LG München I, Urteil vom 24.06.2008 - 9HK O 7340/08
Fundstelle
openJur 2012, 92568
  • Rkr:
Tenor

I. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,– EUR abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin (im folgenden: Klägerin) macht gegen die Verfügungsbeklagte (im folgenden: Beklagte) im Wege eines Eilverfahrens gem. §§ 935, 937, 922 ZPO einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend.

Beide Parteien sind in der Software-Branche tätig. Die Klägerin entwickelt und vertreibt Software, die Beklagte bezeichnet ihr Geschäftsmodell als "Handel mit gebrauchten Softwarelizenzen".

Mit Schreiben vom 21.4.2008 wendete sich die Beklagte an öffentliche Auftraggeber, wobei sie nach Meinung der Klägerin wettbewerbswidrige, weil täuschende Aussagen gemacht habe. Die Klägerin beanstandete insbesondere zwei Aussagen der Beklagten in dem genannten Schreiben. Wegen der Einzelheiten der beanstandeten Passagen und des Vortrags der Klägerin insoweit wird auf die Antragsschrift vom 29.4.2008 hingewiesen.

Die Klägerin ist der Meinung, dass die beiden beanstandeten Aussagen der Beklagten gegen § 5 UWG verstoßen würden, weshalb die Klägerin entsprechende Unterlassungsansprüche gegen die Beklagte habe.

Wegen der Einzelheiten der rechtlichen Begründung der Klägerin wird ebenfalls auf die Antragsschrift vom 29.4.2008 hingewiesen.

Auf Antrag der Klägerin erließ das Landgericht München I, 33. Zivilkammer, am 30.4.2008 gegen die Beklagte folgende

Einstweilige Verfügung:

1. Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes von Euro 5,– bis zu Euro 250.000,–, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten tritt oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung gemäß §§ 635 ff., 890 ZPO

verboten,

den geschäftlichen An- und Verkauf "gebrauchter Softwarelizenzen" zur Installation und Nutzung von Computerprogrammen mit den folgenden Behauptungen zu bewerben:

1. "Standard-Software darf weiter veräußert werden. Dies wurde u. a. vom Bundesgerichtshof und von Hamburger Gerichten ohne Wenn und Aber bestätigt: Rechtliche Grundlage des Software-Gebrauchthandels ist der Erschöpfungsgrundsatz im deutschen Urheberrecht."

2. "Der Erschöpfungsgrundsatz ist zwingendes Recht, das nicht vertraglich 'abbedungen' werden kann, d. h.:

Entgegenstehende Lizenzbedingungen der Hersteller sind bei Eintritt der Erschöpfung in diesem Punkt unwirksam."

3. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

4. Der Streitwert wird auf Euro 50.000,00 festgesetzt.

Gegen diese einstweilige Verfügung ließ die Beklagte durch Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 26.5.2008 hinsichtlich Ziff. 1.1 der einstweiligen Verfügung Kostenwiderspruch und hinsichtlich Ziff. 1.2 der einstweiligen Verfügung Vollwiderspruch einlegen.

Zur Begründung trug sie vor, dass sie hinsichtlich Ziff. 1.1 der einstweiligen Verfügung mit Schreiben vom 26.5.2008 eine Abschlusserklärung abgegeben habe und dass insoweit die Klägerin auf jeden Fall die Kosten des Verfahrens tragen müsse, weil die Beklagte vorgerichtlich nicht abgemahnt worden sei. Ein Grund für die Entbehrlichkeit einer solchen Abmahnung liege nicht vor.

Hinsichtlich des Verfügungsantrages Nr. 1.2 führte die Beklagte aus, dass die insoweit beanstandete Werbeaussage nicht irreführend sei. Der Werbetext werde von den angesprochenen Verkehrskreisen, hier die mit der Anschaffung von Software betrauten Entscheidungsträger der öffentlichen Hand, dahingehend verstanden, dass die Reglementierungsmöglichkeiten der Softwarehersteller mit der Erschöpfung enden würden, dass dieses zwingendes Recht sei und dass ab Eintritt der Erschöpfung entgegenstehende Lizenzbedingungen der Hersteller Dritten gegenüber insoweit nicht wirksam seien.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beklagten wird auf deren Schriftsatz vom 26.5.2008 nebst Anlagen hingewiesen.

Die Beklagte beantragte deshalb zunächst

die einstweilige Verfügung in Ziff. 1.2 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen und die Kosten des gesamten Verfahrens der Klägerin aufzuerlegen.

Dagegen beantragte die Klägerin,

die einstweilige Verfügung in Ziff. 1.2 zu bestätigen und der Beklagten insgesamt die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Dabei vertiefte sie ihren Sachvortrag hinsichtlich des Verfügungsantrages Nr. 1.2 und führte hinsichtlich des Kostenwiderspruchs aus, dass die sofortige Beantragung einer einstweiligen Verfügung zur Unterbindung fortgesetzter Wettbewerbsverstöße erforderlich gewesen sei. Die vorherige Abmahnung sei auch deshalb entbehrlich gewesen, weil die Klägerin nach den Umständen des Falles davon ausgehen habe müssen, dass die Beklagte ihre wettbewerbswidrige Werbung nicht freiwillig einstellen würde.

Wegen der Einzelheiten dieses Vortrags der Klägerin wird auf deren weiteren Schriftsatz vom 20.6.2008 nebst Anlagen hingewiesen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung nahm die Klägerin dann nach entsprechendem Hinweis durch das Gericht ihren Verfügungsantrag gem. Nr. 1.2 zurück.

Nach dieser Rücknahme war deshalb nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden.

Gründe

1. Hinsichtlich Ziff. 1.1 der einstweiligen Verfügung hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens gem. § 93 ZPO zu tragen.

Unstreitig erfolgte vor Beantragung und Erlass der einstweiligen Verfügung keine vorgerichtliche Abmahnung durch die Klägerin. Das Fehlen einer solchen vorherigen Abmahnung ist aber nur ganz ausnahmsweise für den Gläubiger ohne den Nachteil des § 93 ZPO, nämlich dann, wenn bei so schweren Wettbewerbsverstößen eine Abmahnung entbehrlich ist, wenn die dadurch entstehende Verzögerung unzumutbar ist oder wenn konkret feststeht, dass die Abmahnung fruchtlos bleiben würde.

Alle diese Fälle liegen im streitgegenständlichen Fall nicht vor. Auch im Hinblick darauf, dass das streitgegenständliche Schreiben der Beklagten vom 21.4.2008 stammt, der Verfügungsantrag der Klägerin aber erst mit Schriftsatz vom 29.4.2008, bei Gericht eingegangen am 30.4.2008, erfolgte, wäre auf jeden Fall eine wenn auch nach Tagen oder zumindest nach Stunden bemessene Fristsetzung in einer vorgerichtlichen Abmahnung notwendig und zumutbar gewesen.

2. Die Kosten hinsichtlich Ziff. 1.2 der einstweiligen Verfügung hat die Klägerin, weil sie ihren Antrag insoweit wirksam zurückgenommen hat, entsprechend § 516 Abs. 3 ZPO zu tragen.

3. Zusammengefasst folgt deshalb, dass die Klägerin unter inzidenter erfolgter Aufhebung von Ziff. 2 der einstweiligen Verfügung vom 30.4.2008 die Kosten des Verfahrens insgesamt zu tragen hat.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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