Bayerischer VGH, Beschluss vom 02.02.2012 - 7 CE 11.3019
Fundstelle
openJur 2012, 121246
  • Rkr:

1. Es ist mit dem Recht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte nicht vereinbar, Studienbewerbern, bei denen die hinreichende Aussicht besteht, dass sie das Studium auch im Hinblick auf die Anforderungen des Studiengangs erfolgreich abschließen können, Studienplätze trotz vorhandener Ausbildungskapazitäten vorzuenthalten. (Rn. 32)

2. Regelungen von Hochschulen, die den Nachweis der Eignung von Bewerbern um einen Studienplatz in einem Eignungsfeststellungsverfahren verlangen, dürfen weder die vom Gesetzgeber als Regelfall konzipierte Hochschulreife aushöhlen noch die Pflicht der Hochschulen zur erschöpfenden Nutzung ihrer Ausbildungskapazitäten unterlaufen. Insoweit müssen die Annahmen der Hochschulen jedenfalls dann auf hinreichend gefestigten Erfahrungswerten oder Untersuchungen beruhen, wenn die Zugangshürden so hoch festgelegt werden, dass sie nur von wenigen Bewerbern erfüllt werden können. (Rn. 23 ff.)

3. Der Grundsatz, dass die Dringlichkeit und damit der Anordnungsgrund für den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung (§ 123 VwGO) nicht allein deswegen entfällt, weil aufgrund der vorangeschrittenen Zeit eine Aufnahme des Studiums zum begehrten Semester fraglich erscheint, gilt auch für nicht zulassungsbeschränkte Studiengänge. (Rn. 16 ff.)

[Leitsätze 1 und 2 amtlich]

(Leitsätze: RA Marten Mittelstädt)

Tenor

I. Der Antragsgegner wird unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 20. Dezember 2011 verpflichtet, die Antragstellerin vorläufig als hinreichend qualifiziert für den Bachelorstudiengang 'Molekulare Medizin' an der Universität Regensburg anzusehen.

II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin bewarb sich am 13. Juni 2011 bei der Universität Regensburg (UR) für das Wintersemester 2011/2012 um einen Studienplatz im neu eingerichteten Bachelorstudiengang 'Molekulare Medizin', für den die UR keine Zulassungszahlen festgesetzt hat. Mit Bescheid vom 10. August 2011 lehnte die UR die Bewerbung ab. Die Antragstellerin habe im Eignungsfeststellungsverfahren mit 112 Punkten, die anhand ihrer Abiturnote, ihrer Noten in Mathematik und der besten Naturwissenschaft (Physik) sowie des Auswahlgesprächs am 11. Juli 2011 ermittelt worden seien, die erforderliche Mindestpunktzahl von 115 Punkten nicht erreicht. Über den hiergegen mit Schreiben vom 30. August 2011 eingelegten Widerspruch hat die UR - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden.

Mit Beschluss vom 20. Dezember 2011 hat das Verwaltungsgericht Regensburg den Antrag der Antragstellerin abgelehnt, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie vorläufig zum Studium zuzulassen. Das zweistufige Eignungsfeststellungsverfahren sei nicht zu beanstanden. Die hierzu von der UR erlassene Satzung sei am 7. Juli 2011 in Kraft getreten. Auf der ersten Stufe des Eignungsfeststellungsverfahrens habe die Antragstellerin aufgrund ihrer Note der Hochschulzugangsberechtigung sowie der Mittelwerte der Punkte in Mathematik und Physik 90 Punkte erzielt und sei damit zum Auswahlgespräch zugelassen worden. Dieses sei am 11. Juli 2011 den Anforderungen der Satzung entsprechend geführt worden. Die Bewertung des Auswahlgesprächs mit insgesamt 22 Punkten ergebe sich schlüssig aus dem Akteninhalt. Der Mindestwert von 115 Punkten für die Eignung zum Studium, den die Antragstellerin nicht erreicht habe, sei zwar hoch angesetzt, falle aber in den fachlichen Bewertungsspielraum bzw. die Einschätzungsprärogative der Hochschule. Es sei nicht ersichtlich, dass das strenge Auswahlverfahren sich nicht an den späteren Erfordernissen des Studiengangs orientiere. Es begegne auch keinen rechtlichen Bedenken, dass die UR für die Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres oder für Zivil- oder Wehrdienst geringfügige Boni vergebe, anderweitiges ehrenamtliches Engagement aber nicht in gleicher Weise honoriere.

Zur Begründung der gegen diesen Beschluss eingelegten Beschwerde lässt die Antragstellerin ausführen, die Eignungsfeststellungssatzung der UR verstoße gegen Art. 12 GG. Es sei nicht zulässig, trotz vorhandener freier Kapazitäten einen Studienbewerber vom Studium auszuschließen. Es sei auch nicht nachvollziehbar, inwieweit ein Bewerber bei 112 bzw. 114 Punkten im Unterschied zu einem Bewerber mit 115 Punkten ungeeignet sein soll. Die Antragstellerin habe mit einer Note von 1,5 als zweitbeste Schülerin ihrer Klasse das Abitur absolviert. Außerdem habe sie in der zwölften Klasse ihre schwer erkrankte Mutter und den Haushalt versorgen müssen. Unabhängig davon, dass die Antragstellerin seit September 2009 demenzkranke Personen ehrenamtlich betreue, sei eine soziale Fachkompetenz für naturwissenschaftliche Studien ohne Belang. Ein Bewerber, der nach der Satzung für ein freiwilliges soziales Jahr oder Wehrdienst einen Bonus von drei Punkten erhalte, sei nicht geeigneter für das Studium als ein Bewerber, der diese Voraussetzungen nicht erfülle. Schließlich sei die Satzung von vornherein nicht heranzuziehen, da sie erst nach Einreichung der Bewerbung erlassen worden sei.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 20. Dezember 2011 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, die Antragstellerin vorläufig zum Studium im Bachelorstudiengang 'Molekulare Medizin' an der Universität Regensburg, beginnend mit dem ersten Fachsemester im Wintersemester 2011/2012, zuzulassen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Eignungsfeststellungssatzung vom 6. Juli 2011, die die UR im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst erlassen habe, sei nicht zu beanstanden. Im Vergleich zu anderen Studiengängen seien die Anforderungen des Studiengangs aufgrund der breiten, interdisziplinär angelegten Ausbildung und der dynamischen Entwicklungen der Erkenntnisse zu molekularen Krankheitsursachen im Schnittbereich von Biologie und Medizin besonders hoch. Das käme auch in der Prüfungs- und Studienordnung zum Ausdruck. Neben besonderen Anforderungen hinsichtlich der Kommunikations- und Argumentationsfähigkeit müssten die Bewerber vor allem über gute bis sehr gute Kenntnisse in Mathematik, Physik, Chemie und Biologie verfügen. Allein die allgemeinen Qualifikationsvoraussetzungen, insbesondere die Durchschnittsnote der Hochschulzugangsberechtigung, seien hierfür nicht aussagekräftig. Die bisherigen Erfahrungen im Wintersemester 2011/2012 würden die hohen Ansprüche bestätigen. Die erforderlichen Voraussetzungen für das Studium würden auf jeder Stufe des Eignungsfeststellungsverfahrens überprüft. Auch die in der Satzung vorgesehene Bonusregelung für berufspraktische Tätigkeiten in Form eines freiwilliges sozialen Jahres, Zivil- oder Wehrdienstes weise einen fachspezifischen, über die allgemeine Hochschulreife hinausgehenden Bezug zum Studiengang auf und sei von der Satzungsermächtigung gedeckt. Im Ergebnis komme es darauf jedoch nicht an, da die Antragstellerin selbst im Falle einer Bonierung ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit die erforderliche Gesamtpunktesumme von mindestens 115 nicht erreichen würde.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde erweist sich unter Würdigung der Darlegungen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) als begründet.

1. Die erforderliche Dringlichkeit und damit der Anordnungsgrund für den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung (§ 123 VwGO) ergeben sich aus dem Umstand, dass die Antragstellerin aufgrund des ergangenen Bescheids der UR vom 10. August 2011 derzeit gehindert ist, das beabsichtigte Studium aufzunehmen.

Zwar erscheint fraglich, ob ein Studienbeginn im bereits fortgeschrittenen Wintersemester 2011/2012 noch möglich ist, nachdem die Antragstellerin an den angebotenen Lehrveranstaltungen nicht teilnehmen konnte. Erkennbares Ziel der Antragstellerin ist es jedoch, mit dem Studium, das nur im Wintersemester aufgenommen werden kann (§ 3 Abs. 1 der Prüfungs- und Studienordnung für den Bachelorstudiengang Molekulare Medizin vom 6. Juli 2011), zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu beginnen. Auch wenn dies aufgrund der vorangeschrittenen Zeit voraussichtlich erst zum Wintersemester 2012/2013 möglich sein wird, ist hierdurch die Dringlichkeit nicht entfallen. Für Studiengänge, die aus Kapazitätsgründen zulassungsbeschränkt sind, hat das Bundesverfassungsgericht insoweit darauf hingewiesen, dass selbst Antragsteller, die sich rechtzeitig um einen Studienplatz beworben hätten, aufgrund kaum vermeidlicher Verzögerungen auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes häufig erst nach Semesterende zugelassen werden könnten. Für die Zulassung trotz des zwischenzeitlich abgeschlossenen Semesters spreche unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten die Erwägung, dass die effektive Durchsetzung eines verfassungsmäßig gewährleisteten, in seiner Verwirklichung aber situationsabhängigen Rechts nicht darunter leiden dürfe, dass sich die Verhältnisse während der unvermeidlichen Dauer eines gerichtlichen Verfahrens zum Nachteil des Rechtssuchenden verschlechtern (BVerfG vom 21.7.2005 Az. 1 BvR 584/05 <juris>; vgl. auch BayVGH vom 27.4.2005 Az. 7 CE 05.10057 u.a. VGH n.F. 58, 91/93 ff.).

Auch wenn es sich hier nicht um einen zulassungsbeschränkten Studiengang handelt, sind diese Erwägungen aufgrund der vergleichbaren Interessenlage auf den vorliegenden Fall übertragbar. Die Antragstellerin hat den Umstand, dass sie trotz frühzeitiger Beantragung der einstweiligen Anordnung an den Lehrveranstaltungen des Wintersemesters 2011/2012 nicht teilnehmen konnte, nicht zu vertreten. Nachdem der Antragsgegner bislang nicht einmal über ihren Widerspruch entschieden hat, muss sie sich nicht darauf verweisen lassen, zunächst das verwaltungsgerichtliche Verfahren in der Hauptsache durchzuführen, mit dessen Abschluss ohnehin erst nach einer längeren Prozessdauer und voraussichtlich nicht vor Ablauf der Frist für den Antrag auf Zulassung zum Eignungsfeststellungsverfahren für das nächste Wintersemester (§ 2 Abs. 2 der Satzung über die Eignungsfestsstellung für den Bachelorstudiengang Molekulare Medizin der Universität Regensburg vom 6.7.2011 [im Folgenden: Eignungsfestsstellungssatzung – EFS]) gerechnet werden kann. Auch im Hinblick auf die bereits verlorene Zeit, die die Antragstellerin im Falle der Vergabe eines Studienplatzes für ihre Ausbildung hätte nutzen können, ist die Dringlichkeit für die begehrte Entscheidung nach wie vor zu bejahen.

Nachdem jedoch die von ihr begehrte vorläufige „Zulassung“ zum Wintersemester 2011/2012 aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr ausgesprochen werden kann und der Studiengang ohnehin nicht zulassungsbeschränkt ist, legt der Senat ihren Antrag dahingehend aus, dass sie die Verpflichtung des Antragsgegners begehrt, vorläufig als hinreichend qualifiziert für den Bachelorstudiengang 'Molekulare Medizin' an der UR angesehen zu werden. Damit könnte ihr die UR beim nächstmöglichen Studienbeginn die nicht erfolgreiche Teilnahme am Eignungsfeststellungsverfahren nicht mehr entgegenhalten.

2. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist auch ein Anordnungsanspruch der Antragstellerin anzunehmen. Insbesondere bestehen trotz des Interesses der UR, zum Studiengang 'Molekulare Medizin' nur Bewerber zuzulassen, deren Eignung sie einer gesonderten Prüfung in einem Eignungsfestsstellungsverfahren unterzogen hat, erhebliche Bedenken gegen die hohen Hürden, die die UR in der Eignungsfestsstellungssatzung festgelegt hat. Zur Abwendung wesentlicher Nachteile für die Antragstellerin ist daher der Erlass der einstweiligen Anordnung geboten.

a) Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet das Recht, Beruf und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Schafft der Staat mit öffentlichen Mitteln Ausbildungseinrichtungen, so muss er auch den freien und gleichen Zugang zu ihnen gewährleisten. Deshalb ergibt sich aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsgrundsatz für jeden Bürger, der die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen erfüllt, ein Recht auf Zugang zum Hochschulstudium seiner Wahl (BVerfG vom 18.7.1972 BVerfGE 33, 303/331 f.). Subjektive Zulassungsbeschränkungen, etwa durch Festlegung von Qualifikationsvoraussetzungen, sind nur unter strengen formellen und materiellen Voraussetzungen statthaft. Sie bedürfen einer gesetzlichen Grundlage und sind nur dann verfassungsmäßig, wenn sie zum Schutz eines besonders wichtigen Gemeinschaftsgutes und nur in den Grenzen des unbedingt Erforderlichen unter erschöpfender Nutzung der vorhandenen, mit öffentlichen Mitteln geschaffenen Ausbildungskapazitäten angeordnet werden (vgl. BVerfG vom 3.6.1980 BVerfGE 54, 173/191). Ein solches Gemeinschaftsgut ist die Funktionsfähigkeit der Universitäten in Wahrnehmung ihrer Aufgaben in Forschung, Lehre und Studium. Stellt ein Studium besondere Anforderungen, können aufgrund einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung auch diesen Anforderungen entsprechende weitere Qualifikationsnachweise wie etwa Eignungsprüfungen oder -feststellungen verlangt werden.

Eine solche gesetzliche Grundlage hat der Gesetzgeber mit Art. 44 des Bayerischen Hochschulgesetzes (BayHSchG) vom 23. Mai 2006 (GVBl S. 245, BayRS 2210-1-1-WFK), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Februar 2011 (GVBl S. 102), und der hierzu gemäß Art. 44 Abs. 5 BayHSchG erlassenen Regelung in § 34 (zuvor § 32) der Verordnung über die Qualifikation für ein Studium an den Hochschulen des Freistaates Bayern und den staatlich anerkannten nichtstaatlichen Hochschulen (Qualifikationsverordnung – QualV) vom 2. November 2007 (BayRS 2210-1-1-3-UK/WFK, GVBl S. 767), zuletzt geändert durch Verordnung vom 13. April 2011 (GVBl S. 208), geschaffen. Danach kann die Universität für Studiengänge, die zu einem ersten berufsqualifizierenden Hochschulabschluss führen, neben den allgemeinen Qualifikationsvoraussetzungen (Hochschulreife, Art. 43 Abs. 1 BayHSchG) durch Satzung, die im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst zu erlassen ist, den Nachweis der Eignung in einem Eignungsfeststellungsverfahren verlangen, wenn das betreffende Studium besondere qualitative Anforderungen stellt, die jeweils zu begründen sind (Art. 44 Abs. 1, Abs. 4, Abs. 5 BayHSchG, § 34 QualV).

Mit den hier aufgeworfenen Fragen hat sich der Senat bereits in ähnlich gelagerten Fällen befasst und in seinem Beschluss vom 22. Dezember 2009 (Az. 7 CE 09.2466, VGH n.F. 62, 160 = BayVBl 2010, 246) Folgendes ausgeführt:

„Zwar ermächtigen Art. 44 Abs. 1, Abs. 4, Abs. 5 BayHSchG und § 32 QualV die Hochschulen ausdrücklich zur Durchführung von Eignungsfeststellungsverfahren und zum Erlass entsprechender Satzungen. Zudem sollte durch die zum 1. August 2008 in Kraft getretene Änderung des Art. 44 Abs. 4 Satz 1 BayHSchG die Möglichkeit, in Studiengängen mit besonderen qualitativen Anforderungen Eignungsfeststellungsverfahren durchzuführen, erweitert und das Auswahlrecht der Hochschulen im Interesse der Verbesserung der Studienerfolgs gestärkt werden. Hierdurch wollte der Gesetzgeber es den Hochschulen ermöglichen, die Eignungsfeststellung nicht wie zuvor nur bei einzelnen, sondern auch bei der Mehrzahl der Studiengänge durchzuführen, sofern diese besondere qualitative Anforderungen an die Eignung der Studierenden stellen (LT-Drs. 15/10392, S. 4 – 5).

Gleichwohl steht es den Hochschulen nicht frei, den Hochschulzugang durch Eignungsfeststellungen uneingeschränkt zu begrenzen. Vielmehr ist die Ermächtigung zur Durchführung von Eignungsfeststellungsverfahren als Eingriff in die Berufsausbildungsfreiheit eng auszulegen. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Der Zugang zum Studium wird als Teil der Ausbildungsfreiheit durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet. Die auf einen berufsqualifizierenden Abschluss zielende Lehre ist eine den Universitäten und Fakultäten einfachgesetzlich übertragene staatliche Aufgabe (BVerfG vom 7.8.2007 NVwZ-RR 2008, 33). Innerhalb vorhandener und mit öffentlichen Mitteln geschaffener Kapazitäten hat der Einzelne daher bei entsprechender Qualifikation Anspruch auf Teilhabe und Zugang zum Hochschulstudium seiner Wahl (grundlegend BVerfG vom 18.7.1972 BVerfGE 33, 303/331 f.).

Grundsätzlich berechtigt die Hochschulreife, die im Regelfall durch den erfolgreichen Abschluss einer auf das Studium vorbereitenden Schulbildung erworben wird, nach wie vor zur Aufnahme eines Studiums an einer Universität (Art. 43 Abs. 1 BayHSchG) und vermittelt einen subjektiven Anspruch auf Hochschulzugang. Deshalb muss sich die Schaffung zusätzlicher Eignungsvoraussetzungen (etwa zur Stärkung der Autonomie der Hochschulen oder zur Senkung der Studienabbruchquote oder der Studienzeiten) an Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG und am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit messen lassen. Dies gilt insbesondere dann, wenn mit öffentlichen Mitteln geschaffene Ausbildungskapazitäten aufgrund hoher Eignungsanforderungen der Hochschulen nicht voll ausgeschöpft werden (vgl. auch VG Bremen v. 29.9.2009 NordÖR 2009, 457 <juris> m.w.N.). Auch der Bayerische Landtag hat in seinem Beschluss vom 30. Januar 2002 (LT-Drs. 14/8595) unter anderem die Notwendigkeit der Ausschöpfung der vorhandenen Studienplatzkapazitäten im jeweiligen Studiengang und das Ziel höchstmöglicher Auswahlsignifikanz bei der Anwendung der Eignungsfeststellung betont. Ungeachtet der Aufhebung der Beschränkung auf einzelne Studiengänge kommt der Ausnahmecharakter des Eignungsfeststellungsverfahrens auch dadurch zum Ausdruck, dass ein solcher über die allgemeine Hochschulreife hinausgehender Nachweis nach wie vor nur bei „bestimmten“ Studiengängen oder Hochschulen (Art. 44 Abs. 1 BayHSchG) und nur bei jeweils zu begründenden „besonderen“ qualitativen Anforderungen (Art. 44 Abs. 4 Satz 1 BayHSchG) verlangt werden kann. Hieraus wird deutlich, dass es sich um eine eng auszulegende Ausnahmeregelung handelt, von deren Anwendung in Zweifelsfällen abzusehen ist (Reich, Bayerisches Hochschulgesetz, 5. Auflage 2007, RdNr. 1 zu Art. 44).“

23Ein ergänzendes Eignungsfeststellungsverfahren zu den schulischen Hochschulzugangsberechtigungen darf damit weder die vom Gesetzgeber als Regelfall konzipierte Hochschulreife aushöhlen noch die Pflicht der Hochschulen zur erschöpfenden Nutzung ihrer Ausbildungskapazitäten (Art. 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Hochschulzulassung in Bayern [Bayerisches Hochschulzulassungsgesetz – BayHZG] vom 9.5.2007 [GVBl S. 320, BayRS 2210-8-2-WFK], zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.2.2011 [GVBl S. 102]), unterlaufen. Insbesondere sind die Hochschulen nicht berechtigt, eine über die Anforderungen des Studiengangs hinausgehende „Niveaupflege“ zu betreiben. Deshalb sind Eignungsfeststellungsverfahren zur Vermeidung einer hohen Misserfolgs- oder Abbrecherquote nur zulässig, soweit das Studium besondere Anforderungen stellt, bezüglich derer die Abiturnote allein nur begrenzte Aussagekraft hat. Insoweit müssen die Annahmen der Hochschulen jedenfalls dann auf hinreichend gefestigten Erfahrungswerten oder Untersuchungen beruhen, wenn die Zugangshürden so hoch festgelegt werden, dass sie nur von wenigen Bewerbern erfüllt werden können. Außerdem dürfen keine zu hohen Anforderungen für die Feststellung der Eignung festgelegt werden. Das gilt insbesondere bei neu eingerichteten Studiengängen, zu denen naturgemäß noch keine näheren Erfahrungswerte vorliegen können. Es ist mit dem Recht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte nicht vereinbar, Studienbewerbern, bei denen die hinreichende Aussicht besteht, dass sie das Studium auch im Hinblick auf die Anforderungen des Studiengangs erfolgreich abschließen können, Studienplätze trotz vorhandener Ausbildungskapazitäten vorzuenthalten.

b) Gemessen daran kann die Ablehnung der Bewerbung der Antragstellerin keinen Bestand haben. Sie stützt sich auf die hierzu erlassene Satzung der UR, nach der es Zweck des Eignungsfeststellungsverfahrens sein soll, festzustellen, ob neben den mit dem Erwerb der Hochschulreife nachgewiesenen Kenntnissen angemessene Kenntnisse und Fähigkeiten in den naturwissenschaftlichen Fächern vorhanden sind, die einen erfolgreichen Studienverlauf erwarten lassen (§ 1 Satz 2 EFS). Das hierzu festgelegte zweistufige Verfahren sieht auf der ersten Stufe eine Bewertung anhand der Punkte aus der Hochschulzugangsberechtigung, ggf. unter Berücksichtigung eines Bonus für ein freiwilliges soziales Jahr, Zivil- oder Wehrdienst, sowie der Mittelwerte der Punkte in Mathematik und in der besten Naturwissenschaft vor (§ 4 EFS). Bei mindestens 85 Punkten wird mit dem Bewerber auf der zweiten Stufe ein Auswahlgespräch geführt (§ 4 Buchst. d EFS), das zeigen soll, ob der Bewerber für den Studiengang „befähigt und aufgeschlossen“ ist (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EFS). Hierzu wird mit dem Bewerber ein Problem aus dem Bereich der Biologie, Chemie oder Physik erörtert und dessen Lösung diskutiert (§ 5 Abs. 5 Satz 1 EFS). Überprüft wird dabei insbesondere die Fachkompetenz im naturwissenschaftlichen Bereich, „nachgewiesen durch z.B. sehr gute Kenntnisse in den Bereichen Biologie, Chemie oder Physik“, sowie die soziale Kompetenz, „nachgewiesen durch die Kommunikations- und Argumentationsfähigkeit des Bewerbers im Auswahlgespräch“ (§ 5 Abs. 5 Satz 2 EFS). Ein Bewerber wird nur dann als geeignet eingestuft, wenn er in beiden Stufen des Feststellungsverfahrens eine Gesamtpunktesumme von mindestens 115 Punkten erreicht (§ 6 EFS).

Die UR hat aufgrund der Abiturabschlussnote der Antragstellerin (1,5) sowie ihrer in die Berechnung eingeflossenen Noten in den Fächern Mathematik (11, 12, 14, 15 und 12 Punkte) und Physik (9, 12, 13, 14 Punkte) nach der in § 4 EFS festgelegten Berechnungsmethode eine Punktesumme von 90 errechnet und die Antragstellerin somit zum Auswahlgespräch zugelassen. Dort erreichte die Antragstellerin für die Fachkompetenz 10 Punkte (laut Bescheid „knapp gut“) und für die soziale Kompetenz 12 Punkte („voll gut“). Mit daraus errechneten 112 Punkten hat die Antragstellerin die erforderliche Gesamtsumme von mindestens 115 Punkten (§ 6 Satz 2 EFS) knapp verfehlt.

Abgesehen davon, dass die Bewertungen des Auswahlgesprächs weder anhand der hierzu offenbar während des Gesprächs gefertigten Notizen der Prüfer noch anhand der hierzu nachgereichten Stellungnahme des Vorsitzenden der Auswahlkommission vom 10. November 2011, die sich im Wesentlichen auf eine Wiedergabe der vergebenen Noten bzw. Punkte beschränkt, nachvollzogen werden können, bestehen erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Regelung, die - wie im Fall der Antragstellerin - dazu führt, dass eine Bewerberin mit einer Abiturdurchschnittsnote von 1,5, überwiegend guten bis sehr guten Noten in den für den Studiengang einschlägigen Fächern sowie der Durchschnittsnote „gut“ im Auswahlgespräch gleichwohl als von vornherein ungeeignet für das Studium angesehen wird. Es mag durchaus sein, dass das Studium im Bachelorstudiengang 'Molekulare Medizin' – wie vom Antragsgegner im Beschwerdeverfahren ausgeführt – besondere qualitative Anforderungen stellt und dass deshalb grundsätzlich ein Eignungsfeststellungsverfahren vorgesehen und durchgeführt werden kann. Dass jedoch die Anforderungen allein aufgrund der interdisziplinären Ausrichtung des Studiums so hoch sind, dass sie den Ausschluss von Bewerbern rechtfertigen, die nicht die in der Satzung festgelegten Voraussetzungen erfüllen, muss bezweifelt werden. Letztendlich stützt sich die Regelung insoweit auf Annahmen, die weder durch entsprechende Erfahrungswerte noch durch sonstige Erhebungen belegt sind. Dass die Anforderungen an die Kommunikations- und Argumentationsfähigkeit höher sind als in anderen Studiengängen, ist ebenfalls nicht ersichtlich.

Es ist nicht Sinn und Zweck des in Art. 44 Abs. 4 BayHSchG, § 34 QualV vorgesehenen Eignungsfeststellungsverfahrens, den Kreis der Bewerber trotz vorhandener Ausbildungskapazitäten bereits im Vorfeld des Studiums so zu „filtern“, dass nur noch bestens qualifizierte Kandidaten die Möglichkeit haben, dass Studium überhaupt aufzunehmen. Vielmehr entspricht es dem Gebot der erschöpfenden Nutzung der Ausbildungskapazitäten (Art. 1 Abs. 1 BayHZG), grundsätzlich auch schwächeren Bewerbern die Aufnahme des Studiums zu ermöglichen. Es bleibt der Hochschule unbenommen, solchen Bewerbern im Rahmen der Studienberatung (Art. 60 BayHSchG, § 5 der Prüfungs- und Studienordnung für den Bachelorstudiengang Molekulare Medizin) ein Gespräch anzubieten und ihnen die besonderen Anforderungen des Studiums aufzuzeigen. Wenn sich aber nicht offensichtlich ungeeignete Bewerber – nicht zuletzt aufgrund der auch im Studiengangskonzept und auf der Homepage der UR (http://www-cgi.uni-regensburg.de/Fakultaeten/nat_Fak_III/Med-Zellbiologie/) betonten guten Berufsaussichten von Absolventen der 'Molekularen Medizin' – gleichwohl dazu entschließen, das Studium aufzunehmen, ist es nicht Sache der Hochschule, ihnen diesen Wunsch trotz vorhandener Ausbildungskapazitäten zu verwehren. Dass die UR nicht in der Lage wäre, die Antragstellerin auszubilden, ist weder dargetan noch ersichtlich.

c) Nachdem die Ablehnung der Bewerbung der Antragstellerin bereits aus den dargelegten Gründen keinen Bestand haben kann, kommt es auf die weiteren von ihr im Beschwerdeverfahren erhobenen Einwendungen nicht an.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327).

4. Diese Entscheidung ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.