LG Köln, Urteil vom 24.06.2010 - 29 O 290/09
Fundstelle
openJur 2012, 88202
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 3.516,84 nebst Zinsen in Höhe von 5 % punkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.09.2009 abzüglich am 15.12.2009 gezahlter EUR 1.813,24 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von außergerichtlichen Kosten seiner Prozessbevollmächtigten in Höhe von EUR 189,90 freizustellen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 35 % und die Beklagte zu 65 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger befuhr am 02.04.2009 mit dem in seinem Eigentum stehenden Fahrrad gegen 17.oo Uhr die B 51 in Fahrtrichtung Sträßchen. An der Einmündung Eichenplätzchen beabsichtigte er geradeaus weiterzufahren. Er wurde von dem Versicherungsnehmer der Beklagten, der aus der Gegenrichtung kam und nach links abbiegen wollte, übersehen und erfasst. Das Fahrrad des Klägers wurde beschädigt. Der Kläger erlitt eine Commotio cerebri, eine HWS-Distorsion und eine Wintersteinfraktur rechts, ferner erhebliche Schwellungen und Prellungen über dem Nasenbein und dem Jochbein beiderseits. Der Kläger wurde im Klinikum M behandelt und verließ am 03.04.2009 das Krankenhaus. Am 09.04.2009 wurde die Wintersteinfraktur in ambulanter Operation im Evangelischen Krankenhaus V behandelt. Das Osteosynthesematerial wurde am 23.06.2009 ambulant entfernt.

Der Kläger musste sich im Evangelischen Krankenhaus V 10 Mal vorstellen. An 28 Tagen wurde der Kläger von seiner Mutter zur Schule gefahren und nachmittags abgeholt.

Der Kläger ließ das Fahrrad zu einem Preis von brutto EUR 1.588,11 reparieren, für den zunächst erstellten Kostenvoranschlag wendete der Kläger EUR 30,00 auf.

Der Kläger buchte unter dem 29.01.2009 zusammen mit seinem Vater eine Radtour in Spanien, beginnend am 03.04.2009; die Reisekosten betrugen für den Kläger EUR 394,00 und für den Vater des Klägers EUR 398,00, die diese bereits gezahlt hatten. Sowohl der Kläger als auch sein Vater nahmen die Reiseleistungen nicht in Anspruch, eine Erstattung von Reisekosten erfolgte nicht.

Die Beklagte leistete zunächst auf die Reparaturkosten des Fahrrades EUR 1.369,37 und an Schmerzensgeld EUR 2.000,00.

Mit Schreiben vom 10.09.2009 setzte der Kläger der Beklagten eine Frist zur Zahlung weiteren Ausgleiches bis zum 20.09.2009, nachdem bereits mit Schreiben vom 18.08.2009 die Einzelheiten zur Forderungshöhe erläutert worden waren.

Der Kläger macht Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche geltend, die sich zusammen setzen aus dem Differenzbetrag der Kosten der Fahrradreparatur einschließlich Kostenvoranschlag in Höhe von EUR 1.618,11 und gezahlter EUR 1.369,37, Fahrtkosten in Höhe von EUR 480,60, Pflegeleistungen der Mutter in Höhe von EUR 765,00, Reisekosten in Höhe von EUR 788,00 und einem Schmerzensgeldanspruch in Höhe von EUR 3.000,00. Hierzu trägt er vor, seine Eltern seien am Tage des Unfalls und am Tag danach dreimal ins Klinikum M gefahren, was 48,6 km ausgemacht habe. Für die einfache Hin- und Rückfahrt aus P ins Evangelische Krankenhaus V seien 42,2 km angefallen. Für die Schulfahrten seien insgesamt EUR 1.131 km angefallen. Die Fahrtkosten seien mit EUR 0,30 / km in Ansatz zu bringen. Für Hilfestellungen bei der täglichen Versorgung seiner Person habe seine Mutter jedenfalls pro Tag jeweils eine Stunde aufgewendet. Die Schulfahrten hätten pro Tag jeweils eines Stunde in Anspruch genommen. Die Fahrten nach Köln ins Krankenhaus V hätten im Schnitt jeweils 1,5 Stunden gedauert. Am Tag der ambulanten Operation habe seine Mutter sieben Stunden im Krankenhaus verbracht.

Hinsichtlich des geltend gemachten Schmerzensgeldes trägt der Kläger vor, dass er unter erheblichen Kopfschmerzen und Schwindelgefühlen gelitten habe. Wegen der Dauer der Beeinträchtigungen nimmt er Bezug auf die vorgelegten Arztberichte. Die rechte Hand sei für knapp drei Monate völlig außer Gefecht gesetzt gewesen. Er sei über Wochen bei jeder Drehung im Bett nachts wieder wach geworden und habe nicht durchschlafen können. Zu allen Tätigkeiten sei er auf die Hilfe Dritter angewiesen gewesen. Er hält ein Gesamtschmerzensgeld in Höhe von EUR 5.000,00 für angemessen.

Nachdem die Beklagte unter dem 15.12.2009 einen weiteren Betrag von EUR 1.813,24 an den Kläger gezahlt hat, haben die Parteien den Rechtsstreit in Höhe dieses Teilbetrages übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Kläger beantragt nunmehr,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 5.282,34 nebst

Zinsen in Höhe von 5 %punkten über dem Basiszinssatz seit

dem 21.09.2009 abzüglich am 15.12.2009 gezahlter EUR

1.813,24 zu zahlen;

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von außergerichtlichen

Kosten seiner Prozeßbevollmächtigten in Höhe von EUR

285,24 freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die berechtigten Ansprüche des Klägers bereits in voller Höhe reguliert worden seien. Die Kosten für die nicht durchgeführte Radtour in Spanien seien nur zur Hälfte zu ersetzen, die Aufwendungen der Mutter des Klägers seien nicht ersatzfähig. Die Fahrtkosten seien unter Zugrundelegung eines Kilometerpreises von EUR 0,25 abzurechnen. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sei zu berücksichtigen, dass die Verletzungen komplikationslos verheilt seien und Folgeschäden nicht zu befürchten seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der von ihnen überreichten Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist im noch geltend gemachten Umfang teilweise begründet.

Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten aus dem Unfallereignis vom 02.04.2009

noch ein Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch aus §§ 115 VVG, 823, 253 BGB unter Berücksichtigung der bereits am 15.12.2009 geleisteten weiteren Zahlung von EUR 1.813,24 in Höhe von EUR 1.713,60 zu.

Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Schadensersatzanspruch in Höhe von EUR 30,00 für die aufgewendeten Kosten des Kostenvoranschlages betreffend die Reparatur seines Fahrrades zu. Unstreitig ist das Fahrrad des Klägers derart beschädigt worden, dass eine umfassende Reparatur erforderlich war. Auch die Kosten einer Schadensschätzung sind von dem Schädiger zu erstatten ( vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 69. Aufl., § 249 Rdnr. 40 ). Unstreitig hat der Kläger für den Kostenvoranschlag der Firma D e.K in C EUR 30,00 aufgewendet, die bisher von der Beklagten, die allein die Bruttoreparaturkosten in Höhe von EUR 1.588,11 erstattet haben, nicht ausgeglichen worden sind.

Ebenfalls erstattungsfähig sind die durch die Mutter des Klägers erbrachten Pflegeleistungen in Höhe eines Betrages von EUR 400,00. Grundsätzlich sind Pflege- und Betreuungsleistungen, die auch einem berufsmässigen Helfer übertragen werden könne, erstattungsfähig ( vgl. Palandt-Heinrichs, a.a.O. § 249 Rdnr. 10; Palandt-Sprau, a.a.O. § 843 Rdnr. 3; BGHZ 106, 28 ff. ). Der Kläger war auf Grund der erlittenen Verletzungen nicht in der Lage, einzelne Versorgungsleistungen betreffend Körperpflege, Essen sowie Fahrten in die Schule und zu behandelnden Ärzten selbständig vorzunehmen. Unstreitig hat seine Mutter ihn insoweit unterstützt. Diese Leistungen überschreiten die spezifisch den Eltern als nächste Bezugsperson zukommende individuelle und nicht austauschbare Zuwendung, so daß die Leistungen grundsätzlich ersatzfähig sind. Da der Kläger indes nicht vollkommen in seiner Eigenversorgung eingeschränkt war, sondern nur unterstützende Maßnahmen benötigte, ist nach Auffassung des Gerichts der gemäß § 287 ZPO zu bemessende Schadensersatz nicht nach Stundensätzen zu berechnen, sondern hat sich an den Betreuungssätzen, die von den Pflegekassen für vergleichbare, abgrenzbare Leistungen naher Angehöriger gezahlt werden, zu orientieren. Diese liegen bei rund EUR 400,00 monatlich. Da die Leistungen der Mutter des Klägers nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag des Klägers begrenzt auf den Zeitraum eines Monats erbracht worden sind, hält das erkennende Gericht daher einen Schadensersatz in Höhe von EUR 400,00 für ausreichend.

Dem Kläger steht ferner für die unstreitig aufgewendeten Fahrleistungen von 1672 Kilometer ein weiterer Schadensersatzanspruch in Höhe von EUR 83,60 zu, das von der Beklagten zu erkannte Kilometergeld in einer Höhe von EUR 0,25 je Kilometer stellt noch keinen ausreichenden Schadensersatz dar. Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzes erfolgt gemäß § 287 ZPO. Dabei sind vorliegend die Bestimmungen über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen heranzuziehen, die auch sonst in der gerichtlichen Praxis zur Schätzung von Fahrtkosten herangezogen werden. Der Betrag in Höhe von EUR 0,25 je Kilometer liegt unter dem gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 JVEG für die Betriebskosten und die Abnutzung eines eigenen Kraftfahrzeuges zu erstattenden Betrages. Dieser beträgt EUR 0,30. Konkrete Anhaltspunkte, die eine hiervon abweichende Beurteilung gebieten würden, sind nicht ersichtlich.

Dagegen steht dem Kläger ein Anspruch auf Erstattung des Reisepreises für die von seinem Vater wegen des Unfalles nicht angetretene Reise nach Spanien zu. Denn es handelt sich hierbei nicht um einen Schaden des Klägers, die Reise ist von seinem Vater gebucht und bezahlt worden. Die Entscheidung, die Reise nicht anzutreten, ist zudem selbständig von dem Vater getroffen worden. Ein Schaden ist dem Kläger auch unter dem Gesichtspunkt, dass die Reise ein Geschenk der Familie an den Kläger war, nicht entstanden. Auch unter dem Gesichtspunkt der Einbusse von Freizeit oder infolge des schädigenden Ereignisses fehlgeschlagener Investitionen stellt der für die Reise des Vaters aufgewendete Betrag nicht einen adäquat kausalen Schaden des Klägers dar.

Dem Kläger steht ein weiterer Schmerzensgeldbetrag in Höhe von EUR 1.200,00 zu. Der Kläger ist auf Grund des schuldhaften Fehlverhaltens des Versicherungsnehmers der Beklagten verletzt worden. Er hat eine Commotio cerebri, eine HWS-Distorsion und eine Wintersteinfraktur rechts erlitten. Zudem waren erhebliche Schwellungen und Prellungen über dem Nasenbein und dem Jochbein beiderseits vorhanden. Der Kläger wurde in der Zeit vom 02.04.2009 bis 03.04.2009 stationär im Klinikum M behandelt, am 09.04.2009 wurde die Wintersteinfraktur ambulant im Evangelischen Krankenhaus V operativ behandelt, das Osteosynthesematerial wurde am 23.06.2009 ambulant entfernt. Mehrfache Arztbesuche waren erforderlich. Während eines Zeitraum von 28 Tagen musste der Klägerin unterstützende Pflegemaßnahmen seiner Mutter in Anspruch nehmen. Ferner konnte der Kläger wie bereits ausgeführt eine geplante Radreise nicht wahrnehmen. Unter Zugrundelegung dieser Gesamtumstände hält das Gericht ein Gesamtschmerzensgeld in Höhe von EUR 4.000,00 für angemessen. In diesem Zusammenhang war unter Heranziehung von Fallkonstellationen mit ähnlich gelagerten Verletzungen der verschiedenen Schmerzensgeldtabellen zu berücksichtigen, dass eine längerfristige MdE bei dem Kläger nicht vorhanden war und auch keine Folgeschäden vorliegen. Dementsprechend stellt ein Betrag in Höhe von EUR 4.000,00 einen angemessenen Ausgleich für die erlittenen Schmerzen und Leiden dar. Da der Kläger bereits eine Zahlung in Höhe von EUR 2.800,00 erlangt hat, steht ihm noch ein Restzahlungsanspruch in Höhe von EUR 1.200,00 zu.

Der Zinsanspruch ist aus Verzug begründet, §§ 288, 286 BGB.

Der Kläger besitzt gegenüber der Beklagten ferner einen Anspruch auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 189,90 aus Verzug, §§ 286, 284 BGB, denn dem Kläger stand auf Grund des Unfallereignisses vom 02.04.2009 ein weiterer Schadensersatzanspruch in Höhe von EUR 3.516,84 zu, den die Beklagte trotz Mahnung außergerichtlich nicht erfüllt hat.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 91 a, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO. Aus den vorangegangenen Ausführungen folgt, dass der Kläger auch einen Anspruch auf den geltend gemachten und zwischenzeitlich von der Beklagten gezahlten Teilbetrag in Höhe von EUR 1.813,24 hatte, so dass die Beklagte insoweit die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.

Streitwert: bis zum EUR 5.282,34

danach EUR 3.469,10