OLG München, Urteil vom 15.11.2010 - 17 U 3905/10
Fundstelle
openJur 2012, 112139
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird Ziffer 4. des Teilurteils des Landgerichts München I vom 28.06.2010 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

„4. Die Verurteilung gemäß den Ziffern 1 bis 3 erfolgt Zug um Zug gegen Übertragung der vom Kläger am 02.06.2004 gezeichneten Beteiligung an der Film und Entertainment V. Medienfonds 4 GmbH & Co. KG im Nennwert von 50.000,-- € (Kommanditistennummer ...36) an die Beklagte zu 1).“

II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zu 1) zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 3/7 und die Beklagte zu 1) 4/7.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger verlangt von der Beklagten zu 1) Schadenersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Fonds.

Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug auf die tatsächlichen Ausführungen in dem Teilurteil des Landgerichts München I vom 28.06.2010.

Bezüglich des Sachvortrags in dem Berufungsrechtszug verweist der Senat auf die gewechselten Schriftsätze und bezüglich der Anträge der Parteien auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 25.10.2010.

II.

Die gemäß §§ 511, 517, 519, 520 ZPO zulässige Berufung der Beklagten zu 1) ist nur zum Teil begründet. Die Berufung war nicht erfolgreich, soweit sich die Beklagte zu 1) gegen die vorprozessualen Zinsen wandte. Das erstinstanzliche Urteil war allerdings in Ziffer 4 bezüglich der Zug um Zug-Verurteilung insoweit abzuändern, als die Abgabe eines Angebots auf Übertragung der Beteiligung nicht genügt, sondern deren Übertragung erforderlich ist.

1.

Das Landgericht hat zu Recht vorprozessuale Zinsen als Schadensersatz zugesprochen. An die Darlegung entgangenen Gewinns im Sinne von § 252 BGB sind keine strengen Anforderungen zu stellen (BGH NJW 2002, 2553 ff.; OLG Schleswig OLGR 2008, 783). Der Anspruchsteller hat die Umstände darzulegen, aus denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Einzelfalls die Wahrscheinlichkeit eines Gewinneintritts ergibt (BGH NJW 2002, 2553 ff.).

6Nach dem Urteil des Bundesgerichthofs vom 02.12.1991 ist einem Anleger, der durch schuldhafte unrichtige Angaben bewogen wurde, einer Publikumsgesellschaft beizutreten, nicht nur seine Einlage, sondern auch der Schaden zu ersetzen, der sich typischerweise daraus ergibt, dass das Eigenkapital in solcher Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt bleibt, sondern zu einem allgemein üblichen Zinssatz angelegt worden wäre (BGH NJW 1992, 1223).

7Das erstinstanzliche Gericht hat den entgangen Gewinn auf 3 % geschätzt. Nachdem in dem erstinstanzlichen Urteil keine Grundlagen für die Schätzung enthalten sind, war diese erneut vorzunehmen.

8Der Senat schätzt den Schaden in Form des entgangenen Gewinns gemäß § 287 ZPO in Anlehnung an die Vorschrift des § 246 BGB auf 4 %. Die Vorschrift des § 287 ZPO soll es dem Gericht ermöglichen, in den Fällen eine Schätzung vorzunehmen, in denen auf Grund einer hypothetischen Schadensberechnung die Höhe nur schwer zu bestimmen ist, (Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., § 287 Rz. 1).

9Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Anleger hat eine Beteiligung gezeichnet. Es ist somit davon auszugehen, dass er sein Kapital nicht für Konsumzwecke verwendet hätte. Die Frage, welche andere Anlageform er gewählt hätte, ist hypothetisch.

Sowohl festverzinsliche Anlagen als auch unternehmerische Beteiligungen haben eine höchst unterschiedliche Gewinnerwartung, die von den steuerlichen Gegebenheiten, dem jeweiligen Schuldner und der Laufzeit abhängen. Auch bei festverzinslichen Anlagen gibt es eine Vielzahl von Variablen, die einen ungewissen Einfluss auf den tatsächlichen Gewinn haben können. Auch hier kommen - zumindest im Ansatz - spekulative Elemente zum Zuge. Es ist gerichtsbekannt, dass nicht alle Banken den gleichen Zinssatz anbieten und die Laufzeit durch den Anleger bestimmt wird. Setzt er auf fallende Zinsen, wird er eine längere Laufzeit bevorzugen, setzt er auf steigende Zinsen, so wird eine frühere Fälligkeit gewählt.

Zur Überzeugung des Senats ist der entgangene Gewinn daher auf 4 % Zinsen zu schätzen. Der Gesetzgeber hat durch die Vorschrift des § 246 BGB zu erkennen gegeben, dass dies ein angemessener Wert für die Vorenthaltung eines Kapitals ist. Der Senat hält die Höhe unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls auch in dem streitgegenständlichen Verfahrens für angemessen. Der Anleger hat einen Fonds gezeichnet, der eine erhebliche Rendite ausgewiesen hat. Gleichzeitig hat er versucht, einem gewissen Sicherungsbedürfnis Rechnung zu tragen, da der Fonds mit dem Wort „Garantiefonds“ überschrieben war. Im Sinne des § 287 ZPO ist daher davon auszugehen, dass der Anleger bei anderweitiger Nutzung seines Kapitals eine Rendite von 4 % erzielt hätte.

Der Zinsausspruch war daher auf die Berufung der Beklagten zu 1) nicht abzuändern, da sie durch Entscheidung des Landgerichts im Ergebnis nicht in ihren Rechten verletzt ist.

2.

Das erstinstanzliche Urteil war allerdings hinsichtlich der Zug-um-Zug- Verurteilung abzuändern. Die Abgabe eines Angebots gegenüber der Beklagten zu 1) auf Übertragung der Beteiligung genügt nicht. (vgl. BGH, Beschluss vom 30.06.2009 - XI ZR 266/08). Die Klagepartei hat einen Anspruch im Rahmen der Schadenswiedergutmachung gemäß § 280 i. V. m. § 249 BGB, dass sie so gestellt wird, als hätte sie die Beteiligung nicht gezeichnet. Für die Rückübertragung der Beteiligung genügt aber die Abgabe eines Angebots nicht. Gemäß § 6 des Gesellschaftsvertrags sind eine Reihe von Maßnahmen nötig.

So muss z. B. gemäß § 6 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags die Komplementärin ihre Zustimmung erteilen. Würde sie diese rechtswidrig verweigern, so hätte die Beklagte als außen stehende Person keine Möglichkeit, die Übertragung der Gesellschaftsanteile tatsächlich zu bewirken. Bis zur Übertragung der Gesellschaftsrechte hat nur der Kläger die Möglichkeit, seine Rechte als Gesellschafter wahrzunehmen. Die Besonderheit in dem Verfahren besteht gerade darin, dass - wie oben ausgeführt - allein die Abtretung der Treuhandstellung gesellschaftsrechtlich nicht ausreichend ist, wie sich aus den oben zitierten gesellschaftsrechtlichen Vorschriften ergibt.

Insoweit war das erstinstanzliche Urteil dahin abzuändern, dass die Verurteilung Zug um Zug gegen Übertragung der gezeichneten Beteiligung erfolgt.

Sollte die Fondsgesellschaft im Einzelfall insbesondere im Hinblick auf eine eventuell anfallende Gewerbesteuer die Zustimmung zur Übertragung der Gesellschaftsanteile von der Stellung einer Bürgschaft durch die Klagepartei abhängig machen, rechtfertigt dies keine andere Entscheidung. Die Klagepartei hat einen titulierten Anspruch „von allen wirtschaftlichen Nachteilen“ freigestellt zu werden. Dazu gehört auch eine übernommene Bürgschaft. Der Senat bleibt insoweit bei seiner Auffassung, dass die Klagepartei verpflichtet ist, der Schädigerin im Rahmen der Zug-um-Zug-Verurteilung tatsächlich eine im Sinne des Gesellschaftsvertrages gesicherte Stellung zu verschaffen und die Beteiligung zu übertragen

Soweit seitens der Klagepartei geltend gemacht wird, gemäß § 6 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages sei die Zustimmung der finanzierenden Bank zu einer Schuldübernahme erforderlich, vermag sich der Senat dieser Auffassung nicht anzuschließen. Der Gesellschaftsvertrag spricht nur von einer Übernahme der Teilfinanzierung. Hierfür genügt es, wenn die neue Gesellschafterin zusätzlich zu dem alten Gesellschafter die Verbindlichkeiten aus dem Darlehen übernimmt. Es kommt nicht darauf an, ob die finanzierende Bank den ausscheidenden Gesellschafter aus der Haftung entlässt.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 07.12.2009 - II ZR 15/08 - ist für das Verfahren nicht einschlägig. Der Antrag der Klagepartei richtet sich nicht auf die Abgabe eines Angebots auf Abtretung der Rechte aus dem Treuhandvertrag, sondern auf die Abgabe eines Angebots auf Übertragung der Beteiligung.

Die rechtliche Problematik bedarf im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 06.07.2010 - XI ZB 40/09, Rz. 14) derzeit keiner abschließenden Entscheidung, weil etwaige Divergenzen im Wege der Auslegung zu bereinigen sind.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92, 97 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen.