VG Bayreuth, Urteil vom 21.01.2008 - B 3 K 06.1159
Fundstelle
openJur 2012, 89525
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin beantragt, den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 28.11.2006 aufzuheben. Darin wurde die Klägerin verpflichtet, für den Zeitraum vom 01.09.2006 bis 31.08.2007 die 15 Plätze in der Kinderbetreuungseinrichtung „….“ als bedarfsnotwendig im Sinne des Art. 7 Abs. 2 Bayerisches Kinderbildungs- und betreuungsgesetz - BayKiBiG - anzuerkennen und den hieraus folgenden kommunalen Finanzierungsanteil zu leisten.

Der beigeladene Verein ist Träger einer Einrichtung für die Betreuung von 15 Kindern im Alter von 2 bis 12 Jahren im Gemeindegebiet … der Gemeinde … (Klägerin). Die Regierung von Oberfranken hat diesem Verein mit Bescheid vom 07.11.1996 die Betriebserlaubnis erteilt.

Im Gebiet der Klägerin gibt es neben der genannten Einrichtung den Evangelischen Kindergarten in … (vgl. Anerkennungsbescheid des Landratsamts … vom 28.12.1979) und den Kindergarten der Arbeiterwohlfahrt in … (vgl. Anerkennungsbescheid des Landratsamts … vom 17.04.1998), beide jeweils mit zwei Gruppen und einer zulässigen Höchstzahl von 50 Ganztagsplätzen.

Die Förderung der Einrichtung des Beigeladenen erfolgte entsprechend der „Netz für Kinder-Richtlinie, NfKR“, des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen.

Der Gemeinderat der Klägerin hatte bezüglich der Förderung der Einrichtung des Beigeladenen in der Sitzung vom 24.09.1996 folgenden Beschluss gefasst: „Die Zuschussgewährung erfolgt nur dann, wenn keine Konkurrenz zu den beiden Kindergärten besteht ...“. Dieser Beschluss wird von der Klägerin als „Grundsatzbeschluss“ bezeichnet.

Mit Schreiben vom 30.11.2005 stellte der Beigeladene bei der Klägerin einen Förderantrag für das Teiljahr 01.01.2006 bis 31.08.2006. Nachdem die Klägerin den Antrag des Beigeladenen wegen fehlenden Bedarfs abgelehnt hatte, verpflichtete das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth die Klägerin im Wege der einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 12.05.2006 (Az.: B 3 E 06.288), an den Beigeladenen einen kommunalen Förderbetrag in Höhe von 17.644,00 EUR für die in dessen Einrichtung erfolgte Betreuung von 15 Kindern im Zeitraum vom 01.01.2006 bis 31.08.2006 vorläufig zu zahlen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Klägerin wurde mit rechtskräftigem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 23.08.2006, Az. 12 CE 06.1468, abgewiesen.

Am 23.07.2006 beantragte der Beigeladene bei der Klägerin für den Förderzeitraum vom 01.09.2006 bis 31.08.2007 die Auszahlung eines kommunalen Anteils in Höhe von 29.595,34 EUR. Diesen Antrag lehnte die Klägerin im Bescheid an den Beigeladenen vom 07.08.2006 mit der Begründung ab, dass ein Bedarf für die Einrichtung nicht anerkannt werde. Die 16 Kinder, die die Einrichtung besuchten, könnten ebenso im evangelischen Kindergarten in Heinersreuth aufgenommen werden. Der Niederschrift der Gemeinderatssitzung vom 04.08.2006 ist zu entnehmen, dass der Kindergarten in … mit 61 Kindern belegt sei, den Kindergarten in … würden 25 Kinder besuchen. 16 Kinder hätten in der Kinderbetreuungseinrichtung des Beigeladenen gebucht.

Gegen den Bescheid der Klägerin vom 07.08.2006 legte der Beigeladene mit Schreiben vom 01.09.2006 Widerspruch ein. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der angefochtene Bescheid das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern unberücksichtigt lasse. Die Tatsache, dass die Eltern der 16 Kinder sich für diese Einrichtung entschieden hätten, sei ein Indiz für den zu deckenden Bedarf. Im Übrigen wurde auf die oben bereits genannte Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23.08.2006 Bezug genommen.

Das Landratsamt … hob daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 28.11.2006 den Bescheid der Klägerin vom 07.08.2006 auf (Ziffer 1) und verpflichtete diese, für den Zeitraum vom 01.09.2006 bis 31.08.2007 in der Einrichtung der Beigeladenen 15 Plätze als bedarfsnotwendig anzuerkennen und den hieraus folgenden, kommunalen Finanzierungsanteil zu leisten (Ziffer 2). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es nicht ausreiche, wenn die betreffende Gemeinde für jedes Kind, für das die Eltern einen Platz in einer Kindertagesstätte in Anspruch nehmen möchten, irgendeinen Platz zur Verfügung habe. Vielmehr müsse die Gemeinde den Eltern bei einem in der näheren Umgebung bestehenden, pluralen Angebot eine Wahlmöglichkeit anbieten können, wenn dies von den Eltern gewünscht werde und keine unverhältnismäßigen Mehrkosten entstünden. Plurales Angebot bedeute, dass Kindertagesstätteneinrichtungen in verschiedener Trägerschaft und mit unterschiedlichen pädagogischen Konzepten vorhanden sein sollten. Auf die Begründung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 23.08.2006 wurde Bezug genommen. Die Situation sei gegenüber dem damaligen Förderzeitraum unverändert. Nach wie vor sei die Einrichtung des Beigeladenen voll belegt und der Elternwille damit unverändert. Dieser sei von der Klägerin bisher nicht berücksichtigt worden. Insofern liege ein Ermessensausfall vor. Zwar betreffe Art. 7 BayKiBiG den eigenen Wirkungskreis der Gemeinden, doch sei vorliegend eine Ermessensreduzierung auf Null eingetreten. Auch fielen keine erheblichen Mehrkosten für die Klägerin an, da ein Platz in der Einrichtung der Beigeladenen nicht erheblich mehr koste als ein Platz in einem der beiden anderen Kindergärten. Zum Einen verursache die Einrichtung des Beigeladenen durch die sog. Landkinderregelung (Einrichtung wird bei der Förderung so behandelt, als wären 22 statt 15 Kinder vorhanden) keine unverhältnismäßig höheren Kosten. Zum Anderen verursache sie gerade nicht die teils massiven finanziellen Belastungen, wie sie die Klägerin bei den beiden anderen Kindergärten tragen müsse, weil mit dem Beigeladenen die Übernahme eines jährlich entstehenden Defizits nicht vereinbart worden sei.

In Ziffer 3 dieses Widerspruchsbescheides erklärte das Landratsamt die Ziffern 1 und 2 dieses Bescheides für sofort vollziehbar, da angesichts der prekären Finanzsituation der Beilgeladenen eine Eilbedürftigkeit bestehe.

Der Widerspruchsbescheid wurde ausweislich des Empfangsbekenntnisses dem Vertreter der Klägerin am 29.11.2006 zugestellt.

Gegen diesen Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 29.12.2006, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am gleichen Tag, Klage. Sie beantragt:

Der Widerspruchsbescheid des Landratsamtes … vom 28.11.2006 wird aufgehoben.

Zur Begründung führte sie aus, dass die Sicherstellung der nach Art. 7 BayKiBiG notwendigen Plätze in Kindertagesstätteneinrichtungen eine Aufgabe der Gemeinden im eigenen Wirkungskreis und in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit seien. Damit sei der Bereich der kommunalen Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz und Art. 11 der Bayerischen Verfassung betroffen. Dieser Bereich unterliege nur der Rechtsaufsicht. Die rechtliche Prüfungsbefugnis des Landratsamtes als Rechtsaufsichtsbehörde erfasse lediglich die Frage, ob das Ermessen erkannt, betätigt und ordnungsgemäß ausgeübt worden sei. Es sei der Widerspruchsbehörde dagegen verwehrt, eigene Ermessenserwägungen anzustellen und diese an die Stelle der Ermessenserwägungen der Klägerin zu setzen, wie dies im Widerspruchsbescheid jedoch geschehen sei. Das Landratsamt habe damit das Selbstverwaltungsrecht der Klägerin verletzt.

Darüber hinaus seien die Regelungen des BayKiBiG ohnehin im Gefüge der Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden rechtlich nicht unproblematisch, wenn man – wie der Beklagte im Widerspruchsbescheid – einen Vorrang des Elternwillens und eine Notwendigkeit von Pluralität zahlenmäßiger Art (nicht weltanschaulicher und pädagogischer Art) vor gemeindlichen Belangen annehme. Dies hätte im Gesetz ausdrücklich klargestellt werden müssen. Mit der Auslegung des Beklagten, wie sie dem Widerspruchsbescheid zu entnehmen sei, verkomme die den Gemeinden in Art. 7 BayKiBiG zugewiesene Entscheidungsbefugnis zu einer „leeren Hülse“. Daran vermöge auch die staatliche Förderung nichts zu ändern.

Neben der Einrichtung des Beigeladenen existiere im Hauptort … ein Kindergarten in Trägerschaft der Evangelischen Kirche und Gemeindeteil … ein Kindergarten der Arbeiterwohlfahrt. Die Einrichtung des Beigeladenen unterscheide sich von diesen weder durch eine besondere weltanschauliche noch durch eine besondere pädagogische Ausrichtung. Elternmitarbeit sei grundsätzlich in allen Einrichtungen möglich. Deshalb sei fraglich, wie der Begriff „Pluralität“ zu verstehen sei. Beispielsweise stelle sich die Frage, ab welcher Größe eines Gemeindeteils mindestens zwei Einrichtungen angeboten werden müssten, um die Pluralität gewährleisten zu können. Oder müssten Gemeinden, die mehrere Kindergärten mit kirchlicher Trägerschaft in ihrem Ort haben, zwei neue Träger suchen?

Es sei deshalb kein sachlicher Grund erkennbar, weshalb man den anderen Einrichtungen einen Personalabbau als selbstverständlich zumute, während man dies in der Einrichtung des Beigeladenen als nicht zumutbar ansehe. Da der Beigeladene gewusst habe, dass bereits im vorangegangenen Kindergartenjahr die Bedarfsanerkennung und die Förderung streitig war, hätte er sich sogar auf die neue Situation einstellen können.

Wegen des veränderten Werte-Verständnisses hätten sich auch die „klassischen Kindergärten“ den neuen Anforderungen angepasst und nähmen sowohl kleinere Kinder als auch Schulkinder auf. Genauso müsse sich auch die Einrichtung des Beigeladenen anpassen und könne keinen besonderen Schutz beanspruchen bzw. eine ewige Bestandsgarantie genießen. Hinzu komme, dass bei einer Belegung mit über 15 Kindern (wie vom Landratsamt festgestellt) die Förderfähigkeit eigentlich entfalle.

Darüber hinaus erhalte die Einrichtung des Beklagten wegen der Anwendung der sog. Landkindergarten-Regelung einen höheren Förderanteil pro Kind als andere Kindergärten. Dies führe zu unverhältnismäßigen Mehrkosten.

Die Einrichtung des Beigeladenen stehe auch nicht allen Nachfragern offen; denn die Eltern müssten, damit ihre Kinder aufgenommen würden, erst Vereinsmitglied werden und müssten sich engagiert in der Einrichtung einbringen.

Der Schluss, dass die tatsächliche Belegung den Elternwillen wiederspiegele, sei nicht zwingend. Es wäre vielmehr zu ermitteln, wie der Elternwille aussähe, stünde die Einrichtung des Beigeladenen nicht zur Verfügung. Es könne nicht angehen, dass ein entsprechender Elternwille angenommen werde, der das gemeindliche Ermessen auf Null reduziere, solange nur die Einrichtung in Anspruch genommen werde. Vielleicht führe dies dann zu einem „Beauty-Contest“ einzelner Einrichtungen, um den Elternwunsch zu wecken. Die Frage sei nur, wer dies finanziere.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führte er aus, dass der Gesetzgeber den Gemeinden in Art. 7 Abs. 1 und 2 BayKiBiG die Entscheidungsbefugnis und die Entscheidungskompetenz zugewiesen habe. Vorliegend sei jedoch eine Ermessensreduzierung auf Null eingetreten. Damit werde in das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden gerade nicht eingegriffen. Die Gemeinde habe in ihrer Entscheidung nur auf die Plätze in den herkömmlichen Kindergärten Bezug genommen, ohne den Elternwillen, der über Jahre hinweg durch die durchgängige Belegung der Einrichtung des Beigeladenen dokumentiert worden sei, zu berücksichtigen. Vor Inkrafttreten des Gesetzes bereits bestehende Einrichtungen müssten in die Abwägung über den Bestand an Einrichtungsplätzen mit einbezogen werden und dürften nicht ohne weiteres ignoriert werden. Angesichts sinkender Kinderzahlen sollten Einrichtungen keinesfalls Bestandsgarantien genießen. Vielmehr entscheide hier gerade die wichtige kommunale Bedarfsermittlung und –findung auch über die Existenz von Gruppen und letztendlich vorhandener Einrichtungen. Nur müsse sich die kommunale Entscheidung stets an den Bedürfnissen der Eltern und ihrer Kinder orientieren. Deshalb müsse selbstverständlich auch der Beigeladene Personal abbauen, falls seine Plätze von den Eltern nicht mehr nachgefragt würden. Die Einrichtung des Beigeladenen stehe grundsätzlich allen Eltern offen, die diese besondere Form der Betreuung (altersgemischt, zwingende Elternmitarbeit) wünschten. Insofern werde die Netz-für-Kinder-Einrichtung die traditionelle Betreuungsform nur ergänzen und nicht ersetzen können.

Es treffe zu, dass die sogenannte Landkinderregelung die Netz-für-Kinder-Gruppen in gewissem Sinn bevorzuge. Jedoch dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass für jedes Kind nur der Gewichtungsfaktor 1,0 gewährt werde; d.h. der „Bonus“ für behinderte, Schul- und jüngere Kinder oder solche mit Migrationshintergrund entfalle. So sei zwar einerseits eine gewisse „Grundsicherheit“ für die Einrichtung gegeben, andererseits aber auch eine „Deckelung der Kosten“ gewährleistet, was die Gemeinde begünstige.

Der Beigeladene wies zunächst darauf hin, dass die bloße Anerkennung von bestimmten Plätzen als bedarfsnotwendig noch keinerlei finanzielle Verpflichtung bei der Klägerin auslöse. Vielmehr seien nur solche, als bedarfsnotwendig anerkannten Plätze zu finanzieren, die auch tatsächlich belegt seien. Durch eine Entscheidung des Gerichts zugunsten des Beigeladenen würden sich die Belegungszahlen in den anderen Einrichtungen nicht ändern, da die Kinder in der Einrichtung der Beigeladenen diese ohnehin nicht besuchten. Eine finanzielle Mehrbelastung sei somit nicht ersichtlich.

Im Schriftsatz seines Prozessvertreters vom 11.01.2008 beantragt der Beigeladene,

die Klage abzuweisen.

Er gab bekannt, dass die Klägerin für das laufende Kindergartenjahr 2007/2008 mit Bescheid vom 05.09.2007 die Bedarfsnotwendigkeit für die Einrichtung des Beigeladenen vorläufig anerkannt habe. Sie habe sich allerdings den jederzeitigen Widerruf dieser Anerkennung und die Rückforderung der gewährten Förderung vorbehalten. Gegen diese insoweit belastende Regelung habe der Beigeladene mit Schreiben vom 03.10.2007 zur Fristwahrung Widerspruch eingelegt.

Zur Begründung seines Antrags auf Klageabweisung nahm er im Wesentlichen Bezug auf die Ausführungen im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts vom 12.05.2006, Az. B 3 E 06.228 und im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 23.08.2006, Az. 12 CE 06.1468.

Aus der Sicht des Beigeladenen sei es entscheidungsunerheblich, weshalb die Einrichtung in … nicht ausgelastet sei. Tatsache sei, dass beide Einrichtungen in … – die des Beigeladenen und die der Arbeiterwohlfahrt – ausgelastet seien. Damit habe die Klägerin bei ihrer ablehnenden Entscheidung den konkreten Bedarf an Einrichtungsplätzen gerade im Ortsteil … grob pflichtwidrig außer Acht gelassen und die rechnerisch freien Kapazitäten in der Einrichtung in … am Elternwillen vorbei in den Vordergrund gerückt.

Es stelle sich zudem die Frage, ob die voll ausgelastete Einrichtung der Arbeiterwohlfahrt in … überhaupt als Teil eines pluralen Angebots herangezogen werden könne, wenn diese, eben wegen ihrer Auslastung, gar nicht in Anspruch genommen werden kann. Wenn die Klägerin somit als einzige Möglichkeit die freien Plätze in … anbieten will, so sei das erforderliche plurale Angebot gerade nicht vorhanden.

Mit Beschluss vom 29.12.2006 lud das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth die … zum Verfahren bei.

Auf die vom Beklagten dem Gericht am 16.01.2008 übermittelte Statistik über die Bevölkerung in Bayern, Stand 31.12.2006, u.a. für die Klägerin sowie die Analysen über die Belegung der drei Kindergärten im streitgegenständlichen Zeitraum wird Bezug genommen.

Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 21.01.2008 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Behördenakten und die Gerichtsakte gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig.

Insbesondere ist die Klägerin als Gebietskörperschaft (Art. 1 Gemeindeordnung - BayGO -) klagebefugt, da sie durch den Widerspruchbescheid des Landratsamtes … in ihren Rechten (Gemeindliches Selbstverwaltungsrecht gem. Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 BV) verletzt sein könnte.

Der Beklagte (§ 78 Abs. 2 VwGO i.V.m. Art. 119 Nr. 1, Art. 110 GO und Art. 5 Abs. 1 BayKiBiG) ist ordnungsgemäß durch das Landratsamt … als Widerspruchsbehörde vertreten (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a) LABV).

Die Klage hat jedoch keinen Erfolg.

Der Widerspruchsbescheid des Landratsamtes … vom 28.11.2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und § 114 VwGO). Die vorhandene Sachlage erlaubt keine andere Entscheidung in der Sache.

Die Entscheidung des gemäß § 73 Abs. 1 Nr. 1 VwGO i.V.m. Art. 119 Nr. 1, 110 GO und Art. 5 BayKiBiG für die Widerspruchsentscheidung zuständigen Landratsamtes … entspricht der Sach- und Rechtslage. Das der Gemeinde zustehende Planungsermessen bzw. Prognosespielraum ist aufgrund der besonderen Umstände dieses Falles „auf Null“ reduziert; d.h. jede andere Entscheidung der Klägerin wäre rechtswidrig.

Maßgeblich für die Entscheidung des Gerichts sind dabei die Sachlage und die Rechtsvorschriften, die im Zeitpunkt der Entscheidung für die Beurteilung des Klagebegehrens gelten, und zwar gleichgültig, ob es sich um eine Feststellungsklage, eine Leistungsklage, eine Anfechtungsklage oder Verpflichtungsklage handelt (vgl. Kopp/Schenke, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Auflage, § 113, RdNr. 35 ff. mit weiteren Nachweisen; vgl. auch BVerwGE 97, 81 ff.).

Die Entscheidung des Landratsamtes … orientierte sich rechtsfehlerfrei an den Vorschriften der Art. 5 und 7 des Bayer. Gesetzes zur Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern in Kindergärten, anderen Kindertagesseinrichtungen und in Tagespflege (Bayer. Kinderbildungs- und betreuungsgesetz – BayKiBiG – vom 8. Juli 2005, GVBl. S. 236) i.V.m. § 69 Abs. 5, § 5 Sozialgesetzbuch Acht - SGB VIII - und Art. 57 Abs. 1 BayGO.

Die Einrichtung des Beigeladenen, der ein freigemeinnütziger Träger i.S.d. Art. 3 Abs. 3 BayKiBiG ist, ist vom Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst, denn nach Art. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 BayKiBiG und § 3 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 BayKiBiG/ÄndG gilt das Gesetz auch für Kindertageseinrichtungen, deren Angebot sich an Kinder verschiedener Altersgruppen richtet (jetzt „Häuser für Kinder“). Dem entspricht die zuvor gebräuchliche Bezeichnung „Netz für Kinder“.

Nach Art. 5 Abs. 1 BayKiBiG sollen die Gemeinden im eigenen Wirkungskreis und in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gewährleisten, dass die nach der Bedarfsplanung (Art. 7 Abs. 1 und 2 BayKiBiG) notwendigen Plätze in Kindertageseinrichtungen und Tagespflege rechtzeitig zur Verfügung stehen. Mit der Gewährleistungspflicht geht die Planungs- und die Finanzierungsverpflichtung der Gemeinden einher. Sie entscheiden gemäß Art. 7 Abs. 1 Satz 1 BayKiBiG, welchen örtlichen Bedarf sie unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Eltern und ihrer Kinder für eine kindgerechte Bildung, Erziehung und Betreuung sowie sonstiger schulischer Angebote anerkennen. Nach Art. 7 Abs. 2 BayKiBiG bestimmt die Gemeinde, welche konkreten Plätze für die Deckung des örtlichen Bedarfs notwendig sind und welcher jeweilige Bedarf noch ungedeckt ist. Sie kann auch nicht in der Gemeinde gelegene Plätze als bedarfsnotwendig anerkennen, wenn zu erwarten ist, dass Eltern der Gemeinde diese Plätze in Anspruch nehmen. Die Entscheidung über die Bedarfsnotwendigkeit ist den betroffenen Trägern durch Verwaltungsakt bekannt zu machen.

Das diesen Rechtsvorschriften zu entnehmende Planungsermessen kann die Klägerin allerdings nur im Rahmen der bestehenden Rechtsvorschriften ausüben; es steht insbesondere nicht im freien Ermessen der jeweils zuständigen Gemeinde. Die Sach- und Rechtslage lässt keine andere Entscheidung als die von dem Beklagten im Widerspruchsbescheid getroffene zu. Die Entscheidung beruht auf folgenden Überlegungen:

Die Entscheidung über die Bedarfsnotwendigkeit kann in vier Schritte gegliedert werden:

1. Bestandserhebung 2. Erhebung der Bedürfnisse der Eltern und Kinder 3. Bedarfsfeststellung 4. Entscheidung über die Anerkennung konkreter Plätze als bedarfsnotwendig

Zu 1. Die Klägerin verfügt über jeweils 50 Ganztagsplätze in … und … Die Plätze in den zum Stichtag 31.07.2005 anerkannten Kindergärten gelten gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 3 BayKiBiG/ÄndG noch bis zum 31.08.2008 als bedarfsnotwendig. Eine nur ausnahmsweise nach früherem Recht zulässige Überbelegung kann entgegen den offenbar vorhandenen Überlegungen von Vertretern der Klägerin nicht als Bestand zugrunde gelegt werden. Zu diesen 50 Plätzen sind die 15 Plätze in der Einrichtung der Beigeladenen hinzuzurechnen, da diese Einrichtung vorhanden und ausgebucht ist.

Zu 2. Die maßgeblichen Bedürfnisse der Eltern und Kinder lassen sich den Geburtenzahlen in der Gemeinde und der tatsächlichen Belegung der vorhandenen Plätze entnehmen. Weitere Erhebungen oder Anhaltspunkte, denen sich Bedürfnisse der Eltern entnehmen lassen, sind nicht vorhanden.

Ausweislich der Bevölkerungsstatistik zum Stichtag 31.12.2006 lebten im Gebiet der Klägerin neben 159 Kindern zwischen 6 und 10 Jahren und 79 Kindern zwischen 3 und 5 Jahren sogar 107 Kinder unter 3 Jahren, die in nächster Zeit einen Platz in einer Tageseinrichtung voraussichtlich nachfragen werden.

Da hier über einen vergangenen Zeitraum zu entscheiden ist, lassen sich die Bedürfnisse der Eltern direkt an der tatsächlich erfolgten Belegung im streitgegenständlichen Zeitraum von 01.09.2006 bis 31.08.2007 ablesen. Danach besuchten den Kindergarten … durchschnittlich 31,2 Regelkinder, 5,3 Schulkinder und 4,3 Kinder unter 3 Jahren. Der Kindergarten in … war durchschnittlich mit 47,4 Regelkindern, 10,6 Schulkindern und 0,9 Kindern mit Behinderung belegt. Die Einrichtung des Beigeladenen wurde von durchschnittlich 10,8 Regelkindern, 2,5 Schulkindern und 1,8 Kindern unter 3 Jahren besucht. Festzustellen ist auch, dass jeweils mehr als die Hälfte der Kinder (im Kindergarten … sogar zwei Drittel) die Einrichtung mehr als 5 Stunden (d.h. auch am Nachmittag) regelmäßig gebucht hatten. Von den im Gemeindegebiet wohnenden 159 Schulkindern zwischen 6 und 10 Jahren besuchten danach etwa 12,5 % eine der Einrichtungen. Bei den Kindern unter 3 Jahren lag der Anteil bei etwa 6-7 %.

Zu 3. Der Bedarf an Plätzen in Kindertageseinrichtungen im Gemeindegebiet der Klägerin übersteigt in Zukunft eindeutig die von der Klägerin nur als bedarfsnotwendig angesehenen 100 Plätze. Er umfasst vielmehr auch die Plätze, die in der Einrichtung des Beigeladenen angeboten wurden und werden.

Dieser Feststellung liegen folgende Überlegungen zugrunde: Bei der Bedarfsfeststellung geht es um die Frage, wie viele Plätze (aufgeschlüsselt nach Länge der Betreuungszeit und deren zeitlicher Lage, nach Altergruppen und evtl. integrativer Betreuung) notwendig sind, um die Bedürfnisse zu erfüllen. Dabei ist die Bedarfsfeststellung das Ergebnis einer Entscheidungsfindung, welche allerdings durch das Sicherstellungsgebot (§ 24 Sozialgesetzbuch Acht - SGB VIII -), das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern (§ 5 SGB VIII, Art. 7 Abs. 1 BayKiBiG), das Subsidiaritätsprinzip (Art. 4 Abs. 3 BayKiBiG), sowie durch das Ziel einer pluralen Trägerstruktur und eines vielseitigen pädagogischen Angebots, das Voraussetzung für das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern ist, eingeschränkt ist.

Der Bedarf ist daher sowohl in quantitativer Hinsicht (a.) als auch in qualitativer Hinsicht (b.) zu bewerten.

a. Da Kinder gemäß § 24 Abs. 1 SGB VIII vom vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt einen Anspruch auf den Besuch einer Tageseinrichtung haben, hat die Gemeinde für diese Kinder einen Platz entsprechend dem voraussichtlichen Bedarf u.a. nach Länge der Betreuungszeit und deren zeitlicher Lage bereitzustellen. Für Kinder im Alter unter 3 Jahren und im schulpflichtigen Alter ist gemäß § 24 Abs. 2 SGB VIII ein bedarfsgerechtes Angebot an Plätzen in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege vorzuhalten. Diese Vorschriften werden als Sicherstellungsgebot bezeichnet.

Nachdem ein Planungszeitraum von etwa drei Jahren empfohlen wird (vgl. Dunk/Eirich, Kommentar zum Bayerischen Kinderbildungs- und –betreuungsgesetz, Art. 7 Anm. 1.6), war bereits im Herbst 2006 davon auszugehen, dass innerhalb der folgenden drei Jahre insgesamt voraussichtlich 107 Kinder im Alter zwischen 3 und 5 Jahren die Einrichtungen besuchen werden, die - ausgehend von dem bisherigen Buchungsverhalten - überwiegend auch Nachmittagsplätze in Anspruch nehmen werden. Hinzu kommen voraussichtlich – ebenfalls ausgehend von dem bisherigen Nachfrageverhalten der Eltern – noch etwa 6-7 % der dann unter 3-Jährigen. Selbst wenn im Gemeindegebiet nicht mehr von einem gleichen Zuwachs an neuen Erdenbürgern, sondern von nur etwa 80 Kindern unter 3 Jahren ausgegangen würde, müssten aller Voraussicht nach zusätzlich noch etwa 5-7 hierfür geeignete Plätze am Vormittag bereitgestellt werden. Dabei ist zu bedenken, dass nach § 17 Abs. 1 Satz 3 AVBayKiBiG (Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Kinderbildungs- und –betreuungsgesetz) hinsichtlich des Anstellungsschlüssels Buchungszeiten von Kindern mit Gewichtungsfaktor entsprechend vervielfacht einzusetzen sind. Es müssten z.B. unter 3-Jährige zeitmäßig doppelt gerechnet werden (vgl. dazu § 17 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 19 Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Kinderbildungs- und –betreuungsgesetzes - AVBayKiBiG ), da sie im Vergleich zu Regelkindern im Altern zwischen 3 und 5 Jahren eine entsprechend höhere Betreuungszeit benötigen. Gleiches gilt für die Betreuung von Schulkindern und Kindern mit Migrationshintergrund oder Behinderung.

Unberücksichtigt ist in diesem Zusammenhang, inwieweit es pädagogisch vertretbar ist, Kleinkinder in vollen Regelkindergruppen unterzubringen.

Vergleicht man nur die genannten Zahlen, so wird bereits hier offenkundig, dass für die ab 2006 folgenden drei Jahre rein rechnerisch in jedem Fall mehr als die von der Klägerin für notwendig befundenen 100 Plätze am Vormittag und über die Hälfte davon nochmals am Nachmittag allein für Regelkinder und Kinder unter 3 Jahren notwendig waren.

Die in dieser Rechnung nicht berücksichtigte Anzahl von voraussichtlich mindestens 10 Schulkindern – wiederum ausgehend von dem bisherigen Nachfrageverhalten der Eltern (rund 12,5 % von dann mindestens 80 Schulkindern im Altern zwischen 6 und 10 Jahren) – werden denknotwendig in aller Regel nur nachmittags die Einrichtungen besuchen. Da etwas mehr als die Hälfte der Regelkinder bisher am Nachmittag die Einrichtung gebucht haben, ist davon auszugehen, dass die dann 115 vorhandenen Plätze in der Gemeinde am Nachmittag auch für die Schulkinder ausreichen werden.

Dabei ist klar zu stellen, dass die behördliche Anerkennung von 50 bzw. 15 Plätzen (nur) regelt, wie viele Kinder gleichzeitig in der betreffenden Einrichtung betreut werden dürfen. Die Anerkennung sagt grundsätzlich nichts darüber aus, in welcher zeitlichen Verteilung sich Kinder in der Einrichtung aufhalten dürfen (vormittags, nachmittags oder ganztags).

Zurückblickend auf den Zeitraum vom 01.09.2006 bis 31.08.2007 besuchten durchschnittlich 89,6 (entspricht 90 Plätzen) Regelkinder sowie durchschnittlich 6,1 Kinder unter 3 Jahren die Einrichtungen hauptsächlich am Vormittag. Rein rechnerisch ist der Klägerin zuzustimmen, dass diese Kinder in den zwei herkömmlichen Einrichtungen untergebracht hätten werden können, wenn nur für den Zeitraum von einem Jahr geplant werden würde.

b. Nur wird eine derartige, rein quantitative Betrachtungsweise, noch dazu reduziert auf ein einziges Kalenderjahr, den Intentionen des Gesetzes bei weitem nicht gerecht. Mit der Abkehr der Kindergartenförderung von der institutionalen Förderung ganzer Einrichtungen zur kindbezogenen Förderung hat der Freistaat Bayern eine grundlegende Systemänderung vollzogen. Er verwirklicht mit dem BayKiBiG seine Intention, im Bereich der Kindertagesstätten vermehrt eine Nachfrageorientierung (durch die Nachfragemacht der Eltern) statt der bisher vorherrschenden Angebotsorientierung (Kindergartenbedarfsplanung durch das Land) einzuführen. Eine Qualitätssicherung soll auch durch die Kontrolle der Eltern, deren Ergebnis sich im Buchungsverhalten widerspiegelt, erfolgen. „Statt struktureller Vorgaben setzt das BayKiBiG auf eine mittelbare Qualitätssteuerung. Bisher begrenzten Regelungen die Möglichkeiten der Träger, auf Änderungen der Nachfrage zu reagieren. Wirksamer ist es, stattdessen zu deregulieren und als Korrektiv die Nachfragemacht der Eltern zu stärken.“ (vgl. Dunkl/Eirich, Kommentar zum BayKiBiG, Einführung Nr. 1). Folgerichtig wurde in § 5 SGB VIII sowie in Art. 7 Abs. 1 BayKiBiG das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern und ihrer Kinder ausdrücklich hervorgehoben und wesentlich gestärkt.

Legt man diese Nachfrageorientierung zugrunde, ist die tatsächliche Belegung von Plätzen einer bestimmten Art und in einem bestimmten Umfang durch die Eltern, soweit - wie hier - keine anderen Erkenntnisse vorliegen, mit einem entsprechenden Bedarf gleichzusetzen (vgl. Dunkl/Eirich, Kommentar zum BayKiBiG, Anhang 10 Nr. 3 II). Werden demnach von den Eltern Plätze einer bestimmten Art (z.B. Art des Platzes nach Betreuungsform, nach Träger oder nach einer bestimmten pädagogischen Ausrichtung, wie z.B. Montessori-Pädagogik) gebucht, so stellt dies einen entsprechenden Bedarf dar. Diese Entscheidung der Eltern ist zu respektieren und damit als Bedarf von der Gemeinde zugrunde zu legen. Sie ist dann insbesondere durch die Gemeinde nicht in eine andere, evtl. gewünschte und von ihr entgegen dem eindeutigen Wunsch und Wahlrecht aller betroffenen Eltern für besser gehaltene Richtung zu lenken.

4. Bei der Bestimmung und Anerkennung konkreter Plätze als bedarfsnotwendig sind der Prognosespielraum bzw. das Planungsermessen der Klägerin ausnahmsweise auf Null reduziert. Es erfolgt ein Abgleich des Bestands von 115 Ganztagsplätzen in den drei Einrichtungen mit den oben festgestellten Bedarfen. Aufgrund des oben festgestellten, rein quantitativen Bedarfs sowie des festgestellten qualitativen Bedarf wäre jede andere Entscheidung der Klägerin, als die, die Plätze in der Einrichtung der Beigeladenen als bedarfsnotwendig anzuerkennen, rechtswidrig. In diesem Ausnahmefall verdichtet sich die Entscheidungsmöglichkeit der Klägerin, so dass nur noch die Entscheidung, wie sie vom Landratsamt getroffen wurde, rechtmäßig ist.

a. Allein der prognostische Ausblick auf die Entwicklung der Kinderzahlen erlaubte es der Klägerin nicht, die Plätze in der Einrichtung des Beigeladenen nicht anzuerkennen. Die Klägerin hätte sonst gegen das Gebot der Sicherstellung verstoßen.

Wenn bereits die Zukunftsprognose eindeutig aufzeigt, dass man in unmittelbarer Zukunft auf die 15 Plätze des Beigeladenen angewiesen sein wird, ist jede Entscheidung, die diese bereits vorhandenen 15 Plätze jetzt vernichtet, keinesfalls ermessensgerecht.

b. Legt man darüber hinaus das eindeutig ausgeübte, gewichtige Wunsch- und Wahlrecht der Eltern zugrunde, die bereits seit 10 Jahren und auch im streitgegenständlichen Zeitraum nachhaltig die Plätze in der Einrichtung der Beigeladenen nachfragen und buchen, ist erst recht keine andere, rechtmäßige Entscheidung denkbar. Offensichtlich sind diese Eltern gerade an der dort angebotenen Art der Betreuung interessiert und wollen sich auch bewusst mit ihrer Arbeitskraft dort einbringen und beteiligen. Die Nachfrage nach Plätzen genau in dieser Einrichtung ist so nachhaltig und groß, dass die Einrichtung angesichts der gültigen Fördervorschriften (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 BayKiBiG/ÄndG i.V.m. Art. 24 BayKiBiG) auch in der Zukunft und vor allem im streitgegenständlichen Zeitraum rentabel betrieben werden kann. Ob bei einer möglicherweise einmal zukünftig eintretenden, geringeren Nachfrage die Plätze in dieser Einrichtung noch als bedarfsnotwendig anerkannt werden müssen, bedarf hier keiner Entscheidung, denn ein solcher Fall liegt derzeit offensichtlich nicht vor.

Da die in der Betriebserlaubnis der Regierung von Oberfranken vom 07.11.1996 genehmigten 15 Plätze in der Einrichtung der Beigeladenen nach der Belegungsstatistik des Landratsamtes … offensichtlich auch überwiegend belegt sind, d.h. zu gleichen Belegungszeiten nachgefragt werden, ist auch keine Reduzierung der als bedarfsnotwendig anzuerkennenden Plätze möglich. Vielmehr sind alle genehmigten 15 Plätze als bedarfsnotwendig anzuerkennen.

Darüber hinaus wird dadurch noch dem Pluralitätserfordernis des BayKiBiG, das Voraussetzung für die Ausübung eines Wunsch- und Wahlrechts der Eltern ist, Rechnung getragen. Nicht entscheidungserheblich ist vorliegend, ob das Pluralitätserfordernis allein, d.h. ohne das - wie hier - bereits ausgeübte Wunsch- und Wahlrecht der Eltern, die Neuerrichtung bestimmter Plätze in einer Einrichtung notwendig werden ließe.

Einer darüber hinausgehenden Entscheidung des Landratsamtes darüber, welche Belegungszeiten für die einzelnen Plätze bedarfsnotwendig sind, bedurfte es nicht. Gebuchte Belegungszeiten sind von der Klägerin jedoch in jedem Fall insoweit als bedarfsnotwendig anzuerkennen. Finanzielle Nachteile erwachsen der Klägerin dadurch nicht, weil sie gemäß Art. 18 und 21 BayKiBiG nur die pro Kind tatsächlichen gebuchten Zeiten zu finanzieren verpflichtet ist, unabhängig davon, in welcher Einrichtung das Kind betreut wird.

Der Wunsch der Klägerin, vordringlich ihre herkömmlichen Einrichtungen voll auszulasten, um damit im Ergebnis das Defizit, zu dessen Deckung sie sich vermutlich verpflichtet hat, zu verringern, mag zwar nachvollziehbar sein, widerspricht aber den insoweit eindeutigen Intentionen des Gesetzes. Um eine Einrichtung voll auszulasten, damit deren Defizit geringer ausfällt, darf nicht ohne weiteres eine andere, inzwischen bereits über 10 Jahre bestehende, gut angenommene Einrichtung geschlossen werden. Dies wäre eine Bevorzugung einer Einrichtung zu Lasten einer anderen, was dem Wunsch- und Wahlrecht der Eltern und der bewussten Abkehr des Gesetzgebers von der Kindergartenbedarfsplanung durch Behörden widerspräche.

Dies gilt im Übrigen sowohl für die herkömmlichen Kindergärten der Klägerin als auch für die Einrichtung des Beigeladenen. Keine der drei Einrichtungen kann einen besonderen Schutz für sich in Anspruch nehmen. Jede Einrichtung muss sich vielmehr darum bemühen, den Bedürfnissen der Eltern entgegen zu kommen, um damit seine Einrichtung gut auslasten zu können. Die staatliche und die kommunale Förderung ist nur noch abhängig von den jeweils gebuchten Stunden. Aus diesem Grund trägt jede Einrichtung (nicht nur der Kindergarten in Heinersreuth) bis zu einem gewissen Grad das Risiko, sein Personal abbauen (oder aufstocken) zu müssen.

Das Selbstverwaltungsrecht (Art. 7 GO) der Klägerin ist durch die Entscheidung des Landratsamtes nicht verletzt. Es besteht von vorneherein nur im Rahmen der geltenden Gesetze. Erlauben diese keine andere Entscheidung in der Sache, so kann denknotwendig eine Verletzung des Selbstverwaltungsrechts nicht vorliegen.

Es ist durch die Entscheidung des Landratsamtes auch nicht zu einer bloßen „leeren Hülse“ verkommen. Im Gegenteil sind viele mögliche, örtliche Situationen denkbar (in denen der Sachverhalt nicht so eindeutig ist), die die Ausübung eines Planungsermessens erfordern und voraussetzen.

Die Leistungsbereitschaft der Eltern, in der Einrichtung des Beigeladenen mitzuarbeiten, kann nicht zu Lasten dieser Einrichtung gewertet werden. Vielmehr ist sie, wenn das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern derart eindeutig ausgeübt wird, zugunsten der Einrichtung in die Waagschale zu werfen. Sie ist jedenfalls – wie viele andere Einrichtungen zeigen – nicht selbstverständlich und sollte deshalb keinesfalls negativ, sondern vielmehr positiv bewertet werden. Die in der Einrichtung des Beigeladenen erforderliche und notwendige Mitarbeit stellt insbesondere entgegen der Meinung der Klägerin keine unzulässige Zugangsbeschränkung dar. Die Eltern haben vielmehr die freie Entscheidung, ob sie diese Einrichtung, in der sie ihre Arbeitskraft einbringen sollen, oder eine andere Einrichtung buchen wollen. Anders könnte es möglicherweise nur dann gesehen werden, wenn die Einrichtung des Beigeladenen die einzige Kinderbetreuungseinrichtung im Gebiet der Klägerin darstellen würde.

Auch der Umstand, dass die Einrichtung der Beigeladenen nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 BayKiBiG/ÄndG i.V.m. Art. 24 BayKiBiG gefördert wird, während die beiden anderen Kindertagesstätten eine Förderung gemäß Art. 21 BayKiBiG erhalten, ermöglicht keine andere rechtmäßige Entscheidung. Die Förderung nach Art. 24 BayKiBiG ist im Vergleich zu Art. 21 BayKiBiG weder unverhältnismäßig noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Klägerin nur durch die Förderung nach Art. 24 BaKiBiG die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit erreichen würde. Hierfür wurde auch nichts vorgetragen. Als Ausgleich dafür, dass die Einrichtung des Beigeladenen nicht mehr als 15 Kinder aufnehmen kann und darf, wird der Förderung die Anwesenheit von 22 Kindern zugrunde gelegt. Um den Kostenaufwand zugunsten der Gemeinde zu begrenzen, kann dagegen die Einrichtung des Beigeladenen nicht nach Gewichtungsfaktoren abrechnen: jedes Kind (ob Regelkind, Kleinkind oder behindertes Kind etc.) zählt nur mit dem Gewichtungsfaktor 1,0. Die Förderung gemäß Art. 21 BayKiBiG in den herkömmlichen Kindergärten erfolgt dagegen nur, soweit Kinder die Einrichtung tatsächlich gebucht haben. Dafür ist diese Förderung dann mit Gewichtungsfaktoren gemäß Art. 21 Abs. 5 BayKiBiG versehen (Gewichtungsfaktoren reichen von 1,0 bis 4,5, abhängig vom Betreuungsaufwand für das Kind).

Darüber hinaus vermag auch der „Grundsatzbeschluss“ der Klägerin vom 24.09.1996 keine andere Entscheidung in der Sache herbeizuführen. Er wurde spätestens mit Inkrafttreten des BayKiBiG rechtswidrig, weil er den gesetzlichen Regelungen widerspricht.

Da die Klage erfolglos geblieben ist, hat die Klägerin gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen hat gemäß § 162 Abs. 3 VwGO die Klägerin zu tragen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.

Gründe für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO liegen nicht vor.