Bayerischer VerfGH, Entscheidung vom 30.01.2008 - Vf. 61-VI-07
Fundstelle
openJur 2012, 89670
  • Rkr:
Gründe

I.

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen das Endurteil des Landgerichts Passau vom 12. August 2004 in der Fassung desBerichtigungsbeschlusses vom 28. September 2004 Az. 1 HKO 958/01 und gegen das Endurteil des Oberlandesgerichts München vom23. März 2006 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 5. Mai 2006 Az. 23 U 4425/04.

1. Die Parteien des Ausgangsverfahrens sind Brüder. Sie waren alleinige Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft (KG), diein P. ein Einkaufszentrum betrieb. Die Einnahmen der Gesellschaft bestanden nahezu ausschließlich aus den Mieten, die vonden Mietern der Gewerbeflächen zu entrichten waren. Die KG war durch Umwandlung des früher vom Vater der Parteien geführtenEinzelunternehmens mit Wirkung zum 1. Januar 1960 entstanden. Ende 1973 schieden die Eltern der Parteien aus der Gesellschaftaus. Im Weg der vorweggenommenen Erbfolge übertrugen sie ihre Anteile in der Weise auf ihre Söhne, dass der BeschwerdeführerKommanditist mit einer festen Kapitalbeteiligung von 100.000 DM und sein Bruder Komplementär mit einer solchen von 200.000DM wurden, die Geschwister also im Verhältnis 1/3 zu 2/3 an der Gesellschaft beteiligt waren.

Der Bruder des Beschwerdeführers schied aufgrund einer von ihm erklärten Kündigung zum 31. Januar 2001 aus der Gesellschaftaus. Der Beschwerdeführer nahm das im Gesellschaftsvertrag verankerte Fortführungsrecht wahr und setzte das Unternehmen alsEinzelfirma fort.

Das Abfindungsguthaben eines ausscheidenden Gesellschafters bestimmt sich nach § 16 des Gesellschaftsvertrags vom 15. November1973 entsprechend seiner Beteiligungsquote aus der Kapitalisierung der Jahresmiete mit einem festgelegten Zinssatz. Die Jahresmieteberechnet sich aus der umgerechneten Sollmiete im letzten Monat vor dem Ausscheiden, wobei eigengenutzte Flächen mit dem marktüblichenMietbetrag anzusetzen sind. Zur Vermeidung einer Betriebsgefährdung ist das Abfindungsguthaben in fünf gleichen Jahresratenjeweils am Ende des Kalenderjahrs auszuzahlen. Das Guthaben ist vom Zeitpunkt des Ausscheidens an mit einem bestimmten Prozentsatzzu verzinsen.

Das Einkaufszentrum hat verschiedene Leerstände, so im Keller und im ersten Obergeschoss. Die Zufahrt zur Laderampe ist rechtlichnicht abgesichert. Schließlich sind nicht genügend Parkmöglichkeiten vorhanden. Unter Berücksichtigung dieser Umstände beläuftsich der Ertragswert des Unternehmens nach einem vom Landgericht erholten Sachverständigengutachten auf höchstens 1 Mio. €.

2. Mit der zum Landgericht Passau erhobenen Klage nahm der ausgeschiedene Gesellschafter den Beschwerdeführer auf Zahlungder fälligen Raten des Abfindungsguthabens in Anspruch.

Das Landgericht entsprach mit Endurteil vom 12. August 2004 der Klage teilweise in Höhe zweier Jahresraten, die es mit insgesamt2.013.470,80 € errechnete. Auf beiderseitige Berufung sprach das Oberlandesgericht mit Urteil vom 23. März 2006 dem Klägerdie zweitinstanzlich geltend gemachten vier Raten des Abfindungsguthabens in Höhe von jeweils 1.272.355,83 € zu, ließ jedochdie Aufrechnung mit einem Gegenanspruch über 16.616,99 € durchgreifen, woraus sich der zuerkannte Betrag von 5.072.806,35€ ergibt. Das Gericht ging hierbei von einem gesellschaftsvertraglichen Abfindungsguthaben in Höhe von 6.361.779 € aus. Demlag eine Auslegung der Abfindungsklausel zugrunde, wonach unter der Sollmiete die von den Mietern der Gesellschaft geschuldeteRohmiete, ohne Berücksichtung von Bewirtschaftungskosten, zu verstehen sei. Der Meinung des Beschwerdeführers, die Sollmietesei als Reinmiete zu verstehen, die unterbliebene Berücksichtigung von Bewirtschaftungskosten führe zu willkürlichen Ergebnissenund zu einem völlig überhöhten Unternehmenswert, der nicht dem tatsächlichen entspreche und der den Fortbestand der Gesellschaftexistentiell gefährde, folgte das Oberlandesgericht nicht. Ebenso wenig hielt es die maßgebliche Klausel für nichtig. DieVoraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung oder einer Vertragsanpassung verneinte es. An der Durchsetzung seinesAbfindungsanspruchs sei der Kläger auch nicht nach § 242 BGB gehindert.

3. Mit Beschluss vom 4. Juni 2007 wies der Bundesgerichtshof die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen dasUrteil des Oberlandesgerichts zurück. Es liege keiner der im Gesetz (§ 543 Abs. 2 ZPO) vorgesehenen Gründe vor, nach denendie Revision zugelassen werden dürfe. Die Verfahrensrügen habe der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet.

II.

1. Mit seiner am 24. Juli 2007 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer, das Landgericht und das Oberlandesgerichthätten durch die vorgenommene Bemessung des gesellschaftsvertraglichen Abfindungsanspruchs gegen die Gewährleistung von Eigentumund Erbrecht (Art. 103, 158 BV) sowie gegen das Willkürverbot (Art. 118 Abs. 1 BV) verstoßen.

a) Insbesondere hätten die Fachgerichte den Einfluss der Eigentumsgarantie bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe,wie des Begriffs der Sollmiete, nicht beachtet. Mit dem Schutzbereich von Art. 103 Abs. 1 i. V. m. Art. 158 BV vereinbar seinur ein Abfindungsbetrag, der den Vorgaben des Gesellschaftsvertrags und dabei besonders der beabsichtigten Sicherung derUnternehmensfortführung durch den verbleibenden Gesellschafter gerecht werde, das heißt für diesen erfüllbar sei. Seinem gesellschaftsvertraglichverankerten Fortführungsrecht hätten Land- wie Oberlandesgericht nicht die verfassungsrechtlich gebührende Bedeutung beigemessen.Beide Gerichte hätten überhaupt nicht erkannt, dass sie sich im Grundrechtsbereich bewegten. Der Beschwerdeführer müsse entwedereine völlig überhöhte Abfindung, gegebenenfalls aus seinem Privatvermögen, zahlen oder unter Aufgabe seines Fortführungsrechtsdie Firma liquidieren. Dies widerspreche eklatant der Eigentumsgarantie. Das Einkaufszentrum selbst und die dazugehörendenSachen und Rechte wie auch das Recht auf Erhalt des Unternehmens stellten vermögenswerte Positionen im Sinn von Art. 103 Abs.1 i. V. m. Art. 158 BV dar. Diese Positionen würden durch den zuerkannten Abfindungsbetrag vernichtet. Das Oberlandesgerichtlegitimiere damit in verfassungswidriger Weise eine Zwangsliquidation infolge der vom tatsächlichen Unternehmenswert völliglosgelösten Abfindungsforderung des ausgeschiedenen Gesellschafters. Ein solches Ergebnis hätte sich durch eine verfassungskonformeAuslegung des Begriffs der Sollmiete vermeiden lassen.

Die Beteiligung bei personalistisch geprägten Gesellschaften sei mehr als eine bloße Vermögensposition. Der Kommanditist einerPersonengesellschaft könne daher ohne wichtigen Grund nicht aus der Gesellschaft hinausgedrängt oder zu einer Zwangsliquidationgezwungen werden. Das Oberlandesgericht habe eine Auslegung im Lichte des Art. 103 Abs. 1 i. V. m. Art. 158 BV erkennbar unterlassen,wenn es annehme, die gesellschaftsvertragliche Abfindungsregelung sei nicht bereits deshalb nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig,weil der an den ausscheidenden Gesellschafter zu zahlende Betrag den tatsächlichen Anteilswert deutlich übersteige. Damitwerde eine grundsätzliche Fehlbewertung der Eigentumsgarantie im Bereich der Personengesellschaften vorgenommen. Die Abfindungsleistungdürfe sich der Höhe nach nicht deutlich über dem Verkehrs- oder Liquidationswert bewegen.

b) Ferner sei die ebenfalls durch Art. 103 Abs. 1 i. V. m. Art. 158 BV garantierte Testierfreiheit verletzt. Das Recht desErblassers, sein Vermögen ungebunden zu vererben, falle ebenso unter den Schutz dieses Grundrechts wie das Recht des Erbenam ererbten Vermögen oder Eigentum. Der Schutz der Testierfreiheit, der auch vom Erben geltend gemacht werden könne, und derSchutz des Rechts am Ererbten müssten auch im Fall der vorweggenommenen Erbfolge gelten. Das Firmenfortführungsrecht sei durchdie Eigentums- und Erbrechtsgarantie gewährleistet. Da der zuerkannte Abfindungsanspruch mehr als fünfmal so hoch sei wieder tatsächliche Ertragswert, sei der Beschwerdeführer nicht in der Lage, das Unternehmen fortzuführen. Das von den Fachgerichtengefundene Ergebnis berücksichtige nicht den im Rahmen der Testierfreiheit beachtlichen Willen des Erblassers, das Unternehmendurch einen Nachkommen fortführen zu lassen. Es missachte auch das seit über 30 Jahren zwischen den Brüdern als vorweggenommenenErben beiderseits bestehende Fortführungsrecht. Das Spannungsverhältnis zwischen Fortsetzungsklausel einerseits und Abfindungsklauselandererseits hätten die Fachgerichte nicht ansatzweise unter Beachtung der verfassungsmäßigen Vorgaben gelöst. Die fachgerichtlichenUrteile beruhten auf dieser Fehleinschätzung, weil andernfalls - unter Berücksichtigung der Kosten - nur ein auf Ertragserwirtschaftungausgerichteter Betrag angesetzt worden wäre.

c) Willkürlich im Sinn von Art. 118 Abs. 1 BV sei die Entscheidung des Oberlandesgerichts, weil sie auf einer fehlerhaftenRechtsanwendung beruhe, die sachlich schlechthin unhaltbar sei, unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar erscheineund sich deshalb der Schluss aufdränge, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen. Die Auslegung der Abfindungsklausel führe denvon den Gesellschaftern und deren Vater verfolgten Zweck der Fortsetzung der Gesellschaft geradezu ad absurdum und angesichtsdes außerordentlichen Missverhältnisses zwischen zuerkanntem Betrag und tatsächlichem Verkehrswert zur Existenzvernichtung.Art. 118 Abs. 1 BV werde nicht richtig eingeschätzt, wenn das Berufungsgericht ausführe, dass die Möglichkeit, eine deutlichüber dem Ertragswert liegende Abfindung zu erhalten, allen Gesellschaftern gleichermaßen offenstehe. Denn eine deutlich höhereAbfindung könne nur der zuerst kündigende Gesellschafter erzielen. Der nach dieser Auffassung eröffnete Wettlauf der Kündigendenstehe in diametralem Gegensatz zu Sinn und Zweck der Fortsetzungsklausel.

2. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hat von einer Stellungnahme zu der Verfassungsbeschwerde abgesehen.

III.

Die Verfassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Bereits die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde ist zweifelhaft, weil sich ein Bundesgericht im Rahmen der Entscheidungüber eine Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Nichtzulassung der Revision mit dem hier maßgeblichen verfassungsrechtlichenProblem befasst hat. Damit stellt sich die Frage nach der Entscheidungskompetenz des Landesverfassungsgerichts.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (vgl. Meder, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 4. Aufl.1992, RdNr. 40 zu Art. 120 m. w. N.; VerfGH vom 7.2.1986 = VerfGH 39, 9/15) ist eine Verfassungsbeschwerde gegen landesgerichtlicheEntscheidungen nicht mehr zulässig, wenn diese von einem obersten Gerichtshof des Bundes in einem Rechtsmittelverfahren aufgrundsachlicher Prüfung in ihrem Inhalt bestätigt wurden. In einem solchen Fall wird die Entscheidung des Gerichts des Landes inden Bereich der Bundesgerichtsbarkeit einbezogen mit der Wirkung, dass sie der Anfechtung durch die landesrechtliche Verfassungsbeschwerdeentzogen ist.

Der Verfassungsgerichtshof hat auf der Grundlage des vor Inkrafttreten des Zivilprozessreformgesetzes vom 27. Juli 2001 (BGBlI S. 1887) geltenden Rechtszustands - wonach die Annahme der Revision abgelehnt werden konnte, wenn die Rechtssache keinegrundsätzliche Bedeutung hatte - die Auffassung vertreten, dass im Fall der Ablehnung der Annahme einer Revision durch denBundesgerichtshof die Streitsache nicht in den Bereich der Bundesgewalt zur sachlichen Prüfung übernommen werde. Daran ändereauch nichts, dass der Bundesgerichtshof im Anschluss an die Plenarentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni1980 (BVerfGE 54, 277) die Annahme einer Revision nicht ablehne, wenn das Rechtsmittel im Endergebnis Aussicht auf Erfolghabe. Denn diese Sachprüfung bereite lediglich die Entscheidung nach § 554 b Abs. 1 ZPO (a. F.) vor. Seitens der Bundesgewaltwerde nur die Entscheidung getroffen, ob die Voraussetzungen für die Annahme der Revision gegeben seien. Die Ablehnung derRevisionsannahme durch den Bundesgerichtshof stehe daher der Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde zum Bayerischen Verfassungsgerichtshofnicht entgegen (VerfGH vom 8.6.1984 = VerfGH 37, 85/88; bejahend Zuck, Das Recht der Verfassungsbeschwerde, 3. Aufl. 2006,RdNr. 271).

Mit ähnlichen Erwägungen bejaht der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung seine grundsätzliche Prüfungskompetenzbei erfolglosen Nichtzulassungsbeschwerden beispielsweise in der Arbeitsgerichtsbarkeit (VerfGH vom 9.10.2006 Vf. 98-VI-04)und der Verwaltungsgerichtsbarkeit (VerfGH vom 3.12.1970 = VerfGH 23, 190/191; VerfGH vom 5.7.1984 = VerfGH 37, 89/92 f.;VerfGH vom 11.4.2002 = VerfGH 55, 43/46 f.).

b) Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung(§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO n. F.) dann zuzulassen, wenn das Berufungsurteil auf einer Verletzung des Willkürverbotsoder eines Verfahrensgrundrechts beruht (BGH vom 19.12.2002 = NJW 2003, 831; BGH vom 27.3.2003 = BGHZ 154, 288; BGH vom 11.5.2004= BGHZ 159, 135; BGH vom 8.9.2004 = NJW 2005, 154; BGH vom 7.10.2004 = NJW 2005, 153). Der Revision komme auf diese Weiseauch die Funktion zu, präsumtiv erfolgreiche Verfassungsbeschwerden zu vermeiden. Für die Beurteilung der Zulässigkeit einerRevision könnten sich die Parteien demnach an der Rechtsprechungspraxis des Bundesverfassungsgerichts orientieren. Auf dieOffenkundigkeit des Verstoßes gegen das Willkürverbot oder das Verfahrensgrundrecht komme es, entgegen älterer Auffassungen(BGH vom 4.7.2002 = BGHZ 151, 221/227; BGH vom 1.10.2002 = BGHZ 152, 182/193 f.), nicht mehr an (BGH vom 27.3.2003 = BGHZ154, 288/296 f.; BGH vom 11.5.2004 = BGHZ 159, 135/140).

Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Kammerentscheidung vom 26. April 2004 (NJW 2004, 3029) die vom Bundesgerichtshofvorgenommene Auslegung des § 543 Abs. 2 ZPO ausdrücklich gebilligt mit der Folge, dass in den Fällen (vermeintlich) objektivwillkürlicher oder unter Verstoß gegen Verfahrensgrundrechte zustande gekommener Entscheidungen des Berufungsgerichts dasGebot der Rechtswegerschöpfung die Einlegung der Beschwerde nach § 543 Abs. 2 ZPO verlangt, da diese nicht offensichtlichaussichtslos ist.

Schließlich wird die grundsätzlich strikte Trennung zwischen Nichtzulassungsbeschwerde und den zu prüfenden Zulassungskriteriennach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO einerseits und der Prüfung der Revision andererseits in § 544 Abs. 7 ZPO (in der Fassung desGesetzes vom 9.12.2004, BGBl I S. 3220) durchbrochen, wenn der Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör entscheidungserheblichverletzt wurde. In diesem Fall kann das Revisionsgericht bereits in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das Berufungsurteilaufheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverweisen (vgl. BGH vom 5.4.2005 = NJW 2005, 1950; BGH vom 1.6.2005 =NJW 2005, 2710).

Demgemäß hatte der Beschwerdeführer im Rahmen der erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde auch ausdrücklich und unter Hinweisauf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerügt, die Auslegung des Gesellschaftsvertrags durch das Berufungsgericht seiwillkürlich.

Die dargelegten Änderungen sowohl hinsichtlich der Rechtslage als auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könntendafür sprechen, die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde zum Landesverfassungsgericht zu verneinen.

2. Letztlich kann jedoch die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde, auch soweit sie das Urteil des Landgerichts Passau betrifft,zu der der Beschwerdeführer nicht anführt, worin der spezifische Willkürverstoß dieser Entscheidung liegen soll, dahinstehen;denn die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet.

Der Verfassungsgerichtshof überprüft gerichtliche Entscheidungen nur in engen Grenzen. Er ist kein Rechtmittelgericht. Esist nicht seine Aufgabe, fachgerichtliche Entscheidungen allgemein auf die Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen, derAuslegung der Gesetze und ihrer Anwendung auf den konkreten Fall zu kontrollieren. Im Rahmen der Verfassungsbeschwerde istnur zu prüfen, ob das Gericht gegen Normen der Bayerischen Verfassung verstoßen hat, die ein subjektives Recht des Beschwerdeführersverbürgen. Gegenüber der Anwendung von materiellem Bundesrecht, das wegen seines höheren Rangs nicht am Maßstab der BayerischenVerfassung überprüft werden kann, beschränkt sich die Prüfung darauf, ob das Gericht willkürlich im Sinn des Art. 118 Abs.1 BV gehandelt hat (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 8.11.2000 = VerfGH 53, 157/159; VerfGH vom 30.1.2007 = VerfGH60, 14/20 f.).

a) Die angefochtenen Entscheidungen verstoßen nicht gegen das Willkürverbot des Art. 118 Abs. 1 BV.

Ein Verstoß gegen das Willkürverbot kann nur dann festgestellt werden, wenn die Entscheidung bei Würdigung der die Verfassungbeherrschenden Grundsätze nicht mehr verständlich ist und sich der Schluss aufdrängt, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen.Die Entscheidung dürfte also unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar sein; sie müsste schlechthin unhaltbar, offensichtlichsachwidrig, eindeutig unangemessen sein. Selbst eine fehlerhafte Anwendung einfachen Rechts begründet deshalb für sich alleinnoch keinen Verstoß gegen das Willkürverbot als Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes (ständige Rechtsprechung; vgl.VerfGH vom 11.3.2003 = VerfGH 56, 22/25; VerfGH vom 23.6.2003 = VerfGH 56, 112/115; VerfGH vom 2.2.2004 = VerfGH 57, 1/4).

aa) Nach § 738 BGB steht dem ausscheidenden Gesellschafter ein Abfindungsanspruch zu, der sich nach dem vollen wirtschaftlichenWert richtet, soweit der Gesellschaftsvertrag keine davon abweichende Abfindungsklausel enthält (BGH vom 16.12.1991 = BGHZ116, 359; Sprau in Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, RdNrn. 4 ff. zu § 738). Von einer individualvertraglichen Regelung wird inder gesellschaftsrechtlichen Praxis häufig Gebrauch gemacht. Sie dient verschiedenen Zwecken, etwa um die Abrechnung zu vereinfachenund/oder die Gesellschaft vor zu hohem Kapitalabfluss zu schützen und deren Erhalt zu sichern (BGH vom 24.5.1993 = WM 1993,1412/1413; Karakaya/Prüßner, MDR 2002, 804/805). Dem steht das Interesse des ausscheidungswilligen Gesellschafters an schnellerund ungeschmälerter Abfindung gegenüber. Die zivilgerichtliche Praxis hat demgemäß meist Klauseln zu beurteilen, die die Höheder Abfindung einschränken und/oder deren Zeitpunkt hinausschieben. Hingegen mussten sich die Fachgerichte bislang seltenermit dem umgekehrten Fall befassen, dass die satzungsgemäße Abfindung den Verkehrswert des Anteils übertrifft, den der ausgeschiedeneGesellschafter am Gesellschaftsvermögen hat (vgl. Hülsmann, NJW 2002, 1673/1674). In diesem Fall ist bei einem erheblichenMissverhältnis zwischen dem vertraglichen Abfindungsanspruch und dem Verkehrswert (Ertragswert) der kündigungsbefangenen Beteiligungeine Anpassung der Abfindung entweder im Weg der ergänzenden Vertragsauslegung oder unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls derGeschäftsgrundlage zu erwägen. Vorweg sind alle Umstände des konkreten Falles zu berücksichtigen, so etwa, wenn die Fälligkeitsregelungzugunsten des Unternehmens eine Ratenzahlungsregelung enthält, während der Anspruch nach dem Gesetz mit dem Ausscheiden fälligwürde (§ 271 Abs. 1 BGB; Sprau in Palandt, RdNr. 6 zu § 738; siehe auch BGH vom 20.9.1993 = BGHZ 123, 281/288).

bb) Ob die Fachgerichte die Abfindungsklausel zutreffend ausgelegt und zu Recht als gültig angesehen haben, hat der Verfassungsgerichtshofnicht zu entscheiden. Ebenso wenig unterliegt es seiner Beurteilung, ob bei an sich zutreffender Auslegung der Klausel aufder Grundlage der angenommenen Wertverhältnisse eine Vertragsanpassung zugunsten des fortführungswilligen Gesellschaftersin Form einer Herabsetzung der Abfindung hätte stattfinden müssen. Die angegriffenen Entscheidungen lassen in dieser Hinsichtkeine sachfremden Erwägungen erkennen. Das Oberlandesgericht interpretiert als Sollmiete im Sinn des Gesellschaftsvertragsdie Rohmiete und geht davon aus, dass es nicht auf die tatsächlich geleistete, sondern auf die geschuldete Miete ankomme.Es leitet diese Auslegung vom Wortlaut der Regelung (siehe Heinrichs/Ellenberger in Palandt, RdNr. 14 zu § 133 m. w. N.) sowieaus dem Zusammenhang mit einer weiteren vertraglichen Klausel (vgl. dazu etwa BGH vom 19.3.1956 = NJW 1957, 873) über denAnsatz eigengenutzter Flächen ab. Einen abweichenden Parteiwillen hat es nicht festgestellt. Das Gericht hat hierbei durchauserkannt, dass die gefundene Interpretation einen Abfindungsanspruch bedingt, der über dem tatsächlichen Anteilswert liegt,und dass eine derartige Regelung mit Blick auf das meist im Vordergrund stehende Unternehmenserhaltungsinteresse die Ausnahmebilden dürfte (vgl. Sprau in Palandt, RdNr. 7 zu § 738). Dessen ungeachtet hat es aus verschiedenen Erwägungen an der getroffenenAuslegung festgehalten und auch eine richterliche Korrektur des Ergebnisses abgelehnt. Dies ist nicht schlechthin unhaltbar,offensichtlich sachwidrig oder eindeutig unangemessen.

cc) Das Oberlandesgericht hat darauf abgestellt, dass sich nach der maßgeblichen Klausel das Abfindungsguthaben für beideGesellschafter gleichermaßen berechnet und deren Kündigungsrecht nicht dadurch eingeschränkt wird, dass für die zu zahlendeAbfindung die Unternehmensliquidation wirtschaftlich gegebenenfalls sinnvoller erscheint als die Fortführung. Diese Sichtweiseist unter dem Gesichtspunkt des Willkürverbots nicht angreifbar. Willkür liegt insbesondere nicht schon dann vor, wenn dieAnwendung des einfachen Rechts Fehler enthalten sollte oder wenn eine dem Gleichheitssatz vielleicht noch besser entsprechendeEntscheidung denkbar wäre (BVerfG vom 16.12.1981 = BVerfGE 59, 128/161; Meder, RdNr. 20 zu Art. 118 m. w. N.). Zudem sprichtfür die Sichtweise des Oberlandesgerichts der zivilrechtliche Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung aller Gesellschafter(Karakaya/Prüßner, MDR 2002, 804/806).

Dass das Oberlandesgericht aus der Diskrepanz zwischen dem fiktiv errechneten Unternehmenswert von rund 9,5 Mio. €, einemLiquidationswert von knapp 5,3 Mio. € und einem Ertragswert einschließlich des Liquidationswerts für nicht betriebsnotwendigesVermögen von knapp 3,7 Mio. € keine Sittenwidrigkeit der Abfindungsklausel hergeleitet hat, ist ebenfalls willkürfrei. Denunter den Beteiligten des Ausgangsverfahrens umstrittenen Ertragswert hat das Oberlandesgericht mit der Überlegung außer Betrachtlassen können, dass der verbleibende Gesellschafter die Wahlmöglichkeit hat, in Kenntnis der Höhe des Abfindungsguthabensdas Unternehmen fortzuführen oder die Gesellschaft zu liquidieren und sich das Auseinandersetzungsguthaben auszahlen zu lassen.Im letzteren Fall stellt sich der ursprünglich fortsetzungswillige Gesellschafter nicht schlechter als der kündigende.

In diesem Zusammenhang ist es nach dem Willkürmaßstab nicht zu beanstanden, dass das Oberlandesgericht eine ergänzende Vertragsauslegungoder eine Vertragsanpassung nicht vorgenommen hat (dazu BGH vom 20.9.1993 = BGHZ 123, 281). Es hat maßgeblich auf die ursprünglicheEntscheidung der Vertragsparteien abgehoben, die Abfindung gegebenenfalls auch deutlich höher als nach dem Ertragswert festzulegen.Der fortsetzungswillige Gesellschafter kann nach der Sichtweise des Gerichts seine wirtschaftlichen Überlegungen an der klarenund eindeutigen Berechnung des Abfindungsguthabens ausrichten. Das Gericht hält es für verfehlt, das Risiko nicht eingetretenerwirtschaftlicher Erwartungen, wie der Vermietbarkeit von Flächen, dem abfindungsberechtigten Gesellschafter aufzubürden. Überdiesverneint es auch eine wesentliche nachträgliche Änderung der Sachlage, die eine Anpassung an das ursprünglich Gewollte erfordert.Diese aus der Anwendung des einfachen Rechts gezogenen Schlüsse sind jedenfalls nicht schlechthin unhaltbar.

dd) Sachfremd und unverständlich ist die Entscheidung des Oberlandesgerichts schließlich nicht deshalb, weil seine Überlegungendie Möglichkeit einschließen, dass ein mit der Kündigung des einzigen Mitgesellschafters konfrontierter, wirtschaftlich denkenderGesellschafter das Unternehmen nicht fortführen wird, sondern es liquidieren muss. Im Allgemeinen werden Fortsetzungs- undÜbernahmeklauseln dahin ausgelegt, dass dem verbleibenden Gesellschafter einer Zwei-Personen-Gesellschaft ein Übernahmerechtzusteht, er aber nicht zur Fortführung verpflichtet ist (z. B. BGH vom 21.1.1957 = LM § 138 HGB Nr. 2; OLG Karlsruhe vom 25.10.2006= ZIP 2007, 1908). Auf dieser Grundlage behält der zunächst fortführungswillige Gesellschafter seinen Entscheidungsspielraum.Entscheidet er sich zur Liquidation, muss er nicht den Abfindungsbetrag bezahlen; die Ansprüche beschränken sich auf das möglicherweiseniedrigere Auseinandersetzungsguthaben. Ob das gesellschaftsvertragliche Fortführungsrecht unter bestimmten Voraussetzungenden Schutz des Eigentums (Art. 14 GG, Art. 103 BV) genießen kann mit der Folge, dass eine durch überhöhte Abfindungsbeträgeerzwungene Liquidation nicht stattfinden darf, ist an dieser Stelle nicht zu erörtern. Denn willkürlich ist es jedenfallsnicht, wenn das Oberlandesgericht unter Auslegung des konkreten Gesellschaftsvertrags ihm diesen Rang nicht einräumt.

b) Auf die Rüge, Eigentum und Erbrecht (Art. 103, 158 BV) seien verletzt, weil das Fortführungsrecht des Beschwerdeführersmissachtet sei, kann die Verfassungsbeschwerde nicht gestützt werden. Gerichtliche Entscheidungen, die, wie hier, auf derGrundlage willkürfrei angewandten materiellen Bundesrechts ergehen, können sonstige verfassungsmäßige Rechte der BayerischenVerfassung nicht verletzen. Nur dann, wenn eine auf das Willkürverbot gestützte Rüge begründet wäre, könnten auch andere verfassungsmäßigeRechte der Bayerischen Verfassung verletzt sein (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 13.1.2005 = VerfGH 58, 37/44).

c) Die gegen die Entscheidung des Landgerichts erhobenen Rügen gehen nicht über diejenigen gegen das Urteil des OberlandesgerichtsMünchen hinaus. Das Landgericht hat unter Anwendung einfachgesetzlichen Bundesrechts im Weg einer Vertragsanpassung nach Treuund Glauben (§ 242 BGB) den Abfindungsanspruch nach dem unter sachverständiger Beratung ermittelten Ertragswert einschließlicheines Guthabens auf dem Gesellschafter-Verrechnungskonto willkürfrei bemessen. Dies ist nach dem vom Verfassungsgerichtshofanzuwendenden Prüfungsmaßstab hinzunehmen.

IV.

Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).

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