LAG Hamm, Urteil vom 09.11.2010 - 14 Sa 1068/10
Fundstelle
openJur 2012, 88517
  • Rkr:

1. Führt die Bildung von Altersgruppen in ihrer Anwendung dazu, dass bei einer Verteilung der auszusprechenden Kündigungen entsprechend dem prozentualen Anteil der Altersgruppen an der davon erfassten Belegschaft die letzte Kündigung aus zwei Altersgruppen gleichermaßen erfolgen kann, ist die Herausnahme eines bestimmten Arbeitnehmers aus der sozialen Auswahl nicht nach § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG gerechtfertigt.

2. Führt die Altersgruppenbildung zu einer Verringerung des Altersdurchschnitts um 2,66 Jahre, liegt eine erhebliche Verbesserung der Personalstruktur vor, welche nicht mehr nach § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG gerechtfertigt ist.

3. Wird die Altersgruppenbildung auf einen bestimmten Betriebsbereich beschränkt, ist der Altersdurchschnitt vor und nach Ausspruch der Kündigungen allein in diesem Bereich zu ermitteln und nicht bezogen auf den Gesamtbetrieb.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 15. Juni 2010 (1 Ca 1383/09) abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Oktober 2009 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Mitarbeiter der Abteilung Vorrichtungsbau/Mechatronik weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 400,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2009 zu zahlen.

Die Kosten des Verfahrens erster Instanz tragen der Kläger zu 1/10, die Beklagte zu 9/10.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

TATBESTAND :

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung und über die Zahlung von Weihnachtsgeld.

Der Kläger ist am 1. Juli 1954 geboren, verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Zum Zeitpunkt der hier angegriffenen Kündigung vom 26. Oktober 2009 war lediglich ein Kind auf der Lohnsteuerkarte eingetragen. Der Kläger ist gelernter Kfz-Mechaniker und Werkzeugmacher. Bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden bezog er zuletzt eine Vergütung von 2.800,00 Euro brutto monatlich. Als Servicemitarbeiter war er seit Beginn seiner Beschäftigung in der Abteilung Vorrichtungsbau/Mechatronik tätig. 60 % seiner Tätigkeiten bestanden aus Servicedienstleistungen, welche Reparaturtätigkeiten der bei der Beklagten vorhandenen Maschinen umfassen. 40 % der Tätigkeit des Klägers entfielen auf Rüstvorgänge an den Maschinen. Aufgrund seiner Qualifikation darf der Kläger elektrische Arbeiten nur noch an Maschinen mit Spannungen bis 220 Volt durchführen.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der kunststoffverarbeitenden Industrie und stellt u.a. im Spritzgussverfahren Spulen für die Drahtaufwicklung her. Sie unterhält hierzu zwei Standorte, von denen sich das "Werk I" in L2 und das "Werk II" als unselbständiger Betriebsteil in R1 befindet. Aufgrund der arbeitsvertraglichen Bedingungen der Beschäftigten kann ein Einsatz in beiden Werken erfolgen. Für beide Werke besteht ein Betriebsrat. Die Beklagte ist nicht tarifgebunden.

Beginnend mit dem 4. Quartal 2008 kam es bei der Beklagten zu erheblichen Auftrags- und Umsatzrückgängen, denen sie zunächst mit dem Abbau vorhandener Urlaubsguthaben und Gleitzeitkonten begegnete. Ab 1. Januar 2009 wurde Kurzarbeit durchgeführt. Nachdem diese Entwicklung auch im Verlauf des Jahres 2009 weiter anhielt, entschloss sich die Geschäftsleitung, in sämtlichen Unternehmensbereichen neben anderen Maßnahmen der Kostenreduzierung auch einen Stellenabbau durchzuführen.

In der Abteilung Vorrichtungsbau/Mechatronik waren elf Arbeitnehmer beschäftigt. Die zu verrichtenden Rüstvorgänge hatten sich von 2127 in den ersten drei Quartalen des Jahres 2008 auf 1205 im Vergleichszeitraum des Jahres 2009 reduziert. Darüber hinaus wurden regelmäßige Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten fremd vergeben. Hierdurch reduzierte sich der Bedarf auf sechs Vollzeitstellen in der Abteilung Vorrichtungsbau/Mechatronik. Die verbliebenen Mitarbeiter werden in der Produktion bei der internen Störungsbeseitigung eingesetzt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf die nicht mehr angegriffenen Feststellungen des arbeitsgerichtlichen Urteils (S. 3 bis 5, 15 f. des Urteils, Bl. 181 bis 184, 193 f. d. A.) sowie auf das Protokoll der Sitzung des Landesarbeitsgerichts vom 9. November 2010 (S. 2 und 3 des Protokolls, Bl. 271R, 272 d. A.) Bezug genommen.

Insgesamt wurde die Gesamtbelegschaft von 181 Mitarbeiter um 48 Mitarbeiter reduziert werden (vgl. Massenentlassungsanzeige vom 12. Oktober 2010 Anlage B 5a der Klageerwiderung vom 14. Januar 2010, Bl. 76 f. d. A.). Unter dem 31. August 2009 vereinbarte die Beklagte mit ihrem Betriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan (wegen der Einzelheiten vgl. Anlage B 6 der Klageerwiderung vom 14. Januar 2010, Bl. 94 ff. d. A.). Hinsichtlich der sozialen Auswahl enthält der Interessenausgleich unter Nr. 4.3 folgende Regelung:

Die soziale Auswahl der vom Personalabbau betroffenen Beschäftigten wurde unter Berücksichtigung der in § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG vorgesehenen Kriterien (Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten sowie etwa bestehende Schwerbehinderung) vorgenommen.

Weiter wurde bei verschiedenen Arbeitnehmergruppen eine Altersgruppenbildung nach nachfolgenden Kriterien vorgenommen:

Altersgruppe 1 0 bis Lebensalter von 25 Jahren

Altersgruppe 2 Lebensalter oberhalb von

25 Jahren bis 35 Jahren

Altersgruppe 3 Lebensalter oberhalb von 35

35 Jahren bis 45 Jahren

Altersgruppe 4 Lebensalter oberhalb von

45 Jahren bis 55

Altersgruppe 5 Lebensalter oberhalb von

55 Jahren

Diese Altersgruppenbildung erfolgte in den nachstehend benannten Arbeitnehmergruppen:

- Einrichter

- Kleber

- Logistik/Lager/Versand

- Sachbearbeiter

- Schichtführer

- Spritzgießer

- Vorrichtungsbau/Mechatroniker sowie

- Werkzeugmacher.

Für die soziale Auswahl der betroffenen Beschäftigten erhalten die Beschäftigten persönliche Sozialpunkte für die nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG vorgesehenen Kriterien, und zwar im Einzelnen:

Lebensalter 1 Punkt für jedes vollendete Lebensjahr. Ab dem Lebensalter von 55 Jahren ist der max. Punktewert von 55 Punkten erreicht.

Dauer der 1 Punkt für jedes vollendete Beschäftigungsjahr

Betriebszugehörigkeit

Unterhaltspflichten 8 Punkte jeweils für den Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartner und für jedes Kind

Schwerbehinderung für Gleichgestellte 5 Punkte;

oder Gleichstellung für Schwerbehinderte bis GdB 50: 5 Punkte; oberhalb eines GdB von 50 zusätzlich 1 Punkt je 10 weitere Punkte GdB.

Stichtag für die Bemessung der Sozialpunkte ist der 31. Juli 2009.

Die konkrete Sozialauswahl erfolgt dergestalt, dass von den jeweils vergleichbaren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nur die mit der geringeren Punktzahl für die personellen Maßnahmen ausgewählt wurden.

In den Fällen, in denen eine Altersgruppenbildung vorgenommen wurde, war diese erforderlich, um die Altersstruktur im Betrieb zu erhalten. Die Anzahl der erforderlichen Entlassungen wurde prozentual auf die jeweiligen Altersgruppen verteilt. Innerhalb der Altersgruppe erfolgt eine soziale Auswahl dergestalt, dass diejenigen Arbeitnehmer für personelle Maßnahmen herangezogen wurden, die innerhalb der Altersgruppe die geringste Punktzahl aufweisen.

Von der sozialen Auswahl ausgenommen, wurden jeweils diejenigen Mitarbeiter, deren Fortbeschäftigung aus betrieblichen Interessen erforderlich ist. Diese Mitarbeiter sind in der diesem Interessenausgleich beigefügten

Anlage 1

namentlich bekannt.

Die nach dem vorstehenden Auswahlverfahren von personellen Maßnahmen betroffenen Mitarbeiter sind namentlich in der

Anlage 2

zu diesem Interessenausgleich aufgeführt. Die Anlage 2 ist nicht Bestandteil dieses Interessenausgleiches und wird von den Betriebsparteien auch nicht unterzeichnet.

In der Abteilung Vorrichtungsbau/Mechatronik waren vor Durchführung der Personalmaßnahme ausweislich der von der Beklagten als Anlage B 1 zur Klageerwiderung vom 14. Januar 2010 vorgelegten Personalliste vom 9. Dezember 2009 (Bl. 63 ff. d. A.), die nachfolgend auszugsweise wiedergegeben wird, folgende Arbeitnehmer beschäftigt:

Name

Vorname

Geburtsdatum

Alter

Punkte nach Alter

Unternehmenseintritt

Betriebszugehörigkeit

Punkte nach Betriebszugehörigkeit

Steuerklasse

Zahl der Kinder

Punkte nach Familienstand

Punkte nach Unterhaltsverpflichtungen

Punkte Unterhaltspflichten

Punkte Summe

Altersgruppe

H1

M3

08.10.1984

24,8

24 (25)*

01.08.2002

16

47**

S1

T1

08.07.1983

26,1

26

01.08.2000

35**

P1

E2

01.05.1984

25,3

25

01.08,2004

38**

R2

A2

31.03.1966

43,4

43

03.09.2001

59**

R2

F1

08.07.1971

38,1

38

18.02.1991

18

18

64**

O1

A2

10.07.1966

43,1

43

16.03.1992

17

17

16

76**

E1

G2

23.02.1973

36,5

36

03.04.1995

14

14

40

48

98**

F2

A2

24.05.1962

47,2

47

10.02.1993

16

16

16

79**

B1

F1

21.02.1963

46,5

46

17.05.1994

15

15

16

24

85**

M1

G4

13.10.1959

49,8

49 (50)*

15.07.1981

28

28

24

32

109**

A1

K1-P2

01.07.1954

55,1

55

12.10.1987

22

22

16+

32+

101**

Anmerkungen

* Punkte je vollendetem Lebensjahr lt. Auswahlrichtlinie (Punkte nach Alter lt. Personalliste).

** Hierbei handelt es sich nicht um die in der Personalliste aufgeführte Punktsumme, sondern um die aus den Tabellenwerten für die einzelnen Sozialdaten sich ergebende Punktesumme.

+ Punktzahlen für Kläger bei Berücksichtigung von Unterhaltspflichten für zwei Kinder; in der Personalliste ist nur eine Unterhaltspflicht berücksichtigt.

Die bei dem Kläger bestehende weitere Unterhaltspflicht für sein zweites Kind war wegen des fehlenden Eintrags auf der Lohnsteuerkarte nicht berücksichtigt worden. Neben dem Kläger waren die Arbeitnehmer P1, A2 R2, O1 und F2 für eine Kündigung vorgesehen und entsprechend in der Anlage 2 zum Interessenausgleich vom 31. August 2009 (vgl. Bl. 107 f. d. A.) mit aufgeführt. Der Mitarbeiter M1 ist Betriebsratsmitglied. Die Mitarbeiter H1, F1 R2 und B1 gehören zu den in der Anlage 1 zum Interessenausgleich vom 31. August 2009 (vgl. Bl. 105 f. d. A.) aufgeführten Mitarbeitern, die wegen besonderer Kenntnisse aus der Sozialauswahl ausgenommen worden sind. Hierzu heißt es in der Anlage 1 im Einzelnen wie folgt:

PN

Name

Vorname

Ausnahme Sozialauswahl

204

B1

F1

Handlingerprogrammierung, Reinraumqualifikation

481

H1

M3

Einbindung in Schicht, ebenso wie umfangreiche elektronische Kenntnisse zum Vorrichtungsbau und Reparatur

199

R2

F1

Handlingerprogrammierung

Die für die Entlassung vorgesehenen Mitarbeiter P1, A2 R2, O1 und F2 nahmen wie die meisten anderen von den beabsichtigten Entlassungen betroffenen Arbeitnehmern die im Sozialplan vom 31. August 2010 vorgesehene Möglichkeit eines Wechsels in die Transfergesellschaft wahr.

Die Beklagte hörte den bei ihr bestehenden Betriebsrat mit Schreiben vom 19. Oktober 2009 (vgl. Bl. 116 d. A.) zu der beabsichtigten Kündigung des Klägers an. Der Betriebsrat teilte mit Schreiben vom Folgetage (vgl. Bl. 117 d. A.) mit, dass er zu der beabsichtigten Kündigung keine weitere Stellung nehmen werde. Mit Schreiben vom 26. Oktober 2009 (vgl. Bl. 11 d. A.) kündigte die Beklagte dem Kläger ordentlich zum 31. Mai 2010. Hiergegen richtet sich die am 29. Oktober 2009 beim Arbeitsgericht eingegangene Kündigungsschutzklage.

Die Beklagte zahlte darüber hinaus in der Vergangenheit ein Weihnachtsgeld von durchschnittlich 70 % einer Bruttomonatsvergütung. In den Aushängen der Jahre 2003 bis 2005 war jeweils mit aufgenommen, dass gekündigte Mitarbeiter von der Weihnachtsgeldzahlung ausgenommen sind. Im Jahr 2006 unterzeichneten fast alle Mitarbeiter, darunter der Kläger, einen Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag, der neben einer Arbeitszeitverlängerung von 37,5 Wochenstunden auf 40 Wochenstunden auch einen Freiwilligkeitsvorbehalt für jegliche Art von Gratifikationen in § 4 Änderungsvertrag enthielt. Im Dezember 2009 teilte die Beklagte durch Aushang den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern folgendes mit:

Liebe Mitarbeiterinnen,

liebe Mitarbeiter,

das Jahr 2009 liegt nun fast hinter uns. Es war und ist geprägt von der allgemein schlechten wirtschaftlichen Lage, von dessen negativen Auswirkungen bedauerlicherweise auch unser Unternehmen massiv betroffen ist.

Trotz verstärkter Verkaufsbemühungen und neuer Projekte war es nicht möglich, den Umsatzeinbrüchen in uns bisher unbekannten Maßen entgegenzuwirken.

Erstmals in der Geschichte der H2 und K2 GmbH waren betriebsbedingte Kündigungen in diesem Umfang unvermeidbar und alle Mitarbeiter waren von Kurzarbeit in sehr starkem Ausmaß betroffen.

Auch in diesem schwierigen Jahr möchten wir uns für Ihre Mitarbeit herzlich bedanken. Die Geschäftsleitung wünscht Ihnen und Ihren Familien ein besinnliches Weihnachtsfest und für 2010 Gesundheit, Glück, Zufriedenheit und persönliches Wohlergehen. Wir verbinden diese Wünsche mit der Hoffnung auf eine baldige wirtschaftliche Erholung.

Wie bereits durch Aushang bekannt gegeben, sehen wir uns in diesem Jahr, bedingt durch die erwähnten wirtschaftlichen Probleme leider nur in der Lage, ein Weihnachtsgeld in Höhe von 400,00 Euro (incl. der ausstehenden Einmalzahlung in Höhe von 100,00 Euro) zu zahlen.

Teilzeitkräfte erhalten diese Zahlung anteilig. Auszubildende erhalten 200,00 Euro. Auszubildende, deren Beschäftigungsverhältnis seit dem 01.08.09 besteht, erhalten 50,00 Euro.

Mitarbeiter, die zum 01.12.2009 im Kündigungsverhältnis stehen, sind von der Zahlung des Weihnachtsgeldes ausgenommen. Der beigefügten Lohn-/Gehaltsabrechnung entnehmen Sie bitte den an Sie ausgezahlten Betrag.

Auch diese Zahlung erfolgt ohne Einräumung eines Rechtsanspruchs. Auch die eventuell wiederholte Zahlung begründet keinen Anspruch auf Leistungsgewährung für die Zukunft Es bleibt im freien, unbeschränkten Ermessen des Arbeitgebers, eine ähnliche Leistung in Zukunft zu erbringen.

Der Kläger erhielt keine Weihnachtsgeldzahlung. Er hat erstinstanzlich über den im Aushang genannten Betrag hinaus ein Weihnachtsgeld in Höhe von 70 % einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung verlangt.

Der Kläger hat unter anderem die Betriebsbedingtheit der ausgesprochenen Kündigung bestritten und die soziale Auswahl gerügt. Er sei sozial schutzwürdiger als der Mitarbeiter E1. Für die weniger sozial schutzwürdigen Mitarbeiter H1, B1 und F1 R2 bestünden keine Gründe, diese aus der Sozialauswahl heraus zu nehmen. Dies gelte auch im Hinblick auf die Altersgruppenbildung, deren Zulässigkeit nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts Siegburg (27. Januar 2010, 2 Ca 2144/09) fraglich sei. Es entspreche einer langjährigen Praxis und betrieblichen Übung, dass die Beklagte ein Weihnachtsgeld in der vom Kläger geltend gemachten Höhe zahle. Zumindest stehe dem Kläger das Weihnachtsgeld in Höhe von 400,00 Euro bzw. die als Bestandteil des Weihnachtsgeldes gezahlte allgemeine Tariflohnerhöhung von 100,00 Euro zu.

Der Kläger hat beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Oktober 2009 nicht beendet wird.

2. Im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. wird die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Mitarbeiter der Abteilung Vorrichtungsbau/Mechatronik weiter zu beschäftigen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.960,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. Dezember 2009 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat ihre Kündigung für berechtigt gehalten. Insbesondere sei der Kläger nicht sozial schutzwürdiger als der Mitarbeiter E1. Die ausgebildeten Mechatronikern H1 und S1 seien in der Lage, alle elektrische Anlagen oder Steuerungseinheiten zu reparieren. Die Mitarbeiter B1 und R2 könnten auch für neue Artikel neue Programme für die Handlinger und Vorrichtungen programmieren und in Betrieb zu nehmen. Neben den Mitarbeitern K4 und M2 seien sie die einzigen Mitarbeiter der Beklagten mit dieser Befähigung. Bezüglich der eingeklagten Weihnachtsgeldzahlung steht die Beklagte auf dem Standpunkt, dass Gegenstand der betrieblichen Übung der Ausschluss gekündigter Mitarbeiter gewesen sei.

Das Arbeitsgericht hat durch die hier angefochtene Entscheidung die Klage abgewiesen. Die Massenentlassungsanzeige sei rechtzeitig erfolgt. Die Betriebsratsanhörung sei wirksam. Die Kündigung der Beklagten sei betriebsbedingt. Auch die soziale Auswahl sei nicht zu beanstanden. Eine Altersgruppenbildung sei zulässig. Dies gelte auch für die konkrete Ausgestaltung im vorliegenden Fall. Von einem legitimen Ziel der Altersgruppenbildung sei bei Massenkündigungen aufgrund einer Betriebsänderung im vorliegenden Fall auszugehen. Sie sei auch nicht willkürlich und unter Berücksichtigung sachfremder Erwägungen oder gar zufällig erfolgt. Die Herausnahme des Mitarbeiters H3 sei wegen seiner Ausbildung als Mechatroniker gerechtfertigt. Ob der Mitarbeiter B1 zu Recht als Leistungsträger herausgenommen worden sei, könne offen bleiben, weil sich hierauf nur der in der Altersgruppe 4 gekündigte Mitarbeiter F2 hätte berufen können. Gleiches gelte für die Herausnahme des Mitarbeiters R2, welche ursächlich für das Ausscheiden des Mitarbeiters O2 gewesen sei. Im Übrigen sei die Sozialauswahl in der Abteilung Vorrichtungsbau/Mechatronik nicht derart ausgestaltet worden, um den Kläger als ältesten Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen. Ein Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeld bestehe nicht, weil der Kläger in einem gekündigten Arbeitsverhältnis stehe. Wegen der weiteren Einzelheiten zur Begründung wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung (S. 13 bis 28 des Urteils, Bl. 191 bis 206 d. A.) Bezug genommen.

Das Urteil wurde dem Kläger am 17. Juni 2010 zugestellt. Die Berufung ist am 12. Juli 2010, die Berufungsbegründung am 13. August 2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Der Kläger bestreitet nunmehr, dass der Mitarbeiter E1 mit ihm vergleichbar und in der Lage sei, nach Einarbeitung in zumutbarer Zeit die Tätigkeit des Klägers zu übernehmen. Darüber hinaus hält der Kläger die Vornahme einer Altersgruppenbildung weiterhin europarechtlich für unzulässig. Eine Ungleichbehandlung gegenüber Arbeitnehmern in anderen Altersgruppen sei nicht gerechtfertigt. Hinzu komme, dass der Kläger einziger Arbeitnehmer seiner Altersgruppe in der Abteilung gewesen sei. Das habe dazu geführt, dass eine Sozialauswahl überhaupt nicht stattgefunden habe. Eine Altersgruppenbildung sei nur zulässig, wenn die Altersgruppen größer seien als die Zahl der Arbeitnehmer, die aus der jeweiligen Altersgruppe gekündigt werden sollen. Im Übrigen sei es unzutreffend, dass die Arbeitnehmer H1, S1, B1 und R3 aus der sozialen Auswahl gemäß § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG herauszunehmen seien. Aufgrund des Aushangs aus Dezember 2009 stehe dem Kläger ein Weihnachtsgeld in Höhe von 400,00 Euro zu. Außerdem Dem Aushang sei zudem zu entnehmen, dass die Beklagte die im Lohnabkommen für die Metall- und Industrie vorgesehene Einmalzahlung von 100,00 Euro an ihre Arbeitnehmer habe auszahlen wollen. Insoweit sei überhaupt kein Grund ersichtlich, warum der Kläger von dieser Gegenleistung für die im Jahr 2009 erbrachte Arbeitsleistung ausgenommen werden soll.

Der Kläger beantragt,

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Oktober 20009 nicht beendet wird,

2. Im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. wird die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Mitarbeiter der Abteilung Vorrichtungsbau/Mechatronik weiter zu beschäftigen,

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 400,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2009 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält den Kläger und den Mitarbeiter E1 sowohl im Hinblick auf die arbeitsvertraglichen Aufgabenbeschreibungen als auch im Hinblick auf ihre tatsächliche Qualifikation ohne weiteres für vergleichbar. Wäre das nicht der Fall, hätte dies lediglich zu möglichen Verschiebungen in der Altersgruppe 3 geführt, nicht aber dazu, dass der Kläger von einer Kündigung verschont geblieben wäre. Die vorgenommene Altersgruppenbildung sei zulässig. Dass der Kläger einziger Mitarbeiter in der Altersgruppe 5 gewesen sei, sei lediglich Folge der konsequenten Umsetzung der mit dem Betriebsrat vereinbarten Auswahlrichtlinie. Auch im Übrigen sei die soziale Auswahl ordnungsgemäß. Dies gelte insbesondere für den Umstand, dass die Beklagte die Mitarbeiter H1, S1, F1 R2 und B1 aus der sozialen Auswahl herausgenommen habe. Ein Anspruch auf Weihnachtsgeld bestehe nicht. Im Hinblick auf die besondere betriebliche Situation habe die Beklagte danach differenzieren können, welche Mitarbeiter auch weiterhin betriebsangehörig bleiben würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den von ihnen in Bezug genommenen Inhalt der in beiden Rechtszügen zu den Akten gereichten Schriftsätzen nebst Anlagen sowie die Protokolle der Sitzungen des Arbeitsgerichts vom 6. November 2009 und 26. Mai 2010 sowie des Landesarbeitsgerichts vom 9. November 2010 Bezug genommen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE :

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.

Die Kündigung der Beklagten vom 26. Oktober 2009 ist sozial ungerechtfertigt, weil die Beklagte bei der Auswahl des aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG gekündigten Kläger soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt hat. Der Kläger ist sozial schutzwürdiger als der Mitarbeiter H1. Dessen Herausnahme aus der Sozialauswahl ist nicht gemäß § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG gerechtfertigt.

1. Die Überprüfung der Sozialauswahl ist nicht auf den Maßstab der groben Fehlerhaftigkeit beschränkt. § 1 Abs. 5 KSchG findet vorliegend keine Anwendung. Die Beklagte hat mit ihrem Betriebsrat zwar einen Interessenausgleich vereinbart. Die dazu als Anlage 2 aufgestellte Namensliste ist jedoch ausdrücklich nicht Bestandteil dieses Interessenausgleichs (vgl. Nr. 4.3 am Ende) und ist von den Betriebsparteien auch nicht unterzeichnet worden.

2. Der am 1. Juli 1954 geborene Kläger war zum Zeitpunkt der Kündigung 55 Jahre alt. Er war seit dem 12. Oktober 1987 und damit mehr als 22 Jahre bei der Beklagten beschäftigt. Der Kläger ist verheiratet und gegenüber zwei Kindern unterhaltsverpflichtet. Der Mitarbeiter H1 ist am 8. Oktober 1984 geboren und war zum Zeitpunkt der Kündigung 25 Jahre alt. Er ist seit dem 1. August 2002 bei der Beklagten beschäftigt und gehört ihrem Betrieb seit sieben Jahren an. Er ist verheiratet und einem Kind gegenüber unterhaltsverpflichtet. Der Kläger ist aufgrund seiner Sozialdaten evident sozial schutzwürdiger als der mit ihm vergleichbare Mitarbeiter H1. Dies ergibt sich auch unter Zugrundelegung des von der Beklagten mit ihrem Betriebsrat im Interessenausgleich vereinbarten Punkteschemas, wonach der Mitarbeiter H1 47 Punkte und der Kläger (richtig unter Berücksichtigung von zwei Unterhaltspflichten) 101 Punkte erreichen.

3. Der Mitarbeiter H1 ist weder als "Leistungsträger" noch zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes aus der sozialen Auswahl gemäß § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG herauszunehmen.

a) Nach § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG sind in die Sozialauswahl an sich vergleichbare Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebs im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Zum einen können sog. "Leistungsträger" trotz stärkerer Sozialdaten von einer Kündigung ausgenommen werden. Zum anderen hat der Arbeitgeber insbesondere bei einer Vielzahl von Kündigungen die Möglichkeit, Veränderungen der Personalstruktur im Sinne eines höheren Altersdurchschnitts durch Herausnahme sozial stärkerer Arbeitnehmer aus dem Kreis der zu kündigenden Personen zu vermeiden.

b) Der Mitarbeiter H1 ist zunächst nicht als "Leistungsträger" aus der sozialen Auswahl auszunehmen.

aa) "Leistungsträger" ist, wer über besondere Kenntnisse, Fähigkeiten oder Leistungen verfügt. Kenntnisse bezeichnen das in Ausbildung, Studium oder sonstigen Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen erworbene Wissen eines Arbeitnehmers. Fähigkeiten sind Eigenschaften des Arbeitnehmers losgelöst von erworbenen Kenntnissen. Leistungen beziehen sich auf die geschuldete Arbeitsleistung und das hierbei erzielte Arbeitsergebnis (vgl. Schaub/Link, Arbeitsrechtshandbuch, 13. Auflage, 2009, § 135 Rn. 42). Die bloße Eigenschaft als "Leistungsträger" und ein betriebliches Interesse an dessen Weiterbeschäftigung erfüllt allein nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG. In dem der Gesetzgeber das bloße betriebliche Interesse nicht ausreichen lässt, sondern weiter fordert, dass Interesse müsse "berechtigt sein", gibt er zu erkennen, dass auch ein vorhandenes betriebliches Interesse "unberechtigt" sein kann. Das setzt voraus, dass nach dem Gesetz gegenläufige Interessen denkbar und zu berücksichtigen sind, die einer Ausklammerung von "Leistungsträgern" aus der Sozialauswahl auch dann entgegen stehen können, wenn sie bei einer isolierten Betrachtung des betrieblichen Interesses gerechtfertigt wären. Bei diesen gegenläufigen Interessen kann es sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts angesichts des Umstands, dass § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG eine Ausnahme vom Gebot der Sozialauswahl statuiert, nur um die Belange des sozial schwächeren Arbeitnehmers handeln. Die Interessen müssen berechtigt im Kontext mit der Sozialauswahl sein. Das Interesse des sozial schwächeren Arbeitnehmers ist im Rahmen des § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG demnach gegen das betriebliche Interesse an einer Herausnahme von "Leistungsträgern" abzuwägen. Je schwerer dabei das soziale Interesse wiegt, umso gewichtiger müssen die Gründe für die Ausklammerung des "Leistungsträgers" sein. Nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG bleibt es deshalb dabei, dass die Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten die Regel darstellt, die Ausklammerung der "Leistungsträger" nach § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG hingegen die Ausnahme bleiben soll (vgl. BAG, 12. April 2002, 2 AZR 706/00, NZA 2003, S. 42; 31. Mai 2007, 2 AZR 306/06, NZA 2007, 1362; 5. Juni 2008, 2 AZR 907/06, NZA 2008, 1120).

bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze im vorliegenden Fall ist eine Herausnahme des Mitarbeiters H1 aus der sozialen Auswahl als "Leistungsträger" gegenüber dem Kläger nicht gerechtfertigt.

(1) Der Mitarbeiter H1 ist ausgebildeter Mechatroniker. Als solcher ist er im Gegensatz zum Kläger befugt, auch an Maschinen, bei denen Spannungen über 220 Volt anliegen, elektrische Arbeiten durchzuführen. An allen übrigen Maschinen kann der Kläger jedoch elektrische Arbeiten durchführen. Die Beklagte bestreitet nicht die im arbeitsgerichtlichen Urteil enthaltene Aussage, der Kläger habe im Zuge der Praxis auch Erfahrungen im Bereich der Elektrotechnik gesammelt (S. 21 des Urteils, Bl. 199 d. A.). Welche "vertieften" Kenntnisse der Mitarbeiter H1 im Bereich der elektronischen Steuerung von Maschinen hat, hat die für die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG darlegungspflichtige Beklagte nicht näher vorgetragen. Dann mag der Mitarbeiter H1 zwar flexibler einsetzbar sein als der Kläger. Angesichts der eklatant höheren sozialen Schutzbedürftigkeit des Klägers kann dieser zusätzliche betriebliche Nutzen für die Beklagte allein die Herausnahme aus der sozialen Auswahl nicht rechtfertigen.

Insbesondere reicht entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts ein "ersichtlicher und verwertbarer Mehrwert" der Mechatronikerausbildung in diesem Zusammenhang nicht aus. Es handelt sich lediglich um eine ohne konkreten Bezug zur Beschäftigungssituation in der betroffenen Abteilung des Betriebs der Beklagten aufgestellte abstrakte Erwägung, welche den Anforderungen nicht gerecht wird, die aus dem Erfordernis der Berechtigung eines betrieblichen Interesses folgen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte einen weiteren Mechatroniker mit dem Mitarbeiter S1 beschäftigt. Darüber hinaus ist für elektrische Arbeiten an Maschinen mit Spannungen über 220 Volt der Betriebselektriker Kreutz vorhanden. Im Übrigen hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung zugestanden, dass solche Arbeiten notfalls auch fremdvergeben werden und dem Vortrag des Klägers nicht widersprochen, dass die Mitarbeiter K3, S1 und H1 nicht getrennt in einer der drei Schichten eingesetzt werden, sondern teilweise eine Schicht auch mal ohne einen Mitarbeiter mit der Befugnis, Starkstromelektrikerarbeiten durchzuführen, besetzt ist.

Demgegenüber ist zu berücksichtigen, dass der Kläger allein aufgrund seines Alters schon mehr Schwierigkeiten als der Mitarbeiter H1 haben wird, eine vergleichbare Beschäftigung zu finden. Auch die darüber hinaus bestehende weitere Unterhaltspflicht sowie der durch die erheblich längere Betriebszugehörigkeit begründete soziale Besitzstand begründen ein gegenüber dem betrieblichen Interesse an einem flexibler einsetzbaren Mitarbeiter deutlich überwiegendes Interesse des gegenüber dem Arbeitnehmer H1 deutlich sozial schutzbedürftigeren Klägers. Eine Rechtfertigung dafür, vom Grundsatz der sozialen Auswahl eine Ausnahme aufgrund berechtigter betrieblicher Interessen der Beklagten zu machen, besteht bei dieser Sachlage nicht. Zwar ist der Beklagten zuzugestehen, dass damit ihre grundsätzliche Planung, dass es drei Schichten gibt, für die es drei Mitarbeiter gibt, die die elektrischen Starkstromarbeiten verrichten können, beeinträchtigt wird. Diese Beeinträchtigung ist in § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG aufgrund der Prüfung der Berechtigung betrieblicher Interessen angelegt.

bb) Darüber hinaus besitzt der Mitarbeiter H1 aufgrund einer entsprechenden betrieblichen Weiterbildung die Fähigkeit, die Handlinger zu bedienen, deren Programme zu optimieren und elektrische Fehler sowohl zu suchen als auch zu beheben. Auf der anderen Seite verfügt die Beklagte über zwei weitere Mitarbeiter, nämlich die Mitarbeiter M2 und K3, die hierzu in der Lage sind. Warum im Hinblick auf das erhebliche soziale Interesse des Klägers am Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses die Vorhaltung eines weiteren Mitarbeiters für den Bereich Handlingerbedienung, Programmoptimierung und Fehlerbehebung erforderlich ist, hat die Beklagte nicht dargelegt. Außerdem werden Handlinger, Förderbänder und Luftdruckanlagen regelmäßig gewartet, d.h. der Service für diesen Bereich erfolgt in regelmäßigen Intervallen. Weiter besteht ein externer Notdienst, der rund um die Uhr zur Verfügung steht. Die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers H1 hat zwar einen gewissen betrieblichen Nutzen. Dieser ist aber nicht von einer Bedeutung, welche das erhebliche soziale Schutzinteresse des Klägers überwiegen kann. Das verdeutlicht, dass im Hinblick auf die soziale Schutzwürdigkeit des Klägers ein berechtigtes betriebliches Bedürfnis an der Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters H1 nicht besteht.

cc) Der Umstand, dass der Mitarbeiter H1 aufgrund seiner Qualifikation als Mechatroniker in der Lage ist, sich bei der Bedienung der Reis-Roboter weiter zu qualifizieren, rechtfertigt kein berechtigtes betriebliches Interesse an seiner Herausnahme aus der sozialen Auswahl. Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, dass der Schlosser R2 und der Techniker B1 ebenfalls diese Maschinen bedienen bzw. reparieren können. Warum es dann eines weiteren qualifizierten bzw. nach dem Vortrag der Beklagten noch zu qualifizierenden Mitarbeiters für diesen Bereich bedarf, ist nicht erkennbar. Eben sowenig hat die Beklagte vorgetragen, warum der Kläger nicht weiter gebildet werden kann, wenn es bei anderen Mitarbeitern ohne Mechatronikerausbildung möglich ist. Angesichts der Absolvierung von zwei Ausbildungen (Kfz-Mechaniker, Werkzeugmacher) handelt es sich beim Kläger offensichtlich nicht um jemanden, der einer Weiterqualifikation nicht (mehr) zugänglich ist. Dies schließt eine Berechtigung des betrieblichen Bedürfnisses der Beklagten an der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers H1 gegenüber den Interessen des sozial schutzbedürftigeren Klägers aus.

dd) Schließlich kann auch die Reinraumqualifikation des Mitarbeiters H1 eine Ausnahme von der Regel der sozialen Auswahl im Verhältnis zum Kläger nicht rechtfertigen. Der Kläger hat hierzu erstinstanzlich unwidersprochen vorgetragen, dass diese Qualifikation durch einen firmeninterner Lehrgang zur Einhaltung von Hygiene und Sauberkeit erworben wird. Die Beklagte hat nicht dargelegt, welcher weitere Aufwand bzw. welche zusätzlichen dem Kläger nicht zu vermittelnden Anforderungen diese Qualifikation stellt, so dass er nicht im Reinraumbereich eingesetzt werden kann. Angesichts seiner erheblichen sozialen Schutzbedürftigkeit ist eine Weiterqualifikation zumutbar. Ein gegenüber dem Interesse des Klägers berechtigtes betriebliches Bedürfnis, einen Mitarbeiter mit bereits vorhandener Qualifikation weiter zu beschäftigen, ist nicht erkennbar.

ee) Bei einer abschließenden Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung der vorstehend unter Nr. 3. b) aa) bis dd) der Gründe genannten Kenntnisse und Fähigkeiten des Mitarbeiters H1 rechtfertigen diese in ihrer Gesamtheit es nicht, diesen Arbeitnehmer aus der sozialen Auswahl wegen besonderer Kenntnisse, Fähigkeiten oder Leistungen heraus zu nehmen und statt seiner dem Kläger zu kündigen. Das soziale Interesse des Klägers am Erhalt seines Arbeitsplatzes wiegt aufgrund der Sozialdaten im Vergleich zum Mitarbeiter H1 besonders schwer. Er ist mehr als doppelt so alt, hat die mehr als dreifache Betriebszugehörigkeit vorzuweisen und ist darüber hinaus einem weiteren Kind unterhaltsverpflichtet. Das Interesse des Klägers am Erhalt seines Arbeitsplatzes springt ins Auge.

Demgegenüber sind die besonderen Fähigkeiten und Kenntnisse des Mitarbeiters H1 nicht geeignet, ein berechtigtes betriebliches Interesse an seiner Weiterbeschäftigung zu begründen. Die Beklagte verfügt über einen weiteren Mechatroniker sowie einen Betriebselektriker, welche die elektrischen Arbeiten durchführen können, die der Kläger nicht mehr durchführen darf, und kann bei Bedarf auch auf Fremdfirmen zurückgreifen. Mehrere Mitarbeiter können für die Bedienung, Programmierung und Reparatur von Handlinger und Reis-Roboter bereits eingesetzt werden. Die Reinraumqualifikation kann ohne weiteres vom Kläger erworben werden, zudem stehen der Beklagten auch hier schon zwei Mitarbeiter zur Verfügung. Gründe, warum trotzdem die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers H1 notwendig ist, sind von der Beklagten weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insoweit verbleibt es bei der Regel der sozialen Auswahl im Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Mitarbeiter H1. Dies geht zu Lasten der Beklagten, die dann soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG berücksichtigt hat.

c) Ein anderes Ergebnis folgt nicht aus dem Gesichtspunkt der Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebs. Insbesondere ist die Kündigung des Klägers nicht Folge der von der Beklagten aufgrund der Vereinbarung mit dem Betriebsrat umgesetzten Altersgruppenbildung.

aa) Gemäß § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG kann die Herausnahme von Arbeitnehmern zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebs im berechtigten betrieblichen Interesse liegen. Hierunter wird gemeinhin die Altersstruktur eines Betriebs verstanden. Es geht in erster Linie darum, einer Überalterung der Belegschaft durch die soziale Auswahl bei einer Vielzahl von Kündigungen vorzubeugen (vgl. BAG, 6. November 2008, 2 AZR 523/07, NZA 2009, 361; 12. März 2009, 2 AZR 418/07, NZA 2009, 1023). Weil das Gesetz nur die Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur als betriebliches Interesse anerkennt, bedeutet dies zunächst, dass § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG dem Arbeitgeber keine Handhabe dafür bietet, (auch) im Zuge einer Massenkündigung die bisherige Personalstruktur des Betriebs zu verbessern (vgl. BAG, 23. November 2000, 2 AZR 533/99, NZA 2001, 601).

Der Arbeitgeber hat darzulegen, wie viel Prozent der potenziell zu kündigenden Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung den jeweiligen Altersgruppen angehörten und wie die einzelnen Kündigungen auf die Altersgruppen verteilt worden sind, damit die bislang bestehende Altersstruktur erhalten bleibt (vgl. BAG, 20. April 2005, 2 AZR 201/04, NZA 2005, 877). Insoweit hat der Arbeitgeber jede Gruppe proportional bei den Kündigungen heranzuziehen (Schaub/Link, Arbeitsrechtshandbuch, 13. Auflage, 2009, § 135 Rn. 48). Dabei kann der Arbeitgeber die Altersgruppenbildung nur auf einen betrieblichen Bereich erstrecken, im dem nachvollziehbar eine Sicherung der Personalstruktur im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG erfordert es nicht, die Altersgruppenbildung auch auf die Bereiche des Betriebs zu erstrecken, in denen eine Sicherung der bisherigen Personalstruktur im betrieblichen Interesse nicht erforderlich ist (vgl. BAG, 6. September 2007, 2 AZR 387/06, NZA 2008, 405).

bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, dass ausweislich des Interessenausgleichs keine betriebs- oder unternehmensweite Altersgruppenbildung erfolgt ist. Vielmehr haben die Betriebsparteien die Altersgruppenbildung auf bestimmte Bereiche des Betriebes beschränkt, und zwar auf die Arbeitnehmergruppen Einrichter, Kleber, Logistik/Lager/Versand, Sachbearbeiter, Schichtführer, Spritzgießer, Vorrichtungsbau/Mechatroniker sowie Werkzeugmacher. Bei den Arbeitnehmergruppen Arbeitsvorbereitung (AV), Betriebsschlosser, CNC-Bearbeitung, Dreher und Schreibbüro wurde keine Altersgruppenbildung vorgenommen, obwohl ausweislich der Personalliste gemäß der Anlage B 1 zur Klageerwiderung (Bl. 63 ff. d.A.) auch dort Kündigungen erfolgt sind.

cc) Bezogen auf den Bereich Vorrichtungsbau/Mechatronik waren von elf Arbeitnehmern fünf zu kündigen. Bei der vorzunehmenden prozentualen Verteilung ergibt sich zunächst, dass die Altersgruppen 1 (Mitarbeiter H1) und 5 (Kläger) grundsätzlich nicht beide in jedem Fall von einer Kündigung betroffen waren. Denn aufgrund der prozentualen Anteile waren in der Altersgruppe 2 einem Arbeitnehmer, in der Altersgruppe 3 zwei Arbeitnehmern und in der Altersgruppe 4 einem weiteren Arbeitnehmer zu kündigen. Dies ergibt sich unter Berücksichtigung der prozentualen Anteile der Altersgruppen in dieser Arbeitnehmergruppe, der daraus folgenden Umrechnung auf den jeweiligen Anteil an fünf Kündigungen sowie der nach kaufmännischen Grundsätzen vorzunehmenden Auf- und Abrundung im zuletzt genannten Punkt, deren Berechnung sich wie folgt darstellt:

Altersgruppe

Mitarbeiterzahl

Anteil in Prozent

Anteil an den fünf Kündigungen

ab-/aufgerundet

9,1

0,45

0,0

18,2

0,90

1,0

36,3*

1,85

2,0

27,3

1,35

1,0

9,1

0,45

0,0

Summen

11

100,0

5,00

4,0

* ausnahmsweise abgerundet von 36,36%

Die verbleibende fünfte Kündigung wäre aufgrund der vorstehenden Berechnung entweder auf die Altersgruppe 1 oder die Altersgruppe 5 zu verteilen. Ein eindeutiges Ergebnis wird gerade nicht erreicht bei Anwendung des grundlegenden Verfahrensprinzips der Altersgruppenbildung, die auszusprechenden Kündigungen auf die Altersgruppen entsprechend ihrem prozentualen Anteil an der Gesamtbelegschaft bzw. der Belegschaft des Bereichs, in dem die Altersgruppenbildung erfolgt, zu verteilen. Wen die Kündigung trifft, ergibt sich demnach nicht aus der Altersgruppenbildung. Sie rechtfertigt deswegen nicht die Herausnahme eines bestimmten Arbeitnehmers aus der sozialen Auswahl. Dies gilt erst recht dann, wenn mit der Herausnahme eines Arbeitnehmers die Personalstruktur nicht erhalten, sondern durch eine deutliche Herabsetzung des Altersdurchschnitts verbessert wird (siehe dazu nachfolgend Nr. 3. c) dd) der Gründe).

Ein (freies) Wahlrecht oder Ermessen bzw. ein Beurteilungsspielraum ist dem Arbeitgeber im Rahmen des § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG in einem solchen Fall nicht eingeräumt. Ebenso wenig macht eine solche Situation eine bislang nicht ausreichende zu einer nunmehr ausreichenden Sozialauswahl im Sinne des § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG. Für beides gilt, dass § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG gerade die Ausnahme rechtfertigen soll, keine soziale Auswahl vornehmen zu müssen, die ansonsten zu einem anderen Ergebnis bezüglich der zu kündigenden Person führen würde. Liefert der dafür herangezogene Grund keine Rechtfertigung mangels Eindeutigkeit des Ergebnisses, hat es bei dem Grundsatz der sozialen Auswahl nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG zu verbleiben.

Die Person des zu kündigenden Arbeitnehmers bestimmt sich in diesen Fällen weiterhin aufgrund der sozialen Auswahl nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG, von der allenfalls gemäß § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG ggfs. ein "Leistungsträger" ausgenommen werden kann. Dies ist, wie gezeigt, jedoch im Verhältnis des sozial deutlich schutzwürdigeren Klägers zum Mitarbeiter H1 nicht der Fall. Andere Gründe, die ein berechtigtes betriebliches Interesse an der Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers außerhalb der nicht abschließenden Aufzählung der gesetzlichen Regelbeispiele begründen können sollen (vgl. dazu KRGriebeling, 9. Auflage, 2009, § 1 KSchG Rn. 630, 652 ff.), sind bezogen auf den Arbeitnehmer H1 nicht ersichtlich.

dd) Darüber hinaus begegnet die Anwendung der Altersgruppenbildung in der Gruppe Vorrichtungsbau/Mechatroniker grundsätzlichen Bedenken, weil ihre Umsetzung zu einer deutlichen Verbesserung der Altersstruktur führt. Der Altersdurchschnitt in dieser Arbeitnehmergruppe verjüngt sich deutlich um 2,66 Jahre von 39,62 Jahre auf 36,96 Jahre. Zwar ist anerkannt, dass der bisherige Altersdurchschnitt nicht exakt, sondern nur in etwa erreicht werden muss und geringfügige Verbesserungen, die auf Rundungen beruhen, nicht die Angemessenheit einer solchen Altersgruppenbildung in Frage stellen (vgl. BAG, 12. März 2009, a.a.O., das eine Verbesserung des Durchschnitts um 0,6 Jahre unter diesem Gesichtspunkt akzeptiert). Davon kann aber bei einer Verbesserung um 2,66 Jahre keine Rede mehr sein. Die nach dem Interessenausgleich vorgesehene Altersgruppenbildung in dieser Arbeitnehmergruppe war von vorn herein nicht geeignet, die Altersstruktur zu erhalten. Entweder verbesserte oder verschlechterte sich diese jeweils deutlich. Dementsprechend kann sie die Kündigung des Klägers nicht rechtfertigen.

Angesichts des Umstands, dass die Beklagte die Altersgruppenbildung auf bestimmte Betriebsbereiche beschränkt hat, kommt es nicht darauf an, dass sich im Gesamtbetrieb der Altersdurchschnitt lediglich um 0,2 Jahre verbessert hat. Die Beschränkung der Altersgruppenbildung auf bestimmte Betriebsbereiche im Interessenausgleich folgt gerade aus dem Umstand, dass in anderen Bereichen eine Sicherung der bisherigen Personalstruktur im betrieblichen Interesse nicht erforderlich ist und die die Altersgruppenbildung deswegen nur auf den betrieblichen Bereich erstreckt wird, in dem nachvollziehbar eine Sicherung der Personalstruktur im berechtigten betrieblichen Interesse liegt (vgl. BAG, 6. September 2007, a.a.O.). Dann kann es für die Rechtfertigung der Altersgruppenbildung unter dem Gesichtspunkt "Erhalt einer ausgewogenen Personalstruktur" im Hinblick auf den Altersdurchschnitt auch nur auf den Bereich ankommen, für den die Altersgruppenbildung erfolgt.

4. Aufgrund der nunmehr gerichtlich festgestellten Unwirksamkeit der Kündigung besitzt der Kläger nach den Grundsätzen der Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts (27. Februar 1985, GS 1/84, AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14) einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Kündigungsrechtsstreits. Entgegenstehende überwiegende Interessen des Arbeitgebers sind von der Beklagten nicht vorgetragen und trotz der betriebsbedingten Kündigung auch nicht ersichtlich.

5. Der Kläger hat darüber hinaus Anspruch auf eine Sonderzahlung von 400,00 Euro für das Jahr 2009. Da er in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis steht, erfüllt er die im Aushang der Beklagten hierfür aufgestellten Voraussetzungen.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 93 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Hinsichtlich der Kosten erster Instanz war das teilweise Unterliegen des Klägers wegen der von ihm geforderten höheren Sonderzahlung zu berücksichtigen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte allein, da sie in vollem Umfang unterliegt.

7. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.