VG Regensburg, Urteil vom 20.02.2008 - RN 3 K 07.01543
Fundstelle
openJur 2012, 89849
  • Rkr:
Tenor

I. Der Beitragsbescheid des Beklagten zur Wasserversorgung vom 3. Mai 2007 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 13. Juni 2007 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamtes L. vom 16. August 2007 werden aufgehoben.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Zuziehung des Bevollmächtigten des Klägers im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung einer neu erbauten Maschinenhalle zum Geschossflächenbeitrag für die Wasserversorgungsanlage des Beklagten. Mit Bescheid vom 3. Mai 2007, geändert durch Bescheid vom 13. Juni 2007 (Teilabhilfe hinsichtlich des Grundstücksflächenbeitrags), veranlagte der Beklagte das Grundstück W. 66 wegen des „Umbaus von Fahrsilos in eine Maschinenhalle“ letztlich nur noch mit der Geschossfläche von 236 qm x 3,35 € zu einem Beitrag von 917,10 € inkl. Mehrwertsteuer. Den von den anwaltlichen Vertretern des Klägers eingelegten Widerspruch wies das Landratsamt L. mit Widerspruchsbescheid vom 16. August 2007 als unbegründet zurück. Danach habe die neu errichtete Maschinenhalle auf dem Grundstück Fl.Nr. 466 der Gemarkung Wo. einen Wasseranschluss. Mit Abschluss der Nutzungsänderung der Fahrsilos in eine Maschinenhalle mit Überdachung sei gemäß § 5 Abs. 5 i.V.m. § 5 Abs. 2 BGS-WAS eine weitere Beitragspflicht entstanden. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid, der bei den anwaltlichen Vertretern des Klägers am 17. August 2007 eingegangen ist, Bezug genommen.

Der Kläger ließ am 14. September 2007 per Telefax beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg Klage einreichen und trägt zur Begründung im Wesentlichen vor:

Der Beitragsbescheid vom 13. Juni 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids sei bereits deshalb rechtswidrig, weil auf dem Grundstück Fl.Nr. 466, Gemarkung Wo., sich keinerlei Bebauung befinde. Außerdem löse die veranlagte Maschinenhalle keinen Bedarf an Wasser aus. Das Gebäude verfüge auch über keinen Wasseranschluss. Im Bescheid vom 13. Juni 2007 werde anscheinend lediglich darauf abgestellt, dass der früher vorhandene Wasserhahn in die Maschinenhalle hineingeragt habe. Dies könne jedoch nicht als tatsächlicher Anschluss qualifiziert werden. Denn aus diesem im Übrigen zwischenzeitlich nicht mehr vorhandenen Wasserhahn sei nur eigenes Brauchwasser bezogen worden, das einer Regenzisterne und einem alten Hofbrunnen des Klägers seit 30 Jahren entnommen worden sei. Es handle sich somit nicht um Trinkwasser aus der Einrichtung des Beklagten. Außerdem sei im Bescheid die tatsächliche Geschossfläche von 235,51 qm rechtswidrig zu Lasten des Klägers auf 236 qm aufgerundet worden.

Der Kläger beantragt:

1. Der Beitragsbescheid zur Wasserversorgung des Beklagten vom 3. Mai 2007 in der Fassung vom 13. Juni 2007 für das Grundstück W. 66, Fl.Nr. 466, Gemarkung Wo., und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts L. vom 16. August 2007 werden aufgehoben.

2. Die Zuziehung des Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren ist für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Einwand, auf dem Grundstück Fl.Nr. 466 der Gemarkung Wo. befinde sich die Maschinenhalle nicht, gehe ins Leere. Zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses, insbesondere auch noch am 13. Juni 2007, sei das bezeichnete Gesamtgrundstück noch ungeteilt gewesen. Erst am 6. Juli 2007 sei beim Vermessungsamt L. ein Teilungsantrag gestellt worden. Zwischenzeitlich sei das Grundstück auch geteilt. Das Wohnhaus befinde sich auf Fl.Nr. 466/1, die Maschinenhalle auf Fl.Nr. 466/2. Die Baugenehmigung für die Maschinenhalle laute im Übrigen noch auf das Grundstück Fl.Nr. 466 Gemarkung Wo..

Zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses sei auch unstreitig ein Wasseranschluss in der Maschinenhalle vorhanden gewesen. Damit ergebe sich ohne weiteres die Beitragspflicht des Gebäudes. Nach den Feststellungen des Beklagten bei einer Ortseinsicht sei ein entsprechender Wasseranschluss gesehen worden. Spätere Änderungen wie etwa eine nachträgliche Entfernung des Wasseranschlusses hätten auf die bereits entstandene Beitragspflicht keinen Einfluss. Der weitere Einwand, dass aus dem zwischenzeitlich nicht mehr vorhandenen Wasserhahn nur eigenes Brauchwasser bezogen worden sei, habe rechtlich keine Bedeutung. Maßgeblich sei, dass ein tatsächlicher Anschluss vorhanden gewesen sei. Daraus folge ein konkreter Anschlussbedarf. Wasseranschluss sei gleichbedeutend mit einer konkreten Abnahmestelle. Das von der Klägerseite zitierte Urteil des VG Augsburg vom 15. März 2005 sei nicht einschlägig (kein Anschlussbedarf einer angebauten Speditionsumschlags- und Lagerhalle). Denn in dieser Entscheidung sei festgehalten, dass kein tatsächlicher Anschluss vorhanden gewesen sei.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze der Parteien, auf die vorgelegten Behördenunterlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 3. Mai 2007, der nach Teilabhilfe durch den Bescheid vom 13. Juni 2007 nur noch einen Geschossflächenbeitrag in Höhe von 917,10 EUR inkl. Mehrwertsteuer für den Umbau von Fahrsilos in eine Maschinenhalle mit Überdachung auf dem Grundstück Fl.Nr. 466 Gemarkung Wo. festsetzt, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Bescheid vom 3. Mai 2007 in der Fassung vom 13. Juni 2007 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamtes L. vom 16. August 2007 waren deshalb gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben.

1. Der Bescheid findet in § 5 Abs. 2 Satz 3 BGS/WAS der Beklagten vom 13. August 2001 keine Rechtsgrundlage. Danach werden Gebäude oder selbstständige Gebäudeteile, die nach Art ihrer Nutzung keinen Bedarf nach Anschluss an die Wasserversorgung auslösen und die an die Wasserversorgung nicht angeschlossen werden dürfen, nicht zum Geschossflächenbeitrag herangezogen; das gilt nicht für Gebäude oder Gebäudeteile, die tatsächlich einen Wasseranschluss haben. Die Satzung entspricht der gesetzlichen Ermächtigung in Art. 5 Abs. 2 Satz 4 KAG, bedarf aber gesetzeskonformer Auslegung. Nach dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 2 Satz 4 1. Halbsatz KAG sollen... „Gebäude oder selbstständige Gebäudeteile, die nach der Art ihrer Nutzung keinen Bedarf nach Anschluss an die gemeindliche Einrichtung auslösen oder nicht angeschlossen werden dürfen, nicht zum Beitrag herangezogen werden; das gilt nicht für Gebäude oder Gebäudeteile, die tatsächlich angeschlossen sind“.

Aus dem Wortlaut und systematischen Zusammenhang mit dem vorausgehenden Halbsatz ergibt sich, dass hier nur der tatsächliche Anschluss des Gebäudes oder Gebäudeteils an die kommunale Einrichtung gemeint ist. Wasseranschlüsse, die das Wasser aus eigenen Brunnen oder Zisternen beziehen, genügen nicht. Sie lösen also die Beitragspflicht nicht aus. Bei solchen Gebäuden ist wieder auf die typisierende Betrachtungsweise abzustellen, ob die Gebäude nach ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung einen Bedarf an Wasseranschluss haben. Soweit § 5 Abs. 2 Satz 3 BGS/WAS der Beklagten eine weitere Auslegung zulässt, bedarf die Bestimmung einer einschränkenden gesetzkonformen Auslegung. Der Beklagte kann den Beweis nicht führen, dass in der fraglichen Maschinenhalle eine Wasserentnahmestelle angebracht war, die das Wasser aus der Zweckverbandseinrichtung bezog. Der Vortrag des Klägers, dass dieser Wasserhahn an den Hausbrunnen oder an die Zisterne angeschlossen war, blieb auch bis zur mündlichen Verhandlung unbestritten. Zwar behauptete der Beklagte dann in der mündlichen Verhandlung unter Vorlage einer CD, dass eine Fernsehaufnahme vorhanden sei, die den laufenden Wasserhahn mit so großem Druck zeige, der nur durch Wasser aus der Zweckverbandseinrichtung erzeugt werden könne. Der Beklagte kann aber dadurch den Beweis nicht führen, dass der Wasserhahn einen Anschluss an die Zweckverbandswasserversorgung hatte. Denn durch Druckverstärker lässt sich ein hoher Wasserdruck auch bei einer Versorgung aus einem Hausbrunnen erzeugen. Dies hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch überzeugend erläutert. Darüber hinaus hat der Beklagte keine Ermittlungen getroffen, von woher der bei der Kontrolle gesehene Wasserhahn sein Wasser bezog. Dies geht nach Beweislastgrundsätzen zu seinen Lasten. Darüber hinaus ist aber der Vortrag des Klägers durchaus glaubhaft, dass dieser Wasserhahn nur Wasser aus dem Hausbrunnen oder aus der Zisterne bezog. Denn vor Errichtung der Maschinenhalle hatte der Kläger dort seinen Waschplatz für die Maschinen. Das Wasser bezog er aus seinem Hausbrunnen oder aus der Zisterne. Es lässt sich aus dem Vorhandensein dieses Wasserhahns auch nicht ein Bedarf der Maschinenhalle nach Anschluss an die Wasserversorgung des Beklagten ableiten. Denn der Wasserhahn war bereits vor Errichtung der Maschinenhalle vorhanden. Nach Errichtung der Maschinenhalle wurde er funktionslos, da der Kläger außerhalb der Halle einen Waschplatz errichtete. Der Kläger hatte diesen Wasseranschluss zum Zeitpunkt der Kontrolle, die kurze Zeit nach dem Anbau erfolgte, nur noch nicht abmontiert.

Die zum Geschossflächenbeitrag herangezogene Maschinenhalle löst nach der Art ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung keinen Bedarf an Wasserversorgung aus.

Die Frage des Anschlussbedarfs ist nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nach objektiven Gesichtspunkten typisierend zu entscheiden. Maßgebend für die Frage, ob ein vorhandenes Gebäude nach seiner bestimmungsgemäßen Nutzung eines Wasseranschlusses bzw. eines Anschlusses für die Entwässerung bedarf, ist grundsätzlich die erteilte Baugenehmigung, die eine bestimmte Nutzung genehmigt (so BayVGH v. 22.10.1998 Az.: 23 B 97.3505, BayVBl 1999, 272, 275). Die Baugenehmigung des Landratsamtes L. vom 31. März 2005 wurde für „die Nutzungsänderung der Fahrsilos in eine Maschinenhalle mit Überdachung“ erteilt. Nach der baurechtlich maßgeblichen bestimmten Nutzung dient das Gebäude als Maschinenhalle für die landwirtschaftliche Zwecke. Die Nutzung als Unterstellhalle für landwirtschaftliche Maschinen sowie als Lagergebäude für landwirtschaftliche oder forstwirtschaftliche Produkte löst keinen Wasseranschlussbedarf und damit keine Beitragspflicht für Geschossflächen aus (so Bekanntmachung des Staatsministeriums des Innern v. 26.7.1994 Nr. I.42 AllMBl 1994, 657 und auch BayVGH v. 14.10.1999 Az. 23 B 99.1912).

Die bestimmungsgemäße Nutzung der Maschinenhalle macht einen ständigen oder überwiegenden Aufenthalt von einer oder mehreren Personen während der üblichen Arbeitszeiten in der Halle nicht erforderlich und löst keinen Bedarf nach Wasseranschluss aus. Denn nur in einem Gebäude, in dem ständig oder überwiegend Personen arbeiten, sind für diese nach der Verordnung über die Arbeitsstätten vom 20. März 1975 (BGBl I S. 729, zuletzt geändert BGBl. I Nr. 47/1997) u.a. Waschräume oder zumindest Waschgelegenheiten (§ 34 Abs. 1 und 5) sowie Toilettenräume (§ 37 Abs. 1) erforderlich, müssen aber nicht im selben Gebäude oder Gebäudeteil vorgehalten werden (so BayVGH v. 21.10.2003 Az.: 23 BV 03.940). Die bestimmungsgemäße Nutzung der Halle macht keinen ständigen Aufenthalt von Personen in diesem Gebäude erforderlich. In landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Betriebsgebäuden halten sich Menschen zur Erledigung der dort anfallenden Arbeiten in der Regel nur vorübergehend auf, weil in der landwirtschaftlichen bzw. forstwirtschaftlichen Urproduktion die überwiegende Arbeit immer noch auf den Feldern bzw. in den Forstbereichen zu leisten ist, und die auf diesen Flächen gewonnenen land- bzw. forstwirtschaftlichen Produkte dann in den Betriebsgebäuden über einen kürzeren oder längeren Zeitraum gelagert werden (so auch BayVGH vom 20.9.2004 – 23 ZB 04.2099). Hier liegt keine Ungleichbehandlung zur gewerblichen Nutzung vor (BayVGH v. 15.12.1999 Az.: 23 B 98.3206 und BayVGH v. 19.9.2000 Az.: 23 ZB 00.1947).

Soweit der Beklagte noch vortrug, dass die angebaute Maschinenhalle eine Verbindungstüre zum früheren Stallgebäude hat, löst dies keine Beitragspflicht aus. Wie der BayVGH in seiner Entscheidung vom 28. November 2000 Az. 23 B 00.2053, BayVBl 2001, 212 zum Ausdruck gebracht hat, stellt ein direkter Zugang zu einem danebenliegenden Gebäude die bauliche und funktionelle Selbstständigkeit nicht in jedem Fall in Frage. In einer weiteren Entscheidung vom 17. Januar 2007 Az. 23 ZB 06.2936 kam der Senat zur Auffassung, dass selbst der direkte Zugang vom Verkaufsraum in das Lager eines Getränkemarktes die funktionelle Selbstständigkeit dieses Lagers nicht aufhebt. Bauliche Verbindungen von Gebäudeteilen oder Gebäuden, die funktionell nicht zwingend notwendig sind, nehmen dem Gebäudeteil danach nicht die Selbstständigkeit (so BayVGH vom 17.1.2007 und auch vom 14.11.2005 Az. 23 ZB 05.2520, GK 2006 Nr. 184).

Im vorliegenden Fall ist die noch bestehende Verbindungstüre vom früheren Stallgebäude zum Anbau nicht funktionell zwingend erforderlich. Diese Türe war bereits vorhanden, bevor die Maschinenhalle an das Stallgebäude angebaut wurde. Dies zeigt deutlich, dass die Türe für die Nutzung der Maschinenhalle nicht erforderlich ist. Sie ist sozusagen nur ein „Überbleibsel“ aus dem früheren Baubestand. Zudem nutzt der Kläger das frühere Stallgebäude nicht mehr zur Viehhaltung.

Die Heranziehung dieser Halle zum Geschossflächenbeitrag für die Wasserversorgungseinrichtung des Beklagten ist deshalb rechtswidrig.

2. Der Beklagte hat als unterlegene Partei die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt, weil sie vom Standpunkt einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei im Zeitpunkt der Bestellung für erforderlich gehalten werden durfte und es dem Kläger nicht zumutbar war, das Vorverfahren selbst zu führen (§ 162 Abs. 2 VwGO).

Vorläufige Vollstreckbarkeit und Abwendungsbefugnis: § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 917,10 € festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).