Bayerischer VGH, Beschluss vom 14.03.2008 - 12 ZB 07.1720
Fundstelle
openJur 2012, 90426
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Beigeladene hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1. Der Antrag der Beigeladenen auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 16. Mai 2007 ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 124 a Abs. 4 VwGO).

Er ist aber nicht begründet, weil die von der Beigeladenen geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 a Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der besonderen tatsächlichen Schwierigkeit der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und des Vorliegens eines Verfahrensfehlers im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO), nicht hinreichend dargelegt sind oder aber nicht greifen.

1.1 Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Solche Zweifel bestehen etwa dann, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG vom 26.3.2007 BayVBl 2007, 624 und vom 23.6.2000 NVwZ 2000, 1363) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (so BVerwG vom 10.3.2007 DVBl 2004, 838).

Die Beigeladene meint, ernstlichen Zweifel lägen deshalb vor, weil es das Verwaltungsgericht unterlassen hat, ein Sachverständigengutachten einzuholen.

Diese Ausführungen sind aber nicht geeignet, die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts in Frage zu stellen.

Das Verwaltungsgericht konnte rechtsfehlerfrei davon ausgehen, dass ein zumindest mittelbarer Zusammenhang zwischen Kündigungsgründen und Behinderung des Klägers nicht auszuschließen sei (vgl. dazu etwa BVerwG vom 19.10.1995 BVerwGE 99, 336; BayVGH vom 16.11.1993 Az.: 12 B 93.2264). Die hiergegen gerichteten Angriffe der Beigeladenen gehen fehl. Insbesondere hat es das Verwaltungsgericht nicht versäumt, zur Begründung dieser richterlichen Überzeugungsbildung entsprechende Feststellungen zu treffen. Es hat bei der Prüfung der Frage, ob ein solcher Zusammenhang zwischen Kündigungsgründen und Behinderung des Klägers besteht (vgl. dazu ausführlich Griebe in Hauck/Noftz, SGB IX, Stand: Februar 2008, § 89 RdNr. 8 und § 91 RdNrn. 10 ff.), einen großzügigen Maßstab zugrunde gelegt, der die Berücksichtigung der Tatsache mit einschließt, dass eine Behinderung nicht nur Ursache für gesundheitliche Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit sein kann, sondern auch für bestimmte Verhaltensweisen. Hiervon ausgehend hat es die von der Beigeladenen vorgelegte Stellungnahme der Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Gauting vom 13. September 2005 ausführlich gewürdigt und für nicht geeignet gehalten, diesen möglichen Zusammenhang von vorneherein auszuschließen. Dabei konnte das Verwaltungsgericht unter anderem darauf abstellen, dass diese Stellungnahme einseitig auf Schilderungen des Klägers durch die Beigeladene beruht. Selbst der Beklagte stellte in dem hier angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2006 einen solchen Zusammenhang zwischen den anerkannten Behinderungen des Klägers und dem Kündigungsgrund her, der nicht auszuschließen sei. Die Frage eines solchen Zusammenhanges sei demzufolge nicht streng zu beurteilen, sondern nach allgemeiner Lebensanschauung weit auszulegen. Durch seine schwere Behinderung sei der Kläger in seinem täglichen Leben starken Einschränkungen unterworfen. Seit seiner Kindheit erfolgten wiederholt schwere Operationen mit Krankenhausaufenthalten. Für den Widerspruchsausschuss seien die Ausführungen zu möglichen Reifeverzögerungen, die sich auch im Umgang mit Frauen niederschlagen können, überzeugend.

1.2 Die Berufung der Beigeladenen ist auch nicht nach Maßgabe des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen, weil die Rechtssache keine besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten aufweist.

Dabei hat es die Beigeladene bereits versäumt, entsprechend dem Darlegungserfordernis des § 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO aufzuzeigen, worin die besonderen tatsächlichen Schwierigkeiten der Rechtssache liegen sollen. Die Streitsache ist weder besonders unübersichtlich noch ist der Sachverhalt besonders schwierig zu ermitteln. Das Verwaltungsgericht hat in Ansehung des im Zulassungsantrag Dargelegten alles Erforderliche getan (vgl. dazu Happ, in Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 124 RdNr. 33). Soweit es allerdings die Beigeladene versäumt hat, die im Kündigungsverfahren angesprochenen Verstöße des Klägers zu substantiieren und schriftlich festzuhalten, kann hierauf gestützt gerade nicht von einem besonders schwierigen Sachverhalt gesprochen werden.

1.3 Letztlich greift auch der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO nicht, weil sich aus den oben angegebenen Gründen dem Verwaltungsgericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht aufdrängen musste. Einen entsprechenden Beweisantrag im erstinstanzlichen Verfahren hat die Beigeladene ohnehin nicht gestellt.

1.4 Da andere Zulassungsgründe schon nicht geltend gemacht worden sind, hat der Zulassungsantrag der Beigeladenen mithin insgesamt keinen Erfolg. Nicht geltend gemacht wurde insbesondere auch der von der Landesanwaltschaft Bayern im Schriftsatz vom 3. September 2007 angedachte Zulassungsgrund der besonderen rechtlichen Schwierigkeit zur Auslegung des § 89 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Der Beklagte selbst hat insoweit keinen Zulassungsantrag gestellt.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3, § 188 Satz 2 VwGO.

3. Gegen diesen Beschluss gibt es kein Rechtsmittel (§ 152 Abs. 1, § 158 Abs. 1 VwGO).

4. Mit dieser Entscheidung wird das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts vom 16. Mai 2007 gemäß § 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO rechtskräftig.