Bayerischer VGH, Urteil vom 18.02.2008 - 12 B 06.1846
Fundstelle
openJur 2012, 89751
  • Rkr:
Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 26. April 2006 ist insoweit wirkungslos geworden, als es die Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme der Kosten für den Besuch der Realschule im Sabel-Schulzentrum, München, für die Schuljahre 2008/2009 und 2009/2010 zum Gegenstand hatte.

II. Im Übrigen wird unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 26. April 2006 der Bescheid der Beklagten vom 11. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Oberbayern vom 29. April 2005 für die Zeit ab dem 11. März 2005 aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten für den Besuch der Realschule im Sabel-Schulzentrum, München, für den Zeitraum ab dem 11. März 2005 bis einschließlich des Schuljahres 2007/2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen hat der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3 zu tragen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

VI. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 v. H. des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten der Beschulung des Klägers in der Realschule im Sabel-Schulzentrum, München, ab dem 9. November 2004 als Eingliederungshilfe gemäß § 35 a Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII).

Nach dem Besuch eines Waldorfkindergartens wurde der Kläger in die Rudolf-Steiner-Schule eingeschult, die er bis einschließlich der 5. Klasse besuchte. Bereits im Schuljahr 2002/2003 stellten die Eltern des Klägers bei der Beklagten einen Antrag auf Übernahme der Kosten einer Legasthenie-Therapie.

Nach dem Gutachten der Heckscher-Klinik vom 15. Oktober 2002 verfügte der Kläger über einen durchschnittlichen Gesamt-IQ (98). Die durchgeführten Tests hätten im Bereich Lesen einen T-Wert-Differenz von 16 und im Bereich Schreiben einen T-Wert-Differenz von 21 angezeigt. Demnach lag eine Teilleistungsstörung in Form einer Lese-Rechtschreib-Störung vor. Auf das zunehmende Versagen in der Schule reagiere der Kläger mit deutlichem Rückzug und mit Schulunlust. Durch die Epilepsie seines Bruders bestehe eine psychosoziale Belastung. Die psychosoziale Anpassung sei mäßig beeinträchtigt, die Voraussetzungen des § 35 a SGB VIII seien deshalb gegeben.

Die seinerzeitige Klassleiterin kommt in ihrer Stellungnahme vom 7. Oktober 2002 zu der Feststellung, der Kläger habe im Bereich Lesen und Schreiben erhebliche Probleme, sei jedoch gut in die Klassengemeinschaft integriert.

Mit Bescheid vom 6. März 2003 übernahm die Beklagte zunächst Kosten für 25 Stunden Legasthenie-Therapie, mit Bescheid vom 6. April 2004 bewilligte sie weitere 40 Stunden. Die Kosten für weitere 72 Gruppenstunden Legasthenie-Therapie durch das Forum Legasthenie im Sabel-Schulzentrum übernahm die Beklagte mit Bescheid vom 7. Oktober 2004, nachdem der Kläger auf die Realschule im Sabel-Schulzentrum gewechselt war.

Am 9. November 2004 beantragten die Eltern des Klägers bei der Beklagten die Übernahme des Schulgeldes für die Realschule im Sabel-Schulzentrum. Da seitens der Beklagten keine konkreten und konstruktiven Vorschläge erfolgt seien, habe man den Kläger mit viel Eigeninitiative der Empfehlung der Heckscher-Klinik folgend seit Beginn des Schuljahres 2004/2005 in die Sabelschule eingeschult. Dem Antrag beigefügt war ein Gutachten der Heckscher-Klinik vom 2. Juni 2004, wonach sich sekundäre Folgen der Legasthenie beim Kläger auf der emotionalen und der Verhaltensebene in Form von Selbstzweifeln, herabgesetztem Selbstwertgefühl, depressiver Verstimmung, Versagensängsten und mangelndem Eigenmachtsgefühl (Achse I, Achse VI) zeigten. Aufgrund der Schwere der Legasthenie und der psychischen Befindlichkeit werde aus kinder- und jugendpsychiatrischer Sicht die Sabel-Realschule empfohlen. Die Voraussetzungen des § 35 a SGB VIII lägen vor. Im Schuljahr 2004/2005 wiederholte der Kläger die 5. Schulklasse in der Realschule.

Im Antragsverfahren weiter vorgelegt wurde ein Gutachten der Klinik ... vom 26. November 2003, wo sich der Kläger im Herbst 2003 für ca. sechs Wochen aufgehalten hatte. In diesem Gutachten wird ebenfalls eine schwere Lese-Rechtschreib-Störung und von einem Vorliegen der Voraussetzungen des § 35 a SGB VIII ausgegangen. Daneben bestünde eine benigne fokale Epilepsie und Neurodermitis. Ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom sei auszuschließen, die Konzentration sei aber unterdurchschnittlich. Nach dem sozialpädagogischen Kurzbericht sei der Kläger freundlich, aufgeschlossen und gut in die Gruppe integriert gewesen. Er sei in der Gruppe sehr beliebt gewesen, sei aber sehr auf seine eigenen Bedürfnisse bedacht und könne diese auch durchsetzen.

In der von der Beklagten eingeholten Stellungnahme vom 17. Februar 2005 kommt die kinder- und jugendpsychiatrische Beratungsstelle des Referats für Gesundheit und Umwelt zu der zusammenfassenden Feststellung, der Kläger sei von seiner Begabung her für den Besuch einer Realschule gut geeignet. Aufgrund seiner seelischen Behinderung sei er dringend auf den schonenden, stützenden und individuell fördernden Rahmen einer Privatschule angewiesen. Die beantragte Maßnahme werde daher befürwortet, zugleich werde die Einleitung einer Psychotherapie angeraten.

Mit Bescheid vom 11. März 2005 lehnte die Beklagte den Antrag auf Eingliederungshilfe gemäß § 35 a SGB VIII ab. Es ergäben sich keine Anzeichen für ein gegenwärtiges soziales Integrationsrisiko, das den Besuch der Realschule im Sabel-Schulzentrum, München, als Eingliederungshilfemaßnahme erforderlich machen würde. Vielmehr sei die Legasthenie-Therapie weiterzuführen, in der der Kläger zu lernen habe, sich mit der Leistungsstörung auseinanderzusetzen, um konstruktive Bewältigungsstrategien zu entwickeln.

Den form- und fristgerecht erhobenen Widerspruch wies die Regierung von Oberbayern mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2005 zurück.

Mit seiner Klage vom 19. Mai 2005 beantragte der Kläger, die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 11. März 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Oberbayern vom 29. April 2005 zu verpflichten, die Kosten seiner Beschulung in der Realschule im Sabel-Schulzentrum „ab dem Tag der ersten Antragstellung und für die Zukunft vollständig zu übernehmen“. Zur Begründung stützte er sich im Wesentlichen auf die vorgelegten Gutachten. Der Besuch der Realschule im Sabel-Schulzentrum sei die einzig mögliche weiterführende Maßnahme. Alternativen seien von der Beklagten nicht aufgezeigt worden.

Mit Urteil vom 26. April 2006 wies das Verwaltungsgericht München die Klage ab. Bei der Prüfung des Anspruchs des Klägers auf die begehrte Leistung sei auf § 35 a SGB VIII i.d.F. vom 8.9.2005, zuletzt geändert durch Art. 1 Gesetz vom 8.9.2005, BGBl I, S. 2729 abzustellen. Das ergebe sich zum einen aus dem Charakter der Jugendhilfeleistungen als Hilfe in einer gegenwärtigen Notlage und zum anderen aus der hier erhobenen Verpflichtungsklage. Vorliegend sei eine so genannte selbst beschaffte Leistung gegeben. Es fehle hier an einer rechtzeitigen Antragstellung beim Träger der Jugendhilfe. Die Antragstellung erfolgte erst am 9. November 2004, also nach Beginn des Schuljahres, über das die Beklagte zu entscheiden hatte. Unter Berücksichtigung der eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Prüfung sei die Kammer zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte Leistung habe. Unstreitig liege bei ihm eine schwere Lese-Rechtschreib-Störung vor und nach den Aussagen seiner Eltern und der in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugin W. sei auch davon auszugehen, dass die seelische Gesundheit des Klägers mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für sein Leben alterstypischen Zustand abweiche. Zweifelhaft sei allerdings bereits, ob damit auch eine Teilhabebeeinträchtigung zu bejahen sei. Von einem Automatismus, wie ihn der Sachverständige im Gutachten vom 20. Juni 2004 und in seiner Aussage in der mündlichen Verhandlung annehme, könne nicht ausgegangen werden. Im Ergebnis könne diese Frage allerdings offen bleiben, weil unter Beachtung des oben genannten Beurteilungsspielraums der Jugendhilfeträger keinen Anspruch auf die begehrte Maßnahme habe. Richtig sei, dass das Legastheniekonzept der Sabel-Realschule dem Kläger sehr zu Gute komme. Tatsächlich bestehe der Unterschied zwischen der Sabel-Realschule und einer herkömmlichen staatlichen Schule darin, dass erstere über kleine Klassen und die Möglichkeit der Nachmittagsbetreuung verfüge sowie eine eigene LRS-Klasse führe. Dass der Kläger allerdings eine derartige Beschulung zur Erreichung einer angemessenen Schulbildung benötige, könne nicht angenommen werden. Die Erlangung einer angemessenen Schulbildung sei nicht mit einer optimalen Ausbildung gleichzusetzen. Zu beachten sei dabei auch, dass der Kläger während seiner Schullaufbahn zu keinem Zeitpunkt eine staatliche Schule besucht habe. Diese private Entscheidung der Eltern des Klägers führe aber nicht zu einer Rechtspflicht der Beklagten zur Deckung der Kosten im Rahmen der öffentlichen Jugendhilfe. Allerdings sei die Beklagte gehalten, den Bedarf des Klägers festzustellen und diesen durch geeignete Maßnahmen zu decken.

In seinem Antrag auf Zulassung der Berufung vom 26. Juli 2006 geht der Kläger davon aus, dass bei ihm eine Lese-Rechtschreib-Störung (Legasthenie) vorliegt. Auf Empfehlung der Heckscher-Klinik in München sei mit Kenntnis der Beklagten bei der TLS-Therapeuthin Monika ... ab dem Jahre 2002 eine ambulante Therapiemaßnahme zur Linderung der Lese-Rechtschreib-Störung und der sich hieraus ergebenden Probleme beim Kläger begonnen worden. Infolge dieser Lese-Rechtschreib-Störung liege zudem eine Beeinträchtigung der Teilhabe des Klägers am Leben in der Gesellschaft vor. Das habe die Heckscher-Klinik mit ärztlich-psychologischem Bericht vom 2. Juni 2004 bestätigt. Das gehe auch aus der Stellungnahme der kinder- und jugendpsychiatrischen Beratungsstelle beim Referat für Gesundheit und Umwelt vom 17. Februar 2005 hervor.

Die als Zeugin in der mündlichen Verhandlung vom 26. April 2006 vernommene Klassenleiterin des Klägers der Rudolf-Steiner-Schule habe im Gegensatz zur Einschätzung des Erstgerichts in aller Deutlichkeit die äußerst zugespitzte Situation beim Kläger bestätigt. Bei ihm sei deutlich ein zusätzlicher Förderbedarf ab der 3. Klasse erkennbar gewesen. In der 4. Klasse habe sich herauskristallisiert, dass der Kläger einen anderen Weg suchen müsse, weil die Möglichkeiten an der Rudolf-Steiner-Schule erschöpft gewesen seien. Der Sachverständige habe in der mündlichen Verhandlung vom 26. April 2006 ausgeführt, es sei ihm klar, dass nicht jedes Kind mit einer Rechtschreibstörung Anspruch auf eine Jugendhilfeleistung haben könne. Entscheidend sei immer die Schwere. Gegenüber der Legasthenie und der emotionalen Störung spielten die motorischen Störungen und die Epilepsie, die eine gutartige Form sei, eine zu vernachlässigende Rolle. Lesen und Schreiben sei die Basis unserer Kultur. Wenn jemand jeden Tag mit seiner Unfähigkeit diesbezüglich konfrontiert werde, habe dies Auswirkungen auf sein Selbstwertgefühl. Der Kläger sei ein hoch verunsichertes Kind, dem jedes Eigenmachtgefühl fehle. Sein Selbstwertgefühl sei schwerwiegend beeinträchtigt. Er habe auch depressive Tendenzen. Die psychosozialen Auswirkungen seien allein Folge der Legasthenie, da andere Ursachen bei multiaxialer Diagnostik ausgeschlossen werden könnten. Die Beschulung des Klägers an der Realschule im Sabel-Schulzentrum stelle auch die geeignete und notwendige Hilfemaßnahme dar. Zudem habe das Erstgericht die Neufassung des § 36 a Abs. 3 SGB VIII übersehen. Die Mutter habe im Sinne dieser Vorschrift rechtzeitig Kontakt mit der Beklagten aufgenommen. Mit weiterer Antragsbegründung vom 25. Januar 2007 macht der Kläger geltend, die Beklagte habe entgegen den Vorgaben des § 36 SGB VIII von Anfang an seine Eltern nicht an der Aufstellung des Hilfeplans beteiligt. Sie habe den notwendigen Hilfeplan allein in dem von ihr geführten so genannten Regionalen Fachteam vorgenommen.

In der Antragserwiderung vom 9. Februar 2007 macht die Beklagte geltend, die Bezirkssozialpädagogin habe die Daten für die Falleingabe im Regionalen Fachteam in Zusammenarbeit mit den Eltern erarbeitet. Hierzu haben ein ausführliches Gespräch im Amt und ein Hausbesuch stattgefunden, zudem wurden zahlreiche Unterlagen vorgelegt. Ohne Beteiligung der Eltern wären die Daten nicht zu erheben gewesen. Das eigentliche Hilfeplanverfahren nach § 36 SGB VIII beginne erst nach dem Regionalen Fachteam mit dem Antrag und der Entscheidung über die Hilfeleistung. In diesem Rahmen hätten die Eltern die Möglichkeit gehabt, ihren Antrag aufrecht zu erhalten und dann einen widerspruchsfähigen Bescheid zu erhalten. Dazu sei es jedoch nicht mehr gekommen, weil die Mutter des Klägers im Telefonat vom 14. Juni 2004 erklärt hatte, dass keine Unterstützung von der Jugendhilfe mehr benötigt werde. Andererseits müsse eingeräumt werden, dass in der Dokumentation zur Empfehlung des Regionalen Fachteams die Begründung fehle. Aus der Erinnerung heraus könne aber rekapituliert werden, dass das Familiensystem des Klägers als große Ressource für den Kläger eingeschätzt worden sei und als Unterstützung in der Behebung einer Teilleistungsschwäche als äußerst wichtig erachtet worden sei. Die Weiterleitung an die Erziehungsberatungsstelle sollte dazu dienen, ambulante schulische Unterstützungsmaßnahmen perspektivisch zu entwickeln. Dementgegen hätte eine stationäre Unterbringung den Kläger aus Sicht des Fachteams aus der intakten Familie herausgerissen. Gravierende Defizite, die eine Fremdunterbringung dringend notwendig gemacht hätten, seien zu keiner Zeit erkennbar gewesen. Aufgrund des Telefonats vom 14. Juni 2004 sei die Bezirkssozialpädagogin zudem davon ausgegangen, dass die Finanzierung des Besuches der Realschule im Sabel-Schulzentrum durch die Eltern gesichert sei und daher kein Bedarf für Leistungen nach dem SGB VIII mehr bestehe.

Mit Beschluss vom 20. April 2007 ließ der Senat die Berufung des Klägers zu, weil die Rechtssache besondere tatsächliche Schwierigkeiten aufweise.

Mit seiner Berufungsbegründung vom 22. Mai 2007 wiederholt der Kläger im Wesentlichen seine bisherigen Ausführungen und beantragt in der mündlichen Verhandlung

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 26. April 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 11. März 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom 29. April 2005 zu verpflichten, die Kosten der Beschulung des Klägers in der Realschule im Sabel-Schulzentrum, München, ab dem 9. November 2004 bis einschließlich des Schuljahres 2007/2008 zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist nochmals darauf, dass die Mutter des Klägers im Telefonat vom 14. Juni 2004 erklärt habe, dass keine Unterstützung mehr benötigt werde.

Dem tritt der Kläger unter dem 23. Oktober 2007 entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in beiden Rechtszügen sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen. Wegen des Verlaufes der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift verweisen.

Gründe

Die statthafte und vom Senat durch Beschluss vom 20. April 2007 zugelassene Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 26. April 2006 ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.

Gegenstand der Entscheidung im Berufungsverfahren ist das Begehren des Klägers, die Beklagte zu verpflichten, die Kosten für den Besuch der Realschule im Sabel-Schulzentrum, München, im Zeitraum ab dem 11. März 2005 bis einschließlich des Schuljahres 2007/2008 als Eingliederungshilfe nach § 35 a SGB VIII zu übernehmen. Der Kläger hat seinen ursprünglichen Klageantrag und seinen ursprünglichen Berufungsantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Bayer. Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich des Beginnes des Zeitraumes konkretisiert und hinsichtlich der Zeitdauer abgeändert (§ 91 Abs. 1 VwGO). Die Beklagte hat in die Klageänderung eingewilligt (§ 91 Abs. 2 VwGO); die Änderung ist im Übrigen sachdienlich. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 26. April 2006 ist insoweit wirkungslos geworden (§ 92 Abs. 3, § 173 VwGO, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).

Die so verstandene Berufung ist begründet, soweit das Verwaltungsgericht die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 11. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Oberbayern vom 29. April 2005 für den Zeitraum ab dem 11. März 2005 abgewiesen hat. Für diesen Zeitraum ist der Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Insoweit ist er aufzuheben und die Beklagte ist zu verpflichten, über den Antrag des Klägers erneut zu bescheiden (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Im Übrigen ist die Berufung zurückzuweisen, weil sie unbegründet ist.

Die Berufung des Klägers bleibt für den Zeitraum vom 9. November 2004 bis zum 11. März 2005 ohne Erfolg, weil dem Kläger kein Anspruch auf die hier allein begehrte Übernahme des monatlichen Schulgeldes der Realschule im Sabel-Schulzentrum im Wege der Eingliederungshilfe nach §§ 27, 35 a SGB VIII in der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Fassung zur Seite steht. Denn es fehlt für diesen Zeitraum bereits an einer rechtzeitigen Antragstellung.

Voraussetzung für die Bewilligung von Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Jugendliche ist nach § 35 a Abs. 1 SGB VIII in den hier einschlägigen Fassungen, dass die seelische Gesundheit des betroffenen Jugendlichen mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für sein Lebensalter typischen Zustand abweicht, und daher seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist. Zu diesen beiden Tatbestandsvoraussetzungen des § 35 a Abs. 1 SGB VIII kommt hinzu, dass die hilfebedürftige Person so rechtzeitig einen Antrag auf Hilfegewährung stellt, dass der Jugendhilfeträger zur pflichtgemäßen Prüfung sowohl der Anspruchsvoraussetzungen als auch möglicher Hilfemaßnahmen in der Lage ist. Dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe für die Kosten der von dritter Seite durchgeführten Eingliederungsmaßnahme nur aufkommen muss, wenn der Hilfebedarf rechtzeitig an ihn herangetragen worden ist, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann vom Jugendhilfeträger zu übernehmen sind, wenn die Hilfe auf Grundlage einer Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird (BVerwG vom 11.8.2005 BVerwGE 124, 83). Mit dem jugendhilferechtlichen Ziel der partnerschaftlichen Hilfe unter Achtung familialer Autonomie (siehe dazu BT-Drs. 11/59848 vom 1.12.1989 S. 42) und dem kooperativen pädagogischen Entscheidungsprozess über jugendhilferechtliche Maßnahmen deckt es sich demnach nicht, das Jugendamt zum bloßen Kostenträger einer frei gewählten Hilfeleistung zu machen (vgl. dazu BVerwG vom 28.9.2000 BVerwGE 112, 98).

An einer solchen rechtzeitigen Antragstellung fehlt es hier. Der Beklagten ist – wie oben ausgeführt – zuzubilligen, den geltend gemachten Bedarf zu prüfen und sachgerecht über die Hilfe zu entscheiden. Eine solche Entscheidung ist, ohne dass es rechtlich zu beanstanden wäre, am 11. März 2005 ergangen. Dabei ist dem Kläger einzuräumen, dass er bereits seit dem Schuljahr 2002/2003 antragsgemäß Eingliederungshilfe in Form einer Legasthenie-Therapie erhält, die die Diplom-Psychologin ... in ihrem Therapieplan vom 12. März 2004 dahin beurteilt hat, dass dem Kläger zwar die Trennung von seiner bisherigen Therapeutin sehr zu schaffen mache, die therapeutische Beziehung sich aber im Hinblick auf die Therapieziele viel versprechend entwickele. Dem Kläger ist weiter einzuräumen, dass seine Eltern im Rahmen der Kontakte mit dem Jugendamt der Beklagten bereits in der ersten Jahreshälfte 2004 die Beschulungsmöglichkeiten des Klägers z. B. auch des Landschulheimes ... besprochen haben. Gleichwohl liegt ein Fall der selbst beschafften Eingliederungshilfe vor, denn die Beklagte musste – zumindest seinerzeit – nicht davon ausgehen, dass der Kläger nach dem Besuch des Waldorfkindergartens und der Rudolf-Steiner-Schule nunmehr den Wechsel an die private Realschule im Sabel-Schulzentrum als Eingliederungshilfe geltend machen wollte. Das geltend gemachte Hilfebegehren des Klägers war bis zum Zeitpunkt der ausdrücklichen Antragstellung am 9. November 2004 nach Einschätzung der Beklagten sowohl aus deren fachlicher Sicht als auch aus Sicht des Klägers und seiner Eltern durch die bewilligten Leistungen für eine Legasthenie-Therapie gedeckt worden. Mit Bescheiden von 6. März 2003, vom 6. April 2004 und zuletzt vom 7. Oktober 2004 übernahm die Beklagte antragsgemäß die Kosten für eine Legasthenie-Therapie in Form einer Funktionshilfe zur Lese- und Rechtsschreibförderung. Soweit die Eltern des Klägers hiergegen Widerspruch erhoben hatten, richtete sich dieser allein gegen den Beginn des Bewilligungszeitraumes und wurde mit Schreiben vom 28. März 2004 zurückgenommen. Unabhängig von diesen bereits bewilligten Eingliederungsmaßnahmen haben die Eltern in der Folgezeit aufgrund Beratung Dritter beschlossen, dass ihr Sohn die fünfte Klasse der Realschule im Sabel-Schulzentrum wiederholen sollte. Anderweitige Überlegungen der Beklagten und der Eltern des Klägers hinsichtlich einer schulischen Unterbringung etwa in der Schule ... wurden nicht weiterverfolgt. Nach Aussagen seiner Mutter standen unter anderem Befürchtungen im Raum, der Kläger könne die Aufnahmeprüfung an einer staatlichen Schule aus eigenen Kräften nicht schaffen. Soweit die Eltern sich in dieser Angelegenheit fachlichen Rat gesucht haben, geschah dies gerade nicht im Zusammenwirken mit dem Träger der bisherigen Eingliederungsleistungen, sondern mit Dritten, etwa der Heckscher-Klinik. Lediglich informativ teilte das Forum Legasthenie im Sabel-Schulzentrum dem Sozialhilfereferat Ost der Beklagten im Schreiben vom 22. Juli 2004 mit, dass der Kläger ab dem neuen Schuljahr die Realschule im Sabel-Schulzentrum besuchen werde, so dass auch hier eine optimale Zusammenarbeit zwischen Schule und der Legasthenie-Therapieeinrichtung möglich sein werde. Das deckt sich auch mit der übereinstimmenden Erklärung der Beteiligten, die Mutter des Klägers habe den Beklagten in einem Telefonat vom 14. Juni 2004 bereits darüber informiert, dass der Übertritt des Klägers an die Sabelschule im kommenden Schuljahr beabsichtigt sei. Die Beklagte musste aber seinerzeit hieraus nicht entnehmen, dass diese Beschulung des Klägers in der Privatschule nunmehr als Eingliederungsmaßnahme geltend gemacht werde, nachdem solches auch für den Zeitraum der Bewilligung von Eingliederungshilfe gemäß § 35 a SGB VIII für den Besuch der Rudolf-Steiner-Schule nicht geltend gemacht worden war. Ihr ist insoweit auch kein Beratungsfehler vorzuwerfen. Folgerichtig stellten die Eltern des Klägers hinsichtlich der Kostenübernahme für den Besuch einer Privatschule erstmals am 9. November 2004 einen schriftlichen Antrag, mit dem sie darlegten, sie hätten mit viel Mühe in Eigeninitiative aufgrund der Empfehlung der Heckscher-Klinik die Aufnahme des Klägers in die Realschule im Sabel-Schulzentrum erreicht, die er nunmehr seit Beginn des Schuljahres 2004/2005 besuche. Dem Antrag fügten sie ein neuerliches Gutachten bei, das die Heckscher-Klinik bereits am 2. Juni 2004 erstellt hatte.

Die Beklagte hat die Kosten der insoweit selbst beschafften Maßnahme für den Zeitraum bis zum 11. März 2005 davon abweichend auch nicht nach den von der Rechsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätzen für eine Übernahme der Kosten selbst beschaffter Hilfemaßnahmen (vgl. dazu BVerwG vom 11.8.2005 a. a. O.), wie sie seit dem 1. Oktober 2005 in § 36 a SGB VIII auch ihre gesetzliche Verankerung gefunden haben (siehe dazu BT-Drs. 15/3676 vom 8.9.2004 S. 26), zu übernehmen. Denn die Voraussetzungen liegen hierfür nicht vor. Ein „Systemversagen“, das etwa § 36 a SGB VIII zu Grunde legt, ist nicht gegeben. Insbesondere zeigen die obigen Ausführungen, dass es sowohl dem Kläger als auch seinen Eltern ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen wäre, den Antrag auf Übernahme der Schulkosten (hier vom 9. November 2004) vor Beginn des Schuljahres 2004/2005 zu stellen, und damit den Beklagten rechtzeitig i. S. des § 36 a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII über den konkreten Hilfebedarf in Kenntnis zu setzen bzw. das konkrete Hilfebegehren an den Jugendhilfeträger heranzutragen (vgl. dazu Fischer in Schellhorn/Fischer/Mann, SGB VIII/KJHG, 3. Aufl. 2007, § 36 a RdNr. 21 m. w. N., Werner in Jans/Happe/Saurbier/Maas, Kinder- und Jugendhilferecht, 37. EL, Stand: Juni 2007, § 36a RdNr. 34).

Für den Zeitraum ab dem 11. März 2005 ist der hier streitgegenständliche Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 11. März 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Oberbayern vom 29. April 2005 hingegen rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Voraussetzung für die Bewilligung einer Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche ist nach § 35 a Abs. 1 SGB VIII in den jeweils streitgegenständlichen Fassungen, dass die seelische Gesundheit des Betroffenen mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für sein Lebensalter typischen Zustand abweicht, und daher seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist. Für die oben angegebenen Zeiträume liegen die Voraussetzungen dieses Abweichens der seelischen Gesundheit vom Lebensaltertypischen gemäß § 35 a Abs. 1 SGB VIII vor. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig und wird auch vom Senat nicht in Frage gestellt.

Gleichwohl rechtsfehlerhaft ist die Ablehnung der begehrten Übernahme der Schulkosten im Rahmen der von der Beklagten getroffenen Auswahlentscheidung über die geeignete und erforderliche Hilfe für den o. a. Zeitraum, weil bereits die vorausgehenden Feststellungen zu einer Teilhabebeeinträchtigung beim Kläger nach § 35 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII rechtsfehlerhaft erfolgt sind. Von einer Teilhabebeeinträchtigung im Sinne des § 35 a Abs. 1 SGB VIII ist auszugehen, wenn die Teilhabe des Betroffenen am Leben in der Gemeinschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist. Das Abweichen der seelischen Gesundheit vom Lebensaltertypischen im vorgenannten Sinne muss für diese Teilhabebeeinträchtigung auch kausal sein, soll Eingliederungshilfe geleistet werden. Dabei geht der Senat davon aus, dass eine solche Teilhabebeeinträchtigung nicht lediglich positiv festzustellen ist oder gar offen gelassen werden kann, sondern – gegebenenfalls auf der Basis von Gutachten nach § 35 a Abs. 1 a SGB VIII – dass im Rahmen eines fachlichen Zusammenwirkens von ärztlichen und sozialpädagogischen Fachkräften unter Federführung des Jugendamtes nachvollziehbare und gerichtlich überprüfbar Aussagen zu treffen sind, in welchem Ausmaße eine solche Teilhabebeeinträchtigung vorliegt, insbesondere welche Lebensbereiche und welches soziale Umfeld von dieser Teilhabebeeinträchtigung betroffen ist. Erst auf dieser Grundlage kann der Jugendhilfeträger den tatsächlichen aktuellen Hilfebedarf des Betroffenen – wiederum durch Fachkräfte – feststellen und hieraus – nunmehr gerichtlich eingeschränkt überprüfbar – auf die notwendigen und geeigneten Hilfemaßnahmen schließen.

Indem die Beklagte die Teilhabebeeinträchtigung beim Kläger verneint hat oder aber offen gelassen hat, hat es die zugrunde liegende und auf Fachkräfte gestützte Entscheidung einer inhaltlichen Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte entzogen. Im hier angefochtenen Bescheid vom 11. März 2005 stellt die Beklagte zwar einerseits fest, dass die Eingliederungshilfe nach § 35 a Abs. 1 SGB VIII voraussetze, dass der Kläger zum Personenkreis der nicht nur vorübergehend von einer seelischen Behinderung bedrohten Jugendlichen zu rechnen sei, und dies auch grundsätzlich bejaht werde. Sie hat jedoch zugleich festgestellt, dass sich aus den vorliegenden Unterlagen keinerlei Anzeichen für ein gegenwärtiges soziales Integrationsrisiko zeigten, das den Besuch der Realschule im Sabel-Schulzentrum als Eingliederungshilfe erforderlich machen würde. Im Widerspruchsbescheid vom 29. April 2005 ergänzt die Regierung von Oberbayern diese Aussage dahin, dass nach alledem keine hinreichenden konkreten Anzeichen dafür erkennbar seien, dass ohne den Besuch der Realschule im Sabel-Schulzentrum beim Kläger eine Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erwarten wäre. Diese Feststellungen, die im Ergebnis eine Teilhabebeeinträchtigung verneinen, finden keine Stütze in den beigezogenen ärztlichen Stellungnahmen und auch nicht im Ergebnis der Regionalen Fachkräftekonferenz. Die Beklagte geht selbst davon aus, dass beim Kläger zumindest seit dem Schuljahr 2002/2003 eine Teilhabebeeinträchtigung nach § 35 a SGB VIII besteht, denn sie bewilligte zeitabschnittsweise Legasthenie-Therapie. Auch das Regionale Fachteam hat diese Teilhabebeeinträchtigung auch im Zusammenhang mit dem Lebensbereich Schule aufgeworfen, weil es in der Empfehlung vom 25. Mai 2004 der zuständigen Bezirkssozialarbeiterin für das weitere Vorgehen nicht nur ein Beratungsgespräch in Richtung Familienberatung sondern auch in Richtung Schulberatung aufgibt.

Ist – wie hier – bereits die gerichtlich vollständig überprüfbare Feststellung des Vorliegens einer Teilhabebeeinträchtigung nach § 35 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VGB VIII rechtsfehlerhaft erfolgt, so ist eine hierauf gestützte und nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbare Auswahlentscheidung über die erforderliche und geeignete Hilfe ebenfalls rechtswidrig. Denn die Beklagte hat die für ihre Ermessensentscheidung notwendigen Entscheidungsgrundlagen nicht vollständig und zutreffend ermittelt (vgl. dazu Rennert in Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 114 RdNr. 24 f. m. w. N.).

Hinzu kommt, dass für die ebenfalls streitgegenständlichen Schuljahre 2005/2006, 2006/2007 und 2007/2008 eine von Fachkräften gestützte Entscheidung (§ 36 Abs. 2 Satz 1 SGB V) der Beklagten über Eingliederungsmaßnahmen nach § 35 a SGB VIII schon nicht mehr ergangen ist. Allein die bloßen Stellungnahmen im Klage- und Berufungsverfahren ersetzen eine solche vom Gesetz geforderte auf Fachkräfte gestützte Entscheidung im Sinne des § 36 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII nicht. Der Senat legt dabei seiner Entscheidung zugrunde, dass auch im Falle einer ursprünglichen rechtsfehlerfreien Versagung einer Eingliederungsmaßnahme nach § 35 a SGB VIII wegen fehlender rechtzeitiger Antragstellung die hierauf gestützte Ablehnung der Hilfe nicht ohne zeitliche Beschränkung fortbestehen kann. Der Träger der Jugendhilfe darf das etwaige Fortbestehen oder Änderungen des geltend gemachten jugendhilferechtlichen Bedarfes nicht aus den Augen verlieren (vgl. dazu BVerwG vom 29.1.2004 BVerwGE 120, 116). Maßgebend ist der nach § 35 a SGB VIII jeweils aktuelle Hilfebedarf des Jugendlichen, der für die der Ablehnung folgenden Zeitabschnitte jeweils gesondert festzustellen ist. Es sind mithin Zeitabschnitte zu bilden, in denen der zuständige Jugendhilfeträger von sich aus oder aufgrund äußeren Anlasses gehalten ist, erneut zu entscheiden, ob die Ablehnung Fortbestand haben kann, oder ob sich der Hilfebedarf des Betroffenen dergestalt geändert hat, dass nunmehr die begehrte Hilfe zu leisten ist (vgl. dazu BVerwG vom 11.8.2005 a. a. O.; BayVGH vom 30.1.2008 Az. 23 B 07.280; OVG NRW vom 14.3.2003 NVwZ-RR 2003, 864). Es liegt in der Sache nahe, die Zeitabschnitte, die zu einer weiteren Prüfung des Hilfebedarfes Anlass geben können, bei der Hilfe für eine angemessene Schulbildung (§ 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Bundessozialhilfegesetz – BSHG –, § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB XII –) nach Schuljahren zu bestimmen. Dem steht auch nicht entgegen, dass die gerichtliche Prüfung grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides abzustellen hat. Denn, hat – wie hier – die Behörde die Kostenübernahme für den Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung hinaus für einen in die Zukunft hineinreichenden Zeitraum abgelehnt, so ist für die gerichtliche Überprüfung die Sach- und Rechtslage im gesamten Regelungszeitraum maßgebend (BVerwG vom 31.8.1995 NJW 1996, 2588). Die Beklagte hatte zwar unstreitig hinreichend Anlass, die Prüfung des Hilfebedarfes auch für die Schuljahre 2005/2006, 2006/2007 und 2007/2008 wieder aufzunehmen bzw. fortzusetzen und erneut das Vorliegen der Teilhabebeeinträchtigung und die Frage der Geeignetheit und Angemessenheit einer Hilfe nach § 35 a SGB VIII auch im schulischen Bereich zu treffen. An einer solchen Entscheidung über die im Einzelfall angezeigte Hilfeart im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte gemäß § 36 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII fehlt es hier für die o. a. Schuljahre. Das Gericht darf aber die ablehnende Entscheidung der Beklagten nur anhand derjenigen Erwägungen prüfen, die die Behörde tatsächlich angestellt hat (Rennert, a.a.O., § 114 RdNr. 22) ...

Die insoweit fehlerhafte Ablehnung der Hilfegewährung führt zwar zur Aufhebung des ablehnenden Bescheides für den entsprechenden Zeitraum (vgl. Kunkel a.a.O. § 36 RdNr. 3), aber – anders als der Kläger meint – nicht regelmäßig dazu, dass die Beklagte in jedem Fall jedwede vom Kläger ausgewählt Maßnahme durch Übernahme der Kosten zu finanzieren hat. Eine solche Rechtsfolge ergibt sich vorliegend weder aus der oben bereits angeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Übernahme der Kosten selbst beschaffter Hilfemaßnahmen (vgl. dazu BVerwG vom 11.8.2005 a. a. O.) noch aus dem am 1. Oktober 2005 in Kraft getretenen § 36 a Abs. 3 SGB VIII (siehe dazu BT-Drs. 15/3676 vom 8.9.2004 S. 26). Denn eine auf § 36 Abs. 2 SGB VIII gestützte Entscheidung, ob die Beschulung des Klägers in der Realschule im Sabel-Schulzentrum eine geeignete bzw. fachlich vertretbare Eingliederungsmaßnahme – hierauf schränkt sich die Entscheidungsmöglichkeit des Beklagten nun ein (siehe dazu BVerwG vom 20.7.2000 a. a. O.) – darstellt, ist offen. Bereits in der Entscheidung zur Eingliederungshilfeverordnung vom 20.7.2000 (a.a.O.) stellte das Bundesverwaltungsgericht darauf ab, dass sich die (Selbst-)Hilfewahl des Betroffenen im Rahmen des Anspruches nach § 8 Abs. 1 Satz 2 EinglHV halten muss, will er nach Ablehnung der Hilfe deren Kostenersatz erstreiten. Die von ihm ausgewählte Hilfeart muss zumindest fachlich vertretbar sein. Davon kann allenfalls dann abgesehen werden, wenn die Behörde es beispielsweise dem Hilfesuchenden überlässt, sich die Leistung zur Deckung eines unaufschiebbaren Bedarfs selbst zu beschaffen (so OVG NRW vom 14.3.2003 FEVS 55, 16), oder ihm trotz Kenntnis vom Hilfebedarf eine konkrete andere Hilfemöglichkeit nicht aufzeigt (zu alledem Fischer, a. a. O., § 36 a RdNr. 26 m. w. N.).

Die Sache ist mithin nicht spruchreif im Sinne des § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO (vgl. dazu Jörg Schmidt in Eyermann, a.a.O., § 113 RdNrn. 38, 42). Die Beklagte war deshalb lediglich zu verpflichten, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats für den Zeitraum ab dem 11. März 2005 zu bescheiden (dazu auch BVerwG vom 20.7.2000 a.a.O.).

Dem Kläger steht allein einen Rechtsanspruch auf eine fehlerfrei Entscheidung über seinen Antrag nach § 35 a SGB VIII zu, der sich hier jedoch auf die Übernahme der Kosten des Besuches der Realschule im Sabel-Schulzentrum durch die Beklagte einengt (siehe dazu BVerwG vom 20.7.2000 a.a.O.). Es ist – wie bereits ausgeführt – allein Sache des zuständigen Jugendamtes über die Geeignetheit der für den Kläger erforderlichen Hilfe zu entscheiden. Der Senat kann, auch wenn er das Fehlen einer rechtsfehlerfreien Auswahlentscheidung annimmt, nicht sein Ermessen an die Stelle des jugendamtlichen Ermessens setzen und selbst über die geeignete Hilfe entscheiden (Jans/Happe/Saurbier/Maas, a. a. O., § 36 RdNr. 59). Einer aktualisierten Feststellung der Teilhabebeeinträchtigung hat eine im Zusammenwirken von Fachkräften im Sinne des § 36 Abs. 2 SGB VIII getroffene nachvollziehbare Bedarfsanalyse und hierauf gestützt allein noch eine Auswahlentscheidung zu folgen, ob der Besuch der Realschule im Sabel-Schulzentrum eine geeignete Maßnahme der Eingliederungshilfe ist. Richtigerweise bedarf es dazu auch „weiterer Ermittlungen im Tatsächlichen“ (BVerwG vom 11.8.2005 a.a.O.). So wird der Beklagte zu beachten haben, dass der Kläger zwischenzeitlich die Realschule besucht und für den jeweiligen Zeitabschnitt die aktuelle Bedarfslage des Klägers allein maßgebend ist. Dabei ist die geeignete Hilfeleistung nicht aus sich heraus die Fortsetzung der Hilfemaßnahme, die sich der Kläger vorher selbst beschafft hat. Der Kläger zielte von Anbeginn an auf eine dauernde Übernahme des Schulgeldes für den Besuch der Realschule im Sabel-Schulzentrum bis zum Erreichen des von seinen Eltern gewünschten Schulabschlusses ab. Er selbst ging folglich davon aus, dass seine seelische Behinderung im Sinne des § 35 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII über die Jahre fortbesteht, und die Beschulung in der Privatschule insoweit keine Besserung bewirken wird. Die Überlegungen der Beklagten, insbesondere unter Einbeziehung der familiären Situation sei Eingliederungshilfe mit dem Ziel zu leisten, beim Kläger etwa durch weitere oder gar verstärkte ambulante Hilfen in absehbarer Zeit die Teilhabebeeinträchtigung zu beseitigen oder zu mildern, sind zu konkretisieren. Allerdings ist zu erwägen, wie es sich auswirkt, wenn der Kläger gegebenenfalls zum Ende des jeweiligen Schuljahres das Internat verlassen hätte und dass eine solche Änderung der Eingliederungsmaßnahme aber dann hinzunehmen gewesen wäre, wenn die umstellungsbedingten Schwierigkeiten lediglich in einer Übergangsphase zu erwarten gewesen wären oder durch flankierende Hilfe hätten aufgefangen werden können (zu alledem BVerwG vom 11.8.2005 a.a.O.). Soweit eingewandt wird, der Kläger sei schon nicht befähigt, staatliche Regelschulen zu besuchen, ist daran zu denken, die Schulaufsichtsbehörden beizuziehen (vgl. etwa VGH BW vom 14.1.2003 FEVS 54, 218).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.