Unter Aufhebung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 12. September 2007 wird dem Kläger für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht (Au 1 K 07.722) Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt ..., ..., beigeordnet.
Die Beschwerde des Klägers gegen den ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss des Verwaltungsgerichts ist zulässig und begründet.
Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinsichtlich der Erfolgsaussichten dürfen allerdings die Anforderungen nicht überspannt werden (BVerfG vom 13.3.1990 BVerfGE 81, 347/356 m.w.N.). Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit in dem Sinne, dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss, ist nicht erforderlich, sondern es genügt bereits eine sich bei summarischer Überprüfung ergebende Offenheit des Erfolgs (BVerwG vom 8.3.1999 NVwZ-RR 1999, 587). Solche offenen Erfolgsaussichten sind im vorliegenden Fall gegeben.
Für die Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage abzustellen, wie sie sich zum Zeitpunkt einer ordnungsgemäßen Entscheidung durch das zuständige, Gericht darstellt (sog. Bewilligungsreife; vgl. BayVGH vom 7.2.2005 BayVBl 2006, 310). Dieser Zeitpunkt liegt dann vor, wenn die Prozesskostenhilfeunterlagen vollständig bei dem zur Entscheidung aufgerufenen Gericht vorliegen und der Gegenseite eine angemessene Frist zur Stellungnahme hierzu eingeräumt worden ist (BVerwG vom 12.9.2007 AuAS 2008, 11). Nachdem diese Voraussetzungen erfüllt waren, hatte das Verwaltungsgericht im Zeitpunkt seiner Entscheidung eine Prognose zu treffen, ob die Erfolgsaussichten zumindest als offen zu beurteilen sind. Nicht gefolgt werden kann dem Vortrag des Klägerbevollmächtigten in der Beschwerde, dass der Ausgang des Hauptsacheverfahrens bereits deshalb völlig offen sei, da die Entwicklung der Verhältnisse bis zur letzten mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen seien. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei bei jeder Ausweisungsentscheidung auf diesen Zeitpunkt maßgeblich abzustellen. Ginge man hiervon aus, müsste im Prinzip jeder Ausländer, der sich gegen seine Ausweisung wendet, Prozesskostenhilfe erhalten, weil bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, womöglich durch das Berufungsgericht, eine Änderung der Sach- und Rechtslage nicht ausgeschlossen werden kann. Dieser Rechtsauffassung kann nicht gefolgt werden. Vielmehr ist bei der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe maßgeblich darauf abzustellen, ob im Zeitpunkt der Bewilligungsreife zumindest Ansätze erkennbar sind, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts anders ausfallen könnte als die Entscheidung der Ausländerbehörde. Liegen keine derartigen Tatsachen vor, ist der Antrag auf Prozesskostenhilfe abzulehnen. Treten später Änderungen der Sach- und Rechtslage auf, steht es dem Betroffenen frei, erneut Prozesskostenhilfe unter Hinweis auf die geänderten Umstände zu beantragen. Er ist also nicht rechtlos gestellt.
Geht man von diesen Voraussetzungen aus, sind die Erfolgaussichten des Klägers für sein Klageverfahren entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zumindest als offen anzusehen. Das Verwaltungsgericht geht zwar zu Recht davon aus, dass der Kläger erhebliche Straftaten begangen hat, insbesondere Körperverletzungsdelikte, und dass diese ein erhebliches Aggressions- und Gewaltpotential gelegt haben. Es trifft auch zu, dass in den Strafurteilen eine günstige Sozialprognose nicht gestellt, vielmehr dem Kläger schädliche Neigungen attestiert wurden. Es trifft auch zu, dass der Kläger die ihm eingeräumte Bewährungschance nicht genutzt hat und ein von ihm absolviertes Anti-Aggressions-Training keinen positiven Erfolg hatte. Andererseits kann nicht davon ausgegangen werden, dass die erstmalige Inhaftierung des erst 22 Jahre alten Klägers ohne nachhaltigen Eindruck auf ihn bleiben wird, zumal er dort auch eine Ausbildung durchlaufen und seine Aggressionen mit Hilfe seiner Betreuer bekämpfen kann. Letztendlich führte nämlich offensichtlich der ohne Verschulden des Klägers erfolgte Verlust seiner Lehrstelle nach einem bis zum Jahr 2003 ohne strafrechtliche Beanstandungen geführten Leben zu seiner sich immer mehr steigernden Aggressivität. Falls er in der Haft erfolgreich die Berufsausbildung absolvieren kann, mit der er bereits begonnen hat, bestehen durchaus Hoffnungen, dass der Kläger wieder ein straffreies Leben führen wird. Zwar scheiterte das bereits einmal absolvierte Anti-Aggressions-Training, jedoch hat der Kläger in der Haft ab April 2007 freiwillig erneut an einem derartigen Kurs teilgenommen. Dies deutet darauf hin, dass er ernsthaft gewillt ist, sein bisheriges Verhalten zu ändern. Die Justizvollzugsanstalt Niederschönenfeld bestätigte in ihrem Schreiben vom 23. Mai 2007, dass der Kläger im Rahmen der von ihm derzeit absolvierten Ausbildungsmaßnahme zum Gebäudereiniger gute Arbeitsleistungen erbringe und sich vorbildlich verhalte. Auch in der Wohngruppe sei ein positives Bild zu verzeichnen. Der Kläger habe sich sozialverträglich in den alltäglichen Ablauf integriert. Dieser Führungsbericht war bei der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe zu berücksichtigen. Zwar sind derartige Berichte über einen Inhaftierten generell mit gebotener Vorsicht zu bewerten, denn unter dem Druck der Haft und der drohenden Ausweisung wird das Verhalten oftmals entsprechend angepasst. Im Fall des Klägers kommt jedoch trotz gewisser Vorbehalte, ob eine Resozialisierung tatsächlich in vollem Umfang gelingen wird, entscheidend hinzu, dass der Kläger im Prinzip als faktischer Inländer anzusehen ist. Er ist im Bundesgebiet geboren und hier aufgewachsen. Zu seinem Heimatland Türkei hat er nur geringe Beziehungen. Dass er die türkische Sprache nur gebrochen beherrscht, wird ebenfalls nicht bestritten. Die Eltern des Klägers leben seit 30 Jahren im Bundesgebiet, die Schwester hat inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen. Ist ein Ausländer aber derart im Bundesgebiet verwurzelt, wie der Kläger, so kann wohl eine Ausweisung erst dann erfolgen, wenn tatsächlich keine Aussichten auf eine grundlegende Resozialisierung des Klägers mehr bestehen und er voraussichtlich auch in Zukunft eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt. Unter Berücksichtigung der vom Kläger begangenen Straftaten, der Integration in die Verhältnisse im Bundesgebiet und der erstmaligen Inhaftierung des Klägers kann eine gewisse Erfolgsaussicht im Klageverfahren nicht verneint werden. Zumindest sind die Aussichten der Klage als offen zu bezeichnen, denn das Verwaltungsgericht wird sich noch eingehend mit den familiären Verhältnissen des Klägers, seinen Beziehungen zum Heimatland und zum Verlauf des Strafvollzugs befassen müssen.
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 124 Abs. 4 ZPO).