Die Informationspflicht des Reiseveranstalters gemäß § 5 Nr. 1 BGB-InfoV gilt nicht gegenüber Angehörigen von sog. Drittstaaten (hier: Türkei).
Ein vorsorglicher Hinweis an alle Reisenden, dass für Angehörige von Drittstaaten möglicherweise andere Pass- und Visumerfordernisse gelten, ist nicht erforderlich (Anschluss AG Baden-Baden, RRa 2009, 281; Abgrenzung zu LG Düsseldorf, RRa 2006, 162; LG Münster, RRa 2009, 296).
Angehörige von Drittstaaten muss der Reiseveranstalter nur dann über Pass- und Visumerfordernisse informieren, wenn die ausländische Staatsangehörigkeit bei Vertragsschluss aufgrund besonderer Umstände erkennbar ist.
Allein die Umstände, dass der Reisekunde einen türkischen Namen trägt und das Beratungsgespräch teilweise in türkischer Sprache geführt wurde, geben keinen ausreichenden Hinweis auf dessen türkische Staatsangehörigkeit, da in der Bundesrepublik Deutschland und insbesondere im Ruhrgebiet eine große Zahl von Menschen lebt, die zwar türkischer Abstammung sind, aber gleichwohl die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.
Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das am 07.02.2012 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr (13 C 485/11) abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
I.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil (Bl. 97 ff. d. A.). Im Übrigen wird von einer Darstellung des Sach- und Streitstandes gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
II.
Die Berufung der Beklagten zu 1) hat Erfolg.
Dem Kläger stehen wegen der vereitelten Reise nach Dubai weder Gewährleistungsansprüche aus §§ 651d ff. BGB noch ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB zu. Nach Auffassung der Kammer war die Beklagte zu 1) nicht verpflichtet, den Kläger ungefragt über die Einreisebestimmungen der Vereinigten Arabischen Emirate aufzuklären.
1.
Grundsätzlich ist es Sache des Reisenden, das zur Vorbereitung und planmäßigen Durchführung der Reise Erforderliche zu tun, insbesondere sich die persönlichen Reisedokumente wie Pass, Visum u. ä. zu beschaffen (BGH, NJW 1985, 1185; OLG Rostock, RRa 2009, 98). Auf die Vorschrift des § 5 Nr. 1 BGB-InfoV, wonach der Reiseveranstalter verpflichtet ist, den Reisenden vor Vertragsschluss über Pass- und Visumerfordernisse zu unterrichten, kann sich der Kläger nicht berufen, da sich diese Verpflichtung nur auf die Erfordernisse für Angehörige des Mitgliedstaates, in dem die Reise angeboten wird, mithin auf deutsche Staatsangehörige bezieht. Im Hinblick auf den weitergehenden Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 lit. a der EG-Pauschalreise-Richtlinie, wonach die Hinweise für Staatsangehörige „des bzw. der betreffenden Mitgliedstaaten“ zur Verfügung gestellt werden müssen, wird zwar eine entsprechende Anwendung des § 5 Nr. 1 BGB-InfoV auf Angehörige anderer EU- (und EWR-) Mitgliedstaaten diskutiert (vgl. Führich, Reiserecht, 6. Aufl. 2010, Rn. 663a; Staudinger, BGB, Neubearb. 2011, BGB-InfoV § 5 Rn. 2). Gegenüber Angehörigen von Drittstaaten wie dem Kläger, der die türkische Staatsbürgerschaft besitzt, ist der Reiseveranstalter nach allgemeinen reisevertraglichen Grundsätzen jedoch nur dann zu einer Information verpflichtet, wenn die ausländische Staatsangehörigkeit bei Vertragsschluss aufgrund besonderer Umstände erkennbar ist (vgl. Führich, a. a. O., Rn. 663b; Staudinger, a. a. O., Tonner, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2009, BGB-InfoV § 5 Rn. 6).
Von diesen Grundsätzen ist das Amtsgericht zutreffend ausgegangen, allerdings hat es das Vorliegen der vorgenannten Voraussetzung nach Auffassung der Kammer zu Unrecht bejaht. Wie die Kammer bereits in anderer Sache entschieden hat (vgl. Beschluss vom 14.11.2011 - 7 S 108/11), gibt allein der Umstand, dass der Kläger einen türkischen Namen trägt, keinen ausreichenden Hinweis auf dessen türkische Staatsangehörigkeit, da in der Bundesrepublik Deutschland und insbesondere im Ruhrgebiet, zu dem der Landgerichtsbezirk Duisburg einschließlich der Stadt Mülheim an der Ruhr zählen, eine große Zahl von Menschen lebt, die zwar türkischer Abstammung sind, aber gleichwohl die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Aus demselben Grunde ist auch die vom Amtsgericht festgestellte Tatsache, dass das Beratungsgespräch zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten zu 2) teilweise in türkischer Sprache geführt wurde, kein Indikator für die Staatsangehörigkeit des Klägers. Denn es ist allgemein bekannt, dass die türkische Sprache auch unter deutschen Staatsbürgern mit türkischem Migrationshintergrund, selbst wenn deren Familien in zweiter oder dritter Generation in Deutschland leben, zum Teil noch rege Verwendung findet. Nicht anders verhält es sich im Übrigen bei vielen Migranten aus Osteuropa, die mit der Anerkennung als Spätaussiedler im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben. Um diesen demographischen Gegebenheiten Rechnung zu tragen, müsste der Reiseveranstalter bzw. das vermittelnde Reisebüro obligatorisch die Staatsangehörigkeit sämtlicher Reisenden abfragen und hierauf zugeschnittene Einzelinformationen erteilen. Eine derart weitgehende Informationspflicht ist abzulehnen, da sie die vertragliche Risikoverteilung (s. o.) in nicht mehr angemessener Weise zu Lasten des Reiseveranstalters verschieben würde.
2.
Eines vorsorglichen Hinweises des Reiseveranstalters an alle Reisenden, dass für Angehörige von Drittstaaten möglicherweise andere Pass- und Visumerfordernisse gelten, die bei der zuständigen Botschaft erfragt werden können (wie er in den im Reisekatalog der Beklagten zu 1) abgedruckten „Wichtigen Hinweisen“ enthalten ist), bedarf es nach Auffassung der Kammer nicht (wie hier AG Baden-Baden, RRa 2009, 281; im Ergebnis auch Staudinger, a. a. O.; a. A. wohl LG Düsseldorf, RRa 2006, 162; LG Münster, RRa 2009, 296; Führich, a. a. O., Rn. 654e). Bei einem durchschnittlichen Reisenden kann - jedenfalls bei Fernreisen - als bekannt vorausgesetzt werden, dass - je nach Kombination von Staatsangehörigkeit des Reisenden und Zielland - unterschiedliche Einreisebestimmungen gelten können (vgl. AG Baden-Baden, a. a. O.). Sinnvoll ist ein solcher Hinweis allenfalls im Zusammenhang mit der nach § 5 Nr. 1 BGB-InfoV zu erteilenden Informationen für deutsche Staatsangehörige, um klarzustellen, dass diese für Angehörige von Drittstaaten nicht gelten. Da der Kläger diese Informationen nach seinem eigenen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen hat, kann er sich auf eine fehlende Klarstellung nicht berufen, da diese nicht ursächlich dafür geworden sein kann, dass er sich vor Antritt der Reise nicht um die Einholung der erforderlichen Visa gekümmert hat.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 4.414,00 €