VG Würzburg, Beschluss vom 18.06.2008 - W 5 S 08.1332
Fundstelle
openJur 2012, 92444
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag wird abgewiesen.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 24.892,13 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1. Der Antragsteller ist Eigentümer eines aus den Grundstücken Fl.Nrn. 4418, 4422, 4425 und 4425/1 bestehenden Areals, das im Norden von der B.-Straße, im Süden von der V.-Straße und im Osten vom „Ä.“ begrenzt wird. Auf den Grundstücken werden ein E-Center (Lebensmittelmarkt) und ein GST-Markt (Zusammenfassung mehrerer Ladengeschäfte) mit Parkflächen betrieben.

2. Mit Bescheiden vom 29. November 2007 setzte die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller für die o.g. Grundstücke Vorausleistungen auf den Straßenausbaubeitrag für den Ausbau der B.-Straße in Höhe von 54.927,75 EUR (Fl.Nr. 4418), 46.770,27 EUR (Fl.Nr. 4422), 39.536,71 EUR (Fl.Nr. 4425) und 44.640,77 EUR (Fl.Nr. 4425/1) fest.

Gegen die Bescheide legte der Antragsteller am 17. Dezember 2007 Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden worden ist. Zur Begründung trug der Antragsteller u.a. vor, die Grundstücke Fl.Nrn. 4418 und 4422 zögen aus dem Ausbau der B.-Straße keinen Vorteil. Beim Bau des E-Centers habe der Antragsteller entgegen seinem Willen keine Ausfahrt von diesen beiden Grundstücken auf die B.-Straße genehmigt bekommen. Es gebe auch heute keine Verbindung dort hin. Auch sonstige Vorteile durch die B.-Straße seien nicht erkennbar. Das Grundstück Fl.NR. 4425/1 liege nicht an der B.-Straße an. Dieses Grundstück könne die B.-Straße nicht in Anspruch nehmen und folglich keinen Nutzen daraus ziehen.

3. Am 6. Juni 2008 beantragte der Antragsteller bei Gericht sinngemäß,

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 17. Dezember 2007 gegen die Vorausleistungsbescheide der Antragsgegnerin vom 29. November 2007 wiederherzustellen, soweit diese die Grundstücke Fl.Nr. 4418 und 4425/1 betreffen.

Zur Begründung wurde vorgetragen, das Grundstück Fl.Nr. 4418 habe keinerlei Zu- oder Ausfahrt oder sonstigen Bezug zur B.-Straße. Es diene als Parkplatz für Kunden, Kunden dürften aber nur vom Ä., also nicht von der B.-Straße her, ein- und ausfahren. Beim Bau des E-Centers sei der Antrag, den Lieferverkehr über die B.-Straße auszuleiten, also über das Grundstück Fl.Nr. 4425, von Seiten der Antragsgegnerin rigoros abgelehnt worden. Das auf dem Grundstück Fl.Nr. 4425/1errichtete E-Center samt seinen dazu gehörigen Einrichtungen könne deshalb nur vom Ä. her angedient werden. Beim Ausbau des Ä. sei auch lediglich das Grundstück Fl.Nr. 4418 herangezogen worden. Durch die Nichtgenehmigung der Ausfahrt zur B.-Straße habe die Antragsgegnerin dokumentiert, dass auch das Grundstück Fl.Nr. 4425/1 mit dieser Straße nichts zu tun habe. Beim Bau des GST-Marktes sei eine Ein- und Ausfahrt zur B.-Straße für den Anlieferverkehr des GST-Marktes genehmigt worden. Das E-Center ziehe weiterhin keinen Nutzen aus der B.-Straße.

Demgegenüber beantragte die Antragsgegnerin,

den Antrag abzuweisen.

Zur Begründung des Abweisungsantrages wurde ausgeführt, das Grundstück Fl.Nr. 4418 sei selbständig bebaubar und nutzbar, werde aber einheitlich mit den restlichen Flurstücken des Antragstellers als E-Center mit Kundenparkplatz genutzt. Das Grundstück Fl.Nr. 4418 liege direkt an der Ba.-Straße an, habe aber keine direkte Zu- oder Ausfahrt. Unabhängig davon wäre es aber auch als Hinterliegergrundstück erschlossen, da es einheitlich mit dem Vorderliegergrundstück Fl.Nr. 4422 genutzt werde und Eigentümeridentität zwischen Vorder- und Hinterlieger bestehe, ohne dass es einer direkten Zufahrt bedürfte. Über die anderen Grundstücke seien Zufahrtsmöglichkeiten gegeben und somit das Gesamtareal der gewerblich genutzten Flächen über die B.-Straße auch erschlossen. Auch beim Grundstück Fl.Nr. 4425/1 handele es sich um ein Hinterliegergrundstück, das über das Vorderliegergrundstück Fl.Nr. 4425 sogar eine tatsächliche Zufahrt besitze und einheitlich mit dem Vorderliegergrundstück genutzt werde, auch hier liege Eigentümeridentität vor.

4. Die einschlägigen Behördenakten lagen dem Gericht vor.

II.

1. Der Antrag ist unzulässig.

Nach § 80 Abs. 6 VwGO ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben nur zulässig, wenn die Behörde einen Aussetzungsantrag abgelehnt oder innerhalb angemessener Frist nicht verbeschieden hat oder wenn die Vollstreckung droht. Keine dieser Voraussetzungen ist erfüllt. Der Antragsteller hat bei der Antragsgegnerin keinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt. Insbesondere enthält sein Schreiben vom 26. Mai 2008 an die Antragsgegnerin keinen solchen Antrag. Dem Antragsteller droht auch keine Vollstreckung. Die Vollstreckung droht i.S. von § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO nur, wenn die Behörde konkrete Maßnahmen getroffen hat, die der baldigen Durchsetzung des Bescheides dienen. Solche Maßnahmen hat die Antragsgegnerin nicht ergriffen. Insbesondere handelt es sich bei den an den Antragsteller ergangenen Erinnerungsschreiben vom 21. Mai 2008 nicht um die Einleitung oder Ankündigung von Vollstreckungsmaßnahmen (vgl. hierzu insgesamt Hk-VerwR-VwGO/Bücken-Thielmeyer/Kröninger, Rd.Nr. 56 zu§ 80 VwGO).

Die demgemäß fehlende Zulässigkeitsvoraussetzung kann auch nicht mehr erfüllt werden, denn bei der Ablehnung durch die Behörde handelt es sich um eine Zugangsvoraussetzung, die im Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht gegeben seien muss und nicht etwa um eine Sachurteilsvoraussetzung im herkömmlichen Sinn, die sich noch im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens verwirklichen kann (st.Rspr. der Kammer, vgl. zuletzt B.v. 04.04.2005 Nr.

W 5 S 05.263).

2. Zur Vermeidung unnötiger Weiterungen weist das Gericht auf Folgendes hin:

Die erkennende Kammer hat Bedenken im Hinblick auf die Wirksamkeit des § 2 der Straßenausbaubeitragssatzung der Antragsgegnerin. Zunächst gibt der § 2 die Regelung der Mustersatzung wieder. Dann aber folgt – durch Fettdruck hervorgehoben – die Formulierung:

„alt: Der Beitrag wird für alle Grundstücke erhoben, die durch eine der in § 1 genannten öffentlichen Einrichtungen i.S. des § 131 Abs. 1 BauGB erschlossen werden.“

Der Verweis auf § 131 Abs. 1 BauGB zum Erschlossensein führte in der Vergangenheit zur Nichtigkeit der betroffenen Satzungsregelung (BayVGH, U.v. 10.07.2002 Nr. 6 N 972148, BayVBl. 03, 146). Warum die Passage dennoch in der Satzung, wenn auch mit dem Zusatz „alt:“ wiederholt wird, ist nicht verständlich und führt zu Unklarheiten. Es wird nicht klar, ob der Zusatz noch irgendwelche Regelungswirkung entfalten soll, etwa für „Altfälle“, oder warum er sonst aufgeführt worden ist. Die Unklarheiten könnten zur Nichtigkeit des gesamten § 2 der Ausbaubeitragssatzung wegen fehlender Normklarheit und Bestimmtheit führen.

Im Widerspruchsverfahren wird zu prüfen sein, ob die Grundstücke Fl.Nrn. 4418 und 4425/1 tatsächlich durch die Baumhofstraße besondere Vorteile erfahren. Dabei wird zu ermitteln sein, ob diesen Grundstücken überhaupt eine Zufahrt und damit eine Inanspruchnahmemöglichkeit über die Baumhofstraße gewährt wird. Dies wird anhand der dem Antragsteller erteilten baurechtlichen Genehmigungen und der straßenverkehrsrechtlichen Situation der Baumhofstraße zu überprüfen sein. Trifft es zu, dass es dem E-Center sowie dem auf der Fl.Nr. 4418 untergebrachten Parkplatz untersagt ist, über die B.-Straße angefahren zu werden bzw. eine Ausfahrt über die B.-Straße zu nehmen, so dürfte mangels einer gerade für gewerbliche Grundstücke erforderlichen Möglichkeit des Heranfahrens ein ausbaubeitragsrechtlicher Vorteil fraglich sein. Die Behördenakten verhalten sich zu dieser Frage nicht.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertentscheidung resultiert aus § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und § 63 Abs. 2 GKG. Der Betrag war gegenüber der Hauptsache angemessen auf ein Viertel zu ermäßigen.

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