LG Münster, Urteil vom 01.03.2012 - 114 O 61/11
Fundstelle
openJur 2012, 88649
  • Rkr:
Tenor

1.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.025,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.09.2011 Zug-um-Zug gegen Abtretung sämtlicher Ansprüche der Klägerin aus und im Zusammenhang mit deren Beteiligung mit der Vertragsnummer ... zu zahlen.

2.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von etwaigen Zahlungsverpflichtungen, die im Zusammenhang mit der Beteiligung der Klägerin an der Beklagten stehen, den jeweiligen Gesellschaften sowie Dritten gegenüber, freizustellen.

3.

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin gegenüber Herrn N wegen vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 816,41 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.09.2011 freizustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

5.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einer angeblich falschen Anlageberatung.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Rückzahlung des gezahlten Anlagebetrages in Höhe von 10.000,00 € nebst des gezahlten Agios in Höhe von 600,00 €.

Die Klägerin beteiligte sich mit Beitrittserklärung vom 01.03.2006 an der Beklagten als atypisch stille Gesellschafterin. Die entsprechende Beratung erfolgte durch den Zeugen N1, der insofern gegenüber der Klägerin als Anlagevermittler fungierte. Das Anlagekonzept sah dabei vor, dass über einen Anlagezeitraum von zehn bis fünfzehn Jahren jährliche liquiditätsabhängige Auszahlungen an die Anleger erfolgen sollten. Diese Auszahlungen sollten ab dem zweiten Beteiligungsjahr 7 % der jeweils eingezahlten Einmaleinlage betragen. Diese Auszahlung sollte im weiteren Verlauf auf bis zu 14 % der geleisteten Einmaleinlage ansteigen. Ausweislich des Emissionsprospekts (Anlage B 4 zum Schriftsatz vom 16.11.2011) sah das Unternehmenskonzept der Beklagten vor, Logistikimmobilien für große international tätige Transport- und Logistikunternehmen in Europa zu planen, zu kaufen, zu entwickeln und zu vermieten.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie im Zuge ihrer Beteiligung an der Beklagten durch den Zeugen N1 fehlerhaft beraten worden sei. Diese Falschberatung müsse sich die Beklagte nach Ansicht der Klägerin zurechnen lassen. In diesem Zusammenhang behauptet sie, dass sie seitens des Zeugen N1 nicht darüber aufgeklärt worden sei, dass die für den Anlagezeitraum prognostizierten Auszahlungen gewinnunabhängig seien und daher das zur Verfügung stehende Investitionskapital minderten.

Ferner sei überdies keine Aufklärung über die konkret anfallenden Emissionskosten erfolgt. Die in diesem Zusammenhang dargestellten Angaben im Emissionsprospekt seien irreführend. Schließlich sei es fehlerhaft, wenn auf Seite 58 des Prospekts angegeben werde, dass die Bruttoplatzierungskosten 11,9 Millionen Euro ausmachen, was nach dem Prospekt einer Platzierungsquote in Höhe von 7,5 % entsprechen sollte. Diese Darstellung sei insofern irreführend, als dass sich eine Platzierungsquote denklogisch nur auf das am Kapitalmarkt einzuwerbene apytische stille Beteiligungskapital und nicht auf die gesamte Mittelverwendung als solche beziehen könnte. Betrachtet man die Platzierungskosten in Höhe von 11,9 Millionen Euro im Verhältnis zu dem atypisch stillen Beteiligungskapital in Höhe von 37,5 Millionen Euro, so ergäbe sich eine Platzierungskostenquote von mehr als 31 %. Im Hinblick darauf, dass die Rechtsprechung bereits bei einer Platzierungskostenquote von mehr als 15 % eine Aufklärungspflicht annehme, sei die insofern unterlassene Aufklärung durch den Zeugen N1 bzw. die fehlerhafte Darstellung im Prospekt grob fehlerhaft.

Außerdem entspreche die streitgegenständliche Kapitalbeteiligung nicht dem Anlageziel der Klägerin. Diese habe vielmehr eine sichere Kapitalanlage angestrebt bei der ein Verlust des eingesetzten Kapitals ausgeschlossen sein sollte. Im Hinblick darauf, dass die streitgegenständliche Beteiligung als eine unternehmerische Beteiligung das Risiko in sich trage, dass das seitens der Klägerin eingesetzte Kapital vollumfänglich verlustig gehen könne, entspräche die Beteiligung an der Beklagten nicht dem Anlageziel der Klägerin. Auf die Möglichkeit bzw. das Risiko eines Totalverlustes ist dabei weder durch den Zeugen N1 noch durch den Emissionsprospekt aufgeklärt worden.

Auch sei der Klägerin ein entsprechend fehlerfreier Emissionsprospekt nicht vor der Unterzeichnung, sondern vielmehr in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Unterzeichnung des Zeichnungsscheins übergeben worden, so dass diese in jedem Fall nicht mehr die Möglichkeit gehabt habe, von dem Inhalt des Prospekts Kenntnis zu nehmen.

Die Klägerin hat die Beklagte mit außergerichtlichem Schreiben vom 24.06.2011 zur Rückzahlung des eingesetzten Kapitals zuzüglich des gezahlten Agios in Höhe von 600,00 € bis zum 04.07.2011 aufgefordert. Die Beklagte lehnte eine Rückzahlung jedoch ab, so dass die Klägerin mit Schriftsatz vom 27.07.2011 Klage erhoben hat. Sie beantragt nunmehr,

1.

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 9.025,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.07.2011 Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher Ansprüche der Klägerin aus und im Zusammenhang mit deren Beteiligung mit der Vertragsnummer ... zu zahlen.

2.

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von etwaigen Zahlungsverpflichtungen, die im Zusammenhang mit der Beteiligung der Klägerin an der Beklagten stehen, den jeweiligen Gesellschaften sowie Dritten gegenüber, freizustellen.

3.

festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der abgetretenen Rechte in Verzug befindet.

4.

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin gegenüber Herrn N wegen vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.150,49 € zuzüglich 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass sich die Klägerin ihr gegenüber nicht auf das Zustandekommen eines Beratungsvertrages berufen könne. Schließlich sei ein solcher Beratungsvertrag allenfalls zwischen der Klägerin und dem Zeugen N1, nicht aber mit der Beklagten zustande gekommen. Daraus folge, dass sie sich ein etwaiges Verschulden des Zeugen N1 auch nicht zurechnen lassen müsse.

Ferner sei eine ordnungsgemäße Aufklärung der Klägerin über den Inhalt und die Risiken der streitgegenständlichen Beteiligung auch durch die rechtzeitige Übergabe des insoweit nicht zu beanstandenden Emissionsprospekts erfolgt. Schließlich habe die Klägerin auf dem Zeichnungsschein selber bestätigt, dass sie rechtzeitig vor Unterzeichnung der Beitrittserklärung ein Exemplar des Emissionsprospektes aus dem Jahre 2005 erhalten habe. Die Beklagte weist in diesem Zusammenhang auf einen Hinweisbeschluss vom 27.10.2011 des Hanseatischen Oberlandesgerichtes hin, wonach der streitgegenständliche Prospekt nach seinem Gesamtbild zutreffend, verständlich und vollständig insbesondere über die von der Klägerin monierten Risiken aufkläre.

Ferner ist die Beklagte der Ansicht, dass es auch keiner Aufklärung dahingehend bedurft hätte, dass die Auszahlung von gewinnunabhängigen Entnahmen das zur Verfügung stehende Investitionskapital minderten. Dies ergebe sich schließlich daraus, dass die prognostizierten Ausschüttungen zwar unter einem Liquiditätsvorbehalt gestanden hätten, jedoch als gewinnunabhängig dargestellt worden seien. Daraus könne zweifelsfrei der Schluss gezogen werden, dass solche gewinnunabhängigen Entnahmen denklogisch das zur Verfügung stehende Investitionskapital minderten. Auch der Hinweis der Klägerin dahingehend, dass keine konkrete bzw. korrekte Aufklärung über die anfallenden Emissionskosten erfolgt sei, diene fehl. Schließlich sei die Darstellung auf Seite 58 des Emissionsprospektes übersichtlich und insoweit fehlerfrei. Sie ermögliche dem Anleger ohne Weiteres, sich einen Überblick über die Emissionskosten zu verschaffen. Dies gelte umso mehr, als das die genannte Darstellung sowohl absolute Zahlen als auch eine prozentuale Angabe im Verhältnis zum gesamten Mittelverwendungsvolumen enthalte, so dass insoweit zweifelsfrei eine umfassende Information möglich sei.

Schlussendlich müsse sich die Klägerin auch die erhaltenen Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 1.575,00 € schadensmindernd anrechnen lassen. Ferner seien in diesem Zusammenhang etwaige Steuervorteile in Ansatz zu bringen. Die klägerseits geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten bestünden weder dem Grunde noch der konkreten Höhe nach. Schließlich sei die klägerseits in Ansatz gebrachte Gebühr in Höhe von 1,8 im Hinblick auf den Umfang und Schwierigkeitsgrad der zu bearbeitenden Sache nicht gerechtfertigt. Ferner erhebt die Beklagte hinsichtlich aller in Betracht kommenden Ansprüche die Einrede der Verjährung.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen N1 und M. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf das Sitzungsprotokoll vom 09.02.2012.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen.

Gründe

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

1.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte wegen vorvertraglicher Pflichtverletzung ein Schadensersatzanspruch gem. der §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 BGB zu, gerichtet auf Rückzahlung des am 01.03.2006 gezahlten Betrages in Höhe von 10.000 € nebst des Agios in Höhe von 600 €, abzüglich der erhaltenen Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 1.575 €.

Zwischen der Klägerin und der Beklagten ist durch das Beratungsgespräch im Hinblick auf die später durch die Klägerin gezeichnete Beteiligung ein vorvertragliches Schuldverhältnis im Sinne des § 311 Abs. 2 BGB zustande gekommen, woraus ein für die Parteien einzuhaltendes Pflichtenprogramm nach Maßgabe des § 241 Abs. 2 BGB folgte. Dabei war die Beklagte vorliegend verpflichtet, der Klägerin ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt als solches zu vermitteln. Sie war demnach verpflichtet, die Klägerin über alle Umstände, die für ihre Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufzuklären (BGH NZG 2005, 472, 475; ZIP 2004, 1706, 1707; WM 2003, 1086, 1088; ZIP 2000, 1296, 1297). Der Annahme eines solchen Pflichtenprogramms steht nicht entgegen, dass die Beklagte insofern keinen persönlichen Kontakt zur Klägerin selbst hatte, sondern sich dabei des Zeugen N1 bediente. Schließlich ist für das Zustandekommen eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses kein persönlicher Kontakt erforderlich (BGH NJW 2009, 613, 614 für die (vorvertraglichen) Pflichten einer Treuhandkommanditistin). Dabei muss sich die kapitalsuchende Gesellschaft ggf. das Fehlverhalten des von ihr beauftragten Vermittlers zurechnen lassen, § 278 BGB (BGH NZG 2005, 472, 475). Bezogen auf die konkrete Beteiligungsform war die Klägerin daher darüber aufzuklären, dass sie ggf. an den Verlusten der Beklagte beteiligt ist, dass die jährlich auszuzahlenden Entnahmen das zur Verfügung stehende Investitionskapital mindern und diese Entnahmen ferner unter einem Liquiditätsvorbehalt stehen. Ferner bedurfte es eines entsprechenden Hinweises dahingehend, dass die Klägerin im Falle des Eintritts eines negativen Kapitalkontos einer Nachschusspflicht in maximaler Höhe ihrer Einlage ausgesetzt war (BGH NZG 2005, 472, 475).

Diese Pflicht hat die Beklagte bzw. der für sie tätige Zeuge N1 verletzt. Schließlich ist die Klägerin im Rahmen des Beratungsgesprächs im März 2006 ausweislich ihres Vortrages über keinerlei dieser Risiken aufgeklärt worden. Dieser Umstand steht zur Überzeugung des Gerichts auch fest aufgrund der insoweit glaubhaften Aussage des Zeugen N1. Dieser hat in seiner Vernehmung ohne Nachfrage angegeben, dass er die streitgegenständliche Anlageform für „sicher“ erachtete und daher über keinerlei Risiken aufgeklärt habe, insbesondere nicht über deren Charakter als unternehmerische Beteiligung bzw. des damit verbundenen Verlustrisikos. Eine umfassende Aufklärung über die mit der Anlageform verbundenen Risiken erfolgte somit nicht. Dies wiegt umso schwerer, als dass die Klägerin zur Überzeugung des Gerichts in erster Linie eine sichere Anlage dergestalt angestrebt hatte, dass zwar eine Rendite oberhalb der Inflationsrate erwirtschaftet werden sollte, dabei ein Verlustrisiko des eingesetzten Kapitals in jedem Fall jedoch ausgeschlossen sein sollte. Gerade diesem Profil entsprach die streitgegenständliche Beteiligung nicht. Schließlich handelte es sich dabei um eine unternehmerische Beteiligung, der entsprechende Risiken immanent waren. Gerade deshalb war eine Aufklärung im Hinblick auf die mit der Anlageform verbundenen Risiken erforderlich.

Die Aussage des Zeugen N1 war aus Sicht des Gerichts uneingeschränkt glaubhaft. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass er ohne Nachfrage freimütig die unterlassene Aufklärung einräumte und damit zugleich ein möglicherweise schadensersatzpflichtiges Verhalten im Hinblick auf das „Innenverhältnis“ zur Beklagten. Ferner erscheint es auch nachvollziehbar, dass der Zeuge N1 tatsächlich von einer „sicheren Anlageform“ ausging und daher auf eine Risikoaufklärung verzichtete. Schließlich war er zum Zeitpunkt des Beratungsgesprächs persönlich gut mit der Klägerin bekannt, weshalb der Schluss nahe liegt, dass er tatsächlich glaubte, eine den Anlagezielen der Klägerin entsprechende Anlageform zu empfehlen, bei der eine entsprechende Risikoaufklärung entbehrlich zu sein schien.

Der Annahme einer fehlerhaften Anlageberatung steht auch nicht der Umstand entgegen, dass die Klägerin nach eigenem Bekunden nicht ausschließen könne, im Rahmen des Beratungsgesprächs im März 2006 ein Anlageprospekt erhalten zu haben, so dass zu ihren Ungunsten das Gericht davon ausgehen musste, dass sie als darlegungs- und beweisbelastete Partei einen solchen Prospekt erhalten hat. Jedoch war im vorliegenden Fall allein die Übergabe des Prospekts nicht geeignet, eine Pflichtverletzung auszuschließen. Hierbei verkennt das Gericht nicht, dass grundsätzlich die Übergabe eines fehlerfreien Prospekts genügen kann, um dem Erfordernis einer sachgerechten Beratung zu genügen (BGH NJW-RR 2007, 1692 f.). Dies gilt allerdings nur in den Fällen, in denen zuvor keine bzw. keine umfassende mündliche Beratung erfolgt ist (auf diese Fälle nimmt BGH NJW-RR 2007, 1692, 1693 Bezug). Im vorliegenden Fall hingegen ist die Klägerin im Rahmen des Beratungsgesprächs nicht nur nicht umfassend, sondern auch fehlerhaft beraten worden. In diesen Fällen genügt die Übergabe eines Anlageprospekts nach einem Beratungsgespräch dem Erfordernis einer sachgerechten Aufklärung nicht, da der Anleger sich grundsätzlich auf die Angaben des Beraters verlassen darf (BGH NJW 2010, 3292, 3294).

Die Klägerin hat vorliegend auch einen Schaden erlitten. In Fällen einer fehlerhaften Anlageberatung ist ein Schaden des Anlegers bereits in dem Umstand zu erblicken, dass er eine für ihn nachteilige Anlageform gezeichnet hat, ungeachtet des Umstandes, welchen Vermögenswert diese als solche hat (BGH WM 2005, 929, 930). Auf die Frage, inwieweit das an die H AG & Co. KG im Jahre 2008 ausgereichte Darlehen die Werthaltigkeit der Beteiligung schmälert, kommt es daher nicht mehr an.

Für die Kausalität zwischen der festgestellten Pflichtverletzung und dem Schaden streitet vorliegend die Vermutung des „aufklärungsrichtigen Verhaltens“, wonach eine Vermutung dahingehend besteht, dass der Anleger im Falle einer ordnungsgemäßen Beratung die streitgegenständliche Kapitalanlage nicht gezeichnet hätte. Dieses Institut gelangt vorliegend auch zur Anwendung, da die Beklagte keine Umstände dargetan hat, aus denen sich ergeben könnte, dass die Klägerin die Beteiligung auch im Falle einer insoweit „richtigen“ Beratung gezeichnet hätte. Vielmehr ist das Gericht nach den Aussagen der Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass sie die streitgegenständliche Beteiligung im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärung, insbesondere dahingehend, dass es sich dabei um eine unternehmerische Beteiligung mit einem entsprechenden Verlustrisiko gehandelt hat, nicht gezeichnete hätte. Schließlich hat diese nachvollziehbar und glaubhaft angegeben, dass der Kapitalerhalt im Hinblick auf die Altersvorsorge bzw. den später zu erwartenden Auszug der Tochter das wesentliche Motiv für die Zeichnung der Kapitalbeteiligung gewesen sei, dem sich folglich auch Renditeerwartungen hätten unterordnen müssen.

Die Pflichtverletzung hat die Beklagte auch zu vertreten, §§ 276, 278 BGB. Insofern erfolgt vorliegend eine Zurechnung von fremdem Verschulden nach Maßgabe des § 278 BGB. Nach dieser Vorschrift muss sich derjenige, der sich im eigenen Pflichtenkreis in Erfüllung eigener Verbindlichkeiten eines Erfüllungsgehilfen bedient, dessen Verschulden, welches sich nach Maßgabe des § 276 BGB beurteilt und das nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet wird, zurechnen lassen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Zeuge N1 ist mit „Wissen und Wollen“ der Beklagten in deren Pflichtenkreis in Gestalt der ihr gegenüber der Klägerin nach den §§ 311, 241 Abs. 2 BGB obliegenden Pflichten und somit als deren Erfüllungsgehilfe tätig geworden (Palandt/Grüneberg, § 311 Rn. 28). Der Erfüllungsgehilfeneigenschaft steht auch nicht der Umstand entgegen, dass der Zeuge N1 als selbständiger Versicherungsvermittler tätig wurde und insofern nicht die Firma O, die ausweislich der Zeichnungsscheins als Vermittlerin der streitgegenständlichen Beteiligung auftreten sollte. Schließlich erfolgt eine Zurechnung nach Maßgabe des § 278 BGB auch in den Fällen, in denen sich der „eigentliche“ Erfüllungsgehilfe wiederum der Hilfe eines anderen bedient, soweit dies mit Einverständnis des Schuldners geschehen ist, welches auch stillschweigend erklärt werden kann (Palandt/Grüneberg, § 278 Rn. 9). Letzteres ist vorliegend anzunehmen, da die Beitrittserklärung sowohl von der Klägerin als auch vom Zeugen N1 unterzeichnet worden ist, was offensichtlich seitens der Beklagten akzeptiert wurde. Umstände, die das nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB das vermutete Verschulden des Zeugen N1 ggf. wiederlegen könnten, sind nicht dargetan. Somit hat die Beklagte das fremde Verschulden des Zeugen N1 nach § 278 BGB zu vertreten. Entgegen der Ansicht der Beklagte erfolgt über die Vorschrift weder eine Zurechnung „fremder Pflichten“ noch „fremder Pflichtverletzungen“, sondern allein von fremden Verschulden. Bei den verletzten Aufklärungspflichten handelt es sich vielmehr um solche aus dem direkten Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten.

Ein Mitverschulden der Klägerin dahingehend, dass sie es unterlassen hat, sich selbständig mit Hilfe des Prospekts zu informieren, ist nicht anzunehmen, da der Anleger grundsätzlich auf die Angaben des Vermittlers vertrauen darf (BGH NJW 2010, 3292, 3294; Schimansky/Bunte/Lwowski, § 110 Rn. 103).

Schlussendlich greift auch die erhobene Einrede der Verjährung nicht. Schließlich sind seitens der insofern darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten keine Umstände vorgetragen worden, die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis der Beklagten im Hinblick darauf zu begründen vermochten, dass es sich bei der streitgegenständlichen Beteiligung um eine Kapitalanlage mit unternehmerischem Charakter gehandelt hat. Sofern die Beklagte darauf verweist, dass sich dieser Umstand aus dem Anlageprospekt ergeben würde, greift dieser Einwand nicht durch. Schließlich durfte die Klägerin insofern auf die Angaben des Zeugen N1 vertrauen und war nicht verpflichtet, sich darüber hinaus mit Hilfe des Anlageprospekts zu informieren, mithin die fehlerhafte Beratung durch den Zeugen N1 zu „korrigieren“, so dass sich insofern die Annahme von grob fahrlässiger Unkenntnis verbietet (so ausdrücklich BGH NJW 2010, 3292, 3294 f.).

Die Klägerin hat daher einen Anspruch gegen die Beklagte gem. der §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 BGB auf Rückgängigmachung des für sie nachteiligen Vertrags, gerichtet auf Rückzahlung des Anlagebetrag nebst des Agios Zugum-Zug gegen Rückübertragung der streitgegenständlichen Beteiligung. Dabei musste sich die Klägerin nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung die erhaltenen Ausschüttungen aus der Kapitalanlage in Höhe von 1.575 € anrechnen lassen. Etwaige Steuervorteile waren vorliegend nicht in Abzug zu bringen. Schließlich fehlt es insoweit bereits an substantiiertem Vortrag seitens der darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten. Zwar verkennt das Gericht nicht, dass die Klägerin in Ansehung möglicher Steuerersparnisse eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast trifft (BGH NZG 2010, 1029, 1031). Dies setzt jedoch zumindest einen  entsprechenden Vortrag der Beklagten voraus, an den zwar grundsätzlich keine überzogenen Anforderungen gestellt werden dürfen, der aber nicht erkennbar „ins Blaue“ hinein aufgestellt sein darf. Dies dürfte jedoch anzunehmen sein, soweit die Beklagte allein behauptet (Bl. 33 d. A.), dass die Steuervorteile anzurechnen seien, ohne konkrete Umstände zu benennen.

Die materiellrechtliche Nebenentscheidung folgt aus den §§ 288 Abs. 1, 291 BGB, da die Beklagte auf das Aufforderungsschreiben der Klägerin vom 24.06.2011, in dem der Beklagten eine Frist zur Rückzahlung des Beteiligungsbetrages bis zum 04.11.2011 gesetzt worden ist, zwar nicht reagiert hatte, die Klägerin wiederum aber auch kein verzugsbegründendes Angebot im Sinne des § 294 BGB abgegeben hat (siehe 3.). Daher waren nur Zinsen nach Rechtshängigkeit zuzusprechen.

2.

Der Antrag zu 2. ist zulässig und begründet. Ein solcher Feststellungsantrag setzt im Rahmen der Zulässigkeit voraus, dass zumindest die Möglichkeit des Eintritts weiterer Schäden im Zusammenhang mit der Beteiligung an der streitgegenständlichen Kapitalanlage besteht (BGH NJW-Rr 2007, 601). Dies ist vorliegend zu bejahen. Schließlich besteht im Falle des Eintritts eines negativen Kapitalkontos die Gefahr der Nachschusspflicht bzw. der Rückgewähr der erhaltenden Auszahlungen bzw. der zurück erhaltenden Einlagen. Insofern ist auch eine genaue Bezifferung nicht möglich, so dass das Feststellungsinteresse vorliegend nicht an der grundsätzlich bestehenden Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber einer Leistungsklage scheitert. Ein solcher Antrag ist auch begründet. Schließlich ist insofern erforderlich, dass eine schadensersatzbegründende Handlung feststeht (BGH NJW-RR 2007, 601). Insofern kann auf die Ausführungen unter 1. verwiesen werden.

3.

Der Antrag zu 3. ist unbegründet. Schließlich hat die Klägerin der Beklagten die von ihr zu bewirkende Leistung nicht in verzugsbegründender Weise angeboten. Ein solches verzugsbegründendes Angebot muss nach Maßgabe des § 294 BGB erfolgen, mithin „in der rechten Art und Weise“, „zur rechten Zeit“ und „am rechten Ort“ erfolgen (Palandt/Grüneberg, § 294 Rn. 3). Vorliegend fehlt es bereits an einem Angebot „in der rechten Art und Weise“. Schließlich kann die Klägerin die Rückzahlung des Anlagebetrages nur Zugum-Zug gegen Rückgewähr der Beteiligung selbst verlangen (Palandt/Grüneberg, § 280 Rn. 32). Daraus folgt, dass in dem insoweit unbedingten Verlangen der Klägerin kein Angebot der von ihr zu bewirkenden Leistung in Gestalt der Rückgewähr der Beteiligung zu erblicken ist (vgl. das außergerichtliche Schreiben der Klägerin vom 24.06.2011 (Anlage K2 zur Klageschrift, Bl. 10 ff. d. A.)). Vielmehr hätte sie die Beklagte für ein „ordnungsgemäßes Angebot“ insofern zur Rückzahlung Zugum-Zug gegen Rückübertragung der Gesellschaftsanteile auffordern müssen.

4.

Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz bzw. auf Freistellung von den außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten ist nur in der erkannten Höhe begründet. Grundlage für die Berechnung war ein Streitwert bis zu 13.000 €, wonach nach RVG-VV 2300 eine 1,3 Geschäftsgebühr, mithin ein Betrag in Höhe von 683,80 € anzusetzen gewesen ist. Zuzüglich einer Kostenpauschale in Höhe von 20 € nebst der MwSt. ergibt sich ein Betrag in Höhe von 816,41 €, den die Klägerin als Verzugsschaden ersetzt bekommt bzw. in dieser Höhe Freistellung verlangen kann. Eine Berechnung nach Maßgabe einer 1,8 Gebühr war jedoch nicht zuzuerkennen. Schließlich kann nach RVG-VV 2300 eine Gebühr von mehr als 1,3 nur dann gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Dies war vorliegend nicht anzunehmen. Eine Tätigkeit ist dann umfangreich oder schwierig, wenn die anwaltliche Tätigkeit entweder unter zeitlichen Gesichtspunkten oder im Hinblick auf die Schwierigkeit der Sache als überdurchschnittlich anzusehen ist, mithin Problemfelder zu bearbeiten sind, die insoweit von dem Normallfall abweichen (Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, § 14 Rn. 15, 16). Beides ist vorliegend nicht anzunehmen, da der Klägervertreter bereits nicht dargetan hat, wie viel Zeit er auf die Bearbeitung der Sache verwandt hat, so dass es insofern bereits an hinreichendem Vortrag fehlt. Weiter dürfte die Sache auch nicht als „überdurchschnittlich schwierig“ anzusehen sein. Dies ergibt sich insbesondere im Hinblick darauf, dass der Prozessvertreter der Klägerin mit mehreren gleichgelagerten Verfahren allein vor der zuständigen Kammer des Landgerichts Münster befasst gewesen ist.

5.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 S. 2 ZPO.