LG München I, Urteil vom 27.03.2008 - 7 O 4412/08
Fundstelle
openJur 2012, 90969
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antragsgegnerin wird es bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von Euro 5,– bis zu Euro 250.000,–, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen an einem der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, der ... Fall der Zuwiderhandlung verboten,

an dem Gebäude ... der Gemarkung M S,

1. die Gebäudegliederung durch Hervorsetzen des Erdgeschosses gem. den Anlagen AG 9 S. 1-2 und AG 10 zu verändern:

An dieser Stelle folgen im Original mehrere Abbildungen, die hier nicht wiedergegeben werden können.

2. die äußere Gestaltung durch Änderung der Farbe der Fassadenpaneele gem. einem der Farbmuster gem. der Anlage AS 8 zu verändern:

An dieser Stelle folgt im Original eine Abbildung, welche hier nicht wiedergegeben werden kann.

II. Die Antragsgegner haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Streitwert wird bis zur teilweisen Erledigterklärung vom 27.3.2008 auf Euro 100.000,– und für die Zeit danach auf Euro 70.000,– festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren darum, ob die Gefahr besteht, dass durch geplante Umbaumaßnahmen die Entstellung eines Bauwerks droht.

Der Antragsteller ist Architekt und war in den Jahren 1972-1975 neben zwei anderen Architekten an der Planung und Errichtung des D-Gebäudes in der Ustr. ... in M beteiligt. Die ursprüngliche Gestaltung des Gebäudes ergibt sich aus den Anlagen AST 1, AST 15 und AG 9 S. 3-4). Das Bauwerk wurde unter Erwähnung der drei Architekten in das Buch "M und seine Bauten nach 1912" (Anlage AST 1) auf Seite 394 aufgenommen:

394 Bürogebäude

An dieser Stelle folgt im Original eine Abbildung, welche hier nicht wiedergegeben werden kann.

Technisches Zentrum der Deutschen Bank, Ungererstraße 175, 1976. Straßenfront (Foto um 1976)

Im Jahre 1994 wurde mit Zustimmung des Antragstellers ein Dachaufbau (vgl. Anlage AG 5) hinzugefügt.

Die Antragsgegnerin ist die neue Eigentümerin des betreffenden Grundstücks und beabsichtigt nach dem Auszug der D Bank, das Gebäude einer neuen gewerblichen Nutzung zuzuführen. Das Erdgeschoss soll an einen Lebensmitteleinzelhändler vermietet werden. Das zweite Obergeschoss ist bereits an ein Fitnessstudio vermietet. Hierzu beabsichtigt die Antragsgegnerin folgende bauliche Änderungen:

1. Änderung der Farbe der Fassadenpaneele (vgl. AST 8 S. 4)

2. Verkleidung des Gebäudes mit Textilbelägen (vgl. AST 8 S. 1)

3. Hervorsetzen der Fassade im Erdgeschoss (vgl. Anlagen AG 9 S. 1-2 und AG 10)

Der Antragsteller ist der Ansicht, dass es sich bei dem Gebäude um ein Werk der Baukunst handele, das durch jede einzelne der geplanten Änderungen entstellt werden würde. Die Änderungen seien noch nicht umgesetzt worden, jedoch sei mit den Arbeiten begonnen worden, wovon er am 12.1.2008 (vgl. Anlage AST 2) Kenntnis erlangt habe. Mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 12.3.2008, eingegangen bei Gericht am 14.3.2008, konkretisiert mit Schriftsatz vom 19.3.2008 (Bl. 17/19), macht er einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch geltend.

Die Kammer hat am 14.3.2008 (Bl. 16) beschlossen, dass über diesen Antrag mündlich zu verhandeln ist.

Im Termin vom 27.3.2008 verpflichtete sich die Antragsgegnerin, die angegriffenen Textilbehänge nicht zu verwenden, so dass die Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt haben (vgl. Prot. S. 2 = Bl. 43).

Der Antragstellerbeantragtnoch:

I. Der Antragsgegnerin wird es bei Meidung ... untersagt, die Gebäudegliederung des Gebäudes Ustraße ..., Flurstück ... der Gemarkung M S durch Hervorsetzen des Erdgeschosses zu verändern.

II. Der Antragsgegnerin wird es bei Meidung ... untersagt, die äußere Gestaltung des Gebäudes Ustraße ..., Flurstück ... der Gemarkung M S durch Änderung der Farbe der Fassadenpaneele zu verändern.

III. Der Antragsgegnerin wird es bei Meidung ... geboten, die bereits begonnenen Bauarbeiten am Gebäude Ustraße ..., Flurstück ... der Gemarkung M S, welche zu den unter Antrag I. und II. genannten Veränderungen führen, mit sofortiger Wirkung einzustellen.

Die Antragsgegnerinbeantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Es sei zu bezweifeln, dass der Antragsteller auch an der Fassadengestaltung mitgewirkt habe. Aus den der Antragsgegnerin vorliegenden Unterlagen (Anlagen AG 1 und 2) ergebe sich lediglich, dass die Fassadengestaltung auf den Architekten Winkler zurückgehe.

Das Gebäude genieße auch keinen Schutz als Werk der Baukunst, jedenfalls nicht mehr nach dem Dachaufbau im Jahre 1994. Bei der Farbe der Paneelen handele es sich um die Hausfarbe der D Bank, die von dieser vorgegeben worden sei.

Es drohe auch keine Entstellung. Das Erdgeschoss solle nur an der von der Straße abgewandten Seite hervorgesetzt werden.

Jedenfalls seien die geplanten Maßnahmen wirtschaftlich zwingend erforderlich. Der Lebensmitteleinzelhändler fordere die Umgestaltung der Verkaufsräume sowie die Schaffung einer Zone für die Warenanlieferung mittels Sattelschleppern. Das Fitnessstudio habe den Wunsch nach einer anderen farblichen Gestaltung der Außenfassade geäußert. Die geplanten Textilvorhänge sollen dem Gebäude ein modernes Äußeres verleihen.

Der Dachaufbau im Jahre 1994 habe das Gebäude mit Einverständnis des Antragstellers in einem viel weitergehenden Umfang entstellt. Das nunmehrige Vorgehen des Antragstellers sei daher rechtsmissbräuchlich.

Die Sache sei auch nicht dringlich. Mit dem Antragsteller sei bereits am 13.8.2007 ein Gespräch über die geplanten Veränderungen geführt worden. Schon damals hätte der Antragsteller aktiv werden können. Jedenfalls zeige sein Zuwarten im Zeitraum 12.1.2008 bis 12.3.2008, dass ihm die Sache nicht eilig sei.

Zur Ergänzung des Parteivorbringens wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 27.3.2008 (Bl. 41/50) verwiesen.

Gründe

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat in vollem Umfang Erfolg. Die Unterschiede in der Tenorierung sind rein sprachlicher Natur und beinhalten keine Teilzurückweisung.

A.

 Verfügungsanspruch

Der Antragsteller hat einen Verfügungsanspruch gem. §§ 14, 97 Abs. 1 UrhG glaubhaft gemacht.

I. Die Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass das Gebäude in der Ustr. ... und insbesondere dessen Fassadengestaltung als Werk der Baukunst gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG Urheberrechtsschutz genießt.

1. Als Werke der Baukunst kommen Bauten jeglicher Art in Betracht, auf einen künstlerischen Zweck kommt es nicht an, was auch Wohn- und Bürobauten mit einschließt (Schricker, UrhG, 3. Aufl., § 2 Rdn. 149). Die für eine persönlich geistige Schöpfung (§ 2 Abs. 2 UrhG) notwendige Individualität erfordert, dass sich das Bauwerk nicht nur als Ergebnis rein handwerklichen oder routinemäßigen Schaffens darstellt, sondern dass es aus der Masse alltäglichen Bauschaffens herausragt (BGH GRUR 1982, 107/109 – Kirchen-Innenraumgestaltung; GRUR 1999, 230, 231 – Treppenhausgestaltung). Allerdings kann auch die Verwendung allgemein bekannter, gemeinfreier Gestaltungselemente urheberrechtsschutzfähig sein, wenn dadurch eine besondere eigenschöpferische Wirkung und Gestaltung erzielt wird (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 1989, 416, 417 – Bauaußenkante; BGH GRUR 1988, 690, 692 Kristallfiguren). Dabei kann auch die Anpassung an die unmittelbar umgebende Landschaft von Bedeutung sein (vgl. BGHZ 24, 55, 66 f. – Ledigenheim). Nach ständiger Rechtsprechung können auch Werkteile Urheberrechtsschutz genießen, sofern sie als solche den urheberrechtlichen Schutzvoraussetzungen genügen, wie dies zum Beispiel bei der Fassadengestaltung eines Bauwerks der Fall sein kann (BGHZ 61, 88, 94 – Wählamt; RGZ 82, 333, 336 – Fassadengestaltung; GRUR 1988 533, 534 – Vorentwurf II).

2. Vorliegend stellt sich das streitgegenständliche Gebäude nicht nur als Ergebnis rein handwerklichen oder routinemäßigen Schaffens dar, sondern es ragt aus der Masse alltäglichen Bauschaffens heraus. Es handelt sich um ein außergewöhnliches, einmaliges Gebäude von hohem architektonischem Anspruch. Die notwendige Schöpfungshöhe gem. § 2 Abs. 2 UrhG wird somit erreicht.

Hervorzuheben sind hierbei die klare Gebäudegliederung, die das ehemals im ersten Obergeschoss untergebrachte Rechenzentrum durch die zurückgesetzten anderen beiden Geschosse und die kraftvollen äußeren Stützen hervorhebt, sowie die eleganten, hell gehaltenen Stützsäulen und Edelstahl-Tragwerke, die sich von der dunklen Fassade abheben.

Der Antragsteller kann auch hinsichtlich der Farbgestaltung der Fassade in Kombination mit den anderen Gestaltungselementen Entstellungsschutz in Anspruch nehmen, da die Antragsgegnerin ihren Einwand, bei der Fassadenfarbe handle es sich um die Hausfarbe der Deutschen Bank, die von dieser vorgegeben worden sei, nicht glaubhaft gemacht hat. Die Mitglieder der Kammer, denen die Hausfarbe der Deutschen Bank, ein leuchtendes Blau, sehr wohl bekannt ist, vermochten in den vorgelegten Abbildungen des Gebäudes diese Farbe nicht wieder zu erkennen, worauf im Termin auch hingewiesen wurde.

3. Die obige Einschätzung wird auch durch die Aufnahme des Gebäudes in das Buch "M und seine Bauten nach 1912" (Anlage AST 1, S. 394) sowie weitere Architekturzeitschriften bestätigt.

3. Diesen urheberrechtlichen Schutz hat das Bauwerk auch nicht durch den Dachaufbau im Jahre 1994 wieder eingebüßt. Wie die Fotos gem. Anlage AG 5 zeigen, hat der Dachaufbau das Erscheinungsbild des Gebäudes nicht grundsätzlich beeinträchtigt. Da der Aufbau durch die hellere Wandfarbe optisch zurücktritt, blieb die eigentümliche Fassadengliederung unterhalb des Aufbaus ebenso unangetastet wie die dortige Farbgebung. Eine Entstellung kann insoweit nicht festgestellt werden.

II. Der Antragsteller hat durch die Vorlage der Anlage AST 1, in der er als einer der drei Architekten erwähnt wird, glaubhaft gemacht, dass er alleine urheberrechtliche Abwehransprüche hinsichtlich des gesamten Gebäudes, inklusive Fassade, geltend machen kann. Denn bei Miturhebern ist jeder alleine berechtigt, Unterlassungsansprüche gegen Dritte geltend zu machen. Für Unterlassungsansprüche aufgrund Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts gilt dies allemal.

Der Antragsgegnerin ist es hingegen nicht gelungen, ihre Behauptung, der Antragsteller sei an der Fassadengestaltung nicht beteiligt gewesen, glaubhaft zu machen. Aus den Anlagen AG 1 und 2 ergibt sich dies nicht. Denn diesen Dokumenten lässt sich auch nach dem eigenen Vortrag der Antragsgegnerin nur entnehmen, dass sie allein von einem Herrn Winkler unterzeichnet wurden. Ihnen kann daher keine Aussage dazu entnommen werden, wer an dem Schaffensprozess tatsächlich beteiligt war.

III. Der Antragsteller hat auch glaubhaft gemacht, dass durch das Hervorsetzen des Erdgeschosses und/oder die Änderung der Farbe der Fassade eine Entstellung dieses Werks der Baukunst im Sinne des § 14 UrhG droht:

1. Gem. § 14 UrhG hat der Urheber das Recht, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden.

Wie in der Rechtsprechung (vgl. BGH GRUR 1974, 675, 676 – Schulerweiterung mwN) anerkannt ist, besteht im Urheberrecht ganz allgemein ein grundsätzliches Änderungsverbot; es ist dem Urheberrecht als einer Herrschaftsmacht des schöpferischen Menschen über sein Geisteswerk immanent und dient dem Schutz der persönlichen und geistigen Interessen des Urhebers, darüber zu bestimmen, in welcher Gestalt seine Schöpfung an die Öffentlichkeit treten soll (BGH in GRUR 1971, 35, 37 – Maske in Blau); der Urheber hat grundsätzlich ein Recht darauf, dass das von ihm geschaffene Werk, in dem seine individuelle künstlerische Schöpferkraft ihren Ausdruck gefunden hat, der Mit- und Nachwelt in seiner unveränderten individuellen Gestaltung zugänglich gemacht wird (RGZ 79, 397, 399 – Freskogemälde).

Dieses grundsätzliche Änderungsverbot erfährt im Falle von Auftragsarbeiten jedoch Einschränkungen. Denn ausgehend davon, dass die Verfügungsfreiheit des Eigentümers am Werkexemplar im Grundsatz dem Integritätsanspruch des Architekten vorgeht, wird man jenem auch die Freiheit einräumen müssen, die Änderungen am Werk nach seinen Absichten und den von ihm als zweckmäßig erachteten Nutzungsvorstellungen auszuführen, solange diesen ein hinreichend schutzwürdiges Interesse zur Seite steht. Die Freiheit des Einzelnen, sein Eigentum bedürfnisgerecht zu nutzen, verträgt sich nicht mit Auflagen, die aus allgemeiner Betrachtung möglicherweise vertretbar sind, den im Rahmen einer freiheitlichen Rechtsordnung schützenswerten subjektiven Wertvorstellungen und Wünschen des Eigentümers indes nicht gerecht werden. Wer andererseits als Urheber aufgrund eines Architektenvertrags tätig wird, schafft für fremde und nicht für eigene Interessen. Dessen muss er sich auch bewusst sein, wenn das begebene Werkexemplar später nach Maßgabe der Interessen des Eigentümers geändert werden soll. Der Urheber kann insoweit einzig einer Verletzung der Gefährdung seines Ansehens entgegentreten (vgl. Schweizerisches Bundesgericht, GRUR Int. 1992, 473, 476 – Schulhausumbau II).

Danach ist eine Änderung bzw. Erweiterung eines Bauwerks jedenfalls dann nicht zu beanstanden, wenn sie unter Abwägung der Interessen des Urhebers und des Eigentümers für den Urheber als noch zumutbar erscheinen und sie ferner keine Werkentstellungen (im Sinn des § 14 UrhG) beinhalten. Hierzu hat der BGH in seiner Entscheidung vom 29. April 1970 (GRUR 1971, 35, 37 – Maske in Blau) bereits ausgeführt, dass sich keine starren, allgemeingültigen Richtlinien aufstellen ließen, welche Änderungen nach Treu und Glauben zu gestatten seien; die gebotene Interessenabwägung bei einem Widerstreit zwischen den persönlichkeitsrechtlichen Belangen des Urhebers und den verwertungsrechtlichen Interessen der Nutzungsberechtigten könne je nach dem Rang des in Frage stehenden Werks und dem vertraglich eingeräumten Verwertungszweck zu einem engeren oder weiteren Freiheitsspielraum des Nutzungsberechtigten bei Werkänderungen führen.

Eine Entstellung als besonders schwerwiegender Eingriff im Sinne des § 14 UrhG (vgl. Schricker/Dietz, UrhG, 2. Aufl., § 14 Rdn. 19; OLG München ZUM 1996, 165) ist bei Bauwerken dann anzunehmen, wenn eine besonders schwerwiegende Beeinträchtigung des Werkes im Auge des Durchschnittsbetrachters vorliegt, die geeignet ist, die geistigen und persönlichen Interessen des Urhebers an dem Werk zu beeinträchtigen und das Änderungsinteresse des Eigentümers das Bestands- und Integritätsinteresse des Architekten nicht überwiegt (vgl. Schricker/Dietz, UrhG, 2. Aufl., § 14 Rdn. 19 ff., 27, 28 ff. mwN).

2. Vorliegend würde die Änderung der Farbe der Fassade – insoweit wurde der Antrag auf die fünf in der Anlage AST 8 gezeigten Farbmuster beschränkt (vgl. Prot. S. 3 = Bl. 44) – den Gesamteindruck des Gebäudes ganz maßgeblich verändern. Alle in Betracht kommenden Farben sind wesentlich heller und würden dazu führen, dass der die Eigentümlichkeit des Gebäudes prägende Kontrast zwischen der dunklen Gebäudefarbe und der hellen Säulen und Tragwerke aufgehoben wird.

3. Auch das geplante Hervorziehen des Erdgeschosses würde die ebenfalls die Eigentümlichkeit des Gebäudes prägende Betonung des ersten Stockes verwässern, wie ein Vergleich der Abbildungen und Zeichnungen gem. Anlage AG 9 eindrucksvoll belegt.

Insoweit spielt es auch keine Rolle, dass diese Änderung von der Ustraße aus nicht oder nicht maßgeblich zu sehen sein wird. Denn das Gebäude genießt als Werk der Baukunst umfassenden Schutz vor Entstellung, unabhängig davon, ob es an einer viel oder wenig befahrenen Straße liegt.

Wie aus der Anlage AG 9 ersichtlich ist, liegt auch die Hinterseite des Gebäudes an einer öffentlich zugänglichen Straße.

4 Die durchzuführende Gesamtabwägung führt vorliegend zum Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung. Dabei waren die nachfolgenden Gesichtspunkte für die Kammer entscheidend:

a. Im Falle der Durchführung der geplanten Maßnahmen könnte einem späteren Antrag auf Rückbau § 101 Abs. 2 Nr. 1 UrhG entgegengehalten werden.

b. Der Antragsgegnerin war aufgrund der Gespräche mit dem Antragsteller bekannt, dass dieser den geplanten Änderungsmaßnahmen ablehnend gegenübersteht. Gleichwohl hat sie ohne dessen Einverständnis mit den Bauarbeiten begonnen und sich damit bewusst über dessen Urheberpersönlichkeitsrecht hinweggesetzt.

c. Die Änderung der Farbe der Fassade soll aus rein kosmetischen Gründen auf Wunsch eines Mieters, des Fitnessstudios, erfolgen. Zwingende wirtschaftliche Gründe macht die Antragsgegnerin hier nicht geltend.

d. Jedenfalls sind die hierfür geplanten Änderungen so gravierend, dass sich vorliegend das Interesse am Erhalt der ursprünglichen Gestaltung des Bauwerks durchsetzt. Die Antragsgegnerin hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass den Interessen des zukünftigen Mieters nicht auch durch eine andere Umgestaltung, die die Erscheinung der Fassade weniger einschneidend verändern würde, Rechnung getragen werden könnte.

e. Das Vorgehend des Antragstellers ist auch nicht deswegen rechtsmissbräuchlich, weil er sich 1994 mit dem Dachaufbau einverstanden gezeigt hat. Denn es ist das gute Recht eines Urhebers, seine Zustimmung zu im Sinne des § 14 UrhG entstellenden Änderungen zu erteilen, oder eben nicht. Unabhängig hiervon vermag die Kammer in der Hinzufügung des Dachaufbaus keine Entstellung zu erkennen.

B.

Verfügungsgrund

Der Antragsteller hat auch einen Verfügungsgrund (§§ 935, 940 ZPO) glaubhaft gemacht.

I. Gem. § 935 ZPO ist eine einstweilige Verfügung in Bezug auf den Streitgegenstand zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.

II. Diese Voraussetzungen liegen vor.

1. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Verwirklichung der streitgegenständlichen Änderungen in der Fassadengestaltung unmittelbar bevorsteht. Da die Durchführung dieser Maßnahmen das Bauwerk entstellen und somit in das Urheberpersönlichkeitsrecht des Antragstellers eingreifen würde, droht eine Rechtsverletzung.

2. Der Antragsteller kann insoweit mit seinem Unterlassungs- bzw. Vernichtungsanspruch nicht auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden, da bei fertig gestellten Gebäuden gem. § 101 Abs. 2 Nr. 1 UrhG kein Vernichtungsanspruch gem. § 98 UrhG mehr besteht. Zwar erfasst diese Ausnahmevorschrift nicht die Beseitigung leicht entfernbarer Fassadenelemente. Diese Voraussetzung liegt aber bei der Hervorsetzung des Erdgeschosses nicht vor. Im Falle der Fertigstellung des Bauwerks würde daher die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs des Antragstellers vereitelt, wenn in einem Hauptsachverfahren ein Anspruch auf einen "Rückbau", da mit erheblichen Eingriffen in die Gebäudesubstanz verbunden, verneint werden sollte.

3. Ferner gilt die strenge Monatsfrist des OLG München (vgl. Nachweise bei Harte/Henning/Retzer, UWG, § 12 Rdn. 957) bei Bestehen einer Erstbegehungsgefahr nicht. Denn dem möglicherweise künftig Verletzten muss es überlassen bleiben, ob er bei Erstbegehungsgefahr sofort vorgeht, oder eine Verletzungshandlung abwartet, durch die ein neuer, unter Beachtung der Dringlichkeitsfrist selbständig angreifbarer Tatbestand geschaffen wird (OLG München Mitt. 1999, 223, 226 f.).

C.

Nebenentscheidungen

I. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 91 a Abs. 1 ZPO.

Auch bezüglich der für erledigt erklärten Textilbehänge drohte eine Entstellung des Bauwerks, da diese die Gebäudegliederung optisch aufgehoben hätten.

II. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 3, 5 ZPO, §§ 39 Abs. 1, 53 GKG. Die Kammer schätzt den Teilstreitwert, der auf den für erledigt erklärten Antrag bzgl. der Textilbehänge entfällt, auf Euro 30.000,–.

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