Bayerischer VGH, Beschluss vom 18.01.2008 - 22 ZB 07.15
Fundstelle
openJur 2012, 89061
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Antragsverfahrens je zur Hälfte.

III. Der Streitwertbeschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 21. November 2006 wird wie folgt geändert:

"Der Streitwert wird für die Zeit vor der Verbindung der Verfahren für das Verfahren Au K 06.1146 auf 15.000 Euro und für das Verfahren Au 4 K 06.769 auf 10.000 Euro festgesetzt, für die Zeit danach auf 25.000 Euro."

Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Kläger wenden sich gegen Lärmimmissionen, die durch den Betrieb einer in östlicher Nachbarschaft angrenzenden Mehrzweckhalle der Beklagten (… Halle) auf ihrem Wohngrundstück entstehen. Die Halle wurde mit Bescheid vom 10. Juli 1984 als Turn- und Mehrzweckhalle (mit Beschränkung der Nutzung auf die Tagzeit) genehmigt. Aufgrund einer Tekturgenehmigung vom 27. Januar 1986 entfiel die zeitliche Nutzungsbeschränkung auf die Tagzeit, zum Schutz der Nachbarschaft (westlich gelegenes Wohngebiet) wurde als Auflage die Einhaltung der Lärmrichtwerte von 52 dB (A) tags und 40 dB (A) nachts festgeschrieben.

Die Halle liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „…“, der als Nutzung „Sonderfläche für Sport“ festsetzte und in seiner ursprünglichen Fassung von 1986 Schank- und Speisewirtschaften ausschloss. Nach einer am 5. August 2004 in Kraft gesetzten Änderung des Bebauungsplans entfällt der Ausschluss von Gaststätten; des weiteren ist danach eine Vergrößerung des östlich der Mehrzweckhalle gelegenen Parkplatzes auf knapp 200 Stellplätze, eine Verlegung der Ausfahrt in östlicher Richtung sowie die Errichtung einer Lärmschutzwand nach Westen (zum Wohngebiet der Kläger hin) vorgesehen.

Vor dem Verwaltungsgericht erstrebten die Kläger die Verpflichtung der Beklagten, die Nutzung der … Halle als Schank- und Speisewirtschaft sowie als Veranstaltungsräume, mit Ausnahme von Sportveranstaltungen, vollständig, hilfsweise jedenfalls zur Nachtzeit, soweit der Orientierungwert von 40 dB (A) nach Ziff. 6.1 d der TA-Lärm an ihrem Wohnhaus überschritten würde, zu unterlassen. Das Verwaltungsgericht gab ihrer Klage bezüglich des Hilfsantrags teilweise statt und differenzierte hierbei nach der Zeit vor und nach Errichtung bestimmter bescheidlich genehmigter Lärmschutzmaßnahmen.      

Die Kläger erstreben die Zulassung der Berufung, soweit ihre Immissionsabwehrklage abgewiesen wurde.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus den insoweit maßgeblichen Darlegungen der Kläger (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) lassen sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bzw. ein Verfahrensfehler (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) begründen, noch weist die Rechtssache hiernach besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) oder eine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) auf.

1. Die Kläger machen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) in Bezug auf den vom Verwaltungsgericht insgesamt als unbegründet erachteten Hauptantrag geltend, weil das Verwaltungsgericht es abgelehnt hat, allein aus Gründen einer formellen (baurechtlichen) Illegalität der Nutzung der Mehrzweckhalle unabhängig von unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen den Klägern einen Unterlassungsanspruch zu gewähren. Sie meinen, ihnen stünde auch unter diesem Gesichtspunkt ein - im Wege der allgemeinen Leistungsklage einklagbarer – öffentlich-rechtlicher Abwehranspruch gegen die Beklagte zu und sie dürften insoweit nicht auf einen Antrag auf (baurechtliches) Einschreiten an das zuständige Landratsamt verwiesen werden. Dieses Vorbringen kann der Klage schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, da das Bestehen eines subjektiven Rechts der Kläger, in dem sie durch eine formell illegale Nutzung der Mehrzweckhalle verletzt sein könnten, nicht i.S. von § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO ausreichend dargelegt ist.

Die Kläger sehen eine solche subjektive Rechtsverletzung darin, dass bei einer formell illegalen Nutzung ein materiell-rechtlicher Anspruch, nämlich ein von ihnen aus dem Bebauungsplan „…“ abgeleiteter (planübergreifender) Gebietserhaltungsanspruch verletzt sei, da dieser Bebauungsplan in seiner ursprünglichen Fassung von 1986 eine Nutzung der Mehrzweckhalle als Schank- und Speisewirtschaft ausdrücklich ausgeschlossen hat. Die Maßgeblichkeit der Fassung von 1986 begründen sie damit, dass die im Jahre 2004 erfolgte Bebauungsplanänderung unwirksam sei und verweisen dabei pauschal auf die im erstinstanzlichen Verfahren dargelegten Gründe. Diese (bloße) Bezugnahme auf ihr Vorbringen im ersten Rechtszug genügt nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Darlegung. Es wäre insbesondere mit der Absicht des Gesetzgebers, den Aufwand für die Bearbeitung eines Zulassungsantrags zu reduzieren (vgl. die Begründung zum Entwurf der Bundesregierung eines Sechsten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze, BT-Drs. 13/3993 S. 13), nicht vereinbar, wollte man den Verwaltungsgerichtshof als verpflichtet ansehen, die Akte des Verwaltungsgerichts daraufhin durchzusehen, ob sich im schriftlichen und mündlichen Vorbringen des Rechtsbehelfsführers gegebenenfalls einschlägige Ausführungen finden (vgl. BayVGH vom 21.5.2007 - Az. 11 ZB 07.525). Dass hier ausnahmsweise etwas anderes gilt, machen die Kläger nicht geltend. Die Kläger rügen insbesondere auch nicht, dass das Verwaltungsgericht, das in seinem Urteil im Zusammenhang mit dem weiteren Streitgegenstand (Anfechtungsklage gegen Baugenehmigungen) ersichtlich von der Wirksamkeit der Bebauungsplanänderung von 2004 ausgeht (vgl. Urteilsabdruck S. 17), ein solches Vorbringen der Kläger nicht gewürdigt hat (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, RdNr. 65 zu § 124 a).

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils in Bezug auf die teilweise Abweisung des Hilfsantrags äußern die Kläger zunächst insoweit, als das Verwaltungsgericht davon ausgegangen ist, dass nach Durchführung der mit Baugenehmigungen vom 3. und 15. Februar 2005 genehmigten Maßnahmen (Errichtung einer Lärmschutzwand und Vergrößerung des Parkplatzes) der nach seiner, von den Klägern im Ergebnis nicht beanstandeten Auffassung maßgebliche Immissionswert für die Nachtzeit von 40 dB (A) mit Ausnahme von Großveranstaltungen besonderer Prägung eingehalten werden kann. In diesem Zusammenhang weisen sie zunächst auf einen in der ersten mündlichen Verhandlung vom 29. Juni 2005 gestellten Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens hin. Die Kläger rügen insoweit nicht, dass dieser Beweisantrag, der in der dem Urteil zugrunde liegenden mündlichen Verhandlung vom 15. November 2006 nicht mehr wiederholt wurde, etwa in fehlerhafter Weise nicht durch Beschluss gemäß § 86 Abs. 2 VwGO vorweg beschieden wurde. Dies wäre auch kaum nachvollziehbar, weil sie durch die Stellung der Sachanträge in der mündlichen Verhandlung vom 15. November 2006 ohne Wiederholung des Beweisantrags zu erkennen gegeben haben, dass sie diesen als überholt ansehen, was im Hinblick auf die zwischenzeitlich am 1. Dezember 2005 und am 24. Mai 2006 erfolgte immissionsschutzfachliche Beurteilung durch die Regierung von … in Betracht kam. Die Kläger rügen vielmehr, das Gericht habe die maßgebenden Tatsachen nicht ausreichend ermittelt, weil es ein Sachverständigengutachten zu der Frage, ob trotz Durchführung der Lärmschutzmaßnahmen mit Überschreitungen des Nachtwerts zu rechnen sei, nicht eingeholt habe, obwohl von Seiten der Kläger die Tragfähigkeit des im Bebauungsplanverfahren erstellten Gutachtens des Sachverständigen … bereits vorgerichtlich und im gerichtlichen Verfahren durch Vorlage einer Stellungnahme des Sachverständigenbüros … GmbH vom 22. März 2004 kritisiert worden sei. Die diesbezüglichen Ausführungen können weder die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils wecken noch einen Verfahrensfehler wegen Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 124 Abs. 2 Nr. 5, § 86 Abs. 1 VwGO) begründen. Es ist nicht hinreichend dargelegt, dass sich dem Gericht die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung auf der Grundlage seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung aufdrängen musste bzw. seine Überzeugungsbildung die durch § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO gezogenen Grenzen überschreitet.

Wie auch in der Antragsbegründung erwähnt, stützt das Gericht seine Überzeugung, dass nach Durchführung der in den Baugenehmigungen vom 3. und 15. Februar 2005 vorgesehenen Lärmschutzmaßnahmen der maßgebliche Immissionswert für die Nachtzeit von 40 dB (A) grundsätzlich (mit Ausnahme besonderer Veranstaltungen) eingehalten werden kann, nicht nur auf das im Bebauungsplanverfahren vom Sachverständigen … erstellte Gutachten, das von den Klägern in Zweifel gezogen wurde, sondern auch auf die vom immissionsschutzfachlichen Sachgebiet der Regierung von … im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erstellte schalltechnische Bewertung vom 1. Dezember 2005 (ergänzt am 24.5.2006). In dieser fachlichen Bewertung hat das Fachsachgebiet die dem Gutachten des Sachverständigen … zugrunde liegenden Annahmen untersucht und kritisch  hinterfragt. Auf S. 4 der fachlichen Stellungnahme vom 1. Dezember 2005 ist ausgeführt, dass eine Überprüfung des Gutachtens durch eine eigene Berechnung unter Zugrundelegung derselben Annahmen ebenfalls zu dem Ergebnis geführt habe, dass der Immissionswert von 40 dB (A) gerade eingehalten werden könne. Soweit aber in der lautesten Nachtstunde die ungünstigste Annahme unterstellt werde, dass eine Bewegung je Stellplatz stattfinde, was bei Veranstaltungen mit definiertem Ende der Fall sein könne, sei in Verbindung mit den anderen Immissionen (z.B. hoher Hallengeräuschpegel) eine geringe Überschreitung von 1 bis 2 dB (A) nicht auszuschließen. Auf der Grundlage dieser immissionsschutzfachlichen Überprüfung der Regierung von … ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass entgegen dem Gutachten des Sachverständigen … unter den genannten ungünstigen Annahmen auch nach Durchführung der Lärmschutzmaßnahmen eine Überschreitung des maßgeblichen Immissionswerts für die Nachtzeit zu befürchten ist, und hat deshalb Veranstaltungen solcher Art in unbegrenzter Anzahl nicht für zulässig erachtet. Die für das Verwaltungsgericht letztlich ausschlaggebende immissionsschutzfachliche Stellungnahme der Regierung von … wird von den Klägern nicht in Frage gestellt, substantiierte Einwendungen hiergegen werden nicht erhoben. Insoweit ist aus den Darlegungen der Kläger nicht erkennbar, dass dem Verwaltungsgericht ohne Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens keine ausreichende Entscheidungsgrundlage für die Beurteilung der Schädlichkeit der von der Mehrzweckhalle ausgehenden Lärmimmissionen vorlag.

Soweit sich die Kläger darauf berufen, dass die Lärmprognosen hinsichtlich der Möglichkeit der Einhaltung des maßgeblichen Immissionswerts auf Prämissen beruhten, deren Einhaltung nicht gesichert sei, können sie gleichfalls nicht durchdringen. Ihnen ist bereits darin nicht zu folgen, dass die Einhaltung keiner der Prämissen verbindlich durch Bescheide vorgeschrieben sei. Jedenfalls für einen (wesentlichen) Teil der von den Klägern bezeichneten Prämissen ist dies der Fall.

So ist entgegen der Ansicht der Kläger nach Auflage 1 des Bescheids vom 15. Februar 2005 durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Gäste die Halle nur über den (rückwärtigen) Ostausgang verlassen bzw. sich nur östlich abgeschirmt hinter der Halle aufhalten dürfen. Zwar ist den Klägern einzuräumen, dass der Bescheid vom 15. Februar 2005 und der Widerspruchsbescheid der Regierung von … vom 26. Juni 2005 durch das insoweit rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts vom 21. November 2006 teilweise aufgehoben wurden. Diese Aufhebung betrifft aber nur den Teil des Bescheids, der eine „Nutzungsregelung für die Halle“ enthalten hat, womit nach den Entscheidungsgründen des verwaltungsgerichtlichen Urteils eindeutig nur der Teil des Bescheids gemeint ist, der eine Nutzungsgestattung bzw. den Rechtschein einer solchen enthalten hat (vgl. Urteilsabdruck S. 15 oben, S. 17 f.). Dies betrifft aber nur die immissionsschutzrechtliche Auflage Nr. 3 des Bescheids vom 15. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juni 2006. Dagegen ist hinsichtlich der die Kläger begünstigenden immissionsschutzrechtlichen Auflagen Nrn. 1 und 2 des Bescheids vom 15. Februar 2005 keine Aufhebung erfolgt; das Verwaltungsgericht hat die Klage insoweit als unzulässig angesehen, der Bescheid ist insoweit in Bestandskraft erwachsen (vgl. Urteilsabdruck S. 12 f.). Da sich die Auflage Nr. 1 auf sämtliche Veranstaltungen bezieht, die in der Mehrzweckhalle stattfinden, also z.B. auch auf die nach den verwaltungsgerichtlichen Urteilsgründen schon durch Baugenehmigung vom 27. Januar 1986 zugelassenen Großveranstaltungen wie Faschingsbälle (Urteilsabdruck S. 14 unten), kann die Auflage unabhängig von der vom Verwaltungsgericht aufgehobenen „Nutzungsregelung“ weiterhin Bestand haben. In der immissionsschutzfachlichen Stellungnahme der Regierung von … vom 1. Dezember 2005 (S. 4) wird - bezogen auf die Auflage Nr. 1 des Bescheids vom 15. Februar 2005 - darauf hingewiesen, dass in der schalltechnischen Untersuchung des Sachverständigen … zusätzlich zu den Parkplatzgeräuschen eine nach der Auflage verbotene ununterbrochene laute Unterhaltung nördlich vor dem Ausgang der Halle sowie auf dem Weg zu den Stellplätzen unterstellt wurde, was letztlich bedeute, dass dieser schalltechnischen Bewertung eine Art Sicherheitszuschlag zu Grunde liege.

Hinsichtlich des Einwands der Kläger, es sei nicht sichergestellt, dass der Halleninnenpegel, wie vom Gutachter angenommen, nur einen Wert von 95 dB (A) erreiche, ist auf die Baugenehmigung vom 27. Januar 1986 und auf die darin enthaltene Auflage Nr. 6 hinzuweisen, wonach der von eingebauten oder sonstigen elektroakustischen Anlagen in die Halle abgestrahlte Schallleistungspegel nicht mehr als 95 dB (A) betragen darf, worauf die Anlage einzustellen und zu plombieren sei. Da solch hohe Pegel grundsätzlich nur beim durchgehenden Abspielen von lauter Musik erreicht werden und bei solchen Pegeln eine sinnvolle Unterhaltung praktisch nicht mehr möglich ist (vgl. fachliche Stellungnahme der Regierung von … vom 24.5.2006 S. 2), erscheint auch die Einhaltung dieses Halleninnenpegels in ausreichender Weise gesichert, nachdem bei derart lauten Musikveranstaltungen die weiteren Geräuschquellen nicht mehr maßgeblich ins Gewicht fallen dürften.

Soweit in der Zulassungsbegründung die weitere Annahme des Sachverständigen … kritisiert wird, dass die Besucher auf der öffentlichen Straße jeweils zur Hälfte nach Osten bzw. Westen abfahren würden, mag diese Kritik berechtigt sein (vgl. auch Stellungnahme der Regierung von … vom 1.12.2005 S. 4). Damit ist aber nicht dargelegt, dass die Verkehrsgeräusche auf den öffentlichen Straßen auch der Mehrzweckhalle zuzurechnen sind und es deshalb zu einer Überschreitung des maßgeblichen Immissionswerts für die Nachtzeit kommen kann. Gemäß Nr. 7.4 TA-Lärm sind nur die Fahrzeuggeräusche auf dem Betriebsgrundstück sowie bei der Ein- und Ausfahrt, die im Zusammenhang mit dem Betrieb der Anlage stehen, der zu beurteilenden Anlage zuzurechnen; demgegenüber sind Geräusche des An- und Abfahrtsverkehrs auf öffentlichen Verkehrsflächen, soweit sie überhaupt zu berücksichtigen sind, nur organisatorisch so weit wie möglich zu vermindern. Auf dieser Grundlage kommt die Regierung von … in ihrer fachlichen Beurteilung vom 1. Dezember 2005 (S. 4) zu dem Ergebnis, dass der Abfahrtsverkehr auf der öffentlichen Straße (hier Kreisstraße MN 15) für die Beurteilung des der Mehrzweckhalle zuzurechnenden Verkehrslärms keine Rolle spielt und eine Verkehrsminderung durch organisatorische Maßnahmen hier ausscheidet. Die insoweit nachvollziehbare fachliche Beurteilung der Regierung von … wird von den Klägern nicht in Zweifel gezogen, für den Verwaltungsgerichtshof besteht keine Veranlassung, an deren Richtigkeit zu zweifeln.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen auch nicht deshalb, weil das Verwaltungsgericht für die Zeit nach Errichtung der Lärmschutzwand und Vergrößerung des Parkplatzes pro Jahr maximal zehn Großveranstaltungen mit Musikdarbietungen zugelassen hat, bei denen nach 22.00 Uhr alle oder jedenfalls die meisten Gäste zur gleichen Zeit die Halle verlassen, soweit diese nicht an zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden stattfinden. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass es  bei Freizeitnutzungen wie im vorliegenden Fall Sache der tatrichterlichen Würdigung ist, unter Berücksichtigung der einzelnen Schallereignisse, ihrer Schallpegel und ihrer Eigenart und ihres Zusammenwirkens die Erheblichkeit einer Lärmbelästigung zu beurteilen. Die Zumutbarkeitsgrenze ist aufgrund einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. In diesem Zusammenhang können auch technische Regelwerke zur Beurteilung von Lärmimmissionen herangezogen werden, wenn sie für die Beurteilung der Erheblichkeit der Lärmbelästigung im konkreten Streitfall brauchbare Anhaltspunkte liefern (vgl. BVerwG vom 17.7.2003 NJW 2003, 3360 m.w.N.). So ist das Verwaltungsgericht verfahren. Es hat unter Bezugnahme auf die Regelungen für seltene Ereignisse, wie sie in den einschlägigen Regelwerken zur Beurteilung von Lärm vorgesehen sind, höchstens zehn Veranstaltungen, die den maßgeblichen Immissionswert für die Nachtzeit überschreiten, als für die Kläger zumutbar angesehen und dabei offen gelassen, ob es sich an der Freizeitlärm-Richtlinie oder an der TA-Lärm orientiert, da bei beiden Regelwerken insoweit kein maßgeblicher Unterschied besteht (vgl. Urteilsabdruck S. 16, 18). Zwar ist dabei zu berücksichtigen, dass dem Betreiber einer Anlage nicht ohne weiteres gestattet werden kann, die Höchstzahl der nach den genannten Regelwerken zulässigen sog. seltenen Ereignisse auszuschöpfen; ob die Überschreitung des an sich maßgeblichen Immissionswerts durch seltene Störereignisse der Nachbarschaft zumutbar ist, hängt nämlich zusätzlich von wertenden Kriterien ab, etwa denen der Herkömmlichkeit, der sozialen Adäquanz und der allgemeinen Akzeptanz bzw. der Höhe der Überschreitungen (vgl. BayVGH vom 19.3.1997 - Az. 22 B 96.951 m.w.N.). Da die bei den zugelassenen Ereignissen zu erwartenden Überschreitungen des an sich maßgeblichen Immissionswerts von 40 dB(A) nach der maßgeblichen immissionsschutzfachlichen Bewertung der Regierung von … mit nur wenigen dB (A) relativ gering sind, kann nicht beanstandet werden, dass das Verwaltungsgericht vorliegend bis zur Höchstgrenze von zehn Ereignissen gegangen ist.

Die Kläger halten den verwaltungsgerichtlichen Urteilstenor für zu unbestimmt, nachdem eine Unterscheidung von Großveranstaltungen, die den an sich maßgeblichen Immissionswert einhalten, von denen, die ihn nicht einhalten, weil alle oder die meisten Gäste zur gleichen Zeit die Halle verlassen, mangels Vorhersehbarkeit des Besucherverhaltens nicht möglich sei. Sie beziehen sich dabei auf die letzten ca. 15 Hochzeiten, bei denen fast alle Gäste gemeinsam nach Ende der Veranstaltung die Halle verlassen hätten, die aber von Seiten der Behörden im Vorfeld nicht als nur ausnahmsweise zulässige Großveranstaltungen besonderer Prägung eingestuft worden seien. Den Klägern ist einzuräumen, dass es im Einzelfall schwierig sein mag, die vom Verwaltungsgericht definierten, nur ausnahmsweise zulässigen Großveranstaltungen besonderer Prägung bereits bei der Anmeldung der jeweiligen Veranstaltung von solchen Großveranstaltungen zu unterscheiden, die eine solche besondere Prägung nicht aufweisen. Das Gemeinte wird dennoch deutlich, wenn man die Entscheidungsgründe des Urteils mit heranzieht. Dies ist nach der Rechtsprechung zulässig; eine (vollstreckbare) Unterlassungspflicht in der Urteilsformel ist auch dann als hinreichend bestimmt anzunehmen, wenn zu ihrem Verständnis die Entscheidungsgründe herangezogen werden müssen (vgl. BVerwG vom 23.10.2000 DVBl 2001, 642).

Das Verwaltungsgericht hat sich bei der Abfassung des Tenors ersichtlich von dem Ziel leiten lassen, die Fallgruppe der Großveranstaltungen, die - gemessen am für die Nachtzeit an sich maßgeblichen Immissionswert - schädliche Lärmeinwirkungen hervorrufen und deshalb nur beschränkt zulässig sind, begrifflich zu erfassen, und den Klägern damit mehr an die Hand zu gehen als nur eine Verpflichtung der Beklagten, die Überschreitung des maßgeblichen Immissionswerts bei Nacht bis auf seltene Ausnahmen zu unterlassen. Wie den Entscheidungsgründen zu entnehmen ist,  bezieht sich das Verwaltungsgericht mit dem gewählten Abgrenzungskriterium auf die immissionsschutzfachliche Stellungnahme der Regierung von … vom 1. Dezember 2005 (ergänzt am 24.5.2006), wonach eine Großveranstaltung von besonderer Prägung dann vorliegt, wenn die Veranstaltung ein definiertes Ende hat und deshalb zu erwarten ist, dass jedenfalls die meisten Gäste zur gleichen Zeit die Halle verlassen (Urteilsabdruck S. 17). Dies nimmt das Verwaltungsgericht in Übereinstimmung mit den Behörden (vgl. Widerspruchsbescheid vom 26.6.2005) beispielsweise bei Discoveranstaltungen und Faschingsbällen an (vgl. Urteilsabdruck S. 8, 18). Das Verwaltungsgericht weist aber auch darauf hin, dass es darüber hinaus weitere Veranstaltungen gibt, die diese Voraussetzung erfüllen können, z.B. große Hochzeiten (Urteilsabdruck S. 18). Den Ausführungen des Verwaltungsgerichts ist sinngemäß zu entnehmen, dass es darauf ankommt, dass nach der Lebenserfahrung schon bei der Anmeldung der Veranstaltung damit zu rechnen ist, dass die meisten Gäste die Veranstaltung gleichzeitig verlassen. Dies ist, wie das Verwaltungsgericht in Übereinstimmung mit der immissionsschutzfachlichen Stellungnahme der Regierung von … schreibt, bei einem klaren Ende der Veranstaltung der Fall (Urteilsabdruck S. 18). Ein derartiges klares bzw. genau definiertes Ende kann unter Beachtung der Zusammensetzung der Besucher der Veranstaltung z.B. dann anzunehmen sein, wenn das Ende der Musikdarbietung mit dem Ende des Ausschanks zusammenfällt oder nicht mindestens eine Stunde vorher verbindlich vorgesehen ist. In solchen Fällen kann nach der Lebenserfahrung nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass die meisten Besucher innerhalb der lautesten Nachtstunde die Halle verlassen werden (vgl. Nr. 6.4 Abs. 1 Satz 2 TA-Lärm; vgl. Urteilsabdruck S. 7). Die Kläger sind gegenüber einer falschen Handhabung durch die Beklagte insoweit auch nicht schutzlos. Für sie besteht im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens die Möglichkeit, Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten zu erhalten. Bei einer falschen Handhabung besteht für die Beklagte zudem die Gefahr, dass zu Unrecht im Vorfeld nicht als Großveranstaltung besonderer Prägung eingestufte Veranstaltungen vorzeitig das jährliche Kontingent erschöpfen und gegebenenfalls andere bereits angemeldete Großveranstaltungen nicht mehr durchgeführt werden können.

2. Soweit die Kläger zugleich auf besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) verweisen, ist eine Zulassung der Berufung ebenfalls nicht veranlasst. Die Kläger haben hierzu nichts über das zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO Dargelegte vorgebracht.

3. Auch die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor. Wie unter Nr. 1 ausgeführt, ist in der Rechtsprechung geklärt, dass die Frage der Zumutbarkeitsgrenze von Lärm von Freizeitnutzungen aufgrund tatrichterlicher Würdigung des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen ist und dabei, auch was die Zulässigkeit von sog. seltenen Ereignissen betrifft, technische Regelwerke als (bloße) Orientierungshilfe herangezogen werden können. Insoweit ist ein grundsätzlicher Klärungsbedarf nicht aufgezeigt.

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

Streitwert: § 63 Abs. 3 Satz 1, § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 GKG; Nr. II 19.2 i.V.m. 2.2.2 des Streitwertkatalogs 2004.