VG Würzburg, Beschluss vom 26.02.2008 - W 4 S 07.1459
Fundstelle
openJur 2012, 90330
  • Rkr:
Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamtes Bad Kissingen vom 31. Oktober 2007 wird wiederhergestellt.

II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Rechtsstreit betrifft die Berechtigung zur Entsorgung von Altpapier im Landkreis Bad Kissingen.

1. Der Landkreis Bad Kissingen hat mit Rechtsverordnung vom 16. Dezember 1991, geändert durch Verordnung vom 16. Dezember 1995, einzelne Aufgaben der Abfallentsorgung im Gebiet der Stadt Bad Kissingen auf diese übertragen. Das beigeladene Kommunalunternehmen wurde aufgrund der Unternehmenssatzung für das Kommunalunternehmen des Landkreises Bad Kissingen vom 9. Dezember 2004 in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts gegründet. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 dieser Satzung überträgt der Landkreis dem Kommunalunternehmen den bisher als Eigenbetrieb des Landkreises geführten Abfallwirtschaftsbetrieb mit sämtlichen diesem übertragenen Aufgaben, Rechten und Befugnissen. Nach § 3 Abs. 1 der Abfallwirtschaftssatzung des Landkreises Bad Kissingen vom 9. Dezember 2004 entsorgt das Kommunalunternehmen des Landkreises nach Maßgabe der Gesetze und dieser Satzung durch eine öffentliche Einrichtung die im Gebiet des Landkreises angefallenen und ihm überlassenen Abfälle. Nach § 3 Abs. 2 dieser Satzung kann sich das Kommunalunternehmen des Landkreises zur Erfüllung der Aufgaben nach Absatz 1 Dritter, insbesondere privater Unternehmer, bedienen. Mit Bescheid vom 16. März 2005 übertrug die Regierung von Unterfranken (nachträglich) die öffentliche Abfallentsorgung im Landkreis Bad Kissingen auf den Beigeladenen und zwar befristet bis zum 31. Dezember 2014.

Auf Grund eines Abstimmungsvertrags vom 10. November 1992/14. Januar 1993 war im Landkreis Bad Kissingen das „Duale System“ eingeführt worden. Nach der zum Vertrag gehörenden Systembeschreibung erfolgt die Erfassung von Altpapier ab 1994 über Depotcontainer und Wertstoffhöfe. Der Systembetreiber (DSD) leistet für die Benutzung der Einrichtungen des Landkreises ein angemessenes Entgelt. Der Anteil an Druckerzeugnissen im Papier wird auf 75 %, der Anteil an Verkaufsverpackungen also auf 25 % angesetzt. Der Landkreis Bad Kissingen beauftragte in einer Vereinbarung vom Juli 2003 ein privates Unternehmen für die Zeit vom 1. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2008 nach § 16 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG) mit der Altpapiersammlung und Entsorgung im Landkreis, mit Ausnahme des Gebiets der Stadt Bad Kissingen. Die Aufgabe soll durch die Aufstellung von Papiercontainern, die Annahme auf Wertstoffhöfen und Straßensammlungen erfüllt werden.

Der Verwaltungsrat des Beigeladenen beschloss in seiner Sitzung vom 14. Mai 2007, die Papierentsorgung für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2016 mit dem Sammelsystem Papiertonne auszuschreiben. Der Kreistag stimmte diesem Vorhaben in der Sitzung vom 26. Juli 2007 zu. Der Beigeladene hatte am 4. Juli 2007 im Amtsblatt S der Europäischen Union eine Vorinformation zu dem Auftrag veröffentlicht, der nicht nur die Altpapierentsorgung umfassen soll. Die Ausschreibung wurde am 24. August 2007 im Amtsblatt bekannt gemacht. Die Angebotseröffnung fand am 24. September 2007, die Vergabesitzung am 12. November 2007 statt. Mit Schreiben vom 27. November 2007 erteilte der Beigeladene den Zuschlag. Der Auftrag umfasst die Abfuhr von Rest- und Biomüll (Los 1), die Abfuhr von Altpapier – PPK – (Los 2), die Abfuhr von sperrigen Abfällen (Los 3), die Lieferung von blauen Tonnen und anderen Müllbehältern (Los 4) sowie die Vermarktung von PPK (Los 5).

2. Mit Schreiben vom 2. August 2007 hatte die Antragstellerin dem Landkreis Bad Kissingen mitgeteilt, dass sie verbindlich beabsichtige, vom 1. Januar 2009 bis mindestens 31. Dezember 2012 die Altpapiersammlung und Verwertung im gesamten Bereich des Landkreises kostenfrei im Holsystem über von ihr gestellte Wertstofftonnen als gewerbliche Sammlung i.S. des § 13 Abs. 3 Nr. 3 KrW-/AbfG zu übernehmen. Sie sei eine leistungsfähige Papierhandelsfirma mit Sitz in N.. Mit der Verteilung der neu benötigten Wertstofftonnen für das Gebiet des Landkreises solle im Jahre 2008 begonnen werden. Mit Schreiben vom 24. August 2007 kündigte das Landratsamt Bad Kissingen der Antragstellerin die Untersagung des Vorhabens an. Die Antragstellerin nahm mit Schreiben vom 10. September 2007 Stellung.

Mit Bescheid vom 31. Oktober 2007 verfügte das Landratsamt Bad Kissingen Folgendes:

1. Der Fa. G. ... mbH (R. GmbH), vertreten durch den Geschäftsführer Herrn ... H., wird ab sofort untersagt, im Landkreis Bad Kissingen mit Ausnahme des Gebietes der Stadt Bad Kissingen gewerbliche Sammlungen von PPK-Abfällen (Papier-, Pappe- und Kartonagenabfälle) aus privaten Haushaltungen im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG durchzuführen.

Im Einzelnen wird hierzu untersagt,

1.1 privaten Haushaltungen Altpapiertonnen oder sonstige Behälter zur Erfassung von PPK-Abfällen (Papier-, Pappe- und Kartonagenabfälle) zur Verfügung zu stellen,

1.2. Leerungen von Altpapiertonnen oder sonstigen Behältern mit PPK-Abfällen aus privaten Haushaltungen durchzuführen,

1.3 Werbung oder Informationen (z.B. Bestellscheine, Handzettel, Zeitungsanzeigen, Internetmitteilungen) zu diesem Zwecke zu verteilen oder zu veröffentlichen.

2. Die sofortige Vollziehung der Anordnungen unter Nr. 1. wird angeordnet.

3. Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Anordnungen unter Nr. 1 werden der Fa. R. GmbH folgende Zwangsgelder angedroht:

3.1 Bei Zuwiderhandlung gegen die Anordnung unter Nummer 1.1 wird pro zur Verfügung gestellter Papiertonne bzw. pro zur Verfügung gestelltem sonstigen Behälter ein Zwangsgeld in Höhe von 500 EUR fällig.

3.2 Bei Zuwiderhandlung gegen die Anordnung unter Nummer 1.2 wird pro Leerung einer Tonne bzw. pro Leerung eines sonstigen Behälters ein Zwangsgeld in Höhe von 50 EUR fällig.

3.3 Bei Zuwiderhandlung gegen die Anordnung unter Nummer 1.3 wird pro Werbe- bzw. Informationsaktion ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500 EUR fällig.

4. Die Fa. R. GmbH trägt die Kosten für diesen Bescheid.

4.1 Als Gebühr für diese Anordnung werden 2.500 EUR festgesetzt.

4.2 Die Auslagen betragen 3,45 EUR.

Rechtsgrundlage für die Anordnungen sei § 21 i.V.m. § 13 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Krw-/AbfG. Es müsse damit gerechnet werden, dass die Antragstellerin alsbald mit dem Austeilen der Tonnen beginne. Nach § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG müssten die Erzeuger oder Besitzer von Abfällen aus privaten Haushaltungen diese den zur Entsorgung verpflichteten öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern überlassen. Die Antragstellerin könne sich nicht darauf berufen, dass sie bereits eine nach § 13 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz KrW-/AbfG bestehende Verwertungspflicht der Besitzer von PPK-Abfällen übernehme. Im Gegensatz zu § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG schließe § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG die Übertragung der Verwertung von PPK-Abfällen aus. Die Überlassungspflicht bestehe nur dann nicht, wenn der Abfallbesitzer die PPK-Abfälle ordnungsgemäß selbst verwerte z.B. durch Kompostierung der Pappe. Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG bestehe zwar die Überlassungspflicht nicht für Abfälle, die durch gewerbliche Sammlung einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt werden, soweit dies den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern nachgewiesen wird und nicht überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Im vorliegenden Fall stünden der gewerblichen Sammlung aber überwiegende öffentliche Interessen entgegen. Hierzu genüge es, wenn die Sammlung verwertbarer Abfälle durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger so sehr beeinträchtigt würde, dass sie abfallwirtschaftlich nicht mehr sinnvoll erscheine. Die gewerbliche Sammlung könne unterbunden werden, wenn die Konkurrenz zur Unwirtschaftlichkeit der öffentlich wahrgenommenen Aufgaben führen würde. Es liege nicht im öffentlichen Interesse, dass kostenträchtige Einrichtungen zur Entsorgung privater Haushalte doppelt, also sowohl in privater als auch in öffentlicher Form, vorgehalten würden. Das flächendeckende Tätigwerden der Antragstellerin würde zu nicht hinnehmbaren Beeinträchtigungen des im Landkreis vorherrschenden Entsorgungssystems führen. Die Besitzer von PPK-Abfällen seien nicht verpflichtet, diese der Antragstellerin zu überlassen. Die Entsorgungspflicht bleibe bei dem Beigeladenen, der zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Abfallwirtschaft das eigene Entsorgungssystem aufrecht erhalten müsse. Die Antragstellerin wäre rechtlich nicht gehindert, ihre Tätigkeit von heute auf morgen ohne Angabe von Gründen einzustellen. Im Schreiben vom 10. September 2007 habe die Antragstellerin nur noch eine dreijährige Tätigkeit angekündigt. Das angekündigte Vorgehen der Antragstellerin führe zu einer existenziellen Gefährdung des funktionierenden öffentlichen PPK-Abfallentsorgungssystems. Bei einem Mengenrückgang sei der Beigeladene der Gefahr von Ersatzforderungen des Gewinners der Ausschreibung ausgesetzt. Es bestehe sogar die Gefahr, dass der Vertrag wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage aufgelöst werden müsste. Es gäbe Auswirkungen auf das Kostengefüge bei der Abfallentsorgung. Es bestehe ein öffentliches Interesse an einem positiven Effekt für die Gebühren infolge einer Verwertung der PPK-Abfälle. Im Ergebnis würde die freie wirtschaftliche Betätigung der Antragstellerin vom Gebührenzahler bezuschusst werden. Der Beigeladene rechne bei den im Ausschreibungsverfahren zugrunde gelegten Mengen mit erheblichen Erlösen. Eine Beendigung des laufenden Ausschreibungsverfahrens sei nach § 26 VOL/A nur unter engen Voraussetzungen, die hier nicht erfüllt seien, möglich. Das Vorhaben der Antragstellerin würde das laufende EU-weite Vergabeverfahren umgehen. Als die Antragstellerin ihr Vorhaben angekündigt habe, sei das Ausschreibungsverfahren schon gelaufen. Die Antragstellerin hätte sich auch am Ausschreibungsverfahren beteiligen können. Das beabsichtigte Vorgehen der Antragstellerin verstoße auch gegen die ausschließliche Zuständigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zur Abstimmung mit den dualen Systemen nach § 6 Abs. 3 der Verpackungsverordnung (VerpackV). Das Vorhaben der Antragstellerin würde gegen die vom Landkreis Bad Kissingen mit dualen Systemen abgeschlossene Abstimmungsvereinbarungen verstoßen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung liege sowohl im öffentlichen Interesse als auch im Interesse des Beigeladenen. Es müsse Planungssicherheit bestehen. Dem Beigeladenen sei nicht zuzumuten, ein langwieriges Rechtsbehelfsverfahren abzuwarten. Bei unklarer Rechtslage bestünde die Gefahr, dass verwertbare PPK-Abfälle in die Restmülltonne gelangen. Es würden nicht dauerhaft vollendete Tatsachen geschaffen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Begründung des Bescheids vom 31. Oktober 2007 Bezug genommen.

II.

Am 27. November 2007 erhob die Antragstellerin Klage (W 4 K 07.1455) mit dem Antrag, den Bescheid des Landratsamts Bad Kissingen vom 31. Oktober 2007 aufzuheben.

Am folgenden Tag stellte sie außerdem den Antrag,

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage wiederherzustellen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen: Die Anordnung der sofortigen Vollziehung verstoße gegen § 80 Abs. 3 VwGO. Es gehe in Wahrheit nicht um die Planungssicherheit, sondern eine missbräuchliche Rechtsanwendung des § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG. Es gebe keine Erfahrungswerte, welche die behauptete Gefahr von Fehlwürfen in die Restmülltonne stützen könnten. Das betreffende Argument des Antragsgegners sei abwegig. Das gleiche gelte für die Behauptung, private Haushalte würden gewissermaßen fluchtartig ihr Altpapier nur noch über die Wertstoffhöfe des Landkreises entsorgen, obwohl ihnen ein kostenloses Holsystem angeboten würde. Der Antragsgegner gehe fälschlich davon aus, dass die Antragstellerin ihr Interesse an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage darlegen müsse. Eine summarische Prüfung ergebe im Übrigen, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig ist. Die Antragstellerin verfüge über die personellen und materiellen Kapazitäten, um sämtlichen Privathaushalten 240 Liter-Behälter und für Großwohnanlagen Behälter mit einem Volumen von 1,1 m³ zur Verfügung zu stellen. Gesetzgeberisches Ziel des § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG sei es gewesen, Privatanbietern gewerbliche Sammlungen zu ermöglichen. Derartige Sammlungen fänden auf zivilrechtlicher Grundlage statt. Überwiegende öffentliche Interessen stünden nicht entgegen. Das Interesse des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, seine eigenen Beseitigungsanlagen auszulasten, genüge nicht. Eine Gefährdung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungssystems im Landkreis Bad Kissingen sei nicht ersichtlich. Eine Beeinträchtigung des Allgemeinwohls sei nicht zu befürchten, denn die umweltgerechte Entsorgung aller im Landkreis anfallenden Abfälle werde nicht in Frage gestellt. Der Antragsgegner habe keine nachvollziehbaren Berechnungen zu Umstrukturierungen infolge einer Reduzierung der PPK-Mengen vorgelegt. Die Antragstellerin habe ein flächendeckendes Holsystem bis zum 31. Dezember 2012 verbindlich zugesichert, weshalb das Argument der fehlenden Planungssicherheit nicht greife. Bisher habe im Landkreis nur ein Bringsystem durch die Unterhaltung von Wertstoffhöfen bestanden. Nur vierteljährlich würden angeblich Bündelsammlungen durchgeführt. Dem Landkreis sei es zumutbar, die Wertstoffhöfe aufrecht zu erhalten. Dann könnte auf das alte System zurückgegriffen werden, wenn die Antragstellerin als gewerbliche PPK-Sammlerin ausfallen sollte. Ob ein öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger seinen vergaberechtlichen und dann später privatrechtlichen Verpflichtungen gegenüber einem Beauftragten nachkommen könne, stelle einen abfallrechtlich nicht beachtlichen Gesichtspunkt dar. Der Landkreis habe auf eigenes Risiko gehandelt, als er in Kenntnis der Öffnungsklausel des § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG bestimmte Papiermengen ausgeschrieben habe. Der Antragsgegner verkenne die gesetzliche Systematik. § 13 KrW-/AbfG diene der Umsetzung der Richtlinie 91/156 EWG. Art. 8 dieser Richtlinie bestimme:

„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Vorkehrungen, damit jeder Besitzer von Abfällen diese einem privaten oder öffentlichen Sammelunternehmen oder einem Unternehmen übergibt, das die in Anhang II A oder II B genannten Maßnahmen durchführt oder selbst die Verwertung oder Beseitigung unter Einhaltung der Bestimmungen dieser Richtlinie sicherstellt.“

Die Richtlinie setze kein Rangverhältnis zwischen öffentlich-rechtlichem oder privatem Entsorger fest. Insofern könne man die deutsche Regelung als missverständlich oder zumindest auslegungsbedürftig bezeichnen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Antrags- und Klagebegründung Bezug genommen.

Das Landratsamt Bad Kissingen stellte für den Antragsgegner den A n t r a g,

den Antrag abzuweisen.

§ 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG sei als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Die Entstehungsgeschichte sei von nachrangiger Bedeutung. Der Beigeladene habe gemäß dem gesetzlichen Auftrag (§ 15 Abs. 1 KrW-/AbfG) ein Gesamtkonzept für die kommunale Wertstofferfassung erstellt. Er habe dazu ein Netz von Wertstoffhöfen aufgebaut, beschäftige Wertstoffhofbetreuer und habe vor allem an 146 Standorten 218 Straßencontainer aufstellen lassen. Der Landkreis Bad Kissingen verfüge somit gegenwärtig und in Zukunft über ein funktionsfähiges und wirtschaftliches Entsorgungssystem. Schon aus diesem Grunde überwiege das öffentliche Interesse. Die Antragstellerin rechne mit einer Anschlussquote von 80 % der Haushalte. Folglich sei der öffentliche Entsorgungsträger weiterhin parallel verpflichtet, die restlichen 20 % der im gesamten Landkreis verstreuten Haushalte zu bedienen. Der Beigeladene wäre verpflichtet, für eine komplette Entsorgung die nötigen Anlagen und das Personal vorzuhalten, um auf einen eventuellen Ausstieg der Antragstellerin jederzeit schnell und effektiv reagieren zu können. Die erforderliche „Bevorratung“ sei mit dem Grundsatz der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung nicht vereinbar. Die von dem Beigeladenen durchgeführte EU-weite Ausschreibung würde unterlaufen. Die Antragstellerin habe die Möglichkeit gehabt, sich an dem Vergabeverfahren zu beteiligen. Die Antragstellerin gehe selbst davon aus, dass die im Vergabeverfahren verbindlich angegebenen Mindestmengen künftig unterschritten würden. Das Vorhaben der Antragstellerin sei schon aus Gründen des Verpackungsrechts zu untersagen, weil auch Verkaufsverpackungen erfasst werden sollen. Der Untersagungsverfügung stünden keine europarechtlichen Vorschriften entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere der Hinweise auf Rechtsprechung und Literatur, wird auf die Antrags- und Klageerwiderung Bezug genommen.

Der Beigeladene äußerte sich wie folgt: Die Vorinformation im Sinne des § 17 a Nr. 3 VOL/A sei nach § 18 a Nr. 1 Abs. 2 VOL/A zwingende Voraussetzung der am 24. August 2007 erfolgten Bekanntmachung und der dort erfolgten Verkürzung der Angebotsfrist gewesen. Auch eine Aufhebung der Ausschreibung nach § 26 VOL/A könne Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens sein. Aufgrund der Ausschreibung sei eine Verpflichtung zur Vergabe der Aufträge erwachsen. Die Bieter hätten bei der Beauftragung mehrerer Lose Rabatte auch für die Lose Hausmüllabfuhr, Biomüllabfuhr, Mülltonnenbeschaffung und Sperrmüllabfuhr eingeräumt. Ohne das Los Papiertonnenkauf, Papiertonnenleerung oder Papiervermarktung würde die Dienstleistung Hausmüllabfuhr um ca. 200.000,00 EUR teurer. Auch die hervorragenden Angebotspreise für die ausgeschriebenen 5.400 Jahrestonnen Altpapier müssten bei deutlichen Mindermengen (Abweichung größer als 10 %) vom Auftragnehmer nicht mehr gehalten werden. Die Marktpreise für PPK seien in den letzten vier Jahren von ca. 45,00 EUR/to auf derzeit 90,00 EUR/to gestiegen. Die aktuellen Ausschreibungsergebnisse lägen bei ca. 110,00 EUR/to. Durch die Einführung einer Papiertonne würden die verwertbaren Papiermengen voraussichtlich um 15 % steigen. Die Entgelte des Dualen Systems in Höhe von ca. 1,10 EUR pro Einwohner und Jahr (ca. 95.000,00 EUR) flössen dem Beigeladenen als operativ tätigem Entsorger zu, der diese in einen günstigeren Abfuhrpreis im Rahmen der Ausschreibung eingebracht habe. Nach dem Ergebnis der Ausschreibung betrage der Reinerlös pro Jahr ca. 290.000,00 EUR. Die Gewinnsituation verbessere sich gegenüber dem durchschnittlichen Reinerlös der Jahre 2004 bis 2006 um das 26-fache. Der Reinerlös fließe in die Gebührenkalkulation ein und komme voll umfänglich den Gebührenzahlern zugute. Es gebe Berichte von verschiedenen entsorgungspflichtigen Körperschaften, wo im Einzelfall bis zu 7 gewerbliche Entsorger gleichzeitig und zum Teil ohne Vorankündigung Papiersammelsysteme eingeführt hätten, was zu chaotischen Zuständen geführt habe.

Die Antragstellerin entgegnete Folgendes: Bei den Wertstoffen habe die Sammlung von Altpapier im Landkreis Bad Kissingen lediglich eine untergeordnete Rolle gespielt. Die Preise für Altpapier seien in den letzten Jahren konstant gewesen und im Jahre 2007 aufgrund der allgemeinen Rohstoffknappheit sogar noch erheblich gestiegen. Die Richtlinie 91/156/EWG ziele auf ein Wahlrecht des Abfallerzeugers– bzw. –besitzers, ob er die Abfälle einem öffentlichen Entsorgungsträger oder einem gewerblichen Unternehmen überlässt. Die langfristige Entsorgung der PPK-Mengen sei gesichert, da die Papierpreise konstant stiegen und bei einem Ausfall der Antragstellerin weiterhin ein Interesse an einer gewerblichen Sammlung bestünde. An die Annahme überwiegender öffentlicher Interessen seien sehr hohe Anforderungen zu stellen. Eine bloße Verteuerung der öffentlich-rechtlichen Entsorgung reiche nicht aus. Es müsste dargelegt werden, dass die Entsorgungsinfrastruktur im Landkreis zusammenzubrechen drohe. Der Beigeladene müsse die Wertstoffhöfe wegen der anderen Wertstoffe weiter betreiben. Die öffentlichen Entsorgungsträger hätten eine Auffangfunktion, die jederzeit sichergestellt sein müsste. Der Beigeladene hätte nach dem Ankündigungsschreiben der Antragstellerin vom 2. August 2007 die Vorinformation zurücknehmen können. Ob es zu einer Gebührenerhöhung käme, sei bisher nicht dargelegt. Abgesehen davon kämen auf den einzelnen Haushalt nur Mehrkosten von 1,00 bis 2,00 EUR zu. Beim bisherigen Bringsystem müssten die Bürger die Transportkosten für die Fahrt zu den Wertstoffhöfen und Wertstoffinseln selbst tragen. Die Antragstellerin strebe nach einer Anschlussquote von 100 %. Nur im Hinblick auf gewisse Fehlwurfquoten seien zunächst 80 % angesetzt worden. Bei dem neuen System würde sich die Fehlwurfquote erheblich verringern. Der Antragsgegner ordne die Verpackungsverordnung falsch ein. Es sei nicht vorgeschrieben, Verkaufsverpackungen aus privaten Haushalten durch öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger zurückzuführen. Es stehe gewerblichen Sammlern frei, mit den Systembetreibern im Sinne der Verpackungsverordnung Verträge zu schließen. Dann könnten die privaten Haushalte ihre Verkaufsverpackungen dem gewerblichen Sammler überlassen. Der Beigeladene habe in Ziffer 20 der Ausschreibungsbestimmungen Entschädigungsleistungen bei einer Aufhebung der Ausschreibung ausgeschlossen. Die Behauptung des Beigeladenen, in anderen Landkreisen sei es zu chaotischen Zuständen gekommen, sei falsch. So sei beispielsweise im Landkreis D. das PPK-Aufkommen bei den Wertstoffinseln durch die Einführung des Holsystems nur geringfügig zurückgegangen. Bei einem Wertstoffhof habe in diesem Landkreis die PPK-Menge sogar zugenommen.

Auf die mit der weiteren Antrags- und Klagebegründung vorgelegten Unterlagen wird verwiesen.

Der Antragsgegner nahm zu dem weiteren Vorbringen wie folgt Stellung:

Der Landkreis Bad Kissingen habe mit der Duales System Deutschland GmbH (DSD GmbH) einen Abstimmungsvertrag mit einer Laufzeit bis zum 1. Oktober 2012 geschlossen. Nach § 6 Abs. 3 VerpackV sei allein der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger Abstimmungsvertragspartner der DSD GmbH und gebe das Sammelsystem vor. Der Landkreis Bad Kissingen habe das nach § 16 KrW-/AbfG mit der PPK-Entsorgung beauftragte Unternehmen ermächtigt, über die Höhe des Entgelts für die Einsammlung der „DSD-Verkaufsverpackungen“ Vereinbarungen zu treffen. Die DSD GmbH und die anderen zugelassenen Systembetreiber würden nur an die vom Landkreis beauftragte Firma die Sammelentgelte für den Verkaufsverpackungspapieranteil in Höhe von ca. 25 % bezahlen. Ab dem 1. Januar 2009 sei der Zahlungsempfänger der Gewinner der Ausschreibung, welcher die zu erwartenden Vergütungssätze bereits einkalkuliert habe. Die DSD GmbH habe im Abstimmungsvertrag auf ein eigenes Papiererfassungssystem verzichtet. Die anderen behördlich zugelassenen Systembetreiber hätten ebenfalls verzichtet.

Auf die Entgegnung des Antragstellerbevollmächtigten vom 20. Februar 2008 und den dort u.a. zitierten Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 24. Januar 2008 (7 M E 142/07) wird Bezug genommen.

In der mündlichen Verhandlung am 26. Februar 2008, die zugleich im Hauptsacheverfahren (W 4 K 07.1455) stattfand, wiederholten die Parteien die bereits gestellten Anträge. Der Vertreter des Beigeladenen stellte keinen Antrag. Die Antragstellerseite schätzte den Erfassungsgrad durch ihre Tonnen auf 30 % des Gesamtpapieraufkommens, wobei freilich eine Erhöhung des Anteils angestrebt werde. Der Vertreter des Beigeladenen teilte mit, dass mittlerweile 90 % der Haushalte die Tonnen des vom Kommunalunternehmen Beauftragten angenommen hätten. Die Antragstellerseite stellte klar, dass sie nicht beabsichtige, Ansprüche an das Duale System (wegen der Mitentsorgung von Verkaufsverpackungen) zu stellen. Wegen des Ablaufs der mündlichen Verhandlung wird im Übrigen auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Mit Urteil vom gleichen Tage wurde die Klage abgewiesen.

Die Akten des Landratsamts Bad Kissingen und die Gerichtsakten W 4 K 07.1455 wurden beigezogen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

III.

Der Antrag ist zulässig.

Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid des Landratsamts Bad Kissingen vom 31. Oktober 2007 entfällt, weil die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat. In diesem Fall kann das Gericht nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung wiederherstellen.

Der Antrag ist begründet.

Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO prüft das Gericht, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Im Übrigen trifft es eine eigene Ermessensentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache von maßgeblicher Bedeutung.

Das Landratsamt Bad Kissingen hat für die Anordnung der sofortigen Vollziehung eine Begründung gegeben, welche den sich aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ergebenden Anforderungen genügt.

Die Klage ist begründet. Hierzu wird auf das Urteil vom gleichen Tag (W 4 K 07.1455) verwiesen. In diesem Urteil wird ausgeführt:

„Nach § 21 KrW-/AbfG kann die zuständige Behörde im Einzelfall die erforderlichen Anordnungen zur Durchführung dieses Gesetzes treffen. Nach Art. 29 Abs. 2 des Bayerischen Abfallwirtschaftsgesetzes i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 4 der Abfallzuständigkeitsverordnung sind die Kreisverwaltungsbehörden für die erforderlichen Anordnungen zuständig.

Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 KrW-/AbfG sind die Erzeuger oder Besitzer von Abfällen verpflichtet, diese nach § 6 zu verwerten. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG können die zur Verwertung Verpflichteten Dritte mit der Erfüllung ihrer Pflichten beauftragen. Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG sind abweichend von § 5 Abs. 2 Erzeuger oder Besitzer von Abfällen aus privaten Haushaltungen verpflichtet, diese den nach Landesrecht zur Entsorgung verpflichteten juristischen Personen (öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger) zu überlassen, soweit sie zu einer Verwertung nicht in der Lage sind oder diese nicht beabsichtigen. Im vorliegenden Fall will das Landratsamt als untere staatliche Verwaltungsbehörde die Pflicht zur Überlassung von PPK-Abfällen an den Beigeladenen als öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger durchsetzen.

Die Klägerin beruft sich demgegenüber auf § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG. Hiernach besteht die Überlassungspflicht nicht für Abfälle, die durch gewerbliche Sammlung einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt werden, soweit dies den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern nachgewiesen wird und nicht überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Jedenfalls im Anwendungsbereich dieser Norm, also bei einer gewerblichen Sammlung, kann die Überlassungspflicht nicht bereits wegen Eigenverwertung (durch Beauftragung Dritter) i.S. des § 13 Abs. 1 Satz 1 am Ende (soweit …) entfallen, denn sonst liefe § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 weitgehend leer (s. z.B. VG Schleswig, U.v. 23.02.2006, 12 A 147/04 <juris> Rdnr. 63; VG Bayreuth U.v. 09.11.2006, B2 K 05.661 <juris>, Rdnr. 63; StMUGV, S. 28.09.2007, Bl. 45 der Behördenakte). Das Vorhaben der Klägerin ist unstreitig eine „gewerbliche Sammlung“ und der Beklagte bestreitet nicht, dass die PPK-Abfälle von der Klägerin einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt werden. Es geht also nur darum, ob dem Vorhaben der Klägerin überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Die Kammer verneint diese Frage.

a) Die Klägerin hat sich auf Art. 8 der Richtlinie 91/156 EWG (Abfallrahmenrichtlinie) berufen. Die Richtlinie 75/442 EWG wurde mit der Richtlinie 91/156 EWG geändert und mit der Richtlinie 2006/12/EG neu gefasst, wobei Art. 8 aber unverändert geblieben ist. Diese Richtlinie und die Verordnung (EWG) Nr. 259/93, neu gefasst mit Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 (Abfallverbringungsverordnung), haben aber als Hauptzweck, im Interesse des Umweltschutzes die Effizienz der Bewirtschaftung von Abfällen gleich welchen Ursprungs in der Gemeinschaft sicherzustellen. Sie dienen dagegen nicht einer Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen (siehe EuGH, U.v.23.05.2000, C-209/98, Slg. 2000, I-03743 = NVwZ 2000, 1151, - Stadt Kopenhagen -, Rdnrn. 85 u. 87).

b) Die Argumente des Beklagten haben durchaus etwas für sich, vermögen die Kammer aber letztlich nicht zu überzeugen.

Die Beeinträchtigung öffentlicher Interessen ist den von § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-AbfG erfassten Fällen immanent. Es wird in Kauf genommen, dass der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger Vorkehrungen für ein Wiedereintreten in die Entsorgungspflicht treffen muss und auf die nicht lukrativen Sparten zurückgedrängt wird, während andere sozusagen „sich die Rosinen herauspicken“ können. Eine Beeinträchtigung öffentlicher Interessen genügt auch nicht, vielmehr müssen überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen .

aa) Eine Gefährdung der öffentlich - rechtlichen Entsorgung würde sicherlich ausreichen (siehe BayVGH, B.v.12.01.2005, 20 CS 04.2947 <juris> Rdnr. 14; BVerwG, U.v. 16.03.2006, BVerwGE 125, 337 Rdnr. 6; NdsOVG, B.v.24.01.2008, AbfallR 2008, 35 mit weiteren Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur). Sie besteht hier aber noch nicht.

Der Beklagte reklamiert die notwendige Planungssicherheit für den Beigeladenen. Es ist zumindest fraglich, ob die Erklärung der Klägerin vom 2. August 2007 eine Rechtspflicht auslöst, das angekündigte Vorhaben im genannten Zeitraum auch durchzuführen. In der mündlichen Verhandlung hat sich die Klägerseite auf eine Rechtspflicht nicht festgelegt. Die Klägerin könnte also theoretisch jederzeit abspringen. Realistisch ist ein solches Szenario aber nicht. Die grundsätzliche Rentabilität der Altpapierverwertung dürfte in den nächsten Jahren bei Preisen bis zu 115 EUR/to nicht in Frage stehen. Der Beigeladene ist rechtlich nicht gehindert, die Altpapierentsorgung vom Bringsystem auf ein eigenes Holsystem umzustellen und somit neben der Klägerin auf diesem Sektor tätig zu werden. Der Beigeladene hat von dem beauftragten Unternehmen mittlerweile „seine“ Altpapiertonnen schon austeilen lassen. In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter des Beigeladenen mitgeteilt, dass 90% der Haushalte die Tonnen angenommen hätten. Damit entfällt das Argument, dass eine Überlassungspflicht gegenüber der Klägerin nicht bestehe und der Beigeladene sich weiter um die Altpapierentsorgung kümmern müsse. Der Beigeladene hat für ein eigenes System schon die Weichen gestellt. Es ist wenig wahrscheinlich, dass die Klägerin den vom Beigeladenen Beauftragten wieder so weit verdrängt, dass die vom öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger organisierte Altpapierabfuhr mangels genügender Auslastung eingestellt werden muss (zum Gewinnausfall, siehe unten). Wenn die Klägerin ihr Vorhaben in nächster Zeit aufgeben sollte, dann wohl eher deshalb, weil sie gegen die „kommunale Konkurrenz“ nicht ankommt. In diesem Fall wäre natürlich die öffentlich-rechtliche Entsorgung nicht gefährdet. Abgesehen davon würde eine Wiederaufnahme des bisherigen Bringsystems keine nennenswerten organisatorischen Schwierigkeiten aufwerfen. Die Wertstoffhöfe, zu denen bislang teilweise das Altpapier gebracht wurde, werden beibehalten. Die erneute Aufstellung von Altpapiercontainern dürfte keine nennenswerten Schwierigkeiten bereiten, weil man auf ein erprobtes System zurückgreifen kann.

Das Vorhaben der Klägerin kommt auch nicht mit dem System der Verwertung von Verkaufsverpackungen in Konflikt. Nach § 6 Abs. 1 u. 2 VerpackV müssen Verkaufsverpackungen i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 grundsätzlich unentgeltlich zurückgenommen und verwertet werden. Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 VerpackV entfallen diese Verpflichtungen, wenn sich die Hersteller oder Vertreiber an einem System beteiligen, das flächendeckend im Einzugsgebiet des nach Absatz 1 verpflichteten Betreibers eine regelmäßige Abholung gebrauchter Verkaufsverpackungen beim Endverbraucher oder in dessen Nähe in ausreichender Weise gewährleistet und die im Anhang I genannten Anforderungen erfüllt. Nach § 6 Abs. 3 Satz 4 VerpackV ist das System nach Satz 1 auf die vorhandenen Sammel- und Verwertungssysteme der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, in deren Bereich es eingerichtet wird, abzustimmen. Nach § 6 Abs. 3 Satz 8 VerpackV können die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger die Übernahme oder Mitbenutzung der Einrichtungen, die für die Sammlung und Sortierung von Materialien der im Anhang zu dieser Verordnung genannten Art erforderlich sind, gegen ein angemessenes Entgelt verlangen. Der Landkreis Bad Kissingen hat sich mit dem „Dualen System“ (DSD) in der Vereinbarung vom 10. November 1992/14. Januar 1993 abgestimmt. Hierbei wurde für die Entsorgung von Verkaufsverpackungen in Papierform die Mitbenutzung der Einrichtungen (Container) des Landkreises vorgesehen. Gegenwärtig zahlt DSD an das derzeit noch mit der Entsorgung (über Container) beauftragte Unternehmen ein angemessenes Entgelt für die Mitentsorgung von Verkaufsverpackungen. Künftig soll die Zahlung an das vom Beigeladenen ab 1. Januar 2008 beauftragte Unternehmen, den Gewinner der Ausschreibung, gehen. In der Abstimmungsvereinbarung wurde der Anteil an Druckerzeugnissen im Altpapier auf 75 % veranschlagt. Auf Verpackungen entfielen danach 25 %. Die Klägerseite hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass sie an DSD keine Ansprüche stellen wolle. Es kann also nur darum gehen, ob DSD möglicherweise das Entgelt herabsetzt, weil der Empfänger nicht mehr allein Verkaufsverpackungen im Landkreis entsorge.

bb) Der Beklagte verweist auf Einnahmeausfälle, die letztlich zu Lasten der Bürger gingen. Eine gebührenrechtliche Überforderung der privaten Haushalte ist wohl geeignet, ein Überwiegen öffentlicher Interessen zu begründen (NdsOVG, B.v.24.01.2008; zweifelnd: VGH BW, B.v.11.02.2008, 10 S 2422/07). Das Vorhaben der Klägerin führt aber nicht zu einer unzumutbaren Erhöhung der Abfallgebühren im Landkreis Bad Kissingen. Eine gewerbliche Betätigung ist naturgemäß auf Gewinn gerichtet. Folglich reichen Einnahmeverluste des öffentlich–rechtlichen Entsorgungsträgers allein nicht aus. Sie treten im Anwendungsbereich des §13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG systembedingt auf. Der Beigeladene hat in seiner Klageerwiderung den Reinerlös aus der Altpapierverwertung auf 290.000 EUR im Jahr beziffert; hiervon entfielen auf jeden Einwohner 3,36 EUR, die bei der Gebührenkalkulation verloren gingen. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (B.v.11.02.2008) hat sogar bezweifelt, ob eine Gebührenerhöhung von 9,68 EUR pro Einwohner und Jahr die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungssystems ernsthaft gefährden würde (im betreffenden Fall war die Berechnung dieser Summe aber umstritten). Überdies wird im vorliegenden Fall die Mehrbelastung der Gebührenzahler aller Voraussicht nach geringer ausfallen, weil kaum zu erwarten ist, dass der Beigeladene bzw. dessen Beauftragter aus der Altpapierentsorgung ganz verdrängt wird.

cc) Mit einer Verpflichtung aus der Ausschreibung kann nicht argumentiert werden. Zum Zeitpunkt der Ankündigung des Vorhabens der Klägerin (mit Schreiben vom 02.08.2007) war vom Beigeladenen erst eine nicht verbindliche Bekanntmachung nach § 17 Nr. 3 Abs. 1 Satz 1 VOL-A (über alle in den nächsten zwölf Monate beabsichtigten Aufträge) veröffentlicht worden. Die Klägerin war also zu diesem Zeitpunkt nicht verpflichtet, die Ausschreibung überhaupt durchzuführen und sie hätte die Auftragsbedingungen an die neue Sachlage (Konkurrenz mit einem gewerblichen Sammler, der sich auf § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG beruft) anpassen können. Es mag sein, dass wegen geringerer Altpapiermengen als vorgegeben mit dem Gewinner der Ausschreibung nachverhandelt werden muss. Eine hieraus folgende Mehrbelastung der Gebührenzahler ist aber – wie bereits ausgeführt wurde – zumutbar.

dd) Die Kammer hat erwogen, ob Gründe des Wettbewerbs herangezogen werden können. Der Beklagte verweist auf eine Umgehung der Ausschreibungspflicht und meint, die Klägerin hätte sich an der vom Beigeladenen durchgeführten Ausschreibung beteiligen müssen. Diese Argumente erscheinen durchaus erwägenswert (siehe BayVGH, B.v.12.01.2005, Rdnr. 17) und zwar auch wegen der Regelung für Verkaufspackungen. Nach der Verpackungsverordnung hat der Antragsteller (Systembetreiber) sicherzustellen, dass Entsorgungsdienstleistungen (Erfassung, Sortierung, Verwertung) in einem Verfahren, das eine Vergabe im Wettbewerb sichert, ausgeschrieben werden (Anhang I Ziffern 3 Abs. 3 Nr. 2). Nach § 6 Abs. 3 Satz 9 VerpackV darf die Abstimmung mit dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger der Vergabe von Entsorgungsdienstleistungen im Wettbewerb nicht entgegenstehen. Diese Regelungen verfolgen sicherlich den Zweck, die Kosten für die Verwertung niedrig zu halten. Diese – auf Verkaufsverpackungen beschränkte – Regelungen können aber nicht verallgemeinert und auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Im Anwendungsbereich des § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG unterliegt die Sammlung nicht mehr dem Verantwortungsbereich des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers - mit allen Konsequenzen. Man mag diese Regelung rechtspolitisch in Frage stellen. Dem Gericht sind aber derartige rechtspolitische Erwägungen verwehrt. Das Gericht hat nur zu prüfen, ob eine gesetzliche Norm mit höherrangigem Recht in Einklang steht.

c) Höherrangiges Recht könnte allenfalls zugunsten der Klägerin herangezogen werden. In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Klägerin mitgeteilt, dass man das gesammelte Altpapier zu drei firmeneigenen Sortieranlagen im Raum N. bringe, von wo das sortenreine Altpapier weltweit verkauft werde. Bei einem Sachverhalt, welcher die Überschreitung der Grenzen zu einem anderen EU-Land betrifft, muss geprüft werden, ob die Bestimmungen des EG Vertrags über die Grundfreiheiten des gemeinsamen Marktes das nationale Recht mit der Folge eines Anwendungsvorrangs überlagern. In Betracht kommen hier die Vorschriften über den Freien Warenverkehr (Art. 23 ff. EG). „Waren“ im Sinne des Gemeinschaftsrechts sind auch Abfälle (siehe EuGH, U.v.09.07.1992, C – 2/90, Slg. 1992, I - 04431, Kommission/Belgien, Rdnr. 23). Nach Art. 29 EG sind mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung verboten. Der Ausschluss privater Entsorgungsunternehmen infolge der in § 13 Abs. Satz 1 KrW-/AbfG (grundsätzlichen) Pflicht zur Überlassung an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger könnte, soweit Absatz 3 Satz 1 Nr. 3 nicht greift, als Ausfuhrverbot oder „Maßnahme gleicher Wirkung“ angesehen werden, weil der Verkauf von gesammeltem Altpapier in andere EU-Länder behindert werde (so Dörr, DÖV 2003, 838/842 unter Hinweis auf EuGH, U.v.23.05.2000, Rdnrn. 39 – 42). Dann wäre zu prüfen, ob die Beschränkung nach Art. 30 EG bzw. ungeschriebenen Rechtsgrundsätzen des Gemeinschaftsrechts („Cassis-Formel“) gerechtfertigt ist. Diese Frage wurde in der obergerichtliche Rechtsprechung bisher – soweit ersichtlich – offen gelassen (siehe BayVGH, B. v.12.01.2005, Rdnr 14; SächsOVG, B.v.06.01.2005, 4 BS 116/04, <juris> Rdnrn. 26 f.). Das Schleswig – Holsteinische Verwaltungsgericht (U. v.23.02.2006, 12 A 147/04,<juris> Rdnrn. 71 ff.) hat sich mit dem Problem ausführlich auseinandergesetzt und eine Kollision mit dem Gemeinschaftsrecht (u.a. mit dem Hinweis auf Art. 16 EG) verneint. Die Kammer sieht sich nicht zu einer Entscheidung der Frage veranlasst, weil sich eine „gewerbefreundliche“ Auslegung bereits aus dem nationalen Recht ergibt.

d) In der Rechtsprechung wurde mitunter der Einstieg in eine flächendeckende Altpapiererfassung als mit § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG unvereinbar angesehen (VG Schleswig, U.v. 23.02.2006; wohl auch: BayVGH, B.v. 12.01.2005; VG Bayreuth, U.v. 09.11.2006, Rdnr.82). Eine Hauptsacheentscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu diesem Thema liegt noch nicht vor (in dem zur Eilsache 20 CS 04.2947 gehörenden Verfahren 23 B 07.240 wurde der Klage aus formalen Gründen stattgegeben und das Urteil des VG Bayreuth vom 09.11.2006 aufgehoben). Die Kammer sieht aus den oben dargelegten Gründen auch bei einem flächendeckenden Einstieg in die Altpapierentsorgung noch keinen Regelfall des Entgegenstehens überwiegender Interessen. Im Übrigen ist im vorliegenden Fall eine flächendeckende Übernahme der Altpapierverwertung in Hinblick auf eigene Aktivitäten des Beigeladenen wenig wahrscheinlich.“

Infolge der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Grundverfügung werden die Zwangsgeldandrohungen in Ziffer 3 des angefochtenen Bescheids gegenstandslos. Abgesehen davon enthalten diese Zwangsgeldandrohungen eine selbständige Rechtsverletzung, weil Zwangsgelder „für jeden Verstoß“ unzulässig sind (siehe BayVGH, B.v.13.10.1986, NVwZ 1987, 512= BayVBl 1987, 563; BVerwG, GB v. 26.06.1997, NVwZ 1998, 393 zu §§ 11, 13 VwVG; U. der Kammer v. 09.12.2003, W 4 K 03.289). Nach Art. 36 Abs. 3 Satz 2 VwZVG darf nicht angedroht werden, dass mehrere Zwangsmittel gleichzeitig angewandt werden. Nach Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG ist eine erneute Androhung erst dann zulässig, wenn die vorausgegangene Androhung des Zwangsmittels erfolglos geblieben ist.

Als Unterlegener hat der Antragsgegner die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Es entsprach der Billigkeit, dass der Beigeladene seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat, weil er sich nicht durch Antragstellung am Kostenrisiko beteiligt hat (§ 162 Abs. 3 i.V.m § 154 Abs. 3 VwGO).

Streitwert: § 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG.