OLG München, Urteil vom 29.05.2008 - 1 U 4499/07
Fundstelle
openJur 2012, 92178
  • Rkr:
Tenor

I. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 25.7.2007 werden zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 1/5 und die Beklagten 4/5.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar

IV. Der Rechtsstreit wird zur weiteren Verhandlung an das Landgericht München I zurückverwiesen.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Beklagte zu 1 betreibt Behandlungszentren und Privatkliniken, in welchen Augenbehandlungen durchgeführt werden, insbesondere mittels Laserverfahren. Der Zeuge N. ist bei der Beklagten zu 1 angestellter Chefarzt. Der Beklagte zu 2 und der ehemals Beklagte zu 4 sind bzw. waren bei der Beklagten angestellte Ärzte.

Die Klägerin litt an beiden Augen an einer mittelgradigen Myopie (Kurzsichtigkeit) mit einem erheblichen Astigmatismus, die durch das Tragen von Kontaktlinsen bis ca. Anfang 1996 problemlos ausgeglichen wurde. Als durch trockene Augen (Sicca-Syndrom) und durch die Alterssichtigkeit Probleme mit den Kontaktlinsen auftraten, beabsichtigte sie, sich einer augenärztlichen Regulierung der Myopie durch eine Laserbehandlung zu unterziehen.

Die Klägerin konsultierte am 17.9.1996 die vormals Beklagten zu 2 und 4, die ihr zu einer Excimer-Laser-Behandlung rieten und in einem Attest zur Vorlage an die Krankenkasse der Klägerin den Eingriff befürworteten (Anlage K 2). In dem Attest wurde die Sehschärfe wie folgt angegeben:

Rechtes Auge        - 6,0    - 2,00/162°    = 1,0Linkes Auge- 5,5- 0,75/14°= 1,0Die Klägerin stellte sich sodann bei der Beklagten zu 1 am 12.11.1996 zu einer Untersuchung vor.

Anlässlich der Voruntersuchung vom 12.11.1996 erklärte ihr der Beklagte zu 2, dass zwei Operationsmethoden zur Anwendung kommen könnten, nämlich die PRK-Methode sowie die LASIK-Methode.

Die Klägerin erhielt sodann von ein Aufklärungs- und Einwilligungsformular, das sie unterzeichnete (Anlagen K 4, 5).

Bei den Voruntersuchungen am 12.11.1996 wurde u.a. die Sehschärfe beider Augen und die Hornhautdicke (Pachymetrie) gemessen, der Schirmertest (Tränenflüssigkeit) durchgeführt (Anlage K 8a) sowie eine Hornhauttopografie an beiden Augen durchgeführt. Folgende Werte wurde dabei u.a ermittelt:

Sehschärfe:

Rechtes Auge        - 6,00    - 2,0/160°    = 1,25Linkes Auge- 5,75- 2,0/26°= 1,25Hornhauttopografie:

Rechtes Auge    Hornhautbrechkraft        45,58 dpt.    Bei 160°                47,35 dpt.Bei   70°Linkes AugeHornhautbrechkraft45,66 dpt.Bei   24°                47,32 dpt.Bei 114°Die Klägerin teilte mit Fax vom 18.11.1996 den Beklagten mit, dass die ihr als weniger risikoreich geschilderte PRK-Operationsmethode angewendet werden soll.

Der Eingriff an dem rechten Auge wurde sodann auf den 19.11.1996 angesetzt. Nach Angaben der Beklagten wurde vor der Operation an dem rechten Auge eine weitere Hornhauttopografie vorgenommen, die folgende Werte ergab (Anlage K 28):

Rechtes Auge    Hornhautbrechkraft        45,50 dpt.    Bei 159°                47,20 dpt.Bei   69°In der Op-Checkliste befindet sich unter der Rubrik „OP-Werte für den Laser SpH“ der überschriebene Eintrag „-5,86“ (Anlage K 28). Der von den Beklagten vorgelegte Videomitschnitt der Operation enthält die Check-Liste als Vorspann. In dem entsprechenden Feld ist der Eintrag „-6,0“ sichtbar.

Nach der von dem Beklagten zu 2 durchgeführten Operation zeigte sich eine Überkorrektion von ca. 3,0 dpt..

Die Klägerin hat vorgetragen:

Der streitgegenständliche Eingriff sei medizinisch kontraindiziert gewesen. Insbesondere habe sie sehr trockene Augen gehabt, außerdem habe das angewandte Verfahren nur bei einer Fehlsichtigkeit von maximal minus 6 dpt. angewandt werden dürfen, wo hingegen bei ihr im Mittel eine solche von -7 dpt., in einigen Meridianen sogar von -8 dpt. vorgelegen habe. Der Eingriff sei deswegen auch fehlerhaft durchgeführt worden, weil ein zu starker Hornhautabtrag stattgefunden habe, welcher letztlich die Überkorrektur bedingt habe. Darüber hinaus sei das verwendete Lasergerät veraltet und technisch nicht in Ordnung gewesen. Fehlerhaft sei präoperativ ein Test des Lasergeräts nicht durchgeführt worden. Ebenso fehlerhaft habe man präoperativ keinen Allergietest bei der Klägerin gemacht. Schließlich hätte man ihr postoperativ das Präparat Akular nicht applizieren dürfen. Aufgrund der eingetretenen Überkorrektur sei es zu einer Hornhauteintrübung gekommen, so dass die Klägerin nun nurmehr über 20 % Sehschärfe verfüge und wie durch einen Schleier sehe. Schließlich behauptet die Klägerin, die Dokumentation, insbesondere in Gestalt des von den Beklagten vorgelegten Operationsvideos sei gefälscht.

Die Klägerin hat im ersten Rechtszug beantragt:

I. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld für den Zeitraum vom 20.11.1996 bis 01.06.1998 nebst 4 % Zinsen hieraus seit 20.11.1996 zu bezahlen.

II. Die Beklagten sind gesamtschuldnerisch verpflichtet, an die Kläger krankheitsbedingte Aufwendungen in Höhe von EURO 9.896,74 nebst 5 % Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

III. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen Schäden - letztere, soweit sie nach dem 01.06.1998 entstehen - aus der Augenoperation vom 19.11.1996 zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

IV. Die Beklagten sind gesamtschuldnerisch verpflichtet, an die Klägerin folgende Beträge zu bezahlen:

Gehaltseinbußen für die Zeiträume01.09.1997 bis 31.12.1997 in Höhe von DM   1.077,34 (netto) zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.1998,01.01.1998 bis 31.08.1998 in Höhe von DM   1.631,50 (netto) zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.1998,01.09.1998 bis 31.12.1998 in Höhe von DM   2.168,41 (netto) zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.1999,01.01.1999 bis 31.03.1999 in Höhe von DM   1.343,16 (netto) zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.1999,01.04.1999 bis 31.05.1999 in Höhe von DM      877,70 (netto) zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.1999,01.06.1999 bis 31.08.1999 in Höhe von DM   1.401,69 (netto) zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.1999,01 09.1999 bis 31.12.1999 in Höhe von DM      621,33 (netto) zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2000,01.01.2000 bis 31.08.2000 in Höhe von DM   1.111,12 (netto) zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2000,01.09.2000 bis 31.12.2000 in Höhe von DM   2.535,62 (netto) zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2001,01.01.2001 bis 31.08.2001 in Höhe von DM      531,23 (netto) zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2001,01.02.2001 bis 31.08.2001 in Höhe von DM   3.742,61 (netto) zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2001,01.09.2001 bis 31.12.2001 in Höhe von DM   8.560,06 (netto) zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2002,01.01.2002 bis 31.08.2002 in Höhe von DM 14.582,40 (netto) zzgl. 5 % Zinsen ab 01.09.2002.V. Die Beklagten sind gesamtschuldnerisch verpflichtet, an die Klägerin für die Zeit vom 01.05.2003 bis zum 31.07.2009 eine jeweils im Voraus zu entrichtende Rente von netto EURO 834,05 für jeweils drei Monate im Voraus zu zahlen.

VI. Die Beklagten sind gesamtschuldnerisch verpflichtet, an die Klägerin für die Zeit ab dem 01.08.2009 eine jeweils im Voraus zu entrichtende Rente von netto Euro 413,34 für jeweils drei Monate im Voraus zu zahlen.

VII. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin die auf den Verdienstausfall entfallende Einkommenssteuer zu ersetzen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben vorgetragen:

Die Klägerin sei vor dem streitgegenständlichen Eingriff über die beiden in Betracht kommenden Verfahren sowie die mit diesen verbundenen Risiken und Erfolgsaussichten vollumfänglich aufgeklärt worden. Auch seien vor dem streitgegenständlichen Eingriff sämtliche erforderlichen Voruntersuchungen durchgeführt worden. Der Eingriff sei medizinisch indiziert und gemäß den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt worden. Dass es zu einer Überkorrektur gekommen sei, sei als schicksalshafter Verlauf zu werten. Insbesondere sei auch das verwendete Gerät weder veraltet noch defekt gewesen. Vor dem Eingriff sei auch die erforderliche Testung des Lasers durchgeführt worden. Die Korrekturwerte seien korrekt eingegeben worden. Schließlich habe bei der Klägerin auch keine Fehlsichtigkeit über -6 dpt. vorgelegen, so dass das Gerät auch bedenkenlos habe eingesetzt werden dürfen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Hinzuziehung des gerichtlichen Sachverständigen Prof. S. (schriftliche Gutachten vom 19.04.2000, 13.10.2000, 18.06.2001 und 17.10.2001). Nachdem der Sachverständige nicht mehr auffindbar, die Beweisaufnahme durch den Sachverständigen jedoch noch nicht abgeschlossen war, hat die Kammer Beweis erhoben durch Hinzuziehung des vor Abschluss der Beweisaufnahme verstorbenen Sachverständigen Prof. G. (schriftliche Gutachten vom 18.10.2004, 28.02.2005 und 21.09.2005). Die Kammer hat schließlich Beweis erhoben durch Hinzuziehung der Sachverständigen Prof. Sp. (schriftliches Gutachten vom 17.01.2006., Anhörung Sitzungsprotokoll vom 19.03.2007).

Das Landgericht erließ am 25.7.2007 folgendes Teil- und Grundurteil:

I. Die Beklagten werden samtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 30.000,- € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4% seit 20.11.1996 zu bezahlen.

II. Die Beklagten werden dem Grunde nach samtschuldnerisch verurteilt, der Klägerin sämtlichen aus der streitgegenständlichen Behandlung erwachsenden materiellen Schaden zu ersetzen, soweit solche Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen.

III. Es wird festgestellt, dass die Beklagten samtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche künftigen materiellen und immateriellen Schäden aus der streitgegenständlichen Behandlung zu bezahlen, soweit diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

IV. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.

Das Landgericht führte zur Begründung aus;

Aufgrund der eingeholten Sachverständigengutachten sei die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass die Beklagten nach dem 1996 geltenden fachärztlichen Standard medizinisch gebotene Befunderhebungen in Gestalt einer Serientopografie grob behandlungsfehlerhaft unterlassen hätten. Diese Befunderhebungen hätten möglicherweise das Vorliegen eines subklinischen Keratokonus erbracht. In diesem Fall wäre der streitgegenständliche Eingriff kontraindiziert, dessen Durchführung mithin behandlungsfehlerhaft gewesen. Wäre der streitgegenständliche Eingriff nicht durchgeführt worden, befände sich das operierte Auge heute in einem dem nicht operierten linken Auge vergleichbaren Zustand, insbesondere würde das Sehen des linken Auges nicht durch die auf dem rechten Auge bestehenden Lichteffekte, Doppelkonturen und Schattenbilder überlagert, das Sehen der Klägerin mithin insgesamt nicht wesentlich beeinträchtigt. Da das Unterbleiben der Serientopografie als grober Behandlungsfehler zu werten sei, habe sich die Beweislast hinsichtlich des zu erwartenden Ergebnisses umgekehrt. Die Beklagte hätten nicht den Nachweis führen können, dass sich bei einer Serientopografie kein subklinischer Keratokonus gezeigt hätte. Das Schmerzensgeld sei der Klägerin als einmaliger Betrag zuzusprechen. Bei der Bemessung sei berücksichtigt worden, dass das Auge und das Sehen der Klägerin durch den Eingriff durchaus erheblich beeinträchtigt worden sei und die Klägerin mit diesem Zustand seit fast 11 Jahren zu leben habe. Andererseits, ergebe sich aus den Ausführungen der Sachverständigen, dass dieser Zustand kein irreversibler Endzustand sein müsse.

Die Beklagten legten mit Schriftsatz vom 11.9.2007 gegen das ihnen am 13.8.2007 zugestellte Urteil Berufung ein und begründeten diese mit Schriftsatz vom 12.10 .2007. Die Klägerin legte mit Schriftsatz vom 24.1.2008 Anschlussberufung ein, mit der sie eine Erhöhung des Schmerzensgeldes auf mindestens € 55.000,00 begehrt.

Die Berufungskläger und Anschlussberufungsbeklagten tragen vor:

Das Urteil des Landgerichts sei aufzuheben und die Klage abzuweisen, da den Beklagten kein Behandlungsfehler vorgeworfen werden könne.

Unter Anlegung objektiver Kriterien sei nicht erkennbar, warum die Beklagten vor Durchführung der streitgegenständlichen Operation eine Serientopografie hätten durchführen sollen.

Bei Keratokonus handele sich um eine ganz seltene Krankheit, weswegen das Fachwissen auch in Zukunft auf wenige spezialisierte Augenärzte, Optiker und Kliniken beschränkt bleiben werde. Aus diesem Grund werde der Keratokonus bei Betroffenen auch erst nach Jahren diagnostiziert oder falsch interpretiert (z. B. als psychologische oder neurologische Störung), da Augenärzte ohne Kenntnis in diesem Bereich die optischen Phänomene der von Keratokonus Betroffenen nicht nachvollziehen könnten.

Ausgehend davon ergebe sich, dass die (objektiv schwierige) Diagnose „Keratokonus" jedenfalls die Existenz einer abnormen, kegelförmigen Deformierung der Oberfläche der Hornhaut voraussetze. Ein derartiges Erscheinungsbild habe sich jedoch zu dem Zeitpunkt, als die Klägerin vor der streitgegenständlichen Operation untersucht worden sei, nicht gezeigt.

Auch der Sachverständige Prof. Dr. G. habe auf der Grundlage der ihm vorliegenden Befundergebnisse keinerlei Anhaltspunkte dafür gefunden, dass bei der Klägerin vor Durchführung der streitgegenständlichen Operation der Verdacht auf einen Keratokonus vorgelegen hätte und das, obwohl die Sachverständige als seine damalige Assistentin mit ihm ausdrücklich über die aus ihrer Sicht hohen Hornhautbrechkraftwerte gesprochen habe.

Im Weiteren sei festzustellen, dass das Landgericht auch die an einen „groben Behandlungsfehler" zu stellenden Anforderungen verkannt habe und im Weiteren auch nicht die Rechtsprechung des BGH zur Frage von Behandlungsfehlern durch nicht ausreichende Befunderhebung oder objektiv falsche Diagnoseerstellung beachtet habe.

Der VI. Zivilsenat des BGH habe schon in seinem am 13.01.1998 verkündeten Urteil festgestellt, dass ein Verstoß gegen die Pflichten zur Erhebung und Sicherung medizinischer Befunde zugunsten des Klägers nur dann eine Beweiserleichterung in Bezug auf ein reaktionspflichtiges positives Befundergebnis zugelassen hätte, wenn dieses hinreichend wahrscheinlich gewesen wäre. Es könne nicht als hinreichend wahrscheinlich angenommen werden, dass eine Serientopografie der Hornhaut der Klägerin ein derartiges Krankheitsbild zutage gefördert hätte.

Die Behauptung der Klägerin, dass die Patientenakte manipuliert worden sei, sei haltlos. Die Klägerin sei vor der Operation sowohl von den Beklagtem zu 2 als auch von dem Zeugen Prof. Dr. N. über die beiden einzig damals relevanten Operationsmethoden vollumfänglich aufgeklärt worden. Ihr sei auch gesagt worden, dass auch die Möglichkeit bestünde, dass es im Anschluss an die Operation zu einer Über- beziehungsweise Unterkorrektur der Sehleistung kommen könne.

Es sei unzutreffend, dass es zu einer operationsbedingten Dezentrierung gekommen sei. Die letztendlich eingetretene Überkorrektur sei nicht auf ein Dezentrieren des Lasers zurückzuführen.

Die Sachverständigen Prof. Dr. Dr. S. und Prof. Dr. G. seien in ihren Gutachten zu dem übereinstimmenden Ergebnis gelangt, dass die Überkorrektur nicht als behandlungsfehlerhaft, sondern als schicksalhaft anzusehen sei. Herr Prof. Dr. Dr. S. habe die Klägerin im Rahmen seiner Begutachtung auch einer eingehenden Untersuchung unterzogen und dabei keinerlei Anzeichen eines Keratokonus festgestellt, was aber zwingend hätte der Fall sein müssen, hätte bei der Klägerin eine derartige Erkrankung schon 1996 vorgelegen. Die Erkrankung hätte an beiden Augen der Klägerin erkennbar sein müssen, als sie im Jahre 2000 vom Sachverständigen Prof. Dr. Dr. S. untersucht worden sei. Jedenfalls aber hätte wenigstens jetzt die Erkrankung an beiden Augen vorhanden sein müssen, was ebenfalls nicht der Fall sei.

Internationaler Fachkonsens sei (auch schon 1996) gewesen, dass bei Trägern harter Kontaktlinsen eine Karenz von zwei Wochen vor der operativen Voruntersuchung erforderlich sei, um aus den topografischen Daten ablesen zu können, ob ein Verdacht auf das Vorliegen eines Keratokonus bestehe. Ergebe sich nach zweiwöchiger Karenz kein Hinweis darauf, sei eine weitere Abklärung nicht veranlasst.

Da am rechten (zu operierenden) Auge der Klägerin nach zweimonatiger Tragepause nicht nur keinerlei Hinweise für das Vorliegen eines Keratokonus zu finden gewesen wären, sondern im Gegenteil alle Daten gegen eine derartige Annahme gesprochen hätten, am linken Auge der Klägerin bei nur stundenweisem Tragen ein dem rechten Auge perfekt spiegelbildlich symmetrischer Befund zu messen gewesen wäre, habe nach allem verfügbaren Kenntnis- und Erfahrungsstand (damals wie auch heute noch gültig) das Vorliegen eines Keratokonus ausgeschlossen werden können.

Nicht nur die Topografie beider Augen der Klägerin hätte ein regelmäßiges und symmetrisches Erscheinungsbild gezeigt, sondern darüber hinaus das Partner-Auge eine perfekte Spiegelsymmetrie sowohl bezüglich der Regularität, wie der Achslage und der Hornhautdicke aufgewiesen. Bei dieser Konstellation entbehre der Vorwurf mangelnder Sorgfalt in Bezug auf den Ausschluss einer Kontraindikation wegen möglichen Ektasie-Risikos jeder wissenschaftlichen auch nur theoretisch begründbaren Grundlage.

Die Unbegründetheit der Anschlussberufung ergebe sich daraus, dass den Beklagten kein Behandlungsfehler zur Last zu legen sei.

Die Berufungskläger und Anschlussberufungsbeklagten beantragen:

1. Die Klage unter Abänderung des Teil- und Grundurteils in vollem Umfang abzuweisen

hilfsweise

das Urteil des Landgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückzuverweisen,

hilfsweise

den Rechtsstreit zur weiteren Behandlung an das Landgericht zurückzuverweisen

2. Die Anschlussberufung wird kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Berufungsbeklagte und Anschlussberufungsklägerin beantragt:

1. Die Berufung der Beklagten und Berufungskläger wird zurückgewiesen.

2. In Abänderung von Ziffer I. des Urteils des LG München I werden die Beklagten samtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens aber in Höhe von € 55.000,00, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4 % seit 20.11.1996 zu bezahlen.

3. Der Rechtsstreit wird zur weiteren Behandlung an das Landgericht zurückverwiesen

Die Berufungsbeklagte und Anschlussberufungsklägerin trägt vor:

Die Berufung sei zurückzuweisen, da das Landgericht zutreffend einen groben Behandlungsfehler der Beklagten bejaht habe.

Bei Keratokonus handle es sich nicht um eine seltene Krankheit. Diese Krankheit sei bei Patienten mit einer Kontaktlinsenintoleranz geradezu häufig, nämlich mit 6 bis 8% in diesen Personenkreis, zu finden. Irregulärer Astigmatismus, ebenfalls eine Kontraindikation, werde sogar bei 38% gefunden. Die Klägerin sei kontaktlinsenintolerant und habe einen starken irregulären Astigmatismus. Der Keratokonus sei seit dem 19. Jahrhundert bekannt. Bereits mehrere Jahre vor 1996 sei zur Diagnose die Topografie der Hornhaut standardgemäß verwendet worden. Es sei unzutreffend, dass nur wenige Spezialisten den Keratokonus diagnostizieren könnten.

Bei der Klägerin seien die Anzeichen für einen möglichen Keratokonus schon im Jahre 1996 erkennbar gewesen, was die Sachverständige zutreffend festgestellt habe. Zum Teil werde vor einer Untersuchung mindestens ein Jahr Kontaktlinsenkarenz auf beiden Augen gefordert. Auch die von der Sachverständigen geforderten 34 Wochen seien nicht eingehalten worden. Linksseitig sei die Untersuchung ohne Karenz der Kontaktlinse erfolgt.

Die Untersuchung der Klägerin am 12.11.1996 sei nicht lege artis erfolgt, da die topografischen Werte nicht unter den Bedingungen erstellt worden seien, die für ein zuverlässiges Ergebnis und den Ausschluss von Kontraindikationen unabdingbar gewesen seien.

Die Unterlassung der Untersuchung stelle einen groben Behandlungsfehler dar.

Lediglich höchst vorsorglich und hilfsweise sei darauf hinzuweisen, dass der Anspruch sich auch daraus ergebe, dass die Patientendokumentation mangelhaft und teilweise manipuliert worden sei; des Weiteren sei die Aufklärung der Klägerin unzureichend gewesen. Außerdem sei aufgrund eines Operationsfehlers eine Dezentrierung aufgetreten. Schließlich sei es aufgrund eines Fehlers im Operationsgeschehen zu einer Überkorrektur von 50% gekommen.

Der Anschlussberufung sei stattzugeben, da das Landgericht das Schmerzensgeld zu niedrig festgesetzt habe. In Anbetracht der Besonderheiten dieses Falles sei der zugesprochene Betrag von 30.000 € zu niedrig angesetzt, es sei ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 55.000 € festzusetzen. Das Erstgericht habe sich ausschließlich auf die eingetretenen organischen Schäden und die Gebrauchsminderung des rechten Auges bezogen, die dadurch ebenfalls bedingte dauerhafte und nicht korrigierbare Sehbehinderungen und der mentalen Belastungen zwar erwähnt, nicht aber vertiefend berücksichtigt. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der streitgegenständlichen Operation begrenzten sich nicht nur auf das rechte Auge. Es fehle die Würdigung der überlangen Verfahrensdauer, der Folgebeschwerden, der psychovegetativen und körperlichen Beschwerden und der psychischen Auswirkungen, die dauerhaft die Gesundheit der Klägerin geschädigt und deren Lebensqualität massiv gemindert hätten. Unter Berücksichtigung aller dieser Aspekte wäre ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 55.000 € anzusetzen gewesen. Dieser Betrag sei aufgrund der langen Verfahrensdauer mindestens zu verdoppeln.

Im Termin vom 21.2.2008 hat der Senat die Sachverständige Prof. Dr. Sp. angehört (Protokoll vom 21.2.2008 Bl. 857/862 d.A.).

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren nimmt der Senat Bezug genommen auf die Schriftsätze der Klägerin vom 24.1.2008 (Bl. 781/837 d. A.), und vom 9.4.2008 (Bl. 868/902 d. A.), sowie der Beklagten vom 12.10.2007 (Bl.753/771 d. A.), vom 20.2.2008 (Bl.844/853 d. A.) und vom 13.5.2008.

Die zulässige Berufung der Beklagten und die zulässige Anschlussberufung erwiesen sich als unbegründet.

A. Das Landgericht hat mit zutreffenden Erwägungen eine Haftung der Beklagten aus Vertrag beziehungsweise aus unerlaubter Handlung dem Grunde nach bejaht und der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von € 30.000.— zugesprochen. Die Berufung der Beklagten war daher zurückzuweisen.

81I. Den Beklagten fällt ein grober Behandlungsfehler zu Last, da sie vor der Operation nicht ausreichend sichergestellt und überprüft haben, ob die Operation aufgrund eines Keratokonus kontraindiziert ist. Die Beklagten haben es grob fehlerhaft unterlassen, nach einer Kontaktlinsenpause von mindestens drei Wochen in einem Abstand von mindestens drei Wochen von beiden Augen der Klägerin Serientopografien anzufertigen. Ihnen ist nicht der Nachweis gelungen, dass eine Serientopografie an beiden Augen zu einem Ergebnis geführt hätte, das die Laseroperation erlaubt hätte. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der überzeugenden und nachvollziehbaren schriftlichen und mündlichen Darlegungen der Sachverständigen fest.

1. Die Untersuchungen vom 12.11.1996 waren unzureichend, da hinsichtlich des linken Auges die erforderliche Kontaktlinsenpause nicht eingehalten wurde.

Die Sachverständige hat dargelegt, dass aussagekräftige Ergebnisse der Topografie eine Kontaktlinsenpause (bei harten Linsen) von mindestens drei Wochen voraussetzten und dies auch im Jahr 1996 Standard gewesen sei.

Hinsichtlich des linken Auges war keine Linsenpause angeordnet worden. Die Gutachterin erklärte, dass dann wenn die Klägerin 3 Wochen Kontaktlinsenpause auf dem linken Auge eingehalten hätte und dann eine erneute Untersuchung des Auges stattgefunden hätte, hätte sich nach ihrer Erfahrung eventuell das Bild eines subklinischen Keratokonus ergeben hätte.

Die Einwände der Beklagten greifen nicht durch. Die Sachverständige, die seit 1994 auf diesem Gebiet tätig ist, hat überzeugend ausgeführt, dass eine Mindestlinsenpause von drei Wochen auch 1996 Standard war und darauf verwiesen, dass in der Literatur sogar eine Woche Pause pro Tragejahr vor der Untersuchung gefordert wird.

Insofern die Beklagten sich darauf berufen, dass die Klägerin die Kontaktlinse auf dem linken Auge nur stundenweise getragen hat, ändert dies nichts an der Tatsache, dass die Klägerin Kontaktlinsenträgerin war und eine Karenzzeit nicht eingehalten wurde. Nach den Ausführungen der Sachverständigen handelt es sich bei einer Karenz von drei Wochen um das Minimum, d.h. unabhängig von der Tragezeit der Linsen. Im übrigen ist nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen bei einem langjährigen stundenweisen Tragen der Linsen auf jegliche Karenzzeit verzichtet werden kann. Die von der Beklagten als Fachkonsens bezeichnete Pause von zwei Wochen wäre ebenfalls nicht eingehalten.

2. Die Beklagten hätten beide Augen untersuchen müssen.

Die Gutachterin erklärte, dass es unerlässlich sei, vor einer Laseroperation das Vorliegen eines Keratokonus, auch in der subklinischen Form in jedem Falle auszuschließen. Sie betonte weiter, dass der Keratokonus stets auf beiden Augen, allerdings in unterschiedlicher Ausprägung auftritt. Das heißt, sofern sich hinsichtlich eines Auges der Verdacht oder die Diagnose eines auch nur subklinischen Keratokonus ergibt, so dass dann eine Kontraindikation für die Operation besteht.

Da der Keratokonus immer beidseitig auftritt, aber in unterschiedlicher Ausprägung, ist es auch möglich, dass auf einem Augen noch keine Anzeichen bestehen, aber auf dem anderen der Keratokonus bereits festgestellt werden kann. Daraus folgert die Sachverständige zutreffend, dass vor einer Operation beide Augen überprüft werden müssen. Daher hätte bei der Klägerin auf beiden Augen eine Serientopografie vorgenommen werden müssen. Die Topografie ist solange durchzuführen, bis sich zwei praktisch gleiche Werte ergeben, da erst dann davon ausgegangen werden kann, dass die Hornhaut stabil ist. Für das linke Auge wurde unstrittig keine Serientopografie angefertigt.

3. Die Topografien vom 12.11.1996 und 19.11.1996 des rechten Auges reichten nicht aus, um die Kontraindikation „Keratokonus“ auszuschließen.

Es ist zwar zutreffend, so die Sachverständige, dass die Topografien vom 12.9. und 19.9.96 für das rechte Auge identisch sind, aber der gewählte Abstand zwischen den zwei Topografien ist zu gering. Es ist mindestens ein Abstand von drei Wochen angezeigt, wobei sie selber einen Abstand von vier Wochen bevorzuge. Die Werte der Topografie für das rechte Auge vom 19.11.1996 waren daher nicht aussagekräftig.

4. Die Untersuchungsergebnisse vom 12.11.1996 ergaben unabhängig von der nicht eingehaltenen Kontaktlinsenpause nach den überzeugenden Ausführungen der Gutachterin Verdachtsmomente für einen Keratokonus, die weitere Untersuchungen veranlassen mussten.

Die Sachverständige führte aus, dass zum Zeitpunkt der Untersuchung am 12.11.1996 sich Verdachtsmomente für einen Keratokonus in der Zusammenschau aus den Hornhautbrechwerten, dem Astigmatismus und der Achse sowie der Veränderung des linken Auges von September bis November 1996 sowie der Kontaktlinsenunverträglichkeit ergeben hätten.

a) In ihrem schriftlichen Gutachten erläuterte die Sachverständige, dass die Hornhautbrechkraft mit 45 dbt. bzw. 47 dbt. weit über dem internationalen Durchschnitt von 43 bis 43,5 gelegen hat. Auch die Beklagten räumen ein, dass die Werte der Klägerin, allerdings nur knapp, über dem von ihnen für zutreffend erachteten Normalwert von 44,5 +/- 1,5 Dioptrien gelegen haben.

Die Sachverständige verwies auf die Arbeit von A. (Anfang des letzten Jahrhunderts), wonach der mittlere Brechungswert von 46 Dioptrien einen Verdacht auf subtilen Keratokonus begründet. Sie berichtete weiter, dass es im Jahre 1995 widersprechende wissenschaftliche Untersuchungen gegeben habe, ab welchem Wert der Verdacht auf einen subklinischen Keratokonus verneint werden könne. Es seien Werte von 45,7 oder 47,2 dpt. diskutiert worden.

Die von den Beklagten ermittelten Werte waren nicht geeignet, die Kontraindikation auszuschließen, da sie über den Normwerten lagen und teilweise auch über den im Jahre 1996 diskutierten Ausschlusswerten. Unabhängig davon, dass hinsichtlich des linken Auges keine belastbaren Werte vorlagen, hätte das Ergebnis der Topografie vom 12.11.1996 die Beklagten veranlassen müssen, durch weitere Untersuchungen einen Keratokonus auszuschließen.

In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass möglicherweise alleine die Keratometriewerte nicht geeignet sind, einen Keratokonus zu diagnostizieren (wie die Beklagten unter Berufung einer Veröffentlichung aus dem Jahre 1995 dargelegt haben), dass aber die Werte geeignet sein können, eine Veränderung der Augenhornhaut auszuschließen; dies stellen auch die Beklagten nicht in Abrede.

Die Sachverständige hatte bereits den vormaligen inzwischen verstorbenen Sachverständigen Prof. Dr. G. auf die hohen Hornhautbrechkraftwerte hingewiesen. Der Hinweis wurde auch von Professor Dr. G. in seinem Gutachten vom 18.10.2004 auf den Seiten 4 und 5 aufgenommen. Allerdings hatte Professor Dr. G. die Klägerin nicht nochmals untersucht und war auf die Werte von Professor Dr. S. angewiesen, die keinen Hinweis auf einem Keratokonus ergeben hatten. In der mündlichen Anhörung vor dem Landgericht gab die Sachverständige als mögliche Ursache für die unterschiedlichen Ergebnisse eine Progression seit 2001 an oder die Tatsache, dass vielleicht vor der Untersuchung die Kontaktlinsen nicht lange genug weggelassen worden sind. Die Klägerin erklärte dazu, dass sie keine Anweisung von Professor S. erhalten habe, die Linsen des linken Auge wegzulassen, sie habe sie noch auf der Zugfahrt angehabt. Aus diesem Grund ist die These von Professor Dr. G., dass die hohen präoperativen Werte möglicherweise auf das Tragen von harten Kontaktlinsen zurückgeführt werden könnten, nachzuvollziehen und spricht nicht gegen die Feststellungen der Sachverständigen nach einer eingehenden Untersuchung der Klägerin.

99b) Nach den Ausführungen der Sachverständigen war auch die bei der Klägerin bestehende Kontaktlinsenunverträglichkeit schon ein gewisses Indiz für einen subklinischen Keratokonus, weil die Linse sich der Hornhautkrümmung nicht anpassen kann. Eine Serientopografie sei daher bei einem Kontaktlinsenträger erforderlich, unabhängig von den Brechwerten der Hornhaut.

100c) Die Sachverständige verweist weiter darauf, dass die Veränderung des linken Auges von September bis November 1996 eine Instabilität des Auges zeige und jede Instabilität eine Kontraindikation für einen refraktiven Eingriff ist. Soweit der im September 1996 ermittelte Wert unter Vorbehalt zu stellen ist, ändert dies nichts daran, dass zum Zeitpunkt der Untersuchungen am 12.11. beziehungsweise 19.11. dieser Wert vorhanden war. In den Krankenunterlagen befinden sich keinerlei Hinweise darauf, dass eine Abklärung dieses Wertes erfolgt ist.

5. Die unterlassene weitere Befunderhebung (Serientopografie an beiden Augen) ist als grober Behandlungsfehler einzustufen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshof setzt ein grober Behandlungsfehler die Feststellung voraus, dass der Arzt einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf, wobei die juristische, dem Tatrichter obliegende Beurteilung in vollem Umfang durch die vom ärztlichen Sachverständigen mitgeteilten Fakten getragen werden und sich auf die medizinische Bewertung des Behandlungsgeschehens durch den Sachverständigen stützen können muss (vgl. BGH NJW 2001, 2792).

Die Sachverständige hat unter Berücksichtigung aller Umstände und in Kenntnis der rechtlichen Definition eines groben Behandlungsfehlers das Vorgehen des Beklagten zu 2 als völlig unverständlich bezeichnet. Die Sachverständige hat zu Recht darauf hingewiesen, dass bei medizinisch nicht bzw. nur relativ indizierten Operationen am Auge besondere Sorgfaltspflichten bestehen.

104Obgleich für das linke Auge keine Kontaktlinsenpause eingehalten war, die Hornbrechkraftwerte über dem Standard lagen, die Klägerin kontaktlinsenunverträglich war und für das rechte Auge instabile Werte vorlagen, nahmen die Beklagten keine weiteren Untersuchungen vor, um die Kontraindikation Keratokonus auszuschließen.

Im Hinblick darauf, dass ein Eingriff an einem gesunden Organ erfolgen sollte und die Vornahme der erforderlichen Untersuchung zu hinnehmbaren Belastungen für die Klägerin geführt hätten, ist in Übereinstimmung mit der Sachverständigen die Unterlassung einer Serientopografie, als unverständlich anzusehen.

II. Den Beklagten ist es nicht gelungen, den Nachweis zu führen, dass eine Kausalität zwischen dem groben Befunderhebungsfehler und dem eingetretenen Primärschaden (Überkorrektur des rechten Auges) nicht besteht.

Die Feststellung eines groben Behandlungsfehlers, der geeignet ist, einen Schaden der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, führt grundsätzlich zu einer Umkehr der objektiven Beweislast für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem primärem Gesundheitsschaden. Dafür reicht aus, dass der grobe Behandlungsfehler geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu verursachen; nahe legen oder wahrscheinlich machen muss der Fehler den Schaden hingegen nicht (vgl. BGH NJW 2004, 2011).

108Der Befunderhebungsfehler war geeignet die eingetretene Überkorrektur zu verursachen, da die unterlassenen Befunderhebungen eine Kontraindikation für den Eingriff ergeben hätte können und es ohne Operation zu keiner Überkorrektur an dem rechten Auge gekommen wäre.

Die Beklagten hätten belegen müssen, dass eine serielle Topografie an beiden Augen keinen Befund ergeben hätte, der eine Kontraindikation zu der geplanten Operation begründet hätte. Diesen Nachweis konnten die Beklagten nicht führen.

1. Die Sachverständige hat zunächst ausgeführt, dass keine Aussage darüber getroffen werden kann, mit welcher Wahrscheinlichkeit weitere Untersuchungen den Verdacht eines Keratokonus ausgeschlossen hätten.

2. Die Beweisaufnahme hat auch nicht ergeben, dass bei der Klägerin nach der Operation kein Keratokonus diagnostiziert werden konnte. Sofern die Beklagten den Nachweis hätten führen können, dass bei der Klägerin auch nach der Operation kein Keratokonus festzustellen war, wäre die Kausalität zwischen dem Befunderhebungsfehler und dem eingetretenen Schaden zumindest zweifelhaft gewesen.

Die Gutachterin kam nach umfangreichen Untersuchungen der Klägerin am 8.1.2007 zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin am linken Auge ein subklinischer Keratokonus vorliegt. Sie führte aus, dass der Ist-Befund vom 08.01.2007 der Hinweis auf einen Keratokonus wegen der äußerst hohen Hornhautbrechung, einer asymmetrischen Austeilung unten und eines irregulären Astigmatismus ist. Der Istzustand am 08.01.2007 habe den topografisch subklinischen Keratokonus dargestellt, wobei die Ursache (genetisch bedingt oder verursacht durch das Tragen von Kontaktlinsen) nicht zweifelsfrei geklärt werden konnte. Sie führte aus, dass der absolute Hornhautbrechkraftwert von 49,7 dpt. dagegen spricht, dass der Keratokonus auf das Tragen der Kontaktlinse zurückzuführen ist.

113Der Umstand, dass die Sachverständige hinsichtlich des rechten Auges bei ihren Untersuchungen keinen Keratokonus feststellen konnte, spricht nicht gegen die Richtigkeit ihrer Diagnose. Es ist zu berücksichtigten, dass der Keratokonus an einem Auge ein sicheres Indiz dafür darstellt, dass die Krankheit, möglicherweise mit dem etwas anderen Verlauf auch an dem anderen Auge auftritt und in Anfangstadien noch nicht nachgewiesen werden kann, sowie dass, das rechte Auge operiert wurde, d.h. Hornhautschicht abgetragen wurde.

Zumindest reicht das Ergebnis der Untersuchungen der Sachverständigen nicht aus, um die für die Beklagten günstige Aussage treffen zu können, dass ein Keratokonus nach den gebotenen weiteren Untersuchungen vor dem Lasereingriff ausgeschlossen hätte werden können.

III. Die Einholung eines Obergutachtens bzw. eines weiteren Gutachten ist nicht veranlasst.

Die Sachverständige ist mündlich angehört worden und hat sämtliche Fragen überzeugend beantwortet. Die Einwendungen der Beklagten gegen das Gutachten erschöpfen sich darin, dass sie die Auffassungen der Sachverständigen in den im Schriftsatz vom 13.5.2008 aufgeführten Punkten nicht teilen. Die Sachverständige hat sich mit den Einwendungen der Beklagten in der Anhörung vor dem Senat überzeugend auseinandergesetzt und die Fragen umfassend beantwortet. Weiterer Aufklärungsbedarf besteht nicht. An der Sachkunde von Prof. Dr. Sp. bestehen keine Zweifel. Des weiteren sind seitens der Beklagten keine entgegenstehenden Privatgutachten vorgelegt worden und keine Anhaltspunkte benannt worden, dass ein anderer Sachverständiger über überlegene Sachkenntnis und Erkenntnismöglichkeiten verfügt (vgl. zum ganzen BGH NJW 1986, 1928-1931).

IV. Es konnte dahingestellt bleiben, ob die Aufklärung der Klägerin über die Operationsrisiken und -chancen ausreichend war. Auch musste dem inhaltlichen Widerspruch zwischen der vorgelegten OP-Checkliste und der in dem OP-Video eingeblendeten Liste nicht weiter nachgegangen werden.

B. Die zulässige Anschlussberufung erwies sich als unbegründet.

119Das Landgericht hat den Schmerzensgeldbetrag zutreffend auf € 30.000.- festgesetzt.

I. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sind unter anderem heranzuziehen die physische und psychische Störung, die hervorgerufenen Schmerzen und Auswirkungen auf die private und berufliche Lebensgestaltung.

Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände hält der Senat das zugesprochene Schmerzensgeld für angemessen.

122Bei der Bemessung war zunächst zu berücksichtigen, dass die durch die Laserbehandlung verursachte Anisometropie nach den Ausführungen der Sachverständigen durch eine Brille und durch Kontaktlinsen aufgrund der Kontaktlinsenunverträglichkeit optisch nicht korrigierbar ist und weiter die im Laufe der Zeit eingetretene unregelmäßige Verformung der Hornhaut zum Auftreten von Aberrationen höherer Ordnung geführt haben. Die erheblichen Auswirkungen und Folgen der Überkorrektur auf das Privat- und Berufsleben (Schwerbehinderung von 70%; Berufsunfähigkeit) waren weitere gewichtige Kriterien bei der Festsetzung. Es war aber auch zu bewerten, dass die Klägerin (wie von der Sachverständigen auf Seite 4 ihres Gutachtens dargelegt) durch Wechseln von Kontaktlinsen und Brillen sich behelfen kann und auch Lesen und Naharbeiten durchführen kann, sowie zumindest auf kurzen Strecken einen PKW führen kann.

123Der zugesprochene Betrag fügt sich in den Rahmen von der Rechtsprechung für Verletzungen der Augen zugesprochener Schmerzensgeldbeträge ein.

Das OLG Düsseldorf (NJW 2001, 900) hat in einem Fall einer Laserbehandlung dem Patienten einen Schmerzensgeldbetrag von 40.000,00 DM zugesprochen Der dortige Kläger war u.a. nicht mehr imstande, mit einem Auto aktiv am Straßenverkehr teilzunehmen; Fernsehbilder konnte er nur aus unmittelbarer Nähe erkennen und er konnte den beruflichen Anforderungen als kaufmännischer Angestellter nur noch mit Mühe gerecht werden. In einem neueren Urteil hat das OLG Koblenz (NJW-RR 2007,21) dem Patienten einer kontraindizierten Lasik-Operation ein Schmerzensgeld in Höhe von € 40.000.- zugesprochen. Infolge des Eingriffs war es zu einer Verstärkung des Keratokonus und einem wachsenden Astigmatismus gekommen, so dass sich der Patient einer Hornhauttransplantation an einen Auge unterziehen musste und am anderen eine Transplantation anstand. Schließlich sei noch auf eine Entscheidung des OLG Nürnberg (MedR 2006, 178-182) verwiesen. Das Gericht sprach einem 7 Jahre alten Mädchen, das eine Netzhautablösung mit der Folge einer vollständigen Erblindung auf dem rechten Auge erlitten hatte und auf dem linken Auge nur über eine Sehschärfe von nur 20% bei Gesichtsfeldausfällen bis zu 30 Grad verfügte, ein Schmerzensgeld in Höhe von 80.000 Euro zu.

125Da die Auswirkungen der Überkorrektur und der daraus folgenden schwerwiegenden psychischen, physischen, beruflichen und privaten Belastungen für die Klägerin erheblich waren und sind, aber die Klägerin sich keinen weiteren belastenden operativen Eingriffen am rechten Auge unterziehen musste, ist ein Schmerzensgeldbetrag, der zwischen den Beträgen der beiden erst genannten Entscheidungen liegt angemessen.

II. Eine Verdoppelung des Schmerzensgeldes ist nicht gerechtfertigt.

Eine Erhöhung des Schmerzensgeldes wegen überlanger Verfahrensdauer kommt nicht in Betracht.

Der Verweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte betrifft Verurteilungen der Bundesrepublik Deutschland zur Zahlung einer Entschädigung nach Art. 41 EMRK wegen Menschenrechtsverletzung infolge einer überlangen Dauer eines Zivilverfahrens. Folgerungen, dass sich überlange Verfahrensdauer zum Nachteil des Prozessgegners Schmerzensgeld erhöhend auswirken müssen, können der zitierten Rechtsprechung nicht entnommen werden.

Es hat vielmehr bei dem Grundsatz zu verbleiben, dass sich nur den Beklagten zurechenbare und vorwerfbare Verzögerungen des Verfahrens Schmerzensgeld erhöhend auswirken können.

Es ist anerkannt, dass im Rahmen der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes ein stark verzögerndes Regulierungsverhalten Schmerzensgeld erhöhend insbesondere dann berücksichtigt werden kann, wenn Zahlungen verweigert werden, obwohl bei verständig lebensnaher, und objektiver Betrachtungsweise von einer Einstandspflicht auszugehen ist oder wenn der Schädiger bzw. seine Versicherung nicht einmal Teilbeträge leisten, die nach der von ihnen selbst vertretenen Rechtsauffassung oder nach der insoweit geklärten Rechtslage dem Geschädigten zustehen. Wenn die Schadensersatzpflicht des Schädigers zweifelhaft ist, kann eine Zahlungsverweigerung nicht als Kränkung und Beeinträchtigung des Lebensgefühls des Geschädigten angesehen werden. Sonst würde eine nicht zu rechtfertigende Beeinträchtigung der zulässigen Rechtsverteidigung des Schädigers bewirkt werden, denn er könnte sich aus Sorge um eine Schmerzensgelderhöhung gezwungen sehen, volles Schmerzensgeld oder Abschlagzahlungen darauf entgegen seiner Rechtsposition zu leisten (OLG Hamm VersR 1980, 683).

Für die bedauerliche und für die Klägerin sicherlich belastende bisherige und zukünftige Verfahrensdauer waren in erster Linie die Weigerung des Erstgutachters, zu einer Anhörung zu erscheinen, und der Tod von Professor G. ursächlich. Dass die Beklagten die ihnen rechtlich zustehenden Verteidigungsmöglichkeiten gegen die nach ihrer Auffassung unberechtigten Ansprüche ausschöpften, ist nicht zu beanstanden. Im übrigen hat sich der Senat um eine vergleichsweise Erledigung des Verfahrens bemüht.

C. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO.

D. Der Senat hat die Sache auf Antrag der Parteien nach § 538 Abs. 2 Nr.4 ZPO zur Verhandlung über die Höhe des Schadens an das Landgericht zurückverwiesen.

E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO (Reichold in Thomas/Putzo ZPO 28. Aufl. § 538 Rn. 27 und Hüßtege in Thomas/Putzo § 97 Rn. 6). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

F. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, § 543 Abs. 2 ZPO.