageschrift vom 19.02.2007) unter Berufung auf eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Klägers zum Unfallzeitpunkt und berief sich auf Leistungsfreiheit gem. §§ 2 b Nr. 1 Buchst. e AKB, 61 VVG a.F. Das Schreiben ging dem Kläger nach seinem Vorbringen (Klageschrift S. 3 = Bl. 3 d.A.) am 06.09.2006 zu.

Der Kläger bezahlte zum Ausgleich von entstandenem Fremdschaden eine Rechnung der Gemeinde V. in Höhe von 637,90 €. Eine weitere Rechnung der Autobahndirektion Südbayern in Höhe von 904,49 € wegen des Schadens an den Autobahneinrichtungen ist an die Beklagte gerichtet.

Nach Erlass eines Strafbefehls wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und Einspruch des Klägers dagegen wurde der Kläger in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Ebersberg vom 06.12.2006 wegen einer Ordnungswidrigkeit nach §§ 24 a I, 25 StVG verurteilt. Der Zeuge K. wurde vom Amtsgericht nicht vernommen (Bl. 73/82 der Akte der Staatsanwaltschaft München II, Az. ...).

Der Kläger trägt vor, er sei verkehrsbedingt von der Fahrbahn abgekommen, er sei auf der linken Spur gefahren, da er einige Pkw überholt habe und beim Hinüberwechseln nach rechts habe er den zuvor überholten Verkehrsteilnehmer nicht gesehen, da dieser zwischenzeitlich beschleunigt hatte und sich daher im „toten Winkel“ befunden habe; als der Fahrer dieses Fahrzeuges gehupt habe, sei der Kläger erschrocken, habe sein Fahrzeug abrupt nach links gesteuert und dann - um nicht nach links von der Fahrbahn abzukommen - nach rechts, wodurch das Fahrzeug nach rechts geschleudert sei. Der Kläger habe am Unfalltag bis ca. 14.00 Uhr gearbeitet und sich 15 min - 20 min vor dem späteren Unfall ans Steuer gesetzt und keine Ausfallerscheinungen gehabt. Er sei am Unfalltag um 05.15 Uhr aufgestanden und habe täglich Überstunden leisten müssen. Sein Fahrzeug sei neu gewesen, ein Kombi, was möglicherweise dazu führte, dass er das Fahrzeug noch nicht ganz im Griff gehabt habe. Er sei - ausgehend von einer Jahresfahrleistung von etwa 30.000 km - 40.000 km mit dem Unfallfahrzeug bereits 4.000 km - 5.000 km gefahren.

Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird mit Ausnahme des Zeitpunktes der Entnahme der Blutprobe im Übrigen auf das angefochtene Urteil vom 20.11.2007 (Bl. 44/50 d.A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht München I hat nach Beiziehung der vorgenannten Ermittlungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war (Sitzungsniederschrift vom 04.09.2007 = Bl. 35/37 d.A.) ohne weitere Beweisaufnahme die Klage abgewiesen.

Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses dem Kläger am 23.11.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem beim Oberlandesgericht am 13.12.2007 eingegangenen Schriftsatz vom 12.12.2007 Berufung eingelegt (Bl. 61 d.A.) und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit einem beim Oberlandesgericht am 05.02.2007 eingegangenen Schriftsatz (Bl. 66/71 d.A.) begründet.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach dem Antrag erster Instanz zu erkennen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat unter Erteilung von Hinweisen (Bl. 72 d.A.) gemäß Beweisanordnung vom 06.02.2008 - soweit es die Ladung der Zeugen sowie die Terminsbestimmung betrifft im Original in Verlust geraten - nach Verzicht der Parteien auf die Einvernahme der Zeugen Z., H., P. U. und K. (Bl. 73, 83 d.A.) Beweis erhoben durch Anhörung des Klägers und uneidliche Vernehmung der Zeugen M. und D. F., K. und D. sowie gemäß Beweisbeschlüssen vom 04.04.2008 (Bl. 88/89 d.A.) und 21.04.2008 (Bl. 115/117 d.A.) durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens sowie eines ergänzenden Gutachtens des Leiters des Instituts für Rechtsmedizin der Universität M.

Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 04.04.2008 (Bl. 87/99 d.A.) nebst Anlagen und vom 27.06.2008 (Bl. 131/133 d.A.), das Gutachten vom 17.04.2008 (Bl. 109/114 d.A.), das Ergänzungsgutachten vom 08.05.2006 (Bl. 118/120 d.A.) und vom 21.05.2008 (Bl. 125/126 d.A.) zum Beschluss vom 21.04.2008 verwiesen.

Ergänzend wird auf die vorgenannte Berufungsbegründungsschrift, die Berufungserwiderung vom 27.03.2008 (Bl. 83/85 d.A.), die weiteren im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze des Klägers vom 14.02.2008 (Bl. 106/107 d.A.) und der Beklagten vom 15.06.2008 (Bl. 129 d.A.) sowie die Sitzungsniederschriften vom 04.04.2008 (Bl. 87/99 d.A.) nebst Anlagen und vom 27.06.2008 (Bl. 131/133 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat in der Verhandlung vom 04.04.2008 - insoweit nicht protokolliert - auf ausdrückliche Nachfrage nach seinem Körpergewicht zum Unfallzeitpunkt dieses mit 75 kg angegeben und dies damit begründet, dass er seinerzeit schwerer war als zum nunmehrigen Zeitpunkt, da er seinerzeit zu Rauchen aufgehört habe.

B.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

I. Die zulässige Klage ist sowohl hinsichtlich des Leistungs- wie auch des Feststellungsbegehrens unbegründet.

1. Die geltend gemachten Zahlungsansprüche des Klägers bestehen nicht. Die Beklagte kann sich nämlich gegenüber dem Zahlungsanspruch des Klägers aus dem Fahrzeugteil- und -vollversicherungsvertrag hinsichtlich des Fahrzeugschadens (15.200 €) gem. §§ 12 Nr. 1 II Buchst. e AKB, 61 VVG a.F. vollumfänglich und aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag hinsichtlich des Haftpflichtschadens (637,90 €) gem. § 2 b Nr. 1 Buchst. e, Nr. II S. 1 AKB bis zum Betrag von 5.000 € auf Leistungsfreiheit berufen. Entsprechendes gilt hinsichtlich eines weiteren Haftpflichtschadens in Höhe von 904,49 € (Rechnung der Autobahndirektion Südbayern), wobei insoweit ein Anspruch des Klägers auch daran scheitert, dass er weder eine Zahlung dieser Rechnung durch ihn noch eine Inanspruchnahme seitens der Autobahndirektion vorträgt, so dass allenfalls ein Regress der Beklagten, an die die Rechnung gerichtet ist, gegen den Kläger in Betracht käme.

Der Kläger hat nämlich den verfahrensgegenständlichen Verkehrsunfall in Folge alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit grob fahrlässig herbeigeführt und gegen die ihm vor Eintritt des Versicherungsfalles in der Fahrzeugversicherung treffende Obliegenheit gem. 2 b Nr. 1 Buchst. e AKB verstoßen, die Obliegenheitsverletzung war für den Versicherungsfall auch kausal, § 6 II VVG a.F. und die Beklagte hat rechtzeitig gekündigt (§ 6 I 3 VVG a.F.), vgl. unter 2.

a) Die beim Kläger am Unfalltag um 16.45 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 0,71 Promille.

(1) Das Ergebnis der Blutalkoholbestimmung durch Prof. Dr. G. vom Institut für Rechtsmedizin der Universität M. sowie der Zeitpunkt der Blutentnahme sind aus Bl. 11 der beigezogenen Ermittlungsakten ersichtlich, der Zeitpunkt ist auch auf dem polizeilichen Antrag vermerkt (Anlage zum Sachverständigengutachten vom 17.04.2008 = Bl. 114 d.A.). Hiergegen hat der Kläger Einwände nicht erhoben. Soweit in der Klageschrift und in der Berufungsbegründung (Bl. 2 und 67 d.A.) von einer Blutprobe von 16.00 Uhr die Rede ist, liegt ersichtlich eine Verwechslung mit dem freiwillig durchgeführten Alkomatentest vor (Bl. 114 d.A.), welcher um 16.00 erfolgte. Diese Verwechslung hat sich auch im Tatbestand des Ersturteils fortgesetzt. Die Beschlagnahme des Führerscheins erfolgte um 16.00 Uhr (Bl. 2 der Ermittlungsakten) und erst im Anschluss an das Alkomatentestergebnis war die Entnahme einer Blutprobe überhaupt veranlasst.

Der Unfallzeitpunkt war nach dem unstreitigen Sachverhalt gegen 15.29 Uhr. Der Kläger hat bei seiner informatorischen Anhörung vor dem Senat angegeben, er sei kurz nach 15.00 Uhr vom ... Studio in U. losgefahren, die Fahrzeit bis zur Unfallstelle habe ungefähr 20 Minuten betragen. Weiter hat der Kläger angegeben, am Unfalltag gegen 10.00 Uhr zur Brotzeit eine 0,5 l Bierflasche und gegen 12.30 Uhr zum Mittagessen eine weitere 0,5 l Bierflasche getrunken zu haben, letztere etwa in einer halben Stunde. Gegessen hat der Kläger nach seinen präzisierten Angaben in der Sitzung vom 04.04.2008 zur Brotzeit gegen 10.00 Uhr warmen Leberkäse mit 1 ½ Semmeln. Über seine Angaben im Ermittlungsverfahren hinaus hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, nach Arbeitsbeendigung gegen 14.00 Uhr noch die Hälfte einer weiteren Bierflasche getrunken zu haben. Dies präzisierte der Kläger bei seiner persönlichen Anhörung noch dahin, dass er diese halbe Flasche aus einem Becher auch etwa binnen einer halben Stunde trank, hierzu nichts aß und dass es sich bei dem Bier jeweils um Vollbier hell der Marke A., grünes Etikett handelte.

(2) Der Sachverständige Prof. Dr. med. E. vom Institut für Rechtsmedizin der Universität M., dessen überragende Sachkunde dem Senat aus einer Vielzahl von Verfahren ebenso bekannt ist wie die des bei den Gutachtenerstattungen von ihm hinzugezogenen Prof. Dr. G., gelangte in seinem Gutachten vom 17.04.2008 zu dem überzeugenden Ergebnis, dass - ausgehend von den Angaben des Klägers zu Trinkzeit und Trinkende - insbesondere auch im Hinblick auf die zurückliegende Nahrungsaufnahme gegen 10.00 Uhr und mangels relevanter Erkrankungen auch bei Aufnahme der Hälfte einer Flasche Bier gegen 14.00 Uhr wie vom Kläger angegeben, die Alkoholresorption zum Unfallzeitpunkt abgeschlossen war, so dass bei Rückrechnung mit einem niedrigen stündlichen Abbauwert von 0,1 Promille (entspricht 0,01 Promille alle 6 Minuten) die Mindest-BAK zum Unfallzeitpunkt 0,83 Promille betrug.

Jede Rückrechnung von der Blutalkoholkonzentration zur Zeit der Blutentnahme auf den Wert zur Tatzeit setzt voraus, dass das Ende der Resorptionsphase feststeht. Als Richtwert für die mögliche Dauer der Resorption ist in der gerichtlichen Praxis ein Zeitraum von maximal 120 Minuten anerkannt (BGHSt 25, 246/250 = NJW 1974, 246; BayObLGSt 94, 246 und DAR 2002, 80; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss v. 03.01.2003, Az. 2 SsOWi 156/02 (135/02)). Die Annahme einer kürzeren Resorptionsdauer bedarf der Feststellung der Anknüpfungstatsachen hinsichtlich Trinkzeit und Trinkende, Trinkmenge, Getränkeart, etwaiger Nahrungsaufnahme, Tatzeit, Zeitpunkt der Blutentnahme, Körpergewicht und Konstitutionstyp. Die Angaben des Klägers zur Trinkmenge können vorliegend der Berechnung nicht zu Grunde gelegt werden, weil sie nicht zutreffen. Der Kläger gab bei seiner persönlichen Anhörung die Aufnahme von insgesamt 2 ½ halben Bier = 1,25 l Bier an. Nach dem Ergebnis des Sachverständigen (Gutachten vom 21.05.2008 = Bl. 125/126 d.A. und vom 17.04.2008 S. 4, 5 = Bl. 112/113 d.A.) war zur Erzielung der gemessenen BAK bei einem Trinkbeginn ab 10.00 Uhr die Aufnahme von mindestens 3 ½ halben Bier (bei einem Körpergewicht zum Unfallzeitpunkt von 65 kg wie im Schriftsatz vom 14.04.2008 angegeben) bzw. bei Zugrundelegung des vom Kläger persönlich in der Sitzung vom 04.04.2008 genannten Gewichts von 75 kg die Aufnahme von mindestens 4 halben Bier erforderlich. Der Sachverständige gelangte zu diesem Ergebnis, weil er von einem Reduktionsfaktor von 0,7 ausgegangen ist und hierbei eine Körpergröße von etwa 170 cm bei weder auffallend hagerem noch auffallend dickem Körperbau zugrunde legte. Einwände gegen das Gutachten oder die zu Grunde gelegten Anknüpfungstatsachen wurden nicht erhoben. Der Senat, dem als Spezialsenat für Verkehrsunfallsachen aus einer Vielzahl von Verfahren und erholten Sachverständigengutachten bekannt ist, dass bei Personen mit auffallend hagerem oder dickem Körperbau im Hinblick auf das Verhältnis Körpergewicht/Körperlängenrelation ein abweichender Reduktionsfaktor in Betracht kommen kann, hat sich in der Sitzung davon überzeugen können, dass beim Kläger ein derartiger auffallender Körperbau nicht vorliegt, dieser vielmehr als durchschnittlich zu bezeichnen ist ganz gleich, ob der Kläger zum Unfallzeitpunkt 65 kg wog oder entsprechend seinen Angaben damals schwerer war, nämlich 75 kg. Der Senat schließt sich daher den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen an.

Von welchem Gewicht letztlich auszugehen ist, bedarf keiner Entscheidung, da der Kläger mindestens 1 Bier mehr getrunken hat als von ihm zuletzt angegeben.

Der Senat glaubt dem Kläger, dass er um 10.00 Uhr morgens am Unfalltag mit dem Trinken von Bier begonnen hat und die letzte Alkoholaufnahme um 14.00 Uhr wie vom Kläger angegeben dergestalt erfolgte, dass die Hälfte einer Flasche Bier aus einem Becher in einem Zeitraum von etwa einer halben Stunde getrunken wurde, so dass entsprechend dem Sachverständigengutachten die Mindest-BAK zum Unfallzeitpunkt 0,83 Promille betrug.

(3) Eine Beeinflussung der BAK durch Einatmung der Dämpfe des vom Kläger bei seiner Arbeit während der 5-stündigen Arbeitszeit verwendeten Klebers „Acrifix 190“, was der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 04.04.2008 mutmaßte (Sitzungsniederschrift S. 3 = Bl. 89 d.A.) besteht nicht. Da der Kleber - wie sich aus dem von der Klagepartei vorgelegten EG - Sicherheitsdatenblatt (Anlage zum Schriftsatz vom 14.04.2008 = Bl. 106/107 d.A.) ergibt - aus Acrylpolymeren, gelöst in Methylmethacrylat besteht und nicht aus Alkohol, kommt eine Beeinflussung des BAK-Wertes durch Inhalation alkoholischer Dämpfe, die nach dem Wissen des Senats in geringfügigem Umfang bis zu 0,2 Promille grundsätzlich möglich ist, nicht in Betracht.

(4) Dass bei der Verarbeitung des Klebers flüssige Substanzen oder Alkohole eingesetzt wurden, wurde nicht vorgetragen. Darüber hinaus gelangt das ergänzende Sachverständigengutachten vom 08.05.2006 (Bl. 118/120 d.A.) zu dem überzeugenden Ergebnis, dass angesichts des Umstandes, dass bei der BAK-Bestimmung auch das ethanolspezifische GC-Verfahren eingesetzt wurde, auch dann nicht mit einer Beeinflussung des Analyseergebnisses durch den Kleber zu rechnen ist, wenn bei der Verarbeitung des Klebers flüchtige Substanzen oder Alkohole eingesetzt wurden.

(5) Einwände gegen die vorgenannten schriftlichen Gutachten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 27.06.2008 waren, auch die Sachkunde betreffende, wurden nicht erhoben.

34b) Bei in Betracht kommender relativer Fahruntüchtigkeit lässt sich alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit wie auch der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht allein mit der genossenen Alkoholmenge begründen. Es bedarf weiterer Anzeichen für eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit, die sich aus Ausfallerscheinungen oder alkoholtypischen Fahrfehlern ergeben können (BGH NJW 1989, 1612; OLG Hamm NZV 2003, 522 [0,65 Promille]; SP 1995, 310, 311; r+s 1995, 373 und Urteil v. 12.07.1995, Az. 20 U 64/95, OLG Frankfurt VersR 1996, 52, OLG Düsseldorf SP 1998, 117, VersR 2001, 772; KG SP 1999, 101; Senat, Urteil v. 11.09.1992 = OLGR München 1992, 166). Die Anforderungen an die Beweiskraft entsprechender Hinweise auf Fahruntüchtigkeit sinken, je höher die Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit ist (vgl. OLG Köln r+s 2003, 315; Düsseldorf VRS 78, 281).

Ein solcher alkoholtypischer Fahrfehler liegt hier vor. Es handelt sich vorliegend um einen Fahrfehler, der als alkoholtypisch anzusehen ist und zwar auch dann, wenn an statt von einer Blutalkoholkonzentration von 0,83 Promille von einer solchen von 0,71 Promille zum Unfallzeitpunkt ausgegangen wird.

36Die Einlassung des Klägers, er sei durch das Hupen eines auf der rechten Spur fahrenden, von ihm zuvor überholten Pkw erschrocken, dieser habe sich beim Spurwechsel des Klägers nach rechts im sog. „toten Winkel“ befunden, weshalb er ihn auch beim versichernden Blick in den Rückspiegel vor dem Spurwechsel nicht habe sehen können (Klageschrift S. 2 = Bl. 2 d.A.), ist durch die Beweisaufnahme widerlegt. Der Senat ist auf Grund der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Kläger, mitbedingt durch die von ihm zuvor aufgenommene erhebliche Menge an Alkohol, Abstand und Geschwindigkeit eines vor ihm auf der rechten Spur fahrenden Fahrzeuges beim Spurwechsel falsch einschätzte und infolge einer zu starken Lenkbewegung nach links die Kontrolle über das Fahrzeug verlor. Im Hinblick auf die Angaben des Zeugen K. und - ohne dass es noch entscheidend darauf ankäme - die unzutreffenden Angaben des Klägers zur genossenen Menge an Bier glaubt der Senat die Unfalldarstellung des Klägers nicht.

(1) Der Zeuge K., dessen schriftliche Erklärung im Strafverfahren (Bl. 54/56 der beigezogenen Akte) erst am 17.10.2006 und damit nach Erlass des Strafbefehls durch das Amtsgericht Ebersberg am 09.10.2006 (Bl. 51 der Ermittlungsakten) bei der Staatsanwaltschaft einging und der zur Hauptverhandlung vom 06.12.2006 vor dem Amtsgericht Ebersberg (Bl. 73/78 der Strafakten) nicht als Zeuge geladen war, bekundete, dass er mit langsamer Geschwindigkeit auf der rechten Spur fuhr und ca. 200 m - 300 m vor ihm ein Lieferwagen, der ihn kurz zuvor mit einer Geschwindigkeit von etwa 100 km/h überholt hatte, ebenfalls auf der rechten Spur fuhr und der Kläger ihn aus seiner Sicht „flott fahrend“ auf der linken Spur mit 120 km/h bis 150 km/h überholte und unmittelbar nach dem Überholvorgang mit dem Einscheren auf die rechte Spur begann, jedoch dann etwa nach Erreichen der Hälfte der rechten Fahrspur nach links schwenkte, da er andernfalls dem Lieferwagen hinten oder in die Seite gefahren wäre, da der Kläger den Spurwechsel so durchführte, dass er dort auf der rechten Fahrbahn angekommen wäre, wo der Lieferwagen war, wobei sein Eindruck war, dass der Kläger zwischen ihm und dem Lieferwagen auf der rechten Spur einscheren wollte. Anschließend geriet der Kläger ins Schleudern. Der Zeuge erinnerte sich auch, dass zwischen ihm und dem Lieferwagen kein weiteres Fahrzeug, weder auf der rechten noch auf der linken Spur fuhr. Der Zeuge konnte zu seiner Erinnerung vom Fahrverhalten des Klägers eine Skizze fertigen, er unterschied deutlich zwischen den ihm erinnerlichen Beobachtungen und seinen Schlussfolgerungen. Auch die von ihm bekundeten Schätzungen zu Abstand, Zeitdauer der Fahrvorgänge und den gefahrenen Geschwindigkeiten sind miteinander vereinbar. Die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen sich und dem überholten Lieferwagen gab der Zeuge mit 30 km/h bis 40 km/h an, die Zeitspanne von dessen Überholvorgang bis zum Beobachten des Fahrverhaltens des Klägers mit 15 sek. - 20 sek., woraus sich ein Streckenvorsprung des Lieferwagens von ca. 125 m bis ca. 222 m errechnet. Die Entfernung des Lieferwagens bei Beobachtung des Klägers durch ihn, den Zeugen, gab dieser aus der Erinnerung mit 200 m - 300 m an. Der Senat glaubt dem Zeugen, dass er beobachten konnte, wie der Kläger nach links auswich, um nicht mit dem vor dem Kläger fahrenden Fahrzeug zu kollidieren.

(2) Die übrigen Zeugen konnten die Unfalldarstellung des Klägers nicht bestätigen.

Die Zeugin D. konnte den Fahrvorgang des Klägers nicht mehr genau rekonstruieren, insbesondere nicht angeben, ob das von ihr berichtete Einscheren oder Einschwenken nach rechts ein freiwilliger oder unfreiwilliger Spurwechsel war und ob sich auf Höhe des Klägers überhaupt ein weiteres Fahrzeug befand. Sie beobachtete, wie das Fahrzeug des Klägers instabil wurde und letztlich „durch die Luft flog“, hatte aber zum vorangegangenen Verkehrsgeschehen keine Erinnerung.

Der Zeuge M. F. wurde ebenfalls erst durch das „Schlendern“ auf das vor ihm fahrende Fahrzeug des Klägers aufmerksam und konnte darüber hinaus noch angeben, dass er 200 m hinter dem Kläger auf der linken Spur fuhr.

Die Zeugin D. F. hat ebenfalls beobachtet, wie der Kläger ins Schleudern geriet. In ihrer schriftlichen Erklärung im Ermittlungsverfahren (Bl. 30 der beigezogenen Akten) gab sie an, der Kläger sei ebenfalls auf der linken Spur gefahren, vor dem Senat gab sie an, dass der Kläger ihrer jetzigen geistigen Erinnerung nach rechts fuhr, wobei sie aber angesichts des Zeitablaufes ihre früheren Angaben als verlässlicher bezeichnete. Die Zeugin bestätigte, dass es sonnig war.

(3) Der Streckenverlauf im Bereich der Unfallstelle ist, wie die vom Kläger gefertigte Skizze (Bl. 35 der beigezogenen Akten) zeigt und was sich weiter aus den bei der Unfallaufnahme von der Polizei gefertigten Fotos ergibt (Bl. 37/40 der beigezogenen Akten), geradlinig und übersichtlich. Es handelt sich um den Weg des Klägers zwischen Wohnung und Arbeitsstelle.

(4) Der Kläger, der seine eigene Fahrgeschwindigkeit mit ca. 140 km/h angab, hat mithin Abstand und Geschwindigkeit des vor ihm fahrenden Fahrzeuges eklatant falsch eingeschätzt. Es war gerade nicht so, dass der Kläger wie von ihm selbst berichtet, nach Überholen dieses Lieferwagens „gemütlich“ auf die rechte Spur wechseln wollte und von einem von ihm bereits überholten und sodann auf der rechten Spur beschleunigenden Fahrzeug überrascht worden wäre. Vielmehr befand sich der Lieferwagen zum Zeitpunkt des Ausweichvorganges noch vor oder allenfalls neben dem Kläger. Angesichts der gefahrenen Geschwindigkeiten, Abstände und Verkehrsverhältnisse sowie der guten Sichtverhältnisse und der trockenen Fahrbahn und dem übersichtlichen Streckenverlauf handelte es sich bei dem beabsichtigten Spurwechsel des Klägers nach rechts um einen völlig alltäglichen Verkehrsvorgang, der von einem durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer ohne weiteres bewältigt wird. Angesichts des beträchtlichen Abstandes zwischen dem Zeugen K., den der Kläger zunächst überholte (der Kläger gibt selbst an, dass er vor dem von ihm angeblich überholten Fahrzeug ein anderes - langsameres - Fahrzeug überholt hatte) und dem vor diesem auf der rechten Spur fahrenden Lieferwagen blieb für den Kläger nach dem Überholen des Zeugen K. ein langer Zeitraum zur Beobachtung des davor fahrenden Verkehrs, zur Vorbereitung des Spurwechsels nach rechts sowie Anpassung der Geschwindigkeit an den Lieferwagen oder zur Vorbereitung eines erneuten Wechsels auf die linke Fahrspur. Weder eine stärkere Bremsung noch abrupte Lenkbewegungen waren zur Bewältigung der Verkehrssituation erforderlich. Eine Reduzierung seiner Fahrgeschwindigkeit bis zum Eintritt der Ausweichlenkung trägt der Kläger nicht vor. Dass der Kläger ohne verkehrsbedingten Grund auf den vorausfahrenden Lieferwagen, auf den er freie Sicht hatte, solange zufuhr und dann abrupt dergestalt nach links lenkte, dass ein „Abfangen“ durch eine zur Instabilität führende Gegenlenkung nach rechts erforderlich war, um nicht in die Leitplanke neben der linken Spur zu fahren, stellt nach Auffassung des Senates ein alkoholtypisches Fehlverhalten dar. Eine derart verspätete Reaktion stellt ebenso wie eine so starke Ausweichlenkung von der Fahrbahnmitte ein alkoholtypisches Fahrverhalten dar, bei dem sich die bekannten Folgen einer Alkoholbeeinträchtigung, nämlich Herabsetzung der Aufmerksamkeit und Wahrnehmungsfähigkeit, erhöhte Reaktionszeit sowie erhöhte Risikobereitschaft, Verminderung der Fähigkeit zur Entfernungseinschätzung und zum räumlichen Sehen sowie Beeinträchtigung der Feinmotorik auswirken. Der alkoholisierte Fahrer schätzt in der Regel in solchen Fällen Abstand zu und Geschwindigkeit von Vorausfahrenden falsch ein und verpasst den Zeitpunkt für eine Bremsung oder Lenkbewegung, so dass es dann zu verspäteten und wegen Beeinträchtigung der Feinmotorik unangemessenen Reaktionen kommt. Wie dem Senat aus einer Vielzahl vergleichbarer Fälle nach Anhörung von Sachverständigen bekannt ist, kommt insbesondere bei alkoholischer Beeinflussung zwischen 0,3 bis 1,0 Promille BAK eine alkoholbedingte Euphorie hinzu, die den Kraftfahrer die Gefährlichkeit seines Fahrverhaltens nicht erkennen lässt. Ob der Fahrer des vorausfahrenden Fahrzeuges hupte, kann dahingestellt bleiben. Der Kläger hatte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ausreichend Zeit, sein Fahrverhalten auf das vorausfahrende Fahrzeug einzustellen. Soweit der Kläger wegen des Hupens des Vorausfahrenden das Lenkrad verreißt, stellt sich dies vorliegend ebenfalls als alkoholtypischer Fahrfehler dar.

Sonstige Umstände für den Fahrfehler, nach denen der Fahrfehler nicht als alkoholtypisch zu werten wäre, hat die Beweisaufnahme nicht ergeben. Auf der linken Spur hinter dem Kläger war zum Zeitpunkt des Ausweichmanövers kein Fahrzeug in einem so geringen Abstand, welcher Anlass für eine abrupte Lenkbewegung hätte geben können. Die Zeugen M. F. und D. fuhren zwar mit ihren Fahrzeugen auf der linken Spur, aber nach ihren Angaben etwa 200 m - 300m hinter dem Kläger, wobei der Zeuge F. seine Geschwindigkeit mit ca. 120 km/h angab. Der zum Unfallzeitpunkt 55-jährige Kläger ist - ausgehend von der von ihm selbst vorgetragenen jährlichen Fahrleistung - ein erfahrener Kraftfahrer und er hat mit dem von ihm neu erworbenen Pkw (Erstzulassung 01.03.2006, vgl. die Angaben im Versicherungsvertrag Anlage K 1 zur Klageschrift) nach eigenen Angaben bis zum Unfall 4.000 km - 5.000 km zwischen seiner Wohnung in Aschau und seiner Arbeitsstätte in Unterföhring zurückgelegt, so dass die Einlassung, er habe das Fahrzeug möglicherweise, da es sich anders als bei seinem bisherigen Fahrzeug um einen Kombi handelte, noch „nicht ganz“ im Griff gehabt, zu keiner abweichenden Beurteilung führt. Der Kläger fuhr mit dem Fahrzeug seit Monaten den weiten Weg über die B 12, die BAB A 94 und den Autobahnring München zur Arbeit und wieder zurück und war daher nach Überzeugung des Senats mit dem Fahrzeug ausreichend vertraut. Soweit der Kläger sich darauf beruft, er habe seinerzeit täglich Überstunden geleistet und sei am Unfalltag bereits um 05.15 Uhr aufgestanden, führt die damit zwangsläufig verbundene Ermüdung des Klägers gegebenenfalls zu einer Verstärkung der mit der Alkoholaufnahme verbundenen Einschränkung von Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit. Die genannten Umstände rechtfertigen eine Beurteilung dahin, dass es sich um keinen alkoholtypischen Fahrfehler gehandelt hätte, nicht.

c) Daher ist von alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit auszugehen. Diese war für den Unfall mitursächlich, unabhängig davon, ob von einer Blutalkoholkonzentration zum Unfallzeitpunkt von 0,83 Promille oder einer solchen von 0,71 Promille ausgegangen wird.

(1) Es spricht bereits ein Anschein dafür, dass die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit für das Unfallgeschehen mitursächlich war (BGH VersR 1986, 141; Senat aaO), welchen der Kläger nicht erschüttern konnte.

(2) Unabhängig davon ist der Senat auf Grund der durchgeführten Beweisaufnahme und der unter b) dargestellten Erwägungen der Überzeugung, dass die Alkoholisierung des Klägers, die erheblich über dem Alkoholisierungsgrad des Gefahrtatbestandes nach § 24 a StVG lag und seine alkoholbedingte Fahruntauglichkeit für das Unfallgeschehen mitursächlich war. Der Kläger hat beim Spurwechsel als erfahrener Kraftfahrer auf ihm bekannter übersichtlich verlaufender Autobahnstrecke trotz guter Witterungs- und Sichtbedingungen bei geringem Verkehrsaufkommen bei einer Geschwindigkeit von lediglich 140 km/h den Abstand zum auf der rechten Spur mit etwa 100 km/h vorausfahrenden Lieferwagen und dessen Geschwindigkeit über eine längere Zeitdauer grob falsch eingeschätzt. Die Verkehrssituation war für jeden durchschnittlichen und nüchternen Kraftfahrer als alltäglich jederzeit beherrschbar. Andere, insbesondere verkehrsbedingte Umstände für den Fahrfehler liegen nicht vor. Die Unfalldarstellung des Klägers ist - wie ausgeführt - widerlegt, Übelkeit oder Schwindel (etwa durch den verwendeten Kleber) oder Übermüdung hat der Kläger schon nicht behauptet. Vielmehr war er nach seinen Angaben bei vollem Bewusstsein, er konnte sich auch an das Überholen des langsameren Fahrzeuges, bei welchem es sich um das des Zeugen K. handelte, und den Hergang der Lenkmanövers erinnern. Der Senat ist auf Grund der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Kläger, wäre er nicht alkoholisiert gewesen, nicht so knapp an den vorausfahrenden Lieferwagen aufgefahren wäre und darüber hinaus, dass der Kläger ohne Alkoholisierung trotzdem bei der Ausweichlenkung - auch im Falle eines Hupens des Vorausfahrenden - die Gewalt über das Fahrzeug behalten hätte.

d) Dem Kläger ist hinsichtlich des Kaskoschadens auch der gesteigerte subjektive Vorwurf grober Fahrlässigkeit nach § 61 VVG a.F. zu machen, da er bei einer gewissenhaften Selbstprüfung seine Fahruntüchtigkeit hätte erkennen können. Ein Kraftfahrer, der sich trotz eines derart erheblichen Alkoholgenusses, hier mindestens 3 ½ Flaschen Bier, die zu einer Blutalkoholkonzentration von 0,71 Promille um 16.45 Uhr führten, kurz nach 15.00 Uhr ans Steuer seines KFZ setzt und dabei die allgemein bekannte Einsicht missachtet, dass er durch ein Fahren im fahruntüchtigen Zustand andere Verkehrsteilnehmer und sich selbst einer unverantwortlichen Gefährdung aussetzt, handelt in der Regel schlechthin unentschuldbar (OLG Hamm RuS 1995, 244; Urteil v. 12.07.1995, Az 20 U 64/95). Dies gilt auch im vorliegenden Fall für den Kläger. Seine Angabe, lediglich 2 ½ Flaschen Bier zu je 0,5 l getrunken zu haben, ist, wie ausgeführt, stark untertrieben und falsch, da er durch den Konsum von 1,25 Liter Bier die festgestellte Blutalkoholkonzentration nicht hätte erreichen können. Tatsächlich hat der Kläger ab 10.00 Uhr mindestens 1,7 Liter Bier, nämlich 3 ½ Flaschen getrunken Der Kläger hätte vor Benutzung seines Fahrzeuges die Auswirkungen des Alkoholkonsums kritisch prüfen müssen. Die angesichts der erheblichen Trinkmenge dabei zwangsläufig entstehenden Zweifel hätten dazu geführt, dass er von einer Fahrt Abstand genommen hätte. Dies gilt vorliegend umso mehr, als der Kläger sich darauf beruft, er habe seinerzeit täglich Überstunden geleistet und sei am Unfalltag bereits um 05.15 Uhr aufgestanden. Die dadurch zwangsläufig bedingte Ermüdung des Klägers, der nach einer derartigen Arbeitswoche am Samstag um 05.15 Uhr aufgestanden ist und bis 14.00 Uhr gearbeitet hat, hätte Anlass sein müssen, nach Aufnahme von 3 ½ Flaschen Bier die Fahrtüchtigkeit im Hinblick auf die mit der Alkoholaufnahme verbundenen Einschränkungen und Beeinträchtigungen besonders sorgfältig zu prüfen, zumal der Kläger auch noch eine weite Fahrstrecke vor sich hatte und es sich um ein Fahrzeug handelte, das der Kläger nach eigener Einschätzung noch nicht so gewohnt war wie sein vorheriges.

e) Hinsichtlich des Haftpflichtschadens besteht ebenfalls Leistungsfreiheit gem. § 2 b Nr. 1 Buchst. e, Nr. 2 AKB. Die dem Kläger vorzuwerfende Obliegenheitsverletzung war für den Verkehrsunfall (mit-)kausal und der Kläger konnte den ihm obliegenden Kausalitätsgegenbeweis nicht führen, § 6 I S. 1, II VVG a.F. Der Kläger war auf Grund Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage, ein Kraftfahrzeug sicher zu führen, er war relativ fahruntüchtig und geriet in Folge seiner alkoholbedingten Fahruntauglichkeit von der Fahrbahn ab (siehe oben). Mit seinem Einwand, die Obliegenheitsverletzung sei für den Verkehrsunfall nicht kausal geworden, ist der Kläger beweisfällig geblieben, seine Unfalldarstellung konnte, wie ausgeführt, durch die Beweisaufnahme widerlegt werden.

f) Da die Beklagte im Hinblick auf ihre Leistungsfreiheit den Kasko- und Haftpflichtversicherungsvertrag innerhalb der Frist des § 6 I 2 VVG a.F. rechtzeitig kündigte (vgl. unten 2.), kann sie sich auch auf ihre Leistungsfreiheit berufen, § 6 I 3 VVG a.F.

2. Das Feststellungsbegehren ist ebenfalls unbegründet, da die Beklagte im Hinblick auf ihre Leistungsfreiheit den Kasko- und Haftpflichtversicherungsvertrag innerhalb der Frist des § 6 I 2 VVG a.F. rechtzeitig kündigte. Nach dem Wortlaut des § 6 I 2 VVG a.F. beginnt die Monatsfrist mit Erlangung der Kenntnis von der Obliegenheitsverletzung durch den Versicherer. Dies setzt inhaltlich voraus, dass der Versicherer den vollen objektiven Sachverhalt positiv kennt (OLG Hamm, VersR 1998, 847; OLG Köln, NJOZ 2006, 939). Akteneinsicht in die Ermittlungsakte wurde erstmals mit Verfügung der Staatsanwaltschaft München II vom 14.08.2006 (... der Akte der Staatsanwaltschaft München II, ...) gewährt, erst auf Grund Akteneinsicht erlangte die Beklagte Kenntnis vom Alkoholgenuss und der Führerscheinbeschlagnahme; das Kündigungsschreiben ging dem Kläger nach eigenem Vortrag bereits am 06.09.2006 zu. Eine Kenntnis der Beklagten von dem ihre Leistungsfreiheit begründenden Sachverhalt vor Gewährung von Akteneinsicht hat der Kläger schon nicht behauptet.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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