VG Würzburg, Urteil vom 12.02.2008 - W 4 K 07.771
Fundstelle
openJur 2012, 89893
  • Rkr:
Tenor

I. Der Bescheid der Verwaltungsgemeinschaft Schwanfeld vom 24. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes Schweinfurt vom 11. Mai 2007 wird aufgehoben.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leisten.

Tatbestand

I.

Streitgegenstand ist die Ausübung eines Vorkaufsrechtes durch die beklagte Gemeinde Wipfeld.

Mit notarieller Urkunde vom 19. Juli 2006 erhielten die Kläger ein Verkaufsangebot auf Abschluss eines Kaufvertrages über die Grundstücke Fl.Nrn. ...4 und ...8 der Gemarkung Wipfeld. Die Grundstücke sind im Grundbuch des Amtsgerichtes Schweinfurt für Wipfeld, Blatt ... wie folgt beschrieben:

Grundstück Fl.Nr. ...4: C.-Straße ..., Wohnhaus, Nebengebäude, Hofraum 209 m²Grundstück Fl.Nr. ...8: An der C.-Straße, Gartenland 194 m².

Das Notariat übersandte eine beglaubigte Abschrift der Urkunde vom 19. Juli 2006 an die Gemeinde Wipfeld mit der Bitte, sich über das Bestehen eines Vorkaufsrechts nach dem Baugesetzbuch und ggf. dessen Ausübung zu äußern. Der Gemeinderat beschäftigte sich ausweislich des Beschlussbuchauszuges in der nichtöffentlichen Sitzung vom 7. September 2006 mit dem Vorkaufsrecht und fasste den Beschluss: „Ein Vorkaufsrecht der Gemeinde besteht nicht.“ Diesen Beschluss übersandte die Verwaltungsgemeinschaft Schwanfeld mit Kurzmitteilung vom 12. September 2006 an das Notariat.

Die Kläger nahmen mit notariell beurkundetem Vertrag vom 23. November 2006 das Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages über die Grundstücke Fl.Nrn. ...4 und ...8 der Gemarkung Wipfeld an. Das Notariat übersandte der Gemeinde Wipfeld eine (am 27.11.2006) beglaubigte Abschrift dieser Urkunde.

MitBescheid vom 24. Januar 2007teilte die Verwaltungsgemeinschaft Schwanfeld dem Notariat sowie den beiden Verkäuferinnen mit, dass der Gemeinderat der Gemeinde Wipfeld in seiner Sitzung am 18. Januar 2007 beschlossen habe, von der Möglichkeit des Vorkaufsrechtes Gebrauch zu machen. Die Grundstücke lägen in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet im Altort von Wipfeld. Der Erwerb sei erforderlich, um eine Engstelle in der Straße zu beseitigen. Das Vorkaufsrecht werde für „die Teilfläche von Fl.Nr. ...4, auf der das bestehende Wohnhaus steht“, ausgeübt. Alternativ trete die Gemeinde in den gesamten Kaufvertrag ein.

Am 30. Januar 2007 erhoben die Kläger Widerspruch gegen diesen Bescheid, den sie im Wesentlichen wie folgt begründeten: Die Verkäuferinnen hätten in der notariellen Urkunde vom 19. Juli 2006 den Abschluss eines Kaufvertrages bezüglich der Grundstücke Fl.Nrn. ...8 und ...4 angeboten. An dieses Angebot hätten sich die späteren Verkäuferinnen bis zum 31. August 2006 gebunden. Bei Nichtannahme bis zu diesem Zeitpunkt habe die Bindungsfrist erlöschen sollen, nicht jedoch das Vertragsangebot. Der Gemeinderat habe beschlossen, dass ein Vorkaufsrecht der Gemeinde nicht bestehe. Deshalb hätten die Kläger mit Urkunde vom 23. November 2006 das Angebot vom 19. Juli 2006 angenommen. Die Gemeinde habe trotz anderweitiger Zusage das Vorkaufsrecht ausgeübt und deshalb gegen den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen. Die Gemeinde könne sich folglich den Dritten gegenüber nicht auf die Ausübung des Vorkaufsrechtes berufen. Das Schreiben der Verwaltungsgemeinschaft Schwanfeld vom 12. September 2006 sei die Erteilung eines Negativtestates und gelte als Verzicht auf die Ausübung des Vorkaufsrechtes.

Die Gemeinde Wipfeld half dem Widerspruch nicht ab und legte ihn dem Landratsamt Schweinfurt zur Entscheidung vor.

MitWiderspruchsbescheid vom 11. Mai 2007wies das Landratsamt Schweinfurt den Widerspruch zurück. Der Widerspruch sei nicht zulässig. Die Kläger seien nicht Adressaten des angefochtenen Bescheides gewesen. Sie könnten daher keine Rechtsverletzung geltend machen. Selbst wenn man aber von einer Zulässigkeit des Widerspruches ausgehen würde, sei dieser sachlich unbegründet. Die Gemeinde habe beim Verkauf von Grundstücken, die sich in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet befänden, ein Vorkaufsrecht. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB seien erfüllt. Die Ausübung des Vorkaufsrechtes verstoße nicht gegen Treu und Glauben. Das Vorkaufsrecht sei auch nicht verwirkt. Das Schreiben der Verwaltungsgemeinschaft vom 12. September 2006 spreche nicht für einen Verzicht der Gemeinde auf die Ausübung des Vorkaufsrechtes. Für einen von der Gemeinde ausgesprochenen Verzichtswillen sei nichts ersichtlich. Es habe nur ein Kaufangebot vorgelegen, aber noch nicht die entsprechende Annahmeerklärung. Somit fehle es an einem wirksamen Kaufvertrag. Selbst wenn der Verzichtswille erkennbar wäre, wäre dieser aber nicht gegenüber den Klägern wirksam geworden. Die Kläger hätten deshalb keinen berechtigten Anlass gehabt, auf die Nichtausübung des Vorkaufsrechtes zu vertrauen.

Der Widerspruchsbescheid wurde den Klägerbevollmächtigten am 14. Mai 2007 zugestellt.

II.

Mit ihrer am 8. Juni 2007 erhobenen Klage ließen die Kläger beantragen,

den Bescheid der Verwaltungsgemeinschaft Schwanfeld vom 24. Januar 2007 und den Widerspruchsbescheid des Landratsamtes Schweinfurt vom 11. Mai 2007 aufzuheben.

Zur Begründung wurde unter Berufung auf die Vorgeschichte im Wesentlichen ausgeführt: Zwar sei zu dem Zeitpunkt, als die Kläger das Angebot der Verkäuferinnen angenommen hätten, die Bindungsfrist bereits abgelaufen gewesen. Der Grund hierfür sei, dass eine der Verkäuferinnen minderjährig gewesen sei und die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung habe eingeholt werden müssen. Diese sei erst erteilt worden, nachdem die Kläger eine Bestätigung des Gutachterausschusses des Landratsamtes Schweinfurt hinsichtlich der Höhe des Kaufpreises vorgelegt hätten. Nach Annahme des Kaufangebotes habe die Beklagte dem Notariat mitgeteilt, dass der Gemeinderat in seiner Sitzung am 18. Januar 2007 beschlossen habe, das Vorkaufsrecht auszuüben. Der Widerspruch und die Klage seien zulässig. Durch die Ausübungserklärung der Gemeinde könne auch der Käufer in seinen Rechten verletzt sein, da die Erfüllung des zwischen dem Verkäufer und dem Käufer geschlossenen Vertrages nicht mehr möglich sei. Dies entspreche ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes. Das Schreiben der Verwaltungsgemeinschaft Schwanfeld vom 12. September 2006 stelle einen Verzicht auf die Ausübung des Vorkaufsrechtes dar. Nach § 28 Abs. 1 Satz 4 BauGB gelte das Zeugnis als Verzicht auf die Ausübung des Vorkaufsrechtes. Nach Erteilung des Negativtestates sei deshalb die Rücknahme oder der Widerruf des Verwaltungsaktes ausgeschlossen. Dies bedeute, dass die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht nicht mehr ausüben könne, auch wenn sie beispielsweise das Zeugnis zu Beginn der Zwei-Monats-Frist ausgestellt habe und sich später herausstelle, dass die Ausübung des Vorkaufsrechtes gerechtfertigt und notwendig gewesen wäre. Hieran ändere auch die Tatsache nichts, dass zum Zeitpunkt des Schreibens vom 12. September 2006 das Kaufangebot noch nicht angenommen gewesen sei. Das Verhalten der Beklagten verstoße gegen Treu und Glauben. Der Bürgermeister habe von den ganzen Vorgängen Kenntnis gehabt, zumal der Kläger zu 1) schon mit Erhaltungsmaßnahmen an dem Gebäude angefangen habe. Zuvor habe der Bürgermeister den Kläger zu 1) im Juni 2006 auf die Möglichkeit des Erwerbs dieses Grundstückes angesprochen bzw. ihn zum Kauf des Grundstückes ermuntert. Im Zuge der Sanierungsarbeiten an dem Haus auf dem Grundstück habe der Kläger bereits Materialkosten von 2.500,00 EUR und viele Arbeitsstunden aufgewandt. Nach der Begründung der Beklagten sei die Ausübung des Vorkaufsrechtes erforderlich, um eine Engstelle an der Straße vor dem Grundstück Fl.Nr. ...4 zu beseitigen. Allerdings habe sich zwischen der ersten und der zweiten Abstimmung im Gemeinderat an den tatsächlichen Verhältnissen nichts geändert. Die Engstelle bestehe seit dem Neubau der Straße vor 20 Jahren. Die Engstelle diene insbesondere dazu, den dortigen Verkehr zu beruhigen. Selbst wenn das Wohnhaus abgebrochen oder versetzt würde, wäre durch ein weiteres Gebäude nach wie vor eine Engstelle vorhanden. Kurz vor Weihnachten 2006 habe der Bürgermeister dem Kläger zu 1) mitgeteilt, bei Abriss und Neubau des Gebäudes müsse er ca. 50 cm bis 1 m mit dem Gebäude zurückbleiben. Mit Schreiben vom 16. Januar 2007 habe der Kläger zu 1) angeboten, bei einem in einigen Jahren erfolgenden Totalabriss einen Grundstücksstreifen mit einer Breite von 2 m an die Beklagte abzutreten. Dies habe der Gemeinderat der Beklagten aber abgelehnt.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Die Gemeinde habe ihr Vorkaufsrecht rechtswirksam ausgeübt. Das betroffene Grundstück Fl.Nr. ...4 der Gemarkung Wipfeld befinde sich innerhalb eines förmlich festgelegten Sanierungsgebietes. Somit bestehe gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB ein Vorkaufsrecht. Die Ausübung des Vorkaufrechtes sei vom Gemeinderat der Beklagten in der Sitzung vom 18. Januar 2007 beschlossen worden. Die Ausübung des Vorkaufsrechtes sei erfolgt, um einen sicheren Straßenverkehr in der Gemeinde zu gewährleisten. Somit habe die Beklagte das ihr zustehende Ermessen zum Wohl der Allgemeinheit rechtmäßig ausgeübt. Die Auffassung der Kläger, die Engstelle solle nicht beseitigt, sondern beibehalten und zur Verkehrsberuhigung genutzt werden, ändere hieran nichts. Der Ausübung des Vorkaufsrechtes stehe auch kein Negativzeugnis i.S.d. § 28 Abs. 1 Satz 3 BauGB entgegen, das als Verzicht auf die Ausübung des Vorkaufsrechtes zu werten sei. Ein Vorkaufsrecht entstehe beim Kauf eines Grundstückes, wofür ein rechtsgültiger und rechtswirksamer Kaufvertrag erforderlich sei. Das Negativzeugnis über das Nichtbestehen oder die Nichtausübung des Vorkaufsrechtes sei erst dann möglich, wenn der Erwerber eines Grundstückes in das Grundbuch eingetragen werden solle, folglich wenn bereits ein Kaufvertrag zustande gekommen sei und dadurch überhaupt erst ein Vorkaufsrecht entstanden sei. Das Schreiben der Verwaltungsgemeinschaft Schwanfeld vom 12. September 2006 habe zeitlich jedoch vor dem Abschluss des Kaufvertrages gelegen, der am 23. November 2006 durch die Annahme des Kaufangebotes durch die Kläger zustande gekommen sei. Zum Zeitpunkt des Schreibens vom 12. September 2006 habe noch kein Kaufvertrag und auch kein Vorkaufsrecht vorgelegen. Somit könne das Schreiben der Verwaltungsgemeinschaft Schwanfeld auch kein Negativzeugnis darstellen. Es liege auch kein Verzicht auf die Ausübung des Vorkaufsrechtes seitens der Beklagten vor. Dem Schreiben vom 12. September 2006 könne nur entnommen werden, dass ein Vorkaufsrecht der Beklagten hinsichtlich des Grundstückes zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestanden habe. Ein dahingehender Wille, dass die Beklagte in Zukunft auf alle ihr für das Grundstück entstehenden Vorkaufsrechte verzichten wolle, komme in dem kurzen Vermerk in keiner Weise zum Ausdruck. Im Übrigen sei dieses Schreiben auch nur an das Notariat gerichtet gewesen, weder an die Verkäufer noch an die Kläger. Somit wäre, selbst wenn man unbegründeter Weise einen Verzichtswillen annehmen würde, dieser nicht gegenüber den Klägern wirksam geworden. Das Vorkaufsrecht sei auch nicht verwirkt. Insbesondere könne der Beklagten nicht vorgeworfen werden, dass sie ein bestehendes Recht längere Zeit nicht geltend gemacht habe. Vielmehr habe sie die ihr zustehende Zwei-Monats-Frist zur Ausübung ihres Vorkaufsrechtes ausgeschöpft. Ein Vertrauenstatbestand gegenüber den Klägern sei nicht geschaffen worden. Im Übrigen könnten sich die Kläger auch nicht auf die vorgetragenen Aussagen des Bürgermeisters stützen, da dessen Zuständigkeit sich nicht auf die Ausübung oder auf den Verzicht von Vorkaufsrechten erstrecke, sondern hierfür das Gremium Gemeinderat tätig werden müsse.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung und auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Verwaltungsgemeinschaft Schwanfeld vom 24. Januar 2007 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamtes Schweinfurt vom 11. Mai 2007 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Klage ist zulässig; insbesondere sind die Kläger klagebefugt. Darauf, dass die Kläger nicht Adressaten des Bescheides vom 24. Januar 2007 waren, kommt es nicht an. Vielmehr kann durch den Verwaltungsakt, mit dem die Gemeinde das Vorkaufsrecht ausübt, auch der Käufer in seinen Rechten verletzt sein (ständige Rechtsprechung). Denn durch die Ausübungserklärung der Gemeinde ist die Erfüllung des zwischen dem Veräußerer und dem Käufer geschlossenen Vertrages nicht mehr möglich. Im Übrigen hätte der Verwaltungsakt über die Ausübung des Vorkaufsrechtes auch den Klägern bekannt gegeben werden müssen (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg, § 28 BauGB, RdNr. 26).

Die Klage ist auch begründet. Die Ausübung des Vorkaufsrechtes durch die Gemeinde widerspricht dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Die Grundstücke Fl.Nrn. ...4 und ...8 der Gemarkung Wipfeld liegen im Sanierungsgebiet „Altort“, das mit Satzung vom 25. Januar 1999 festgelegt wurde. Somit besteht grundsätzlich gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB ein Vorkaufsrecht der Gemeinde. Das Vorkaufsrecht darf aber nach § 24 Abs. 3 BauGB nur ausgeübt werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt (Satz 1). Bei der Ausübung des Vorkaufsrechts hat die Gemeinde den Verwendungszweck des Grundstückes anzugeben (Satz 2). Hier hat die Gemeinde für die offenbar nur beanspruchte Teilfläche des Grundstückes Fl.Nr. ...4 einen Verwendungszweck angegeben, und es kann nachvollzogen werden, dass der Erwerb zumindest dieser Teilfläche im öffentlichen Interesse liegt.

Der Ausübung des Vorkaufsrechtes steht aber der Gemeinderatsbeschluss vom 7. September 2006 entgegen. Der Beschluss lautet zwar wörtlich „Ein Vorkaufsrecht der Gemeinde besteht nicht“. Diese Erklärung kann aber aus Sicht des objektiven Empfängers nur so verstanden werden, dass kein Vorkaufsrecht ausgeübt wird. Denn das Vorkaufsrecht besteht kraft Gesetzes. Wenn die Gemeinde erklärt, ein Vorkaufsrecht bestehe nicht, kann dies nur so verstanden werden, dass die Gemeinde das Vorkaufsrecht nicht geltend macht. Bei dieser Erklärung der Gemeinde handelt es sich allerdings nicht um ein Negativtestat im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 3 und 4 BauGB. Denn zu dem Zeitpunkt, als der Gemeinderat sich in der Sitzung vom 7. September 2006 mit dem Vorkaufsrecht befasste, war der Vorkaufsfall noch nicht eingetreten. Denn hierfür bedarf es eines rechtsgültigen Kaufvertrages. Auch die Frist für die Ausübung des Vorkaufrechtes läuft erst ab dem Eintritt des Verkaufsfalles (BGH B.v. 30.06.1994, BayVBl 1995, 92 = NVwZ 1995, 101). Das Angebot auf Abschluss eines Vertragsausschlusses reicht grundsätzlich für den Eintritt des Verkaufsfalles noch nicht aus (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg, § 24 BauGB RdNr. 55).

Allerdings kann die Gemeinde bereits vor Eintritt des Vorkaufsfalles auf die Ausübung des Vorkaufsrechtes verzichten. Dies zeigt die Regelung des § 28 Abs. 5 BauGB mit der Möglichkeit, einen generellen Verzicht bezüglich zukünftig abzuschließender Kaufverträge zu erklären. Die Gemeinde kann auch im Einzelfall auf das Vorkaufsrecht verzichten, bevor der Vorkaufsfall eingetreten ist, bzw. der Kaufvertrag Wirksamkeit erlangt hat (zur Ausübung des Vorkaufsrechts vor Wirksamkeit des Vertrages siehe BGH U.v. 15.05.1998, BGHZ 139, 29 = NJW 1998, 2352). Dies kann durch einen Erlassvertrag oder durch eine einseitige Verzichtserklärung der Gemeinde geschehen. Der einseitige Verzicht kann an den Verpflichteten oder an den Käufer gerichtet sein und ist je nach seinem Regelungsgehalt ein begünstigender Verwaltungsakt oder eine Zusage der Nichtausübung (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg, § 28 BauGB RdNr. 91). Zur Überzeugung des Gerichts ist in dem Gemeinderatsbeschluss vom 7. September 2006 eine solche einseitige Verzichtserklärung zu sehen. Denn die Behandlung im Gemeinderat erfolgte ja deshalb, weil das Notariat um eine Stellungnahme zu einem Vorkaufsrecht gebeten hatte. Alle wesentlichen Vertragsumstände, insbesondere der Preis, waren in der Urkunde enthalten. Diese Verzichtserklärung stellt eine Zusicherung im Sinne des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG dar. Sie ist schriftlich gegenüber dem beauftragten Notar ergangen und wurde von der „zuständigen Behörde“, nämlich der Gemeinde, erteilt und wurde von dem zuständigen Gremium, nämlich dem Gemeinderat, beschlossen. Eine Änderung der Sach- und Rechtslage zwischen der Zusicherung und dem Eintritt des Vorkaufsfalles liegt nicht vor. Wenn eine Gemeinde das Vorkaufsrecht trotz gegenteiliger Zusage ausübt, verstößt sie gegen den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben. In der Folge kann sie sich dem Dritten gegenüber nicht auf die Ausübung des Vorkaufsrechtes berufen (Ernst/Zinkahn/Bielenberg, § 28 BauGB RdNr. 91 m.w.N.).

Der Klage war daher mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO stattzugeben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 2.750,00 EUR festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG; Nr. 9.61 des Streitwertkataloges).

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