VG Würzburg, Beschluss vom 11.06.2008 - W 5 S 08.1008
Fundstelle
openJur 2012, 92343
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

MitBescheid vom 14. April 2008, zugestellt am 19. April 2008, untersagte die Stadt Würzburg dem Antragsteller den Erwerb und den Besitz von Waffen und Munition, deren Erwerb nicht erlaubnispflichtig ist (Nr. 1 des Bescheides), und ordnete die sofortige Vollziehung dieses Verbots an (Nr. 2). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die Stadt könne gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 2 WaffG den Besitz oder den Erwerb erlaubnisfreier Waffen und Munition untersagen, wenn Tatsachen bekannt würden, wonach dem Besitzer oder Erwerbswilligen die für den Erwerb oder den Besitz nötige waffenrechtliche Zuverlässigkeit i.S. des § 5 WaffG fehle. Dies sei gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2a WaffG beim Antragsteller der Fall. Nach den polizeilichen Ermittlungen habe er am 24. November 2007 gegen einen Jugendlichen, der ihn wegen einer Verfolgung seiner Mutter zur Rede gestellt habe, nach einem Tritt noch Pfefferspray eingesetzt und ihn attackiert, ohne in Notwehr zu handeln. Am 24. Dezember 2007 habe er seine frühere Lebensgefährtin (Frau G.) angegriffen, am Arm herumgerissen und aus dem Kinderwagen mit dem Neugeborenen der Frau alle Decken herausgeworfen. Am 27. Dezember 2007 habe er beim Versuch, gewaltsam in die Wohnung von Frau G. einzudringen, ohne Vorwarnung Pfefferspray gegen die Frau eingesetzt. Aufgrund der hohen Gewaltbereitschaft und -anwendung durch den Antragsteller sei auch künftig zu befürchten, dass er Pfefferspray, eine Waffe i.S. des WaffG, anwenden werde. Das Verbot sei auch zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 1 WaffG nötig. Der Antragsteller sei schon vorher mehrfach wegen Körperverletzungsdelikten unter Anwendung des Pfeffersprays aufgefallen. Die künftig drohenden weiteren Gefahren könnten durch das Verbot gegen den Antragsteller zumindest vermindert werden. Nach pflichtgemäßem Ermessen sei das Waffenverbot angemessen und notwendig, um die vom Antragsteller als Waffenbesitzer ausgehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit zu beseitigen. Seine persönlichen Interessen am Besitz von Waffen seien untergeordnet. Der Sofortvollzug werde im öffentlichen Interesse angeordnet, denn aufgrund der durch den Waffen- und Munitionsbesitz des Antragstellers hervorgerufenen Gefahren sei die Stadt gehalten, die getroffenen Anordnungen zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sofort und wirksam durchzusetzen.

Am 19. Mai 2008 ließ der Antragsteller Klage erheben, gerichtet auf die Aufhebung des Bescheides vom 14. April 2008 (W 5 K 08.1007), und vorliegend sinngemäß beantragen,

die aufschiebende Wirkung seiner Anfechtungsklage gegen die Nr. 1 des Bescheides vom 14. April 2008 wiederherzustellen.

Zur Begründung trägt er vor allem vor, die Antragsgegnerin stütze sich auf unzutreffende Behauptungen in Strafanzeigeauszügen, hinsichtlich derer bisher jede richterliche Untersuchung, insbesondere Anhörung der vermeintlich Geschädigten, unterblieben sei. Eine ausführliche Begründung werde er nach Akteneinsicht abgeben.

Die Antragsgegnerin beantragte am 5. Juni 2008,

den Antrag abzulehnen.

Sie verwies auf die Begründung des Ausgangsbescheides und ihre Akten. Die Polizei habe selbst eine Untersagung des Pfeffersprays angeregt, weil mit weiteren Vorfällen der geschilderten Art zu rechnen sei. Soweit der Antragsteller bestreite, die Bedrohung und Körperverletzung mittels Pfefferspray begangen zu haben, werde auf den Polizeibericht vom 24. September 2007 und die dortigen Aussagen verwiesen. Aus den Polizeiberichten ergebe sich die Beharrlichkeit des Antragstellers bei seinen Belästigungen, Bedrohungen und Körperverletzungen. Zudem sei er wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu 75 Tagessätzen verurteilt worden. Die Androhung des Sofortvollzugs sei auf dem Gebiet des Waffenrechts regelmäßig im öffentlichen Interesse gerechtfertigt. Der Antragsteller habe mehrmals erhebliche kriminelle Energie, hohe Gefährlichkeit und Beharrlichkeit gezeigt. Daher habe die Antragsgegnerin aus sicherheitsrechtlichen Erwägungen und wegen der eindeutigen Sach- und Rechtslage den Abschluss des Strafverfahrens nicht abgewartet.

II.

1. Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.

Nach § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Diese Wirkung entfällt nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO dann, wenn die sofortige Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes im öffentlichen oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, angeordnet wird. In diesem Fall kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen. Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat dann Erfolg, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht oder wenn triftige private Gründe des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung ein gleichwohl vorhandenes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegen. Auf die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache kommt es nicht entscheidungserheblich an. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der sichere Erfolg oder die Aussichtslosigkeit des erhobenen Rechtsbehelfs klar zu Tage tritt. Es liegt nämlich weder im öffentlichen Interesse, dass ein offensichtlich rechtswidriger Verwaltungsakt sofort vollzogen wird, noch, dass ein offensichtlich unzulässiges oder unbegründetes Rechtsmittel den sofortigen Vollzug verhindert.

Vorliegend ergibt die im Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz regelmäßig nur mögliche und gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Außerdem wäre selbst bei offener Erfolgsaussicht bei einer Abwägung der gegensätzlichen Interessen der sofortigen Wirksamkeit der angefochtenen Entscheidung Vorrang zu gewähren.

Soweit die Antragsgegnerin in ihrer Anhörung des Antragstellers vom 14. Januar 2008 und im angefochtenen Bescheid auf einen Vorfall am 27. Dezember 2007 abstellt, bei dem der Antragsteller Frau G. Pfefferspray ins Gesicht gesprüht habe, verwechselt sie die Daten. Insofern hat der Antragsteller unter dem 31. Januar 2008 zu Recht erklärt, „dies alles“ sei nicht am 27. Dezember 2007 geschehen (wobei er die gegen ihn erhobenen und teilweise durch Zeugen bestätigten Vorwürfe allerdings auch insgesamt bestreitet). Der Pfefferspray-Angriff des Antragstellers auf Frau G. ereignete sich den polizeilichen Aktenvermerken vom 24. September 2007 und vom 26. November 2007 zufolge am 24. September 2007. Über die Ereignisse am 27. Dezember 2007 ist (jedenfalls nach den von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen) nur bekannt, dass um 19:30 Uhr Frau G. über Notruf mitteilte, der Antragsteller halte sich in ihrem Wohnhaus auf, und dass der Antragsteller nur fünf Minuten später in Gewahrsam genommen wurde. Im Übrigen sind auch die protokollierten verschiedenen Schilderungen mancher Ereignisse nicht vollständig stimmig und mögen im strafrechtlichen Verfahren weiter zu prüfen sein. Vorliegend kommt es darauf aber nicht an.

Denn ausweislich eines Auszugs aus dem Bundeszentralregister wurde der Antragsteller vom Amtsgericht Würzburg am 18. Dezember 2006 wegen vorsätzlicher Körperverletzung (begangen am 10.03.2006) zu einer Geldstrafe von 75 Tagessätzen verurteilt; die Entscheidung (161 Cs 812 Js 13601/06) ist seit dem 5. April 2007 rechtskräftig. Wegen dieser Verurteilung fehlt beim Antragsteller die für eine waffenrechtliche Erlaubnis notwendige Zuverlässigkeit (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG). Diese Zuverlässigkeit besitzen gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1a WaffG nämlich in der Regel diejenigen Personen nicht, die wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen verurteilt worden sind, wenn seit der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht vergangen sind. §§ 4 bis 6 WaffG regeln zwar unmittelbar nur die Voraussetzungen für den Umgang mit erlaubnispflichtigen Waffen oder Munitionsteilen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat indes im Beschluss vom 10. August 2007 (21 CS 07.1446; juris) unter Hinweis auf einschlägige Kommentierungen dargelegt, dass § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG hinsichtlich der mangelnden Eignung mit § 6 WaffG und wegen des Fehlens der nötigen waffenrechtlichen Zuverlässigkeit mit § 5 WaffG korrespondiert (vgl. Lehle/Frieß/Lehmann, Aktuelles Waffenrecht, Band 2, RdNr. 15 zu § 41 WaffG; Joachim Steindorf, Waffenrecht, 8. Auflage 2007, RdNr. 5 zu § 41 WaffG). Deshalb, so der BayVGH weiter, ist kein sachlicher Grund ersichtlich, bei nicht erlaubnispflichtigen Waffen einen weniger strengen Maßstab bezüglich der nötigen Zuverlässigkeit anzulegen als bei erlaubnispflichtigen Waffen. Anders als bei Waffenverboten im Einzelfall nach § 40 WaffG a.F. ist bei der Anordnung eines Waffenbesitzverbotes nach neuem Recht auch keine zusätzliche Prüfung nötig, die die Annahme einer missbräuchlichen Waffenverwendung rechtfertigt (so schon BayVGH vom 10.08.2006, 21 ZB 06.428; BayVGH vom 06.11.2006, 21 ZB 06.2173). Eines Hinweises gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 WaffG (Beibringung eines Zeugnisses über die geistige oder körperliche Eignung) bedurfte es hier nicht, weil diese Vorschrift nur einschlägig ist, wenn das Waffenverbot auf die (in § 6 WaffG geregelte) fehlende persönliche Eignung gestützt wird, nicht aber auf die weitere Alternative des § 41 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, nämlich die mangelnde Zuverlässigkeit für den Erwerb oder Besitz von Waffen oder Munition.

Dass die Antragsgegnerin ihre Entscheidung nicht auf § 5 Abs. 2 Nr. 1a WaffG (Verurteilung) gestützt hat, sondern auf das Fehlen der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a WaffG (und daneben auf die Notwendigkeit, Gefahren für die Sicherheit nach § 41 Abs. 1 Nr. 1 WaffG zu verhüten), ist unschädlich. Denn in beiden Fällen ist auf der „Tatbestandsseite“ des § 41 Abs. 1 Nr. 2 WaffG das Merkmal „fehlende Zuverlässigkeit“ erfüllt, erst danach schließt sich die Ermessensausübung der Behörde an. Diese begegnet hier keinen Bedenken, zumal § 5 Abs. 2 WaffG (im Unterschied zu dem von der Antragsgegnerin herangezogenen Tatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 2a WaffG) sogar die Regelunzuverlässigkeit statuiert. Deshalb kann auch offen bleiben, ob und inwieweit alle gegen den Antragsteller erhobenen Vorwürfe im eingeleiteten Strafverfahren bewiesen werden und ob demzufolge auch die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 Nr. 1 WaffG erfüllt sind.

Die vom Antragsteller wiederholt behauptete Unverhältnismäßigkeit des Waffenverbots kann die Kammer nicht erkennen. Der Antragsteller macht geltend, er sei als 59jähriger schwerbehinderter Rentner zum Schutz vor gewalttätigen Bekannten der Frau G. auf Pfefferspray angewiesen (obgleich er sogar einen Waffenschein für eine Schreckschuss- oder Gaspistole habe); er beruft sich darauf, viele Bekannte in der Nähe der Wohnung dieser ihm feindlich gesonnenen Familie zu haben und bei zahlreichen Krankenhausbesuchen dort vorbei zu müssen. Wie dem ortskundigen Gericht bekannt ist, gibt es aber durchaus mehrere Wege zwischen der Wohnung des Antragstellers und dem genannten Krankenhaus, die weit genug von der Wohnung der dem Antragsteller (möglicherweise) übelwollenden Familie entfernt sind. Die Gefahr gewalttätiger Konflikte könnte der Antragsteller z.B. auch dadurch verringern, dass er sich an das vom Amtsgericht verfügte Kontaktverbot in Bezug auf Frau G. hält (vgl. Polizeischlussvermerk vom 26.11.2007).

Die knappe Begründung für den im besonderen öffentlichen Interesse angeordneten sofortigen Vollzug des Verbotes (§ 40 Abs. 3 Satz 1 VwGO) ist noch ausreichend angesichts der Tatsache, dass nach der Rechtsprechung (z.B. BayVGH, B.v. 12.02.2007, 19 Cs 06.2210, Jagdrechtliche Entscheidung XVII Nr. 158; juris) die Anforderungen an die Begründung der Anordnung eines Sofortvollzuges im Jagd- und Waffenrecht als besonderes Sicherheitsrecht ohnehin weniger hoch sind, weil es um den Schutz hoher Rechtsgüter wie Leib, Leben usw. geht. Allenfalls könnte noch eingewandt werden, dass ein Verbot so lange nicht nötig ist, solange der Antragsteller einsitzt. Andererseits benötigt er in dieser Zeit auch kein Pfefferspray zur Verteidigung.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 und 63 Abs. 2 GKG; der Auffangstreitwert (5.000,00 EUR) ist für das Sofortverfahren zu halbieren.

 

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